Archive for Juni, 2009

Michael Jackson und die Paramedics

Juni 26, 2009

Heute Morgen war in einigen deutschen Medien zu hören, Michael Jackson sei in seinem Haus von „einem Notarzt“ behandelt worden. Eine andere Variante lautete, dass Jackson nicht mehr geatmet habe, als „der Notarzt“ angekommen sei. Da stutzt der Amerika-Kenner. Ein Notarzt? In den USA? Eher weniger. Und tatsächlich ist in den US-Medien von paramedics die Rede.

Denn in den USA fährt meist nicht ein Arzt mit ‚raus. Dafür sind die Entfernungen zu groß, der Doktor würde zu viel Zeit damit verbringen, im Krankenwagen zu sitzen und geschmacklose Witze mit dem Fahrer auszutauschen oder Schlaf nachzuholen. Wo kämen wir denn da hin.

Stattdessen werden besagte Paramedics eingesetzt, Spezialisten, deren Aufgabe es ist, die Erstversorgung zu leisten, den Patienten zu stabilisieren und dann so schnell wie möglich ins Krankenhaus zu schaffen. Die Betonung liegt auf „schnell“. Der interessierte Leser wird sich an die Buffy-Folge „The Body“ erinnern, in der Buffys Mutter von Paramedics behandelt wird, ohne Erfolg.

Diese Strategie wird scoop-and-run genannt, während der Notarzt in Deutschland nach der Philosophie des stay-and-play handelt. Es gibt endlose Fach-Diskussionen darüber, welches Verfahren besser ist, bereichert durch Überlegungen, welches kostengünstiger ist. Wir werden uns nicht daran beteiligen, sondern nur darauf hinweisen, dass unterschiedliche Bedingungen herrschen:

The differences between Europe and the US are the pattern of injury (more penetration injuries in the US) and the difference in transportation times (hospitals in Europe are not so widely spread).

Mit penetration injuries ist nicht das gemeint, was die 13-jährigen männlichen Leser jetzt denken, sondern Stich- und Schussverletzungen. Das US-Militär bildet seine Ärzte und Pfleger nicht umsonst auch in Krankenhäusern wie dem Kings County in New York aus.

Allgemein gehen Teile des heutigen US-Systems auf die Lehren aus den Korea- und Vietnam-Kriegen zurück. Umgekehrt hat die amerikanische Wehrmedizin in den vergangenen Jahren massiv von neuen Verfahren aus der zivilen Unfallmedizin profitiert:

The fighting in Iraq and Afghanistan has brought about a major change in how the United States deals with combat casualties. The result is that over 90 percent of the troops wounded, survive their wounds. That’s the highest rate in history.

Unter anderem sind die Soldaten besser ausgebildet und beherrschen jetzt Verfahren, die zuvor nur Sanitäter kannten, während Sanitäter Dinge tun, die vorher Ärzten vorbehalten waren. Wir hatten über die Bedeutung der Erste-Hilfe-Ausbildung bei dem First-Person-Shooter America’s Army gesprochen.

Zurück zum Paramedic. Dessen Ausbildung ist nicht landesweit standardisiert und dauert je nach Bundesstaat und Aufgabengebiet zwischen einigen Monaten und mehreren Jahren. Entsprechend sind die Fähigkeiten auch sehr unterschiedlich – die Wikipedia hat dazu eine hilfreiche Tabelle.

Man bemerke, dass hochgebildete Paramedics nicht nur jede Menge Medikamente einsetzen dürfen, sondern auch eigenständig und ohne Aufsicht eines Arztes kleinere Eingriffe wie Näharbeiten vornehmen. In Großbritannien gibt es inzwischen super-paramedics, die offenbar noch einen Schritt näher am „Halb-Arzt“ (und damit wohl „Viertel-Götter“) sind.

Am Paramedic sehen wir ein allgemeines Prinzip des amerikanischen Gesundheitssystems: Eine ganze Reihe von Aufgaben, die in Deutschland von Ärzten übernommen werden, fallen Spezialisten zu.

