Archive for Juni, 2007

Kurz erklärt: Amerikanische Schulnoten

Juni 30, 2007

Wir werden im nächsten ZEUGS-Eintrag darauf hinweisen, dass es für das jetzige Design der US-Fahne ursprünglich nur die Note „B Minus“ gab (wieso es überhaupt benotet wurde, verraten wir natürlich noch nicht, sonst wäre die ganze Spannung weg). Dem Autor ist aber eingefallen, dass das vielleicht einigen interessierten Lesern nicht so viel sagen wird.

Deswegen stellen wir vorher noch schnell das gebräuchlichste System für Schulnoten in den USA vor: Verwendet werden die fünf Buchstaben von A bis F, wobei A am besten ist.

(Pause)

Richtig, sehr gut erkannt: Ein Buchstabe fehlt, nämlich das E. Tatsächlich sind nur A bis D Noten, mit denen man besteht. Das F steht für fail. Bei A bis D kann es noch ein Plus oder ein Minus geben.

Offenbar gilt das System auch in anderen Staaten wie Kanada. Allerdings scheint dort niemand jemals den Entwurf der Fahne benotet zu haben, und deswegen muss uns das nicht weiter interessieren.

Zur Finanzierung der US-Universitäten

Juni 28, 2007

Heute, liebe interessierte Leser, wollen wir über amerikanische Universitäten sprechen. Eine aktuelle Entwicklung gibt uns die Vorlage, das Thema der Finanzierung herauszugreifen: Ein anonymer Absolvent der University of Chicago hat ihr 100 Millionen Dollar geschenkt, um Studienanfänger zu unterstützen.

I am giving this gift to the University of Chicago because I believe it had a profound effect on my life and in particular on allowing me to survive untold failures and persevere in mad adventures that have rewarded me with the financial resources to make this gift.

So ein anonymer Spender macht natürlich neugierig – was waren wohl die mad adventures, die er nicht genannt sehen will? Woher hat er das Geld – ein Piratenschatz? Nazi-Gold? Blutdiamanten? Gewinne aus Pharma-Versuchen an genmanipulierten Waisen in geheimen Regierungslabors im südamerikanischen Urwald? Oder war es gar etwas wirklich verwerfliches wie Gartenzwerg-Importe?

Wie auch immer. Chicago wird das Geld benutzen, damit Studenten, deren Familien weniger als 60.000 Dollar im Jahr zur Verfügung steht, keinerlei Studiengebühren zahlen müssen. Damit zieht die Uni mit Harvard gleich, wobei man dort auch Unterkunft und Verpflegung umsonst bekommt – wenn man aufgenommen wird, versteht sich (zumindest in Harvard gilt diese Regelung auch für Ausländer, sollte sich jemand berufen fühlen).

Die Finanzierung der amerikanischen Hochschulen ist eines der Themen in diesem Blog mit einem Bezug zu Deutschland. Denn immer wenn es darum geht, ob hierzulande Studiengebühren eingeführt werden sollen, heißt es: Die Amis haben sowas und deren Universitäten sind, zumindest wenn man den Chinesen glaubt, ziemlich gut. Ergo: Auch Deutschland braucht Studiengebühren. Wir werden wegen Regel 1 dieses Blogs nicht direkt zu dieser Debatte Stellung nehmen. Aber wir können doch etwas Hintergrund liefern, denn so einfach ist das nicht.

Da wir bislang praktisch nichts über das amerikanische Bildungssystem gesagt haben, braucht dieser Hintergrund erstmal selbst etwas Hintergrund.

Bildung in den USA ist nach dem föderalen Modell Sache der Bundesstaaten. Es wurde nie geklärt, ob ein System von nationalen Unis mit der Verfassung vereinbar wäre, aber in der Praxis werden nur die Militäruniversitäten wie West Point oder Annapolis als „Akademien“ vom Bund geführt. Bildung ist dann auch der größte Posten der Bundesstaaten. In Arizona [PDF] lag der Anteil 2007 bei mehr als die Hälfte des Haushalts: 42 Prozent für Schulen und zehn Prozent – etwa 960 Millionen Dollar – für die staatlichen Hochschulen.

Das heißt nicht, dass der Bund nichts zur Bildung beiträgt – tatsächlich hat er eine ganze Reihe von Förderprogrammen [PDF]. Der Schwerpunkt liegt jedoch bei den Bundesstaaten.

