Archive for August, 2009

ZEUGS: Noch mehr Pornos, abgebissene Daumen und Obama als Nazi

August 30, 2009

Okay, so entspannend waren die vergangenen Tage dann doch nicht, denn Kind Nummer Eins wurde eingeschult, was – wie dieser Autor jetzt weiß – im Osten der Republik etwa den Stellenwert einer Bar Mitzwa hat. Entsprechend fleißig wurde geputzt, und mit dem chinesischen Monumentalfilm Red Cliff auf dem Fantasy Filmfest wurde es auch nichts. Wie immer bleibt also einiges für den DVD-Verleih übrig.

  • Zu Porn: Von der interessierten Leserschaft wie KK, CM, CK und MM kamen weitere Varianten wie food porn, geek porn, pursuit porn (eine Untervariante des bike porn), riot porn, stair porn und natürlich disaster porn. Dagegen scheint zombie porn wirklich etwas mit Sex und Zombies zu tun zu haben, aber was genau, das will selbst dieser Autor nicht wissen.
  • Zu Altersfreigaben und dem Victory-Zeichen: Wenn wir das Z-Wort schon erwähnt haben: Es gab tatsächlich Ärger mit dem Poster für Left 4 Dead 2, allerdings (noch) nicht in Deutschland, sondern in den USA. Die amerikanische Ratingagentur für Computerspiele ESRB hat das ursprüngliche Werbeplakat angemeckert: Dabei sollten Daumen, Ring- und kleiner Finger abgerissen sein, womit zwei Finger bleiben würden. Das geht aber so nicht, sagte die ESRB: Es darf nur der Daumen fehlen.

    [Valve-Writer Chet] Faliszek pointed out that this is a game where people are torn apart using a chainsaw, but bitten off fingers on the logo? That’s crossing some line.

    Entsprechend, nun, bissig sind die Kommentare im Internet. Die ESRB hat im Gegensatz zur deutschen BPJM keine juristische, äh, Handhabe, aber kann Computerspielherstellern trotzdem das Leben schwer machen. Daher sind jetzt bei L4D2 Ring- und kleiner Finger nur abgeknickt; den Daumen biss sich Hand-Model Andrea Wicklund selbst ab.

  • Zur Meinungsfreiheit: Der konservative Fotograf des Blogs Zombie-Time hat eine Sammlung von Mordaufrufen gegen Präsident George W. Bush zusammengestellt und vergleicht sie mit den Aufrufen gegen Barack Obama.
  • Zu Politikern und Beleidigungen und Nazis: Bei The Slate führt der Karikaturist Gary Trudeau – bekannt von Doonesburyeine Umfrage über die wirkliche politische Indentität von Obama durch. Einer der Punkte lautet:

    Obama is a Nazi. Totalitarian and anti-parliamentarian, he opposes economic and political liberalism. He also believes in a racially and ethnically pure state — and mass murder to achieve that end.

    Gut, Trudeau meint das als Satire, denn er ist der Ansicht, dass die Nazi-Vergleiche in der amerikanischen Politik ausufern. Neu ist das nicht. Der interessierte Leser dürfte sich daran erinnern, wie Friedensnobelpreisträger Al Gore 2004 Anhänger der Republikaner mit „Braunhemden“ verglich. Im selben Jahr fand ein Journalist bei einer „Google-Recherche“, dass von allen hochrangigen Nazis nur Adolf Hitler persönlich häufiger mit dem Satz is a Nazi assoziiert wird als Bush.

    This might indicate that either that George [W.] Bush is by far the second most important Nazi of all time, or that the Democrats and the left now require some sedation.

    Inzwischen hat der Regierungswechsel gezeigt, dass nicht nur die Demokraten Anhänger von Godwin’s Law sind.

  • Zur Farbe von Blättern, um drastisch das Thema zu wechseln: Herbstlaub ist in Europa bekanntlich eher gelb und in Nordamerika eher rot. Jetzt weiß man warum: Die Alpen sind schuld.
  • Zu Energieverbrauch: Eines der größeren Probleme beim geplanten Energiewandel in den USA ist bekanntlich das Leitungsnetz, das erstmal zum smart grid umgebaut werden müsste. Wer sich einen Überblick verschaffen will, wie das Netz jetzt aussieht, kann sich eine Serie von Karten auf der Website des NPR anschauen. Im Westen verläuft von Nord nach Süd eine auffällige Unterbrechung: Die Rockies sind schuld.
  • Zu Englisch: Wer sich Sorgen um seine Aussprache macht, kann sich auf eine Studie aus Großbritannien berufen, die einen ganz neuen Ansatz im Unterricht fordert: Nachdem Englisch nun die weltweite lingua franca sei, sollten alle ihren Akzent behalten dürfen.

    As long as they are intelligible and have the potential to communicate effectively there should be no reason for them not to retain their accents — something which they might like to do as this accent carries their identity, ethnicity and indicates the group of people they belong to.