Am deutlichsten ist der Unterschied bei den Pflegekräften, sprich, der Krankenschwester. Um eine registered nurse (RN) zu werden, muss man zwei bis vier Jahre studieren und arbeitet dann auch viel selbstständiger. Das Aufgabengebiet eines deutschen Pflegers entspricht eher dem einer licensed practical nurse (LPN), die ihre Anweisungen von der RN kriegt. Entsprechend sind Amerikaner (und Briten) in Deutschland beeindruckt, was alles der Herr Doktor persönlich tut. Great service!

Wie sollte man Jacksons Helfer denn nun auf Deutsch nennen? Am ehesten passt der Begriff des Rettungsassistenten, der im Volksmund ungeachtet seiner wesentlich besseren Ausbildung gerne zum „Rettungssanitäter“ degradiert wird (daher der Witz: „Guten Tag, ich bin der Rettungssanitäter und das hier ist mein Assistent“). Das ist zwar nicht ganz richtig – Paramedics handeln selbstständig, während der deutsche Rettungsassistent trotz seiner umfangreichen Fähigkeiten meist verflucht ist, Handlanger des Notarztes zu sein. Aber es kommt der Sache schon näher.

Allerdings klingt das mit dem Notarzt natürlich dramatischer. Auch nach seinem Tod bleibt Jackson selbst in kleinen Dingen nicht von der Sensationsgier verschont.

ZEUGS: Iranische V-Zeichen, die Queen im Garten und Buffy vs Edward

Juni 23, 2009

Im Hause Stevenson werden die sommerlichen Renovierungsarbeiten gemacht. Unter anderem ist Kind Nummer Zwei alt genug für ein richtiges Zimmer, mit einer Wand in seiner Wahlfarbe („green nein schwarz nein green nein schwarz nein green“ – also grün). Entsprechend wenig Zeit ist für’s Schreiben übrig, und daher heute wieder ein Zeugs.

  • Zum V-sign: Kaum haben wir das V erklärt, finden wir das Zeichen im Iran beim BBC [JPG], bei der „New York Times“ und auf dem Cover des „Spiegel“ [JPG]. Im Eintrag selbst hatten wir auf ein Foto von Präsident Mahmud Ahmadinedschad gelinkt – wir werden sehen, wer am Ende die Finger oben hat.
  • Zur Bevölkerung der USA: Die Zahl der illegal Eingewanderten hat sich stabilisiert:

    In 2008, an estimated 11.9 million unauthorized immigrants resided in the United States. The growth of the undocumented population was rapid from 1990 (when there were 3.5 million undocumented immigrants) to 2006 but it has since stabilized.

    Von 3.5 Millionen auf 11,9 Millionen in 18 Jahren erklärt vielleicht, warum das ein großes Thema in den USA ist. Das sind gegenwärtig vier Prozent der Bevölkerung und 5,4 Prozent der Erwerbstätigen.

  • Zu Hispanics: Das klingt für Deutsche vielleicht erstmal nicht beeindruckend, 11,9 Millionen, auch wenn das etwa die Bevölkerung Griechenlands ist, denn die USA sind ja ein großes Land. Klarer wird die Bedeutung vielleicht, wenn man sich die Sache von der anderen Seite der Grenze anschaut: Mehr als ein Zehntel aller Mexikaner wohnt jetzt in den USA, legal oder illegal. Der Link enthält eine Grafik, die klar machen dürfte, warum Hispanics jetzt die größte Minderheit der USA sind.
  • Zur Meinungsfreiheit: Der BBC hat einen Bericht über die unübersichtliche Situation bei dem Verbot der Holocaust-Leugung in Europa:

    Holocaust denial is illegal in 13 countries, including France, Germany and Israel. It was also a crime in Slovakia, although this law was repealed in May 2005. The Netherlands, Denmark, Sweden, Italy, and the United Kingdom have all rejected Holocaust denial legislation.