(Entsprechend blödsinnig sind Berichte in der deutschen Presse, vom amerikanischen Bundeshaushalt seien X Prozent für Verteidigung, aber nur Y Prozent für Bildung vorgesehen. Duh: Verteidigung ist Bundessache, Bildung Ländersache.)

Die Universitäten sind dabei autonom zu einem Grad, der auf Deutsche erschreckend wirken kann – ironischerweise, denn das Prinzip geht auf Wilhelm von Humboldt zurück. Sie haben (wie schon angedeutet) eigene Polizeikräfte und entscheiden selbst über die Aufnahmekriterien, um nur zwei Beispiele zu nennen. Wir werden in anderen Einträgen auf diese Punkte zurückkommen.

Ihr Geld stammt nun aus drei Hauptquellen: Steuern, Studiengebühren und Spenden/Stiftungen. Den Rest dieses Textes können wir wie folgt zusammenfassen: Die Hochschulen erhalten Geld aus jede dieser Quellen, wenn auch in einem unterschiedlichen Maß.

(Zeit für unseren Standard-Disclaimer: Das ist natürlich eine Vereinfachung. Die Cooper Union hat zum Beispiel seit 1859 noch nie Studiengebühren verlangt, sondern bietet allen 900 Studenten eine full scholarship. Wir ignorieren hier solche Sonderfälle.)

Wir haben schon den Bildungshaushalt von Arizona angesprochen, machen wir also mit den Steuergeldern weiter. An der öffentlichen Arizona State University [PDF] (ASU) stammten 2006-07, brutal gerundet, 370 Millionen Dollar vom Bundesstaat und 410 Millionen Dollar von den Studenten als Studiengebühren. Über die Jahre hat der Anteil (nicht aber die Gesamtsumme) der öffentlichen Gelder dabei abgenommen. Wer ein Masochist Bilanzfreak ist und sich im Detail den cash flow einer öffentlichen Uni anschauen will, sei auf die University of Michigan [PDF] (UM) verwiesen.

Der Trick ist nun, dass neben den state universities wie ASU oder UM auch die private universities wie Chicago Steuergelder erhalten. Oft sind das Forschungsgelder in mehrstelliger Millionenhöhe vom Bund, zum Teil zweckgebunden. Auch die großen Namen wie Stanford bekommen so Geld vom Bürger.

Woran sieht man am besten, dass der Staat Geld gibt? Wenn er droht, es zu behalten. In den USA müssen Universitäten, die Bundesmittel erhalten, nach dem Solomon Amendment Rekrutierungsoffiziere auf den Campus lassen. Das stinkt einigen Unis: Harvard zum Beispiel hatte Ende der 60er Jahre das Reservisten-Offiziersprogramm ROTC herausgeschmissen. Die Ablehnung hat heute oft weniger mit Pazifismus zu tun als mit der von Bill Clinton eingeführten „Don’t ask, don’t tell“-Politik des US-Militärs gegenüber Homosexuellen. Der Bund hat dann in den vergangenen Jahren Druck gemacht – Harvard, um bei dem Beispiel zu bleiben, drohte zwischendurch 16 Prozent seines Haushaltes zu verlieren. Das ist also der Anteil, der dort vom Bund kommt. Das Oberste Gericht bestätigte übrigens 2006 in Rumsfeld vs FAIR einstimmig den Solomon Amendment.

(Das ist nach den Alkoholgesetzen das zweite Beispiel in diesem Blog für die „Zuckerbrot statt Peitsche“-Taktik auf die der Bund zurückgreifen muss, weil er diese Dinge nicht einfach per Gesetz anordnen kann.)

Die Höhe der Studiengebühren hängt nun von vielen Dingen ab. Einige Universitäten verlangen – wie bereits beschrieben – für die unteren Einkommensschichten überhaupt kein Geld. Bei den öffentlichen Hochschulen zahlen langjährige Bürger des Bundesstaates (residents) deutlich weniger als Leute von außerhalb (nonresidents). An der ASU lag der Betrag für Studienanfänger für das Studienjahr 2006-07 bei 4.688 Dollar für Residents und 15.847 Dollar für Zugezogene (wer will, kann es auch genauer berechnen). An der UM sind es für 2007-08 jeweils 9.723 und 29.131 Dollar.

In Harvard liegt die tuition bei 31.456 Dollar. Ähnlich ist die Situation in Stanford und am Reed College. Dabei decken diese Summen nicht die vollen Kosten ab (Fettdruck hinzugefügt):

All Harvard students receive a subsidy — even students who do not qualify for need-based aid receive a substantial subsidy, or implicit scholarship, from the university because the price charged covers only about two-thirds of the cost to Harvard for the education provided. The remaining third is paid for largely by endowments and gifts.