    Keine Aussprache sollte damit als „falsch“ gelten, vermutlich auch nicht diese komische Variante, die die Briten von sich geben.

Was in den USA alles so unter Pornografie läuft

August 26, 2009

Unser heutiger Eintrag läuft Gefahr, in der Rubrik „das weiß doch jeder“ zu landen, aber da mindestens eine Person jüngst Probleme damit hatte, ziehen wir es durch: Analog zu der Verwendung von „Nazi“ im Englischen für alles mögliche wird auch porn – die Kurzform von pornography – für Bilder und Darstellungen verwendet, die nichts mit nackter Haut zu tun haben.

So dürfte dem interessierten Leser der Betriff torture porn untergekommen sein. Dabei geht es nicht um sadomasochistische Pornografie, sondern um Filme, bei denen die Darstellung von möglichst brutaler Folter der komplett nicht-erotischen Art im Vordergrund steht. Beispiele wären die Saw-Reihe oder (Kritikern zufolge) die TV-Serie 24. Ob wirklich auch The Passion of the Christ dazugehört, wie von einigen behauptet, lassen wir hier unkommentiert.

Weitere Beispiele: Die Science-Fiction-Website io9 hat eine Rubrik space porn, bei der es um coole, aber äußerst unerotische Bilder aus dem Weltraum geht. Eine Website mit kommentierten Fotos aus den unendlichen Weiten trägt den gleichen Namen. Dann gibt es noch chart porn für Leute, die gerne Tabellen und Grafiken sehen. Und in Uhrenkreisen, zu denen dieser Autor familiären Kontakt hat, werden Bilder von besonders schönen Werken scherzhaft als clock porn bezeichnet.

Und damit dieser Eintrag nicht als porn porn eingestuft wird, lassen wir ihn jetzt auslaufen.

Angelsächsische Männer in der Hundehütte

August 24, 2009

Zu den Beiträgen beim Fantasy Filmfest gehört ein britischer Streifen namens Doghouse. Die Fachsite Bloody Disgusting schreibt dazu:

Pitting a minibus full of single men on retreat to help one of their number through a rough divorce against a town full of women driven mad by an airborne toxin that affects only the fairer sex, turning them into violent, bloodthirsty fiends who prey upon their menfolk.

Sprich, es ist ein gefühlsbetontes Beziehungsdrama über den kulturellen Stellenwert von Geschlechterrollen im Spiegel unserer postmodernen Konsumgesellschaft. Aber was hat der Titel damit zu tun? Nun, to be in the doghouse bedeutet, dass man Streit mit seiner Frau oder Freundin hat. Das Bild erklärt sich etwa so: Umziehen auf die Couch reicht nicht, man muss das Haus ganz verlassen und in der Hundehütte übernachten.

Gab es bislang auf dem FFF sonst etwas für dieses Blog? Ja, Black Dynamite, eine köstliche Parodie der Blaxploitation-Filme der 70er Jahre. Zuerst auf dem Sundance Film Festival vorgestellt, können Amerikanistik-Professoren sich darauf einstellen, dass ganze Generationen von Studenten sie als Grundlage für ihre Magisterarbeiten zum Thema black studies nutzen werden. Can you dig it?

ZEUGS: Die Fantasy-Filmfest-Ausgabe

August 20, 2009

Regelmäßige interessierte Leser werden stutzen – wie, keine Blogpause? In Berlin läuft doch das Fantasy Filmfest! Dieser Autor geht auch dahin, aber er hat Urlaub, die meisten Regale stehen inzwischen und die Kinder sind mehrere Vormittage weg. Das sind vergleichsweise paradiesische Arbeitsbedingungen, und deswegen ziehen wir jetzt das Blog durch. Vielleicht bekommen wir sogar endlich den letzten Teil der Japan-Serie hin.

Bei den Einträgen bleiben wir heute bei den Themen Fantasy, SciFi und Kino:

  • Zu Monstern: Der Blogger Stefan Niggemeier hat gestanden bemerkt, noch nie die Wo die wilden Kerle wohnen von Maurice Sendak gelesen zu haben. Als Where the Wild Things Are ist das ein must-read im amerikanischen Kinderzimmer, selbst für Präsidenten [YouTube]. Die Sprache ist genial:

    [M]ax stepped into his private boat and waved good-bye and sailed back over a year and in and out of weeks and through a day and into the night of his very own room where he found his supper waiting for him

    … und das Essen ist noch warm, weil seine Mutter ihn liebt. Der ganze Text ist zehn Sätze lang und enthält keine Kommata. Dieser Autor traut sich nicht zu gucken, was die Übersetzer daraus gemacht haben, denn schon der Titel bringt ein sexistisches Element hinein: Mindestens ein thing ist weiblich, denn sie heißen Moishe, Emil, Aaron, Tzippy, Bernard, „Goat Boy“ und Bruno. In der von Niggemeier verlinkten Verfilmung werden nicht-jüdische Namen benutzt.