    Verglichen wird das mit der Lage in den USA. Hintergrund ist eine Diskussion über Hass-Websites.

  • Zum Heer: Die US-Army hatte jüngst Geburtstag und ist jetzt 234 Jahre alt. Und weil wir heute mit Zahlen um uns schmeißen: 84 Prozent der US-Bürger haben eine positive Meinung von ihren Streitkräften.
  • Zu Transition Towns und Land für alle: Nach der Familie Obama hat jetzt auch uns Liesbeth einen Gemüsegarten angelegt, den royal sustainable vegetable patch. Die Unterschiede sind so, wie man sie sich vorstellt: Der Obama-Garten [PDF] ist mit 120 Quadratmetern fast zwei Mal so groß wie die 67 Quadratmeter der Queen. Während in der Republik die Präsidenten-Frau wenigstens symbolisch selbst zur Harke greifen muss, bemerkt auch der BBC mit einem Zwinkern, dass in der Monarchie die Gärtner die Arbeit machen. Und die Briten haben sofort wieder Ärger mit dem Klassenkampf, denn für Normalsterbliche ist die Zuteilung eines Gemüsegartens auf öffentlichem Land (allotment) deutlich aufwändiger:

    Non-royals are often dependent on their local council to rent them a strip of land. Demand is far outstripping supply. (…) „[S]ome gardeners are more likely to get a burial plot before they are given an allotment“.

    Das hat man davon, wenn die Vorfahren nicht ausgewandert sind.

  • Zu Vampiren: Die wichtigste Nachricht der vergangenen Tage betrifft eine Frage, die auch in der Familie Stevenson heiß diskutiert wurde: Wer würde gewinnen, unsere Buffy oder der Vampir Edward von Twilight? Nun, jetzt wissen wir es [Video], dank der Schnittkünste von Jonathan McIntosh. Nicht, dass der Ausgang irgendwie überraschend wäre …

[Korrigiert 31. Jan 2010: Nicht der Holocaust ist in Europa verboten (gut, auch), sonder die Leugnung des Holocaust. Danke an TS für den Hinweis]

ZEUGS: Veronica Mars, eine Bierkarte der USA und der Vader-Rap

Juni 20, 2009
  • Zu Wizard of Oz und Sheriffs: Unter Buffy-Fans gilt die Serie Veronica Mars als sehenswert. Dieser Autor ist vor einigen Tagen dann doch endlich dazu gekommen, wenigstens die erste Folge zu sehen. Früher wäre besser gewesen: Wir haben nicht nur ein go see the Wizard for some guts, sondern sogar ein and your little dog, too und auch die Abwahl eines Sheriffs. Eine spätere Folge heißt Drinking the Kool-Aid. Die Serie macht insgesamt einen sehr guten Eindruck. Eigentlich klar, schließlich haben die Idioten vom Fernsehen sie nach drei Staffeln abgesetzt. Das kennen wir ja.
  • Zu Landbesitz und Wälder: Der Economist hat einen Bericht darüber, wie schnell Großbritannien „entwaldet“ wurde:

    By the time the Romans arrived in 43AD, perhaps half the existing woodland had disappeared. A thousand years later, William the Conqueror’s Domesday Book recorded that only around 15% of England was forested.

    Schottland will jetzt ein Fünftel seiner Fläche wieder in Wald verwandeln. Da wird Diana Gabaldon gleich noch einen Band hinterherschieben müssen.

  • Zu Bier, eine weitere Karte der genialen Site Strange Maps. Früher war die Situation einfach: Die Kanadier und Briten haben Witze über das amerikanische Bier gemacht („Why is American beer like making love in a canoe?“ — „It’s fucking close to water“). Allerdings erbarmten sich die Engländer in den 80ern und brachten ihren kulturellen Verwandten das microbrewing bei. Das hat in den USA inzwischen zum craft brewing [Video] und homebrewing geführt. Kurz gesagt, die Dinge sind nicht mehr wie früher, was vermutlich auch kein Verlust ist.
  • Zu den Maßeinheiten, wenn wir schon bei coolen Websites sind: Auch amerikanische Katzen haben Probleme mit dem metrischen System.
  • Zu Notausrüstungen: Vor einiger Zeit gab es auf Slashdot eine wunderbare Diskussion über Notstromgeneratoren. Der elektisch gebildete interessierte Leser wird sich über die Teile freuen, wo darüber diskutiert wird, ob man das ganze Haus „rückwärts“ über eine einzelne Steckdose versorgen sollte:

    [I]t also provides entertainment when the AC power comes back on line.