Was in Deutschland bei der Diskussion über Studiengebühren nun meist übersehen wird: Die USA haben eine große Zahl von Stipendien, staatlich geförderten Krediten und anderen Finanzinstrumenten entwickelt, um Studenten zu unterstützen.

Unter den Stipendien dürfte der GI Bill am bekanntesten sein, der 1944 aufgelegt wurde und bis 1957 etwa 7,8 Millionen Soldaten eine weitergehende Ausbildung ermöglichte (solche Programme gibt es bis heute). Auch die staatlich überwachten Geber von Bildungskrediten wie Sallie May haben gemeinnützige Stiftungen.

Die Stipendien von Bund und Bundesstaaten gelten dabei auch für private Unis. Ein Beispiel dafür ist der Pell Grant des Bundes für untere Einkommensschichten, der ausdrücklich kein Kredit ist und nicht zurückgezahlt werden muss. Der Bund stellte dafür 2006 etwa 13 Milliarden Dollar bereit. Es gibt darüber hinaus natürlich gezielte Förderprogramme, wie das für jüdische Studien an der Yeshiva University (YU).

Die Folge: An Harvard erhalten etwa 70 Prozent der Studenten weitergehende Unterstützung in der einen oder anderen Form, übrigens die gleiche Quote wie in Michigan. Allerdings ist das ganze Vergabesystem, wie jedes Jahr zehntausende Studienanfänger feststellen, eine Wissenschaft für sich.

Und nun kommen wir zur dritten Säule, deren Bedeutung hierzulande deutlich unterschätzt wird: Amerikanische Universitäten verfügen über Milliarden an Stiftungskapital, ihren endowments. Harvard hatte 2006 Fonds von insgesamt 29 Milliarden Dollar zur Verfügung, die UM immerhin von 5,6 Milliarden Dollar. Dieses Geld gehört den Universitäten ganz allein und wird von ihnen verwaltet, was ihnen einen gewissen Grad an Unabhängigkeit und Planungssicherheit gibt.

Dazu kommen Spenden in Milliardenhöhe. Vergangenes Jahr waren es 28 Milliarden Dollar, ein Rekord. Allein Stanford erhielt 911 Millionen Dollar. Der anonyme Spender in Chicago ist also in guter Gesellschaft.

Ein großer Teil des Geldes stammt von ehemaligen Studenten, den alumni. Von erfolgreichen Absolventen wird erwartet, dass sie etwas an die Universität „zurückgeben“, egal ob sie damals Studiengebühren gezahlt haben oder nicht. Das Ideal ist eine Solidarität über die Generationen hinweg. Die Jahrgänge wetteifern miteinander, wer die größten Summen zusammentragen kann.

Diese Spende- und Stiftungswut ist nicht nur der Grund für die vergleichsweise großen Geldbeträge, die amerikanischen Universitäten zur Verfügung stehen (die FU Berlin [PDF] hatte 2006 – ohne die Charité – einen „Staatszuschuss“ von 290 Millionen Euro und Drittmittel von 59 Millionen Euro). Sie sorgt auch dafür, dass die Hochschulen motiviert sind, gute Leute anzuwerben, sie zu fördern und ihnen den bestmöglichen Einstieg in die Berufswelt zu ermöglichen – und zwar egal, aus welcher sozialen Schicht oder sogar aus welchem Land sie kommen. Wichtig ist nicht so sehr, woher die Studenten kommen, sondern wohin sie gehen.

Damit haben die kostenlosen Programme von Elite-Universitäten wie Harvard für weniger bemittelte Studenten nicht nur einen sozialen Aspekt, auch wenn dieser ernst gemeint ist und Maßnahmen wie der GI Bill oder die Pell Grants dafür sorgen, dass die Gesellschaftsschichten wenigstens zum Teil durchmischt werden. Erfolgreiche Studenten sind eine Investition für die Zukunft der Universität. Das muss nicht über Geld laufen, denn auch mit Erfolg kann man werben. Chicago verweist nicht umsonst auf seine 79 Nobelpreisträger, von denen sechs im aktiven Lehrdienst sind (die anderen sind, äh, zum Teil tot).

Für den Studenten ist das gut: Er sieht sich selbst an öffentlichen Unis nicht einer desinteressierten Bürokratie gegenüber, die ihn (bestenfalls) verwaltet. Das System ist aus ureigenen Gründen an seinem Erfolg interessiert – und zwar auch dann, wenn er dafür untold failures und mad adventures durchstehen muss.