  • Zu Weltraumschlachten: Der interessierte Leser GRF weist darauf hin, dass der verlinkte Star-Wars-Rap eigentlich der zweite Teil ist. Der erste ist angeblich besser [YouTube].
  • Zu außerirdischen Beleidigungen: In dem Video wird abwertend von einem nerf herder gesprochen. Der interessierte Leser wird sich schon länger fragen, was das ist, denn es ist bekanntlich der Name der Band, die das Thema zur Buffy-Serie geschrieben hat. Kurz, es ist eine Art Schäfer.
  • Zu Angst und Panik: Dieser Autor hat bei Instapundit ein neues Wort gelernt, das bei der US-Debatte über Waffenrechte auftaucht: Hoplophobie, eine übertriebene Angst vor Waffen (nicht: vor antiken griechischen Soldaten). So richtig weit verbreitet ist es nicht, aber früher oder später wird jemand es als Filmtitel verwenden, garantiert.
  • Zu Girls with Guns: Die „New York Times“ hat ein langes und lesenswertes Stück über Frauen im US-Militär geschrieben, eine Art Bestandsaufnahme in Kriegszeiten. Behandelt wird das „große Bild“ nach der langjährigen Diskussion, ob das eine gute Idee sei –

    They have cultivated a new generation of women with a warrior’s ethos — and combat experience — that for millennia was almost exclusively the preserve of men. And they have done so without the disruption of discipline and unit cohesion that some feared would unfold at places like [the military base] Warhorse.

    – und Alltagsprobleme wie mit welchem Gerät frau in die Flasche pinkeln kann, weil Militärfahrzeuge bekanntlich nicht kurz mal seitlich ‚ranfahren. Und ja, die Soldaten haben Sex miteinander. Weiter geht es um den Kulturschock, den bewaffnete, selbstbewusste Frauen bei Arabern auslösen. Zu dem Thema gibt es noch einen Bericht „Girls With Guns Get It“ über weibliche Marines im Irak:

    In the macho Arab world, an assertive female with an assault rifle is sort of a man’s worst nightmare.

    Da wird auch mehr auf die Reaktion der Irakerinnen eingegangen. Die können alle noch froh sein, dass die Schönste Germanin sich doch nicht von den Marines anwerben ließ.

  • Zu seltsamen Subkulturen: Girls with Guns als Genre stammt trotz des Namens nicht aus den USA, Milla Jovovich [JPG] in Resident Evil hin oder her, sondern aus Asien. Es ist ein Bespiel für den Einfluss Japans auf die US-Kultur. Allerdings gibt es in Europa keine nennenswerte Zahl von Einwanderern aus dem Fernen Osten, ganz Asien blockiert den Weg nach Japan und dort stehen auch nicht 50.000 Soldaten aus Europa. Daher kommt der von Experten als intercultural feedback loop bezeichnete Austausch zwischen den USA und Ostasien in der Alten Welt ironischer Weise meist als „amerikanischer Kulturimperialismus“ an. Sein Umfang in beide Richtungen wird entsprechend in Deutschland unterschätzt. Dazu ist ein eigener Eintrag in Vorbereitung.
  • Zu Strahlenwaffen: Die Aliens können kommen, denn das US-Militär arbeitet (endlich) an der ray gun. Wenn die blöden Zivilisten nicht wieder meckern:

    The public may have misgivings about a silent and invisible weapon that would boil the body’s fluids before tearing it apart in a burst of vapour.

    Wenn erstmal die Zombie Apokalypse kommt, wird für solches Warmduschertum natürlich kein Platz mehr sein. Was uns zum letzten Punkt bringt …

  • Zu Zombieangriffen: Den Link zu einer Studie [PDF] über die beste Strategie zur Bekämpfung einer Epidemie von Untoten hat dieser Autor gleich mehrfach bekommen. Wer keine Lust hat, sich mit der Mathematik hinter dem Untergang der Menschheit zu befassen, findet bei der BBC diese Zusammenfassung:

    In their scientific paper, the authors conclude that humanity’s only hope is to „hit them [the undead] hard and hit them often“. They added: „It’s imperative that zombies are dealt with quickly or else … we are all in a great deal of trouble.“

    (Fußnote: Einer der Forscher heißt Robert Smith?, mit einem Fragezeichen am Ende, das Teil seines Namens ist. Das hat irgendwas mit australischem Recht und The Cure zu tun. Es ist unterhaltsam zu sehen, welche Medien das korrekt übernommen und welche es stillschweigend fallengelassen haben.)

    Hart und häufig zuschlagen ist natürlich genau die Strategie in dem von uns besprochenen Spiel Left 4 Dead. Sprich, es sollte eigentlich zur Vorbereitung der Bevölkerung auf etwaige Katastrophenfälle kostenlos vom Staat verteilt werden. So gesehen ist das Fantasy Filmfest auch eine Art Programm zur Erwachsenenbildung. Nämlich.