    Das ist übrigens Ironie. Man beachte die Zahl von Leuten die Dinge schreiben wie we’d just had an ice storm that knocked out power for two days.

  • Zu falschen Flaggen: Der interessierte Leser C weist darauf hin, dass die US-Soldaten Flaggen nur bei internationalen Einsätzen am „problematischen“ Ärmel tragen.
  • Zu Gang Signs: Der interessierte Leser JR weist auf den Star Wars Rap [YouTube] hin, in dem Vader irgendwie nicht auf Alt-Englisch redet. Nach Star Trek hofft dieser Autor jetzt übrigens, lange genug für einen „reboot“ von Star Wars zu leben. Und dann wäre noch die Sache mit den zwei Matrix-Fortsetzungen …

Rip Van Winkle oder wenn Amerikaner mal so richtig ausschlafen

Juni 16, 2009

Wer die Diskussion über peak oil deprimierend findet, ist nicht allein. Als Becky Prelitz die Bücher ihres Mannes darüber las, kam sie erstmal sechs Monate nicht aus dem Bett (Hervorhebung hinzugefügt):

When she woke up from her Rip-Van-Winkle reaction to what she dubbed post petroleum stress disorder, she found another book on her doorstep […].

Wer ist dieser Rip Van Winkle? Schauen wir uns eine kanadische Rezension des britischen Zombie-Films 28 Days Later an, wo der Protagonist aus einem Koma erwacht:

The Rip Van Winkle-like character soon learns of the virus that has separated London into the ragingly mad and violent infected and the few remaining humans trying to stay one step ahead of the infected.

Der Name klingt niederländisch, und wer jetzt sagt, Moment, das hatten wir doch, liegt richtig: Wie der Kopflose Reiter aus Sleepy Hollow ist Rip eine Figur von Washington Irving. Er kommt im Sketch Book (1819-1820) vor als ein fauler und von seiner Frau genervter Ehemann, der sich in den Catskill Mountains hinlegt und 20 Jahre später aufwacht. Siehe da, die Welt hat sich verändert. Ganz abenteuerliche Dinge erzählt man ihm:

How that there had been a revolutionary war — that the country had thrown off the yoke of old England — and that, instead of being a subject of his Majesty George the Third, he was now a free citizen of the United States.

Das ist natürlich ein Schock. Man stelle sich vor, man wäre in den 80ern eingeschlafen und heute aufgewacht: Internet, Handys, der Fall der Sowjetunion und islamischer Terrorismus wären nichts gegen das Erstaunen, was in aller Welt mit der Musik passiert ist. Warum können die Leute nicht mehr singen? Und hat MTV nicht früher auch Musikvideos gezeigt?

Rip Van Winkle ist eine der ersten amerikanischen Kurzgeschichten und hatte einen großen Einfluss auf die Literatur. Den interessierten Leser dürfte auch interessieren, dass es eine deutsche Inspiration geben soll. Womit jeder eine Entschuldigung hat, morgen symbolische 20 Minuten länger im Bett zu bleiben, denn solches Kulturgut muss gepflegt werden.

ZEUGS: Dreckige Energie, faule Franzosen und Britannias Herrschaft

Juni 12, 2009
  • Zum Energieverbrauch: Das „Wall Street Journal“ beschriebt die Vorgänge bei billiger Energie sehr ausführlich am Beispiel von sparsamen Glühbirnen: Strom ist in den USA so billig, so ihr Argument, dass die meisten Leute bei der normalen Birne mit ihrem angeblich schöneren Licht bleiben. Oder wie es der Physiker Arthur Rosenfeld sagt:

    If energy is dirt cheap, it gets treated like dirt.