Vielleicht hat der Spender das Geld mit Heino-Raubkopien gemacht? Das würde man doch bestimmt geheim halten wollen.

(Nach einem ursprünglichen Hinweis und mit Links von DKS, vielen Dank)

Achtung!

Juni 25, 2007

Der polnische Minister Roman Giertych hat den Verhandlungsstil von Bundeskanzlerin Angela Merkel beim EU-Gipfel mit einem Verweis auf die Nationalsozialisten kritisiert: Es sei das politische Äquivalent von jemanden gewesen, der „Hände hoch!“ rufe, sagte er polnischen Medien. „Hände hoch“ wird in Deutschland allerdings eher mit Bankräubern in Verbindung gebracht, weswegen wir sagen können: Andere Länder, andere Assoziationen.

Bei den Amerikanern und zu einem gewissen Maß bei den anderen Angelsachsen wird nun ein (möglichst gebelltes) „Achtung!“ mit Nazis und dem deutschen Militarismus assoziiert. Das sieht man an dem Album Achtung Baby von U2, die den Spruch von dem Mel-Brooks-Film The Producers (die Version von 1968) genommen haben: „Der Führer does not say, ‚Achtung, baby.'“. Dann gibt es noch den Vorspann zu dem Lied „Snoopy vs The Red Baron“ von den Royal Guardsmen:

Achtung!
Jetzt wir singen zusammen die Geschichte
Über den schweinköpfigen Hund
Und den lieben Red Baron

(Trotz des Namens: Die Guardsmen stammen aus Florida. Ihr jüngstes Lied heißt „Snoopy vs Osama“)

Nun enthält „Achtung“ ein „ch“, was es Angelsachsen unmöglich macht, das Wort richtig auszusprechen – es wird immer „Ack-tung“ daraus. Nur „Mein Führer“ bereitet ihnen mehr Probleme („ü“ plus zwei germanische „r“). Warum gerade „Achtung“, besonders wenn die Deutschen außerhalb der Kaserne ohnehin eher „Vorsicht“ sagen?

Einen wesentlichen Beitrag dazu lieferte eine Sitcom von 1965 namens Hogan’s Heroes, eine Komödie über eine Gruppe alliierter Soldaten, die in einem deutschen Gefangenenlager Katz und Maus mit ihren Wachen spielen. Die Figuren sind Stereotypen (die Sekretärin der Nazis heißt Helga) und alle rufen halt ständig „Achtung!“. Heroes lief sechs Jahre lang in 168 Folgen. Ob das geschmacklos ist oder nicht, wird seit Jahrzehnten diskutiert und ist hier nicht weiter Thema.

Das erstaunlichste an der Serie dürfte aber sein, dass sie in Deutschland gesendet wurde, zuerst als Stacheldraht und Fersengeld, später neu aufgelegt als Ein Käfig voller Helden. Mehr noch, es gibt eine richtige Fangemeinde. In Kommentaren werden immer wieder die Sprüche hervorgehoben.

Da kann man den Synchronisatoren nur sagen: Alle Achtung.

[Ergänzt 30. Juli 2007: Macht deutlich, dass bei der Bundeswehr tatsächlich „Achtung“ gesagt wird, zuerst angeregt von MM, vielen Dank]

Der (Nicht-)Irokese beim Grimme-Award

Juni 22, 2007

Dieser Autor hat es sich natürlich nicht nehmen lassen, zur Verleihung des Grimme Awards 2007 nach Köln zu fahren, schon allein weil er immer noch von dem studentischen Instinkt beseelt ist, jedes kostenlose Essen abzugreifen.

Und so haben die Schönste Germanin und er die Großen der deutschen Bloggerszene wie Stefan Niggemeier aus der Nähe gesehen, freundliche Leute von Watchberlin getroffen und die sehr nette Monika Porrmann kennen gelernt, die unserer Meinung nach ihre Auszeichnung für Nach 100 Jahren als Einzelkämpferin ganz besonders verdient hat.

Und dann war noch der Autor und Blogger Sascha Lobo von der Riesenmaschine da, der uns das Thema dieses Eintrags beschert: Er hatte seine Haare zu einem Irokesen gegelt. Auf Englisch heißt die Frisur mohawk, was auf das gleiche hinausläuft, denn die Mohawk waren einer der fünf – später sechs – Stämme des Irokesenbundes, den Haudenosaunee.