Magenta, Riff-Raff und American Gothic

August 17, 2009

Nachdem man die neuen Wohnzimmer-Regale aufgestellt hat, die den Fernseher, den DVD-Player und die Stereo-Anlage fassen, muss man natürlich die Akustik testen. Wenn die Familie unterwegs ist und die Nachbarn im Urlaub sind, geht das so: Man legt die Rocky Horror Picture Show in den DVD-Player, stellt den Laptop auf das vorgesehene Regal (zu dem das DVI-HDMI-Kabel jetzt versteckt hinter den Büchern geführt wird) und dreht die Lautstärke auf, bis die Festplatte Lesefehler meldet. Wer schon eine SSD hat, muss sich mit klirrenden Fenstern begnügen.

Die Katze sollte man vorher herauslassen.

Mit den kulturellen Anspielungen in der RHPS könnte man Tage verbringen (eine Reihe davon sind generationsgebunden und auch diesem Autor erst nach einer „kommentierter Sichtung“ mit den Ehrenwerten Eltern verständlich). Sie kommen nicht nur in dem gesprochenen, gesungenen und auch gehörten Text (wie die Abschiedsrede von Präsident Richard Nixon, die (mysteriöserweise) im Autoradio läuft) vor, sondern auch in einzelnen Einstellungen.

Nehmen wir die Szene [JPG] nach der Hochzeit, als Magenta und Riff-Raff sich nebeneinander mit dem Rücken zur Kirchentür hinstellen. Allein die sehr unreligiöse Mistgabel sollte die kulturellen Alarmglocken schrillen lassen. Da ist doch was im Busch?

Tatsächlich ist diese Einstellung eine von Abertausenden Anspielung in den USA auf das Bild American Gothic von Grant Wood aus dem Jahr 1930. Es zeigt einen Mann und eine Frau vor einem weißen Haus, das ein Fenster im Gotik-Stil aufweist. Die Frau guckt unglücklich, der Mann blickt streng. Ohne hier in die Bildanalyse abzudriften, können wir festhalten, dass es nicht das fröhlichste Paar der Welt ist – falls es überhaupt ein Paar ist, wie der Künstler Mel Andringa bemerkt:

[I]t gives a twist to the picture if you think of those jokes about the father’s daughter, protecting her virginity with a pitchfork.

Wood war klug genug, keine Interpretation zu liefern. Er stritt nur Zeit seines Lebens ab, dass er sich über Landbevölkerung im Mittleren Westen lustig machen wollte, was dem Bild häufig unterstellt wird.

Deutsche in den USA sollten wenigstens von dem Gemälde gehört haben, denn Woods Stil wurde entscheidend von einem Aufenthalt in München beeinflusst. Die eigentliche Inspiration zu diesem Bild kam ihm bei einer Reise durch Iowa, als er das Haus sah (das immer noch steht). Gebaut wurde es 1881 bis 1882 von Catherine und Charles Dibble. Das Fenster folgt dem Stil des Carpenter Gothic, eine nordamerikanische Architektur-Bewegung im 19. Jahrhundert. Auch die Modelle sind bekannt: Die Frau ist Woods Schwester Nan Wood Graham und der Mann ist der Zahnarzt der Familie, B.H. McKeeby. Sie sehen verdächtig aus wie Magenta und Riff-Raff.

Es gibt inzwischen so viele Parodien des Bildes [Bilderstrecke] und Anspielungen darauf, dass die englische Wikipedia dazu einen eigenen Eintrag führt. Viele sind politisch, andere sind Werbungen, wie die für die TV-Serie The Simple Life mit Paris Hilton und Nichole Richie [JPG].

Auch Privatpersonen machen mit. In einigen Fällen ist die Mistgabel nur angedeutet – passend zu air guitar und air sex gibt in den USA auch air pitchfork. Als Amerikaner versteht man die Anspielung trotzdem.

Der Regal-Test wurde übrigens durch die Rückkehr der Familie unterbrochen. „Der hat ja Kleidung wie ein Mädchen an!“ rief Kind Nummer Eins erstaunt und brachte selbst die Schönste Germanin vorübergehend in Erklärungsnot. Beide Kinder sind zwar zu jung für den Film – was genau mit Meatloaf passiert, ist schließlich nicht schön – aber nicht für den „Time Warp“. Eine wichtige Familientradition, die mindestens auf die Ehrenwerte Mutter zurückgeht, hat die nächste Generation der Familie Stevenson erreicht.

Der Unterschied zwischen Cidre und Cider

August 11, 2009

In einem der Discworld-Romane postuliert Terry Pratchett, dass Ehemänner eine Art Autopiloten haben, um Gespräche mit ihrer Frau mit einem minimalen Aufwand verfolgen zu können. Insbesondere soll dieser Stammhirn-Prozess in der Lage sein, in richtigen Abständen Dinge wie „Okay“ oder „Ja, Liebling“ zu sagen und gleichzeitig den Wortstrom nach kritischen Inhalten wie Fragen zur Frisur oder Besuchen bei den Schwiegereltern zu scannen. Ein Speicher fasst den letzten Satz der Gattin, der auf Kommando fehlerfrei reproduziert werden kann.