    Der Anteil der verkauften Energiespar-Birnen (CFL) ist in den USA wegen der Wirtschaftskrise im vergangenen Jahr auf 21 Prozent von 23 Prozent im Jahr zuvor gefallen. Den Streit um Glühbirnen gibt es auch im Hause Stevenson: Die Schönste Germanin mag es so hell wie im OP-Saal und arbeitet unter einer 23 W Natural Color CFL-Birne, während diesem Autor ein Lichtspot in der gemütlichen Dunkelheit reicht und er sich eine 1,8 W High-Power-LED über den Schreibtisch anbringt. Es ist gut, dass es im Haus keine Dimmer gibt.

  • Zu Transition Towns: Wer angelsächsische Medien oder Blogs verfolgt, wird kaum den kanadischen Wirtschaftswissenschaftler Jeff Rubin vermeiden können, der im Moment einen media blitz für sein Buch Why Your World is About to Get a Whole Lot Smaller: Oil and the End of Globalization veranstaltet. Und da sagt man, die US-Bürger wären aufdringlich.
  • Zu dicken Amerikanern: Der interessierte Leser MM weist darauf hin, dass die Franzosen eingesehen haben, wie indiskutabel weicheiig die vielen Pausen bei der Tour de France sind: Es gibt auch ein Rennen namens Le Tour Ultime. Dass es dummerweise 2008 und 2009 mangels Fahrer abgesagt werden musste, erwähnen wir hier nur am Rande (snicker). Das Race Across America 2009 (RAAM) beginnt in vier Tagen.
  • Zum Waffenrecht: Bewaffnete Frau stoppt Ausbrecher. Der Fall entspricht den Vorwürfen der Waffenrechts-Befürworter: Es erscheint nicht in den großen Medien, sondern in der Lokalzeitung, geschrieben von einem freien Mitarbeiter. In der deutschen Presse konnte dieser Autor den Vorfall nicht finden. Wir nehmen nach wie vor nicht zu der Frage Stellung, ob ein Pfefferspray es nicht auch getan hätte.
  • Zu America’s Army: Wer Left 4 Dead spielt und damit Steam installiert hat, kann den dritten Teil des realistischen Shooters des US-Heeres jetzt in einer Vorversion downloaden, aber witzigerweise noch nicht spielen – preloading nennt man as wohl. Früher, als wir noch gegen die Leather Godesses of Phobos gekämpft haben und die Zahl 69.105 eine Bedeutung hatte, da hatte man ein Spiel oder hatte es nicht. Die Veröffentlichung von AA3 ist nach wie vor für den 17. Juni geplant.
  • Zum point of no return weist der interessierte Leser MN darauf hin, dass man hin und wieder auf Deutsch „Punkt ohne Wiederkehr“ findet, ohne dass klar sei, ob dies eine Übersetzung ist oder eigenständig entstand.
  • Zu Columbias Freundin Britannia: Letzte taucht bei Pink Floyds Meisterwerk The Wall in dem Lied „Waiting for the Worms“ auf:

    Would you like to see Britannia rule again, my friend?
    All you have to do is follow the worms.
    Would you like to send our coloured cousins home again, my friend?
    All you need to do is follow the worms.

    Wir sehen übrigens bei waiting to put on a black shirt dass – wie in Italien – schwarz eine starke Assoziation mit dem Faschismus hat, nicht nur braun. Die Browncoats sind in den USA bekanntlich inzwischen die Guten.

Warum Blueberries keine Blaubeeren sind

Juni 9, 2009

Dieser Autor und Kind Nummer Zwei haben jüngst die Abwesenheit der Frauen des Hauses genutzt, um gewisse unbedingt notwendige Anpassungen in Küche und Garten vorzunehmen. Der Vorratsschrank ist jetzt, nun, strukturierter und es gibt zwei neue Himbeersträucher. Es hätten drei sein können, aber auf dem verbliebenen Platz sollen Blaubeeren hin. Allerdings ist das für einen Amerikaner in Deutschland nicht ganz so einfach.