Nur leider sind beide Begriffe streng genommen falsch: Diese Frisur war ursprünglich nicht für die Mohawk charakteristisch, sondern für ihre Todfeinde, die Wyandotte.

Wir sind den Wyandotte schon mal begegnet. Dabei sind wir darauf eingegangen, dass sie von den Irokesen in den Beaver Wars praktisch ausgelöscht wurden. Das soll uns an Hintergrund reichen, denn wir werden in späteren Einträgen auf sie zurückkommen.

Wir wissen von der Frisur der Wyandotte aus den Berichten der Franzosen, die im 17. Jahrhundert die Region im Südosten Kanadas erforschten. Sie waren es auch, die den Wyandotte den Namen „Huron“ einbrockten: Das kommt von dem französischen Wort hure, „Tierkopf“, oder genauer, hure du sanglier für „Wildschweinkopf“. Gemeint ist eben der charakteristische Borstenschnitt. Das ist auch der Grund, warum man heute lieber von „Wyandotte“ spricht als von „Huron“, obwohl das Wort in Ortsnamen wie Huron-See verewigt ist.

Die Wyandotte waren natürlich nicht die Einzigen, die sich die Haare an den Seiten ausrissen. Bei einer 2300 Jahren alten europäischen Moorleiche fand man die Frisur auch. Tatsächlich trugen – zumindest später – auch Irokesen die Haare so. Die Luftlande-Einheiten der 101. Airborne („Screaming Eagles“) rasierten sich in Zweiten Weltkrieg die Kopfseiten, was das US-Militär heute nicht mehr zulässt (amerikanische Fallschirmjäger schreien übrigens beim Sprung Geronimo!, den Namen eines Apachen-Häuptlings, aber das ist eine andere Geschichte).

Leider ergab sich nicht die Gelegenheit, Lobo zu sagen, dass sein Irokesenschnitt eigentlich eine Wyandotte-Frisur ist. Dieser Autor redet ohnehin nicht gerne im Beisein der Schönsten Germanin über Haare: Seit Jahren arbeitet sie daran, ihn von seinem geliebten selbstgeklipperten Drei-Millimeter-Schnitt wegzubringen. Die Diskussion wollen wir gar nicht erst provozieren.

Viel besser, mit ihr das Buffet zu plündern.

META: Der Grimme Award …

Juni 21, 2007

… ging in der Kategorie Wissen und Bildung dann doch an Mario Sixtus für den Elektrischen Reporter. Ich gratuliere herzlich!

Danke an alle, die für USA Erklärt gestimmt haben und mir die Daumen gedrückt haben. Nach wie vor war es eine Ehre, nominiert zu werden, und daher bin ich nicht wirklich traurig. Wir werden sehen, was nächstes Jahr passiert.

Die Cherokee: Die Wahl, ihre Verfassung und der Streit über ihre Ex-Sklaven

Juni 18, 2007

Am Samstag wählen die Cherokee, der zweitgrößte Indianerstamm der USA, eine neue Regierung.

Das wäre so schon eine gute Gelegenheit, in ein Thema einzusteigen, das wir bislang kaum berührt haben. Aber es kommt noch besser: Es steht gleichzeitig ein Referendum über eine Verfassungsänderung an, die ihnen eine noch größere Unabhängigkeit vom Bund geben soll. Und bei den Cherokee geht es im Moment ohnehin hoch her, denn sie haben gerade beschlossen, nach 140 Jahren die Nachkommen ihrer Ex-Sklaven – Schwarze also – aus dem Stamm auszuschließen. Das hat nicht nur für landesweite Aufregung gesorgt, sondern berührt auch grundsätzliche Fragen ihrer Souveränität.

Wir haben in unserem Gesamtüberblick erwähnt, dass die etwa 560 Indianer-Nationen [GIF] als domestic nations souveräne Gebilde sind, die nur dem Bund unterstehen. Sie stellen ihre eigenen Regierungen, haben ihre eigenen Gesetze und Justizsysteme, erheben eigenständig Steuern, entscheiden, wer auf ihr Land darf und wer zum Stamm gehört. Die Bundesstaaten, in denen sie liegen, haben ihnen erstmal nichts zu sagen. Das alles werden wir in einer eigenen Serie genauer besprechen.