Das ist natürlich dummes Zeug. Jeder weiß, dass Ehemänner ihren Frauen immer mit voller Aufmerksamkeit zuhören.

Aber wenn es so einen Autopiloten gäbe, rein hypothetisch gesprochen, dann wäre es gestern zur folgenden Situation gekommen: Kind Nummer Zwei sitzt auf der Couch und guckt mit seiner üblichen religiösen Hingabe Biene Maja. Dieser Autor sitzt daneben, in seinen Google Reader vertieft. Dann kommt die Schönste Germanin vorbei und warnt, dass in der Flasche auf dem Küchentisch mit den Äpfeln auf dem Etikett nicht Apfelsaft, sondern cidre ist und Nummer Zwei deswegen nichts davon haben darf.

Ja, Liebling, antwortete dieser Autor.

Der Ein Ehemann-Autopilot würde sich diesen Satz anschauen, feststellen, dass nicht von einem neuen Kleidungsstück oder Möbel-Kauf die Rede ist und deswegen das Großhirn nicht mit einem non-maskable interrupt (NMI) zu Hilfe gerufen werden muss. Allerdings blieben zwei Dingen unklar, die für den nächsten Task-Switch auf den Stack geschoben wurden:

  1. Warum spricht die Schönste Germanin das schöne englische Wort cider so komisch aus?
  2. Warum in aller Welt darf das Kind keinen cider haben, wo es doch täglich literweise Apfelsaft in sich hineinkippt?

Das sind für das Großhirn nicht wirklich schwere Fragen, denn dieser Autor weiß: Cidre ist die germanische Bezeichnung für ein alkoholisches Getränk, während cider in den USA und Kanada eine Art Roh-Apfelsaft ist:

American cider is unprocessed; appears dark, brown, and cloudy; and usually contains the pulp of the apple. If you then take this American cider and process it to clarify the juice, you get „apple juice“. American cider does not contain alcohol.

Das cidre nennt man dort hard cider. Die Briten und Australier folgen den Kontinentaleuropäern und meinen mit cider etwas, womit man sich betrinken kann.

Interessant an der ganze Geschichte ist, dass die tiefen Default-Werte dieses Autors offensichtlich weiter amerikanisch sind. Das kann nur gut sein, zum Beispiel wenn die Schönste Germanin fragen sollte, ob sie Popcorn mit Butter oder vielleicht doch Zucker machen soll, während dieser Autor diesen Eintrag schreibt …

[Mit Hilfe der Schönsten Germanin, vielen Dank]

ZEUGS: Der Untergang der USA, der Sieg der Waffenlobby und das bislang beste Trinity-Zitat

August 8, 2009

Die Renovierung kommt voran, mehr oder weniger zumindest. Die großen Streicharbeiten sind immerhin fertig. Jetzt müssen noch Regale ohne Ende gebaut werden, weil jemand ständig Bücher kauft (zuletzt Jesus, Interrupted von Bert Ehrman nach einer Empfehlung von Linus Torvalds). Da das Fantasy Filmfest ansteht, wird der August ohnehin kein umfangreicher Blog-Monat.

  • Zum Untergang der USA, was diesem Autor natürlich einiges an Arbeit abnehmen würde: Um auch den Amerika-Hassern unter den interessierten Lesern etwas zu bieten, verweisen wir auf die von Slate zusammengetragenen 144 Gründe für den Untergang der USA. Wobei Nummer 96 einigen hier nicht gefallen dürfte:

    96. Europe Fails: A failure to assimilate immigrants pushes the continent into anarchy. A pan-European war spills over to the rest of the world, sucking in the United States and eventually destroying the economic and cultural power of the entire West.

    Auf der Liste fehlt unverständlicherweise die Zombie Apokalypse.

  • Zu Medien und Wirklichkeit: Viele Deutsche bekommen ihr Bild von den USA aus den Medien. Einige Deutsche greifen dabei auf amerikanische Veröffentlichungen zurück, in der Hoffnung, dass diese eher die Wirklichkeit widerspiegeln. Das hilft leider nur bedingt, wie Reason Online anhand der zehn absurdesten Time-Titelgeschichten zeigt:

    As a service to future historians of the long, slow death of the newsweekly, Reason offers this Top 10 list of the most horrifying, silly, irresponsible, or downright ridiculous Time cover panics from the past 40 years.

    Mit panics sind moral panics gemeint, wie wir sie in Deutschland von der Counter-Strike-Hysterie kennen.

  • Zu Waffengesetzen: Dieser Autor verzweifelt etwas daran, Deutschen klar zu machen, dass die Einstellung zur Schusswaffe nicht einfach nach Parteigrenzen verläuft. Vielleicht hilft diese neue Umfrage von Zogby/O’Leary:

    A majority of Independent voters (86 percent), Democrats (80 percent), young voters age 18-29 (83 percent), Hispanic voters (80 percent), and those who voted for President Obama (80 percent) support the right to carry a firearm.