Denn was er eigentlich haben will sind blueberries, was trotz des Namens keine „Blaubeeren“ sind. Beide gehören zur Gattung vaccinium, aber die nordamerikanische Art heißt, soweit dieser botanisch ungebildete Autor es verstanden hat, corymbosum und die europäische Art myrticillus. Die europäische Blaubeere wird auf Englisch Bilberry genannt, oder notfalls European blueberry. Eigentlich ist es noch komplizierter, weil es endlose Hybrid-Formen gibt. Aber dieses Blog hasst kompliziert, und deswegen werden wir hier einfach von „Blueberries“ und „Blaubeeren“ sprechen.

Die wichtigsten Unterschiede sind wohl, dass die Blueberry nur an der Oberfläche blau ist – beißt man sie in zwei Teile, ist das Fruchtfleisch nicht auch blau, sondern hell. Zudem wachsen die Beeren beim Blueberry-Strauch in Gruppen [JPG] und beim Blaubeeren-Strauch einzeln [JPG]. Und ganz nebenbei schmecken sie auch anders. Vermutlich hält man sie so für besser, wie man sie aus der Kindheit kennt, weswegen diesem Autor Blaubeeren immer so vorkommen wie Cola Light zu echter Cola.

Aber bekanntlich macht der Kulturimperialismus vor nichts halt und so muss sich die europäische Blaubeere inzwischen gegen die amerikanische Blueberry wehren. Nehmen wir Großbritannien:

Sales of blueberries, which once barely figured on supermarket shelves, have soared in the past year [2004], rising by £14.7 million to make the total British market worth about £31m. According to Tesco, Britain’s largest supermarket, sales have risen by 185 per cent since last September. At Waitrose, sales have risen by 150 per cent over the past year.

Blueberries wurden dabei überhaupt erst ab 1949 in Großbritannien angebaut.

Was soll die plötzliche Beliebtheit? Nun, Blueberries sollen ganz tolle Eigenschaften haben, so tolle, dass man sie zu der Gruppe der superfruit zählt, sie also ein superfood sein sollen. Das sind Lebensmittel, die nicht nahrhaft, sondern unglaublich gesundheitsfördernd sein sollen. Der Begriff wurde etwas inflationär gebraucht, weswegen die EU inzwischen Regeln zur Verwendung aufgestellt hat.

Allerdings sollen auch Blaubeeren ganz toll sein. Daher geben wir hier diesen Rat weiter:

Take your pick — literally. If you find them, eat them. They are delicious no matter what they are called.

Das mag sein. Aber in richtige blueberry muffins [YouTube] gehören nun mal richtige Blueberries – auch wenn man sie selbst anbauen muss.

[Nach einem Vorschlag von DKS, vielen Dank]

ZEUGS: Pfützen für Vampire, Zombies im Gemüsegarten und Urin in Golfschlägern

Juni 5, 2009

Nur kurz heute, denn die Briten waren sehr, sehr angestrengend …

  • Zum Wizard of Oz: Bekanntlich hat dieser Autor artig mit der Schönsten Germanin den chick flick Twilight geguckt, weil so etwas die Ehe glücklich hält. Kommt so ein erfolgreicher Film ohne den Kansas-Spruch aus? Natürlich nicht. Die naive Göre Hauptdarstellerin aus Arizona tritt in eine Pfütze, die dort so selten sind wie Ananas-Plantagen in Deutschland, und ist ganz erschrocken. Und was sagt der Vater?

    You’re not in Phoenix anymore

    Komischerweise scheint Star Trek ohne ausgekommen zu sein.