Die Cherokee nun lebten ursprünglich im Osten der USA, etwa in der Region von Georgia und Tennessee. Sie gehörten zu den ersten Stämmen, die die Technologie und Organisationsformen der Siedler übernahmen und deswegen auf typisch europäische Art die Five Civilized Tribes genannt wurden. Dank des Genies Sequoyah hatten die Cherokee früh eine eigene Schrift. Als sie durch den Indian Removal Act von 1830 nach Westen umgesiedelt werden sollten, machten sie etwas Ungeheuerliches: Sie klagten vor dem Obersten Gericht der USA und bekamen in Worcester vs State of Georgia auch Recht.

Und damit stehen die Cherokee auch für eines der dunkelsten Kapitel der amerikanischen Geschichte, denn das Urteil wurde vom Bund ignoriert und der Stamm trotzdem ins heutige Oklahoma deportiert. Auf dem Gewaltmarsch, dem Trail of Tears, starben von 17.000 Menschen etwa 4.000 (Deutsche kennen das Lied „Indian Reservation“ von Paul Revere and the Raiders, wobei die Cherokee technisch gesehen nicht auf einem Reservat wohnen, aber das lassen wir jetzt).

In Oklahoma fassten die Cherokee dann relativ schnell wieder Fuß, bis der Bürgerkrieg ihre Nation zerriss. Die Regierung stellte sich auf die Seite der Südstaaten, der Nationalrat der Cherokee erklärte am 28. Oktober 1861 den USA den Krieg. Der Sieg der Nordstaaten und die Auflösung der Stämme durch Gesetze wie dem Dawes Act von 1887 waren, gelinde gesagt, schwere Rückschläge. Unter der seit dem Indian Reorganization Act von 1934 geltenden Politik der tribal sovereignty nutzen sie ihr wiedergewonnenes Selbstbestimmungsrecht bis zum Anschlag.

Bekannte Leute mit Cherokee-Vorfahren sind Jimi Hendrix, Tori Amos und – für dieses Blog natürlich am wichtigsten – Charisma Carpenter, die in Buffy und Angel Cordelia Chase spielt.

Das soll uns erstmal als Hintergrund reichen. Am Samstag wählen die Cherokee also eine neue Regierung.

Es wird nicht überraschen, dass deren Aufbau dem der USA angelehnt ist. Zur Wahl stehen bei der Exekutive der Principal Chief und Deputy Chief und bei der Legislative die 17 Abgeordneten des Tribal Council, ein Ein-Kammer-Parlament, das eine Mischform aus Repräsentantenhaus und Senat ist.

Die meisten Kandidaten haben eigene Websites, die all denen empfohlen werden, für die Indianer à la Karl May noch Halbwilde im Lederdress auf Pferden sind, die im Tipi wohnen und Probleme mit der Ersten Person Singular haben. Wer einmal gesprochenes Cherokee hören will, mag sich den Anfang des Wahlvideos von Amtsinhaber Chad Smith anschauen. Seine Herausforderin für das Amt des Principal Chiefs heißt Stacy Leeds und war Richterin am Obersten Gericht der Cherokee.

(Nach der deutschen Konvention müssten wir „Prof. Stacy Leeds“ schreiben, denn sie ist Juraprofessorin an der University of Kansas. Auch Smith, der sich gerne „Corntassel“ nennt, ist ein Jurist. Dringend hier nochmal der Rat, ganz schnell das Karl-May-Bild des Indianers zu vergessen.)

Wir wollen uns hier nicht mit dem Wahlkampf befassen, der sich nicht wirklich von jedem anderen unterscheidet (Slogan von Smith: The right direction – The right leaders – The right time). Stattdessen wollen wir uns das Referendum zur Verfassungsänderung anschauen.

Die Cherokee gaben sich ihre erste Verfassung 1839, hatten also vor Preußen eine. Eine überarbeitete Version trat 1976 in Kraft. Darin legten sich die Cherokee in Artikel XV, Absatz 10 folgende Einschränkung für Änderungen auf:

No amendment or new Constitution shall become effective without the approval of the President of the United States or his authorized representative.

Damit ist in der Praxis das Bureau of Indian Affairs (BIA) gemeint, ein Teil des Innenministeriums. Das BIA verwaltet unter anderem treuhänderisch Land und hilft bei Dingen wie der Bildung. Üblicherweise wird von einer „Hassliebe“ der Indianer zu dem Amt gesprochen. Den Hass sieht man zum Beispiel daran, dass die Behörde gerade wegen angeblicher fehlerhafter Buchführung verklagt wird und deswegen alle Zahlungen seit 1887 [PDF] vorlegen soll (Cobell vs Kempthorne).

