Archive for Juli, 2011

ZEUGS: Darth Vader in Rosa, Regenfänger und einiges zu Religion

Juli 30, 2011

Inzwischen haben sich wieder jede Menge Links angesammelt, erstaunlich viele zu Religion diesmal. Angesichts der sintflutartigen Regenmengen ist das vielleicht sogar passend.

  • Zum Hello-Kitty-Sturmgewehr: Der interessierte Leser MG weist darauf hin, dass der Hello-Kitty-Darth-Vader das schlägt. Wie gut, dass Padmé das nicht mehr miterleben muss.
  • Zu Fahnen: Man muss sie nicht verbrennen. Man kann sie auch in eine flag disposal box tun, und jemand übernimmt dann den Rest. Wenn das keine Geschäftsidee für Anti-US-Demos ist.
  • Zur Umwelt: Die Stadt New York verteilt kostenlose Regenwassertonnen.

    The barrels, which connect to the downspout that takes water from the roof of a house and sell for about $150 at stores, are a simple way for people to save money on water bills while helping reduce the stress on the sewer system

    Für den Pädagogischen Gemüsegarten ist so etwas im Moment, äh, nicht nötig.

  • Zu Transition Towns: Angeblich wird Portland 2015 für den Übergang bereit sein, als einzige Stadt ihrer Größe in den USA.

    Most of Portland’s longstanding initiatives, from public transport and the integration of the bicycle, to city agriculture, water and waste management, and use of technology are solutions that will be seen not as discretionary but necessary by mid-decade.

    Klar ist, dass sie nicht so viele Regentonnen brauchen werden. Eine Arche vielleicht?

  • Zur Religionsfreiheit: Der Juraprofessor Howard Friedman sammelt in seinem Blog Religion Clause Fälle und Nachrichten zu dem Thema, damit wir es hier nicht tun müssen.
  • Zur (angeblichen) Religiosität der USA: Warum schauen wir nicht, wie die Christen in den USA selbst ihre Lage sehen? Kurz gesagt, nicht gut.

    In a society in which choice is king, there are no absolutes, every individual is a free agent, we are taught to be self-reliant and independent, and Christianity is no longer the automatic, default faith of young adults, new ways of relating to Americans and exposing the heart and soul of the Christian faith are required.

    Was dazu führt, dass Weihnachten schon mal seinen religiösen Charakter verliert.

  • Zu Religion, ein letztes Mal für heute: Das Magazin Salon befasst sich mit der Frage, warum es so viele Blogs von Mormonen gibt.

    Church elders have long encouraged members to keep regular journals for the dual purposes of historical record-keeping and promoting spiritual insight, and as a result Mormons are champion journalers and scrapbookers. In the 2000s, church elders began officially promoting new media technologies like blogs as a way of spreading the gospel (…).

    Der Artikel ist aus der Sicht einer amerikanischen feminist atheist, die erklärt, warum sie die Blogs von mormonischen Hausfrauen so faszinierend findet.

Nachtrag zur Fußball-WM: Mein Land, richtig oder falsch

Juli 26, 2011

Wir müssen doch noch einmal auf die Frauenfußball-Weltmeisterschaft eingehen. Während des Halbfinalspiels USA gegen Frankreich meinte die (familiär fußballtechnisch massiv vorbelastete) Schönste Germanin, die Führung der Amerikanerinnen spiegle nicht den Spielverlauf wieder. Whatever, war die Antwort dieses Autors, der dann grinsend den Satz my country, right or wrong hinterherschob.

Was ihr leider gar nichts sagte — joke fail. Und wenn schon die Schönste Germanin etwas nicht weiß, dann werden erfahrungsgemäß jede Menge interessierte Leser ebenfalls passen müssen.

Der Satz hat zwei Väter: Der erste war der Marine-Offizier Stephen Decatur (1779-1820), der im April 1816 folgenden Trinkspruch brachte:

Our Country! In her intercourse with foreign nations may she always be in the right; but our country, right or wrong.

Die zweite Variante stammt von dem in Deutschland geborenen Bürgerkriegs-General und Senator Carl Schurz (1829-1906), der übrigens jede Menge zur Förderung der deutschen Kultur in den USA unternahm. Bei ihm klang das so:

My country, right or wrong; if right, to be kept right; and if wrong, to be set right.

In beiden Fällen ist der Kernsatz eingeschränkt: Decatur durch den Wunsch, sein Land möge in der Außenpolitik alles richtig machen (was wir nicht kommentieren müssen), Schurz durch den Aufruf, etwaige Fehlentwicklungen zu korrigieren. In dieser langen Form ist es nicht viel mehr als das Bekenntnis eines mündigen Bürgers, seiner politischen Verantwortung gerecht zu werden.

So wird es heute allerdings nicht verwendet. Vielmehr wird es inzwischen in der verkürzten Form Personen in den Mund gelegt, denen man blanken und blinden Nationalismus unterstellt. Der interessierte Leser wird das Lied „My Country“ von der australischen Gruppe Midnight Oil kennen:

Did I hear you say
My country right or wrong

Der konservative Blogger J.R. Dunn von American Thinker verweist auf die Verwendung in den 60ern:

Whenever anyone revealed a shred of respect for the country, belief in its ideals, or faith in its future, that line was sure to follow. Always spoken with a sneer, the ultimate putdown, unanswerable and final: ‚My country, right or wrong.'“

Die Wiktionary spricht etwas abstrakter von der Nutzung als straw man bei Debatten.

Entsprechend ist der Spruch in den US-Medien inzwischen zum Klischee geworden. Die Website TV Tropes ordnet ihn in eine Gruppe mit anderen müden Begründungen ein wie „Ich habe nur Befehle befolgt“ und „Mein Meister hat immer Recht“ (aber nicht, wie ausdrücklich betont wird, mit „Country matters“, was wir schon besprochen haben).

Daher der Versuch dieses Autors, damit einen Witz zu machen. Haha.

Und wie war das jetzt wirklich mit dem Fußballspiel? Die Statistik sagt, dass Frankreich bei Ecken, Schüssen und Ballbesitz geführt hat, aber am Ende ging es halt 3:1 für die USA aus. Statt Sprüche zu klopfen halten wir uns vielleicht besser an die offizielle Einschätzung der Fifa: Demnach gewannen die Amerikanerinnen „dank großer Zielstrebigkeit und Effizienz“. Das klingt doch gut.

META: Blogpause bis zum 26. Juli 2011

Juli 19, 2011

Wann erkennt man besonders deutlich, dass die USA englische Wurzeln haben? Beim Elfmeterschießen natürlich … Spaß beiseite, Gratulationen an die Japanerinnen, die das Turnier über wunderbar gespielt haben und denen man den Titel vom ganzen Herzen gönnt.

Wir legen an dieser Stelle eine Blogpause ein bis

Dienstag, den 26. Juli 2011

einmal weil sich im wirklichen Leben jede Menge Zeugs angesammelt hat, aber offen gesagt auch weil dieser Autor endlich Blackout von Connie Willis als Taschenbuch vorliegen hat. Der nächste Eintrag wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein ZEUGS sein.

Eine Bemerkung zum Verhältnis der Amerikaner zu ihren Medien

Juli 15, 2011

Just 29% of Americans say that news organizations generally get the facts straight, while 63% say that news stories are often inaccurate.

Pew-Studie zu US-Medien, September 2009

Das deutsche Fernsehprogramm enthält für Amerikaner viele Rätsel. Von zu Hause aus sind sie ordentliche Anfangszeiten gewohnt: Sendungen beginnen und enden zur vollen oder halben Stunde. Bei PBS startet The Electric Company zum Beispiel um 18.30 Uhr. In Deutschland herrscht dagegen ein Chaos, das alle Vorurteile über die ordentlichen Germanen Lügen zu strafen scheint. Warum fängt, sagen wir mal, Unsere Kleine Farm bei Kabel 1 um 11.05 Uhr an? Ist das ein Druckfehler?

Der aufmerksame Amerikaner bemerkt außerdem, dass in Deutschland 20.15 Uhr eine besondere Bedeutung haben muss. So gut wie alle Sender synchronisieren ihr Abendprogramm auf diese Zeit, und Programmführer haben eigene Spalte dafür. Aber was ist so toll an 20.15 Uhr? Warum nicht 20.00 Uhr oder 20.30 Uhr?

Es ist erfahrungsgemäß schwierig, Amerikanern die Bedeutung der Tagesschau zu erklären. Die Vorstellung, dass bis zu einem Drittel der deutschen Zuschauer gleichzeitig dieselbe Nachrichtensendung gucken, erinnert ältere Amerikaner vielleicht noch an die Tage des legendären Nachrichtensprechers Walter Cronkite in den 60ern. Jüngere Semester gucken nur verständnislos.

An schlechten Tagen versucht dieser Autor es gar nicht zu erklären und behauptet einfach, die Tagesschau gehöre zu einem urgermanischen Kult, dessen wichtigste Symbole eine große, freundliche Maus auf zwei Beinen und ein kleiner, blauer Elefant seien. Dann ist wenigstens Ruhe.

Der etwas ernstere Hintergrund ist dass Amerikaner und Deutsche eine andere Beziehung zu ihren jeweiligen Medien haben. Kurz gesagt ist in den USA der Respekt für Journalisten, Zeitungen und Nachrichtensendungen sehr, sehr viel geringer. Mehr noch, Amerikaner trauen ihren Medien schlicht nicht, wie man an den Zahlen am Anfang dieses Eintrags sieht. Und dieses Misstrauen steigt:

The percentage of Americans who distrust the media has been steadily climbing since the mid 1990s, when distrusts in the news media rated hovered around 45 percent.

Im Extremfall schlägt das in die offene Verachtung für die sogenannte mainstream media (MSM) um, die der interessierte Leser aus dem Internet kennen wird. Der Kontrast zu dem Vertrauen, das in Deutschland insbesondere der Tagesschau entgegengebracht wird, ist krass.

Wir werden uns heute nicht mit der Frage beschäftigen, ob amerikanische Journalisten das verdient haben –

(Wer sich doch in die Debatte vertiefen will, kann mit der Analyse „Why Americans Hate the Media“ von James Fallows aus The Atlantic einsteigen:

Why has the media establishment become so unpopular? Perhaps the public has good reason to think that the media’s self-aggrandizement gets in the way of solving the country’s real problems

Der Artikel fängt mit einer Fernsehdiskussion zwischen Soldaten und Journalisten an, die bei diesem Thema gerne zitiert wird.)

– sondern was das für Deutsche bedeutet, die sich über Amerika informieren wollen. Denn ein großer Teil der deutschen Vorstellungen über die USA stammt immer noch aus den deutschen Medien, die wiederum viel Material von ihren amerikanischen Kollegen übernehmen. Unausgesprochen bleibt dabei die Annahme, dass die US-Medien ein wahrheitsgemäßes Bild von dem Leben in Amerika zeichnen.

Ein großer Teil der Amerikaner dürfte diese Vorstellung amüsant finden. Nicht umsonst füllt der Wikipedia-Eintrag zu dem Vorwurf, die amerikanischen Medien bevorteilten (wahlweise) die eine oder andere politische Strömung, mehrere Bildschirmseiten. Und die Politik ist nur den Anfang. Im Mittleren Westen beschwert man sich über die Nachrichtenfuzzis an der Ostküste, die angeblich keine Ahnung haben, wie es im Herzen Amerikas wirklich zugeht:

[A]s is so often the case, East Coast-based media outlets fail to understand the larger context; the threat of tornadoes for those who live in the Midwest isn’t just a series of breaking stories, but more of a way of life.

Auch bei der Sportberichterstattung finden wir den Vorwurf eines East Coast Bias: Teams aus dem Osten werden demnach von den Medien bevorzugt behandelt.

Wie gesagt, wir gehen hier nicht auf die Frage ein, ob das alles wirklich so ist. Das ist ein zu umstrittenes Thema für dieses bescheidene Blog. Erst recht soll nicht behauptet werden, die Berichte amerikanischer Medien über die USA seien irreführend oder gar falsch. Man sollte nur im Hinterkopf behalten, dass der gemeine Amerikaner Journalisten kaum mehr über den Weg traut als Politikern oder Gebrauchtwagenhändlern und beim Medienkonsum eine ausgeprägte Grundskepsis mitbringt. Selbst beim Sport.

Was uns zu einem weiteren Rätsel der deutschen Fernsehkultur führt: Warum die Sportschau am Samstag zwar um 18.00 Uhr beginnt — immerhin eine vernünftige, fast amerikanische Zeit — aber kaum jemand Stress macht, wenn er die erste halbe Stunde verpasst. Dahinter steckt bestimmt wieder der Maus-Kult …

[Mit Dank an LP für die Beratung zum Sportprogramm]

Profi-Schiedsrichter und andere Bemerkungen zur Frauenfußball-WM

Juli 12, 2011

„Das ist das perfekte Beispiel dafür, was die USA darstellen: Wir haben niemals aufgegeben. Das ist unglaublich, ich bin einfach nur glücklich.“

– US-Fußballspielerin Abby Wambach laut „Financial Times Deutschland“

Eigentlich erwähnen wir in diesem Blog immer nur dann Fußball — genauer, soccer — wenn wir erklären wollen, warum Football viel spannender ist. Diesen Punkt herüberzubringen ist allerdings gar nicht so einfach, wie es sich der interessierte Leser angesichts der völlig eindeutigen und allgemein unbestrittenen Faktenlage vorstellen mag. Tatsächlich musste dieser Autor schon Rückschläge hinnehmen.

Es hilft zum Beispiel überhaupt nicht, dass ausgerechnet der US-Botschafter in Deutschland, Philip Murphy, ständig in der Gegend herumrennt und allen erzählt, wie toll Fußball doch sei. Mehr noch, er spielt es demonstrativ selbst. Hallo? Sollten Botschafter nicht eigentlich auf Empfängen herumstehen und Häppchen essen oder so etwas? Hat Benjamin Franklin in Frankreich etwa Fußball gespielt? Na also.

Die im Moment viel größere Herausforderung ist allerdings die Frauenfußball-Weltmeisterschaft. Nach dem atemberaubenden Viertelfinal-Spiel USA gegen Brasilien wäre es, äh, ambitioniert zu behaupten, dass Fußball nicht spannend sein kann. Wie Slate zu Recht schreibt:

The USA women’s triumph over Brazil was one of the most thrilling, and deserved, victories in recent sports history.

Schlimmer noch, das Spiel war kein Einzelfall. Kind Nummer Eins und dieser Autor hatten sich zuvor in Wolfsburg USA gegen Schweden [Video] angeschaut, so richtig vor Ort auf der Tribüne und so. Von einer langweiligen Partie kann man auch hier nicht mit gutem Gewissen sprechen, nur das Ergebnis war nicht so wie gewünscht.

[Fußnote: Kind Nummer Eins wurde bei dem Spiel erstmals direkt mit den Sitten um die amerikanische Nationalhymne konfrontiert, weswegen es am Tag vorher eine kurze Einführung in angewandte Staatsbürgerkunde für Achtjährige gab. Die altersgerecht aufgemachte Geschichte dahinter war schnell gefunden, auch wenn der Nachwuchs ein anderes Medium bevorzugt hätte („Gibts da auch einen Film zu?“). Bei der Zeile At the twilight’s last gleaming wurden die Augen groß — „Twilight? Wie der Film?“ Am Ende war es gut, dass es Miley Cyrus [YouTube] gibt, denn Jimi Hendrix [Video] wurde als „total schrecklich“ abgelehnt.]

Allerdings entstand ein großer Teil der Spannung in dem USA-Brasilien-Spiel dadurch, dass Hope Solo und Gefolge nicht nur (in Unterzahl) gegen Martas Mädels, sondern auch gegen die Unfähigkeit der Schiedsrichterinnen ankämpfen mussten. Dieser Autor war entsetzt, aber man hat ihm versichert, dass dies ein allgemeines Problem [Video] beim Turnier ist und ganz, ganz bestimmt nicht der Normalfall beim Fußball. Nee, ist klar.

Wie auch immer, das gibt uns die Gelegenheit auf einen Unterschied hinzuweisen: In den USA sind Schiedsrichter Profis. Das zieht sich quer durch alle großen Sportarten.

In der NHL zum Beispiel verdient ein Schiedsrichter bis zu 225.000 Dollar im Jahr. Klingt gut, aber die Sache hat einen Haken:

Don’t expect to go out there and make friends with everyone.

Beim Baseball verdienen die I call ‚em as I see ‚em-Leute (wenn wir schon von Twilight reden [YouTube]) pro Jahr bis zu 280.000 Dollar für eine Saison, in der jede Mannschaft übrigens 162 Spiele absolviert. Beim Basketball sollen es bis zu 300.000 Dollar sein, was einigen Kommentatoren noch zu wenig ist:

I know if [sic] seems like they make a fortune, but realize that some of the games they are controlling, have millions of dollars on the line.

Die Situation im Football ist etwas schwieriger, da die Saison kurz ist und die Schiedsrichter nicht fest angestellt sind. Für den Zeitraum erhalten sie bis zu 70.000 Dollar.

But do not feel so bad for them, not only are there only 16 games in the schedule, they also get one-week intervals.

Dabei darf man nicht vergessen, dass beim Football sieben Schiedsrichter eingesetzt werden.

Und was ist mit soccer in den USA? Auch in der nordamerikanischen Fußballliga, beim Major League Soccer, pfeifen seit 2007 Profis. In so einer Randsportart wie Fußball ist natürlich die Bezahlung geringer: Laut Handbuch [PDF] erhalten die Schiedsrichter bis zu 875 Dollar je Spiel plus Boni (bei 34 Spielen je Mannschaft).

Ob Profi-Schiedsrichter überhaupt besser sind als Amateure wollen wir hier nicht diskutieren. Konzentrieren wir uns auf die weitere Frauenfußball-Weltmeisterschaft: Nach der Vorstellung am Sonntag ist eigentlich völlig klar, dass die USA den Titel holen werden. Wie klar? So klar, dass es eigentlich gar nicht mehr spannend ist.

So nämlich.

Die Bedeutung des Hundefutters in der amerikanischen Technik (und als Verb)

Juli 7, 2011

Wer viel mit amerikanischen Technikern oder Ingenieuren zu tun hat oder auch nur über entsprechende Projekte liest, wird eine verstörende Vorliebe für Hundefutter entdecken. Ja, Hundefutter. Nehmen wir dieses Lob für Microsoft (Hervorhebung hinzugefügt):

I think it’s pretty clear that where Microsoft has truly eaten its own dog food, it has made products that manage to control a large percentage of the market

Seltsam, denn die Küche der (Ex-)Microsoft-Manager ist offenbar abgefahren futuristisch, aber durchaus lecker. Auch aus der Kantine des Software-Konzerns hört man keine ungewöhnlichen Klagen.

Der Begriff beschreibt vielmehr die Strategie, die eigenen Produkte zu verwenden, um ihre Schwächen abzuklopfen und das Vertrauen darin zu demonstrieren. Er soll 1988 von dem damaligen Microsoft-Manager und heutigen VMware-Chef Paul Maritz in einer E-Mail geprägt worden sein. Seitdem liegt der Dosenöffner bei amerikanischen Unternehmen griffbereit. Sozusagen.

Wegen der Neigung der Angelsachen, alles in Verben zu verwandeln, finden wir auch die Form to dogfood. Nehmen wir diesen Aufruf des Engineering Directors Chee Chew vom Microsoft-Erzrivalen Google, der für die Testphase des Google+-Videochats Hangout gezielt Gebärdensprachler sucht (Text umformatiert, Hervorhebung hinzugefügt):

I’d like to invite a set of deaf/hh [hard-of-hearing] users and their signing families into Google+. We need folks who will actively dogfood Hangouts with their friends and family.

Hier sehen wir, dass sich die Bedeutung leicht gewandelt hat, denn per Definition sind diese Testpersonen nicht Google-Mitarbeiter. Vielmehr sollen sie die Technologie „im Alltag testen“.

Dieser Autor würde ehrlich gesagt auf Katzenfutter bestehen.

Warum so viele Hunde in den USA Spot heißen, und George Clooney fast auch

Juli 5, 2011

Vor einigen Jahren fragte eine Bekannte dieses Autors, die namenlos bleiben soll, warum scheinbar alle Männer in ihrem Bekanntenkreis das Lied „After Dark“ von Tito & Tarantula kennen. Der Hinweis auf den Tanz von Salma Hayek in From Dusk Till Dawn brachte nur ein fragendes Gesicht und die Feststellung aller Umstehenden, dass die Bekannte offensichtlich streng heterosexuell ist.

Wir bieten hier unsere ganze Selbstdisziplin auf und schauen uns an, was Hayek kurze Zeit nach ihrem Tanz zu George Clooney sagt (Hervorhebung hinzugefügt):

You’ll be my foot stool. And at my command, you’ll lick the dog shit from my boot heel. Since you’ll be my dog, your new name will be „Spot“.

Auch der Nicht-Muttersprachler erkennt hier den Witz, der durch den Kontrast zwischen der (hier sogar gekürzten) aggressiven Vorrede und dem unpassenden, weil harmlosen Namen am Ende entsteht.

Für Amerikaner geht die Sache aber noch einen Schritt weiter: „Spot“ ist der Name des Hundes in der Lesefiebel-Serie Dick and Jane. Von den 30ern bis in die 70er waren diese Bücher der Standard in amerikanischen Schulen. In den 50ern lernten schätzungsweise 80 Prozent der amerikanischen Erstklässler damit lesen.

Der klassische (und sprachwissenschaftlich gerne analysierte) Satz lautete

See Spot run

zu Beispiel in der Kombination See Spot. See Spot Run. Run Spot Run.

An dieser Stelle wird die riesige Horde von Simpsons-Fans von ihren Stühlen aufspringen. Denn in der Folge „They Saved Lisa’s Brain“ — die mit dem Physiker Stephen Hawking — trägt der Comic Book Guy ein T-Shirt mit der Aufschrift:

C:/DOS C:/DOS/RUN RUN/DOS/RUN

Dazu muss man das „C“ englisch aussprechen, ein weiterer Grund, warum der Witz sich nicht übersetzen lässt.

[Bevor jemand meckert: Offenbar sind die Schrägstriche in der Serie tatsächlich so herum, also slashes, wie bei Unix-Pfadnamen, statt backslashes wie eigentlich bei MSDOS. Die T-Shirts im Handel zeigen es daher genauso.]

[Und während wird dabei sind, ja, der Titel der Episode ist auch eine Anspielung, und zwar auf den 60er-Jahre B-Movie They Saved Hitler’s Brain. Der übersetzte Titel „Die Stadt der primitiven Langweiler“ versteckt das.]

Es gab eine Reihe von Problemen mit den Dick and Jane-Büchern, angefangen von der Darstellung einer (weißen) Mittelschicht-Welt, die besonders für viele Land-Kinder nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatte. Auch die Lehrstrategie war fragwürdig:

[T]he Dick and Jane stories actually were a calculated attack on phonics: The authors believed children learned to read best by memorizing a small handful of „sight words“ and repeating them over and over — the „look/say“ method.

Eine einflussreiche Analyse des amerikanischen Bildungssystems, Why Johnny Can’t Read, geißelte die Fibeln in den 50er Jahren als horrible, stupid, emasculated, pointless, tasteless little readers (hier ist reader nicht die Person, sondern in einer selteneren Verwendung ein Buch, um Lesen zu lernen). Außerdem waren sie sterbenslangweilig. Wir wissen schon, was danach kam: Das noch einflussreichere Cat in the Hat, das Amerikaner bis heute ihren Kindern vorlesen.

Allerdings würde Hayeks Rede mit „Cat“, „Fish“ oder „Lorax“ einfach nicht funktionieren. Egal wie ansprechend ihre, äh, Tanzschritte sind.

ZEUGS: Zu viele Leerzeichen, niedliche Sturmgewehre und das Ende aller Anrufe

Juli 3, 2011

Kaum hat dieser Autor erklärt, dass seine digitale Entwicklung bei Blogs stehengeblieben ist, bringt Google sein soziales Netzwerk-Dingens names Google+ heraus (die Funktionen erklärt xkcd). Und sofort haben einige interessierte Leser bemerkt, dass dort ein Scot Stevenson zu finden ist.

Daher ein Nachtrag: Wie bei Twitter wird dieser Autor bei Google+ erstmal nur Links zu den Einträgen dieses Blogs setzen, zumindest wenn es um „public“-Messages geht. Auch werden dabei Kommentare ausgeschaltet bleiben, aus den gleichen Gründen wie hier.

Und sonst morgen noch einen schönen 4. Juli.

  • Zu Anführungsstrichen: Der interessierte Leser A weist zurecht darauf hin, dass der Unterschied zwischen Briten und Amerikaner in der Praxis ziemlich schnurz ist, weil er nur bei kleinen Zitat-Stückchen vorkommt und dann auch eher bei Sachtexten als Romanen. Und ohnehin gilt das Stilhandbuch der jeweiligen Veröffentlichung.
  • Zu doppelten Leerzeichen, wenn wir beim Kleinkram der Zeichensetzung sind: Dem interessierten Leser wird aufgefallen sein, dass einige Leute im Internet zwei Leerzeichen nach einem Punkt machen, ein Relikt des Schreibmaschinen-Zeitalters (der Kenner denkt hier an den joinspaces-Befehl von vim). Das gilt unter Angelsachsen inzwischen als veraltet:

    The Chicago Manual of Style, the AP Stylebook, and the Modern Language Association all recommend using one space after a period at the end of a sentence.

    Auch hier kochen schon mal die Emotionen hoch. Es sind halt die wichtigen Dinge im Leben:

    „When I see two spaces I shake my head and I go, Aye yay yay,“ she told me. „I talk about ‚type crimes‘ often, and in terms of what you can do wrong, this one deserves life imprisonment.“

    In diesem Slate-Bericht werden PR-Agenturen als besonders ahnungslos beschrieben.

  • Zu The Once and Future King: Der interessierte Leser D weist darauf hin, dass das Buch die Grundlage für den Disney-Film The Sword in the Stone war. Der deutsche Titel lautet Die Hexe und der Zauberer, warum auch immer.
  • Zum asiatisch-amerikanischen Kulturaustausch: Was bekommt man, wenn man den japanischen kawaii-Kulturimperialismus mit den amerikanischen Waffengesetzen verbindet? Ein Hello-Kitty-Sturmgewehr. In rosa.
  • Zum Wizard of Oz: Ein Beispiel für einen politischen Kommentar über das Vorgehen der Polizei. Würde auch mit Rotkäppchen funktionieren.
  • Zum angelsächsischen Komatrinken: Die schlechten Sitten der Amerikaner Briten greifen inzwischen auf die Italiener über. Die Regierung in Rom ist besorgt:

    Many people come back from London or Ireland and they also keep a part of that culture. They meet together and to have, why not, a different evening. Many years ago it was absolutely not seen in Italy and now it’s a rule.

    Vielleicht müssen die Italiener einfach mehr Buffy gucken.

  • Zu den verschiedenen Spocks: In der Fringe-Folge „Concentrate and Ask Again“ gibt es eine Anspielung auf die Namensgleichheit: Im Bücherregal von William Bell, gespielt von Leonard Nimoy, findet sich eine Ausgabe von Baby and Child Care. Zudem steht da Gödel, Escher, Bach von Douglas Hofstadter, das jeder Geek einmal gelesen haben muss. Das Buch, das in der Folge aber wirklich wichtig ist, hat einen deutschen Titel: Die ersten Menschen. Wer Fringe noch nicht gesehen hat, weiß jetzt, was er den Sommer noch zu tun hat.
  • Zu Telefon-Anrufen, bei denen die New York Times einen Trend entdeckt haben will: Angeblich gilt es zunehmend als unhöflich, Leute anzurufen:

    In the last five years, full-fledged adults have seemingly given up the telephone — land line, mobile, voice mail and all. According to Nielsen Media, even on cellphones, voice spending has been trending downward, with text spending expected to surpass it within three years.

    Wenn Journalisten von Trends berichten, muss man bekanntlich vorsichtig sein, aber hier wird immerhin eine Studie zitiert. Dieser Autor könnte die Entwicklung nur begrüßen, denn er hasst Anrufe, weil sie immer irgendwas unterbrechen. Außer natürlich die von der Schönsten Germanin.

[Korrigiert 04. Juli 2011: Tippfehler bei „Nimoy“, zuerst gesehen von RW, vielen Dank]