  • Zur Kriminalität: Der interessierte Leser DKS verweist auf die zehn sichersten Großstädte in den USA:

    New York, San Jose, Los Angeles, San Diego, El Paso, Honolulu, Denver, Boston, Las Vegas und Louisville

    Ja, New York. Allgemein geht die Gewaltrate in den USA zurück – nur in den kleinsten Städten des Landes steigt sie. Stephen King wusste es schon immer.

  • Zu seltsamen Monumenten: Eigentlich hatte dieser Autor einen Eintrag über die Georgia Guidestones machen wollen, ein mysteriöses Gebilde aus Monolithen, die mit klugen Sprüchen in mehreren Sprachen verziert sind. Aber Wired hat einen so wunderbaren Bericht über das „American Stonehenge“ gemacht, dass er sich jetzt gar nicht mehr traut.
  • Zu crowned: Valve selbst soll auf Anfrage erklärt haben, die richtige Aussprache sei Crow Ned. Vermutlich ist das der Freund von Chicago Ted.
  • Zu pwnd, wenn wir schon mal dabei sind, bieten wir gleich zwei Links: Einmal den Text zu einem YouTube-Video über „dumme Europäer“ (Hervorhebung hinzugefügt):

    Americans may be fat, as we showed you last week, but we didn’t want our European friends to feel left out. Here are our top 5 videos of people getting pwned across the pond.

    Und bevor es als „Killer-Spiel“ verboten wird, weisen wir nochmal schnell auf Plants vs. Zombies hin, wo auf einem Grabstein Pwned! steht. Wer das lustig findet, sollte sich in seinem Garten vielleicht genauer umschauen.

  • Zu Büchern: Der Autor des Blogs Nothing for Ungut, in gewisser Weise das Gegenstück zu diesem Blog, hat ein Buch angekündigt.
  • Zu Pinkeln in der Öffentlichkeit: Über einen Twitter von Murrayde kommen wir zu einer Lösung für den Golfplatz [YouTube]. Eine Parodie? Wer weiß?

Left 4 Dead 2 und die korrekte Ausführung des Victory-Zeichens

Juni 2, 2009

Die Softwarefirma Valve hat einen Nachfolger für seinen erfolgreichen Zombieshooter Left 4 Dead angekündigt, der den einfallsreichen Namen Left 4 Dead 2 (L4D2) trägt. Veröffentlicht wurden schon ein (genre-typisch blutiger) Trailer und das erste Poster [JPG] mit dem Spruch

This time it all goes South

Wie fast jeder Text in der Serie ist das ein Witz: L4D2 spielt nicht nur in den Südstaaten, to go south bedeutet auch, dass etwas auseinanderfällt oder in die Hose geht. Das zweite Spiel soll nicht nur größer, intelligenter und schneller sein, sondern auch gloriously more gory, wie die Spieletester von Rock, Paper, Shotgun es beschreiben.

Entsprechend können wir davon ausgehen, dass die BPjM versuchen wird, das deutsche Volk vor der sozialethischen Desorientierung zu bewahren, die droht, wenn man Zombies mit einer Bratpfanne erschlägt. Beim ersten Teil wurde bekanntlich sogar das Titelbild der Verpackung retouchiert und damit das Wortspiel mit den „verbliebenen vier Fingern“ zerstört. Daher sollten wir schnell den Witz auf dem neuen Cover [JPG] erklären, bevor es wieder von der Zensur zunichte gemacht wird. Das Thema stand eh auf der Liste.

Denn diesmal geht es um zwei Finger, die zu einem V ausgestreckt sind. Im Englischen wird allgemein vom V sign gesprochen, in Deutschland ist die Geste besser als „Victory-Zeichen“ (oder neuerdings als „Ackermann-Zeichen“) bekannt.

Als solches wurde es von dem britischen Weltkriegs-Premierminister Winston Churchill berühmt gemacht. In den USA war es Präsident Richard Nixons Markenzeichen [JPG]. Allerdings ist die Situation bei den Amis etwas komplizierter, denn in den 60ern versuchte die Hippie-Bewegung, die zwei Finger als ein Friedens-Zeichen zu vereinnahmen. Entsprechend hängt dort die Bedeutung vom Zusammenhang ab.

Wie auch immer, die weltweite Verbereitung des V-Zeichens gehört zu den größten Erfolgen des angelsächsischen Kulturimperialismus. Selbst die ärgsten Feinde des Westens benutzen es.

Doch halt.

Es ist in angelsächsischen Ländern, insbesondere in Großbritannien, von entscheidender und manchmal für die eigene körperliche Unversehrtheit von kritischer Bedeutung, die Hand richtig herum zu halten. Um „Sieg“ (oder „Frieden“) zu signalisieren, muss die Handinnenfläche nach außen zum Betrachter zeigen. Zeigt dagegen der Handrücken zum Betrachter – wie beim L4D2-Cover – ist es zwar immer noch ein V sign, aber jetzt eine schwere Beleidigung. Sie liegt etwa auf der Ebene des von Amerikanern bevorzugten flipping the bird, wie liebevoll der ausgestreckte Mittelfinger genannt wird.

Eine eindrucksvolle Demonstration des two-finger salute finden wir, wo sonst, bei Buffy, als der britische Vampir Spike in der Folge „Hush“ zu verstehen gibt [JPG], dass er an der plötzlichen Sprachlosigkeit der Stadt keine Schuld trägt. Das zeigt uns, dass Amerikaner die Geste durchaus verstehen, auch wenn sie sie nicht anwenden, und dass sie selbst im FCC-überwachten Fernsehen zulässig ist. Die Briten werden dagegen richtig fuchsig, besonders wenn ihre Fußballspieler nicht an sich halten können.

Der Unterschied zwischen den Formen ist leider nicht allen Germanen klar. Das sieht man nach kurzer Suche auf Google Images mit den Stichworten „Victory Zeichen“. Der CDU-Politiker Christian Wulff macht es zum Beispiel zwar fast immer richtig, aber leider nur fast. Immerhin fällt das inzwischen Teilen der deutschen Presse auf.

(Ganz bizarr war eine Werbekampagne von Nike, wo zwar vom „weltweit bekannten Victory-Zeichen“ die Rede ist, die Modelle es aber falsch herum zeigen: Der Fotograf Rankin war ein Brite. Hat er die Firma auf den Arm genommen?)

Während der Mittelfinger eine lange Tradition hat und angeblich als digitus impudicus auf die Antike zurückgeht, ist die Herkunft des V-Zeichens unklar. Eine im Internet und in viel zu vielen Medien wiederholte Erklärung hat mit der Schlacht von Agincourt im Jahr 1415 während des Hundertjährigen Kriegs zu tun. Die von ihrem tiefsten Wesen her bösen Franzosen sollen demnach den aufrechten
britischen Langbögen-Schützen [YouTube] gedroht haben, ihnen die Finger abzuschneiden, damit sie nie wieder eine Sehne ziehen könnten. Als die Briten einen überwältigenden Sieg errangen, sollen sie ihre Finger hochgestreckt haben – schaut her, wir haben sie noch.

Dass die Geschichte Quatsch ist, sieht man schon daran, dass die Amerikaner sie auch erzählen, allerdings für ihr Mittelfinger-Zeichen. Kurz, es gibt keine historischen Belege dafür. Angelsachsen mögen sie trotzdem, weil sie den Franzosen grundsätzlich alles Schlechte zutrauen. Außerdem sind sie immer noch sauer, den Krieg verloren zu haben: Bis heute ist das britische Staatsgebiet [JPG] auf dem Festland unter französischer Besatzung.

Bleibt die Frage, was in Deutschland mit dem neuen L4D-Cover passieren wird. Wird nur wieder der Daumen ergänzt? Oder wird man die Geste so erkennen, wie sie gemeint ist? Im November werden wir es wissen. Außer natürlich, das Spiel wird dieses Mal vorsichtshalber ganz verboten – und der Verkauf von Bratpfannen gleich noch dazu.