Die Cherokee setzten 1999 eine Verfassungsgebende Versammlung ein und bestätigten per Referendum 2003 die heutige Verfassung [PDF], in der es diesen Absatz nicht mehr gibt (eine Liste der Änderungen findet sich hier [PDF]). Das Oberste Gericht der Cherokee bestätigte die Verfassung [PDF] 2006. Das klingt erstmal alles ganz einfach.

Aber nun stimmen die Cherokee noch einmal [PDF] darüber ab, ob die Verfassung ohne die Zustimmung des Bundes geändert werden darf. Denn das BIA bemängelte (doch schon) 2006, dass die Cherokee Freedmen 2003 von der Wahl ausgeschlossen worden waren.

Wer sind denn die Freedmen, fragt sich der interessierte Leser. Und damit sind wir bei der eigentlichen Kontroverse.

Die Cherokee gehören zu den Indianern, die Sklaven hielten. Im Jahr 1860 lag deren Zahl bei etwa 2500. Nach seiner Niederlage im Bürgerkrieg verpflichtete sich der Stamm im Vertrag von 1866, die ehemaligen Sklaven als vollwertige Mitglieder aufzunehmen:

[A]ll freedmen who have been liberated by voluntary act of their former owners or by law, as well as all free colored persons who were in the country at the commencement of the rebellion, and are now residents therein, or who may return within six months, and their descendants, shall have all the rights of native Cherokees.

Faktisch hatten sie aber Ende der 80er weder das aktive noch passive Wahlrecht bei Stammeswahlen. Dagegen klagte eine Freedmen und das Oberste Gericht der Cherokee entschied im März 2006 in Lucy Allen vs Cherokee Nation, dass es in der Verfassung dafür keinen Rückhalt gebe. Zwar könne die Cherokee-Nation als souveränes Gebilde grundsätzlich entscheiden, die Freedmen auszuschließen. Jedoch müsse dazu die Verfassung geändert werden:

[I]f the Cherokee people wish to limit tribal citizenship, and such limitation would terminate the pre-existing citizenship of even one Cherokee citizen, then it must be done in the open.

Das taten die Cherokee dann auch. Bei einer Sonderabstimmung vor drei Monaten stimmten drei Viertel der Wähler für eine Verfassungsänderung, die die Freedmen ausschloss. Bürger der Cherokee-Nation ist demnach nur noch jemand, der auch Cherokee-Blut nachweisen kann. Aus dem Stamm mit mehr als 250.000 Mitgliedern dürften 2.800 Freedmen betroffen sein.

Die Abstimmung führte zu einem Aufschrei. Seit nun 140 Jahren gehörten sie zu den Cherokee, sagen die Freedmen. Man sei mit dem Stamm durch Dick und Dünn gegangen und habe ihm auch in seiner schwersten Stunde auf dem Tränenpfad beigestanden, egal wie unfreiwillig. Das sei Verrat. Der Kreis der schwarzen Abgeordneten im US-Kongress reagierte „shocked and outraged“ und wies das BIA an, sich dringend mit der Abstimmung zu befassen. Es gibt Forderungen, die Bundesgelder an die Cherokee einzufrieren. Kritiker sprechen von blankem Rassismus.

Blödsinn, erwiderten die Befürworter. Ausdrücklich gebe es bei den Cherokee keine Einschränkung nach Rasse oder ethnischer Gruppe. Schwarze, Weiße, Asiaten, Hispanics oder wer auch immer könnten Cherokee sein [PDF], so lange sie einen Cherokee als Vorfahren nachweisen könnten. Alles andere sei doch auch albern: Wie könne man zu einem Indianer-Stamm gehören, wenn man nicht von Indianern abstamme?

Es gehe gar nicht um den Stamm, sagen Freedmen-Vertreter, sondern um die Mitgliedschaft in der Cherokee-Nation als juristisches Gebilde:

[T]here never was such a thing as the Cherokee Race. Cherokee was a citizenship … The federal government doesn’t have government-to-government relations with races, only nations.

Eine zentrale Rolle spielt der Vertrag von 1866. Die Sache mit den Freedmen sei den Cherokee damals aufgezwungen worden, sagen die Befürworter der Änderung. Und überhaupt stehe die Souveränität des Stammes über so einem Abkommen. Dummes Zeug, sagen die Gegner. Die Souveränität gebe es nur innerhalb des staatlichen Gesamtgefüges der USA, und dort stehe die Cherokee-Nation unter dem Bund, und damit gelte der Vertrag. Oder wie es ein Freedmen-Vertreter formulierte: Cherokee sovereignty exists only at the pleasure of Congress.

Dass ausgerechnet ein Indianerstamm plötzlich anfängt, mit der US-Regierung geschlossene Verträge einseitig aufzuheben, finden einige ironisch, andere bedrohlich. Der Landesabgeordnete von Oklahoma Mike Shelton sieht schwerwiegende Konsequenzen, sollten die Cherokee bei ihrer Entscheidung bleiben. Wenn die Indianer sich nicht mehr an solche Abkommen gebunden fühlten, warum sollte der Bund sie einhalten?

[S]ome day in the near future, Cherokees may look back at their vote to oust the Freedmen as the beginning of the end of their sovereignty, and they’ll have no one to blame but themselves.

Tatsächlich geht es bei der Frage der Freedmen inzwischen um nichts Geringeres als wie sich die Zugehörigkeit zu einer Indianer-Nation definiert, wie weit deren Souveränität reicht und auf welcher Basis diese steht (weswegen wissenschaftliche Arbeiten [PDF] zu dem Fall verfasst werden). Wie wir in späteren Einträgen sehen werden, gibt es schon länger einen Streit, ob die Indianer-Nationen „intrinsisch“ souverän sind oder ob der Kongress ihnen nur gewisse Rechte unter dem Dach der Verfassung zugesprochen hat.

Wie geht es jetzt weiter? Erstmal wird ganz normal eine neue Regierung gewählt. Dann wird entsprechend den Anweisungen des BIA darüber abgestimmt, ob der Bund in Zukunft etwas bei Verfassungsänderungen zu sagen haben soll, auch mit den Stimmen der Freedmen. Was deren Status angeht, laufen Klagen auf mehreren Ebenen. Es wird nicht ausgeschlossen, dass die Frage am Ende vor dem Supreme Court in Washington landet.

Aber Moment. Ist der in diesem Fall überhaupt zu einem Urteil berechtigt? Hmmm.

ZEUGS: Hasselhoff im Rausch, tief sitzende Hosen und der Sieg der Nüsse

Juni 16, 2007

Kind Nummer Eins hat eine Mittelohrentzündung, Kind Nummer Zwei schnupft und will nicht schlafen, die Schönste Germanin braucht Zeit für einen Schub Arbeit und dieser Autor hat nicht nur selbst eine laufende Nase, sondern ist bis ins Mark erschüttert von der Nachricht, dass die nächste Folge von Buffy Staffel 8 erst Anfang August erscheint. Daher gibt es heute einen ZEUGS-Eintrag, auch wenn etwas über die Finanzierung der amerikanischen Unis geplant war.

  • Zur Rekrutierung: Folge 5 von Staffel 8 wird auf der Titelseite (als variant cover) eine Anspielung auf das „I want you for U.S. Army“-Plakat von James Montgomery Flagg [JPG] haben – nur dass bei Buffy „I want you to be strong“ steht. Der interessierte Leser denkt natürlich sofort an das kleine Mädchen mit dem Baseball-Schläger aus Staffel 7.
  • Zur Meinungsfreiheit bei Prominenten: Sagten wir David Hasselhoff? Als Beispiel für das faktische Fehlen von Privatsphäre bei öffentlichen Personen mag ein Video [YouTube] des Schauspielers dienen, das zeigt, wie er auf dem Fußboden versucht, betrunken einen Hamburger zu essen. Das sollte jemand mal mit Thomas Anders versuchen.
  • Zur Meinungsfreiheit in Schulen: Wir hatten erwähnt, dass der volle Schutz des First Amendment nicht für Schulen gilt, weil es dort einen Bildungs- und Erziehungsauftrag gibt. Ein Beispiel dafür finden wir nun an der Maria Carrillo High School in Kalifornien, wo die inzwischen 18-Jährige getadelt wurde, weil sie eine 2003 abwertende Bemerkungen über Schwule gemacht hatte. Ihre Eltern klagten dagegen erfolglos. Haben wir doch gesagt.
  • Zur Offenlegungspflicht bei Politikern: Wie angeordnet haben die Clintons ihren blind trust geöffnet und wie erwartet macht sich die Presse mit Begeisterung über den Inhalt her. Aktien von Rüstungskonzernen und Wal-Mart finden sich zum Beispiel da, oder besser, sie waren dort zu finden, denn die Senatorin und der Ex-Präsident haben kurzen Prozess gemacht und