    (Spekulationen in den Kommentaren, dass die Studie eine Fälschung sein könnte, sind mit Google leicht zu widerlegen) Es dürfte nicht wundern, dass Befürworter von liberalen Gesetzen die Entwicklung so kommentieren: We’re winning.

  • Zu direkter Demokratie: Am 18. August sind die Bürger von Seattle aufgerufen, über die Einführung einer Gebühr für Plastik-Tüten zu entscheiden.

    Seattle must decide if shoppers must pay 20 cents for each disposable plastic or paper bag they get, but small businesses with under $1 million in annual revenue would get to keep the entire 20-cent fee. Bigger businesses would hold onto five cents, with the balance going to Seattle Public Utilities.

    Zu den Gegnern gehört, wen wunderts, die American Chemistry Council.

  • Zur Dämmung: Wir hatten billige Energie als Grund aufgeführt, dass seit einigen Jahrzehnten viele US-Häuser schlecht gedämmt sind. Die New York Times weist darauf hin, dass das auch für die Farbe der Häuser gilt:

    Before the advent of central air-conditioning in the mid-20th-century, white- and cream-colored houses with reflective tin roofs were the norm in South Florida, for example. Then central air-conditioning arrived, along with dark roofs whose basic ingredients were often asphalt, tar and bitumen, or asphalt-based shingles. These materials absorb as much as 90 percent of the sun’s heat energy […]

    Hintergrund ist die Forderung des US-Energieministers und Nobelpreisträgers Steven Chu, Dächer weiß zu streichen. Offensichtlich wird das stellenweise auch schon umgesetzt.

  • Zu dodge this: Der interessierte Leser CS hat sich sehr, sehr lange Gedanken über eine bessere Übersetzung von Trinitys coolstem Spruch aus The Matrix gemacht und schlägt nun „Tanz!“ vor:

    This is not actually a translation but it would have given the idea of aggressiveness and humor. I think every one in Germany would have been able to understand this remembering the good old „Italo Western“.

    Das ist der mit Abstand beste Vorschlag bislang. Es fällt diesem Autor übrigens schwer zu glauben, dass der Film jetzt zehn Jahre alt ist – wirklich schade, dass es nie eine Fortsetzung gab.

Der Krieg gegen Japan, Teil 7: Gesprächsansätze mit den Sowjets

August 3, 2009

Your way of looking at things and the actual condition in the Eastern Area [Soviet Union] may be seen as being completely contradictory.

– Japans Sowjet-Botschafter Sato tadelt seinen Außenminister Togo [1]

Am 22. Juni 1945 tat Japans Kaiser Hirohito etwas Unerwartetes. Er ließ die „Großen Sechs“ des Kabinetts zu sich bestellen und ergriff dann entgegen aller Gepflogenheiten zuerst das Wort. Es sollten konkrete Pläne zum Ende des Krieges erarbeitet und mit ihrer Umsetzung begonnen werden, erklärte er.

Das war ein Schock. Nur zwei Wochen zuvor hatte der Kaiser durch seine Anwesenheit einen Plan der Regierung abgesegnet, der vorsah, dass Japan bis zum letzten Mann weiter Krieg führen sollte, egal wie hoch der Preis – Sieg oder Untergang. Und noch im Mai glaubte der Kaiser an einen Sieg auf Okinawa. Aber im Juni erhielt er Einschätzungen seiner Vertrauten, die dem unerschütterlichen Optimismus des Militärs zuwider liefen. Japan war militärisch am Ende. Mehr noch, es drohten Aufstände.

Unter den sechs Ministern gab es eine Taube: Außenminister Shigenori Togo. Im Mai hatte er dafür gesorgt, dass die Großen Sechs ohne ihre Stäbe offen reden konnten. Unter zwölf Augen wurde erstmals überhaupt die Möglichkeit aufgeworfen, den Krieg zu Ende zu bringen. Aber für die Militärs war es undenkbar, mit dem Amerikanern und Briten zu reden, die als Gegner eine Kapitulation verlangen würden. Der Vatikan war dummerweise gegen Kriege an sich. Die Schweden und Schweizer nahm man nicht wirklich erst. Aber einen mächtigen Ansprechpartner gab es: Die Sowjetunion.

Formell waren die Sowjets neutral. Gut, da war die Kleinigkeit, dass die Regierung von Josef Stalin den Nichtangriffspakt im April 1945 gekündigt hatte:

The neutrality pact between the Soviet Union and Japan was signed April 13, 1941 … Since that time the situation is entirely altered. Germany attacked the Soviet Union, and Japan, an ally of Germany, helped the latter in her war against the U.S.S.R. Besides, Japan is fighting against the United States and Great Britain, who are allies of the Soviet Union. Under these circumstances the neutrality pact … has lost its sense.

Das klang irgendwie nicht so gut. Aber der Vertrag sah eine einjährige Kündigungsfrist vor. Frühestens werde ein Angriff erfolgen, wenn die alliierte Invasion begonnen habe, sagte man sich in Japan. Das würde, so die Einschätzung, vielleicht sogar bis zum Frühjahr 1946 dauern. Zwar warnte der Geheimdienst, dass die Sowjets ihre Soldaten in drei Monaten von Europa nach Asien bringen könnten. Aber das nahm man in Tokio nicht ernst.

Togos Kabinetts-Kollegen lebten in Bezug auf die Sowjetunion ohnehin in einer Fantasiewelt, wie er zu seinem Entsetzen bei den vertraulichen Gesprächen herausfand. Die Armee war noch ganz gut dabei, denn sie wollte nur, dass die Sowjets neutral blieben, um mehr Soldaten aus der Mandschurei zur Verteidigung der Heimatinseln zurückholen zu können. Die Marine träumte – der Historiker Richard B. Frank spricht von „Halluzinationen“ [1] – von einem Tausch japanischer Schlachtkreuzer gegen Öl und Flugzeugen und sogar von einer späteren Allianz.

Dass die Sowjets vielleicht schon im Februar in Jalta einen Deal mit den Amerikanern und Briten geschlossen haben könnten, kam offenbar nur Togo in den Sinn. Recht hatte er:

The leaders of the three great powers – the Soviet Union, the United States of America and Great Britain – have agreed that in two or three months after Germany has surrendered and the war in Europe is terminated, the Soviet Union shall enter into war against Japan on the side of the Allies […]

Am Ende war trotzdem nur die Sowjetunion ein denkbarer Gesprächspartner für das Kabinett. Togo erhielt immerhin das Mandat, die Neutralität der Sowjets zu wahren und vielleicht ihre Freundschaft zu suchen. Und das konnte er im Juni jetzt dem Kaiser als Ansatz vorschlagen.

Fein, sagte Hirohito. Macht mal.

Leider gab seine Exzellenz keine weiteren Details vor, zum Beispiel, wann oder was genau gemacht werden sollte. Entsprechend gab es auch im Kabinett keine Einheit. Ministerpräsident Kantaro Suzuki und Admiral Soemu Toyoda gaben später zu Protokoll, dass unter den Großen Sechs überhaupt nie Einigkeit darüber bestanden habe, was den Sowjets im Gegenzug für Gespräche angeboten werden sollte, geschweige denn, was man über sie den Alliierten vorlegen wolle.

Für Japans Heer und Marine war ohnehin klar: Irgendwelche Gespräche mit Russland würde es erst nach der letzten großen Schlacht Ketsu-Go geben. Sprich, für sie blieb erstmal alles beim alten.

Das Ganze wurde dem japanischen Botschafter in Moskau in den Schoß gekippt, Naotake Sato. Jetzt erfuhren die Alliierten, dass etwas vor sich ging, denn der diplomatische Verkehr zwischen Togo und Sato wurde von den Amerikanern als Teil des Magic-Programms abgefangen und entschlüsselt. Darunter waren „dringende Botschaften“, die Togo im Juli an Sato schickte:

We are now secretly giving consideration to termination of the war because of the pressing situation which confronts Japan both at home and abroad.

Der Kaiser selbst wolle „zum Wohle der Menschheit“ wieder den Frieden herstellen, gab Togo seine Sicht der Dinge weiter. Daher solle Sato Russland ansprechen, aber bloß nicht durchblicken lassen, dass das Ziel der Frieden sei. Unter anderem könne den Sowjets die Neutralität der japanisch besetzten Mandschurei angeboten werden.

Sato war früher selbst Außenminister gewesen und hielt, wie wir am Öffnungszitat sehen, mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Aus seiner Sicht waren Togos Ideen so realitätsfremd wie die Pläne der Marine für eine Allianz mit der Sowjetunion. Die Regierung in Moskau wisse genau, dass Japan ohnehin kurz davor sei, die Gebiete zu verlieren, schrieb Sato zurück. Die Sowjets seien „extrem realistisch“. Benötigt würden ein konkretes Angebot und handfeste Zugeständnisse.

We certainly will not convince them with pretty little phrases devoid of all connection with reality.

Gegenwärtig sei das Einzige, was Japan von Stalin zu erwarten habe, die faktische Forderung nach einer bedingungslosen Kapitulation. Und überhaupt sei ihm die politische Lage in der Heimat im Moment doch etwas unklar, ließ Sato seinen Vorgesetzten wissen:

Nor am I clear about the views of the Government and the Military with regard to the termination of the war.

Unterstützten wirklich alle das Ziel, jetzt den Krieg zu beenden? Das habe doch letztens beim Kaiser noch ganz anders geklungen. Togo wich der Frage in seiner Antwort vom 17. Juli bezeichnenderweise aus, denn es gab keinen Konsens und schon gar nicht mit dem Militär, das weiter unbeirrt Ketsu-Go vorbereitete. Der Minister betonte aber, dass eine bedingungslose Kapitulation nicht in Frage käme.

Okay, schrieb Sato zurück. Gut. Eine einzige Bedingung könne Japan vielleicht stellen: Den Erhalt der „nationalen Struktur“, sprich, des Kaisertums.

Except for the matter of maintenance of our national structure, I think that we must absolutely not propose any conditions. The situation has already reached the point where we have no alternative but unconditional surrender or its equivalent.

Togo schrieb am 21. Juli unmissverständlich und im Namen des Kabinetts zurück:

We are unable to consent to it under any circumstances whatever.

Wer sich fragt, warum die Alliierten nie Japan ausdrücklich eine Kapitulation unter Erhalt des Kaisertums anboten: Sie kannten die Antwort schon.

Überhaupt, was hielten die Alliierten von dem Ganzen? Wenn schon Sato den Vorstoß für unrealistisch hielt, wenn bei Togo selbst klar wurde, dass nicht die ganze Regierung dahinter stand, wenn die vom Ultra-Programm abgefangenen Botschaften des japanischen Militärs ungebremste Kriegslust zeigten und wenn man gerade Busenfreunde mit den Russen war (noch), konnte es nicht viel sein.

Vize-Stabschef John Weckerling und Vize-Außenminister Joseph C. Grew, ehemaliger Japan-Botschafter der USA und der erfahrenste Kenner des Landes in der Regierung, erstellen eine Analyse [PDF]. Darin wurden drei Szenarien besprochen:

  1. Dass der Kaiser plötzlich persönlich im Sinne des Friedens eingegriffen habe, sei unwahrscheinlich;
  2. Dass konservative Gruppen im Umfeld des Thrones und einige hochrangige Offiziere sich gegen die Militaristen durchgesetzt hätten, sei denkbar;
  3. Dass die japanische Regierung die Niederlage herauszögern wolle, in dem sie sich eine Einmischung der Russen erkaufe und die Kriegsmüdigkeit der Amerikaner anspreche, sei das wahrscheinlichste Motiv.

Es war für die Alliierten eine Finte.

Seit dem Angriff auf Pearl Harbor waren die Amerikaner ohnehin nicht geneigt, einem japanischen Politiker noch irgendwas zu glauben. Am 7. Dezember 1941 hatten japanische Diplomaten in Washington im Rahmen von Friedensgesprächen einen Text überreicht, der als Fourteen Part Message in die Geschichte eingegangen ist. Den Amerikanern blieb besonders der zweite Punkt in Erinnerung:

It is the immutable policy of the Japanese Government to insure the stability of East Asia and to promote world peace […].

Dieses unerschütterliche Bekenntnis zum Weltfrieden hatte Japans Marine Stunden zuvor durch den Überraschungsangriff auf die US-Pazifik-Flotte und den Tod von 2.400 Amerikanern auf ganz eigene Art unterstrichen. Im Sommer 1945 hätte ein japanischer Politiker behaupten können, die Sonne gehe im Osten auf – ehrlich, wir haben hier eine prima Aussicht – und die Alliierten hätten ihm nicht gelaubt.

Das japanische Kabinett blieb bis zum Ende gespalten, wie es mit der Sowjetunion weitergehen sollte. Noch am 2. August – vier Tage vor Hiroshima – musste Togo gegenüber Sato eingestehen, dass es keinen Konsens gab. In der Praxis war das unwichtig, weil Sato in Moskau hingehalten, vertröstet und abgespeist wurde [2]. Handfestes gab es erst am 8. August 1945: Zwei Tage nach Hiroshima überreichte ihm der sowjetische Außenminister Wjatscheslaw Molotow die Kriegserklärung. In Tokio fiel Togo aus allen Wolken.

Tatsächlich konnte Stalin kein Interesse an einem starken Japan haben. Die Sowjetunion hatte schon im April damit begonnen, Hunderttausende Soldaten – gestählte Veteranen der Gefechte gegen die Wehrmacht – nach Osten zu bringen. Dort schwoll die Stärke der Roten Armee auf 1,5 Millionen Mann und etwa 5.000 gepanzerte Fahrzeuge an. Ihnen gegenüber standen halb so viele japanische Soldaten, die über keine panzerbrechenden Waffen verfügten. Sie hatten dem „August-Sturm“ nichts entgegenzusetzen.

Der Versuch der japanischen Regierung, im Sommer 1945 Kontakt mit der Sowjetunion herzustellen, beruhte auf einer völlig falschen Einschätzung der Denkweise in Moskau, hatte kein konkretes Ziel, wurde halbherzig ausgeführt und hatte nie die Unterstützung des Kabinetts als Ganzes. Es war der einzige Versuch der japanischen Regierung vor Hiroshima, in irgendeiner Form Gespräche einzugehen.

(Nächster Eintrag der Serie: „Die ursprünglichen alliierten Pläne“)

([1] Richard B. Frank, Downfall. The End of the Imperial Japanese Empire., Penguin Books 1999 [2] Marius B. Jansen The Making of Modern Japan, Belknap 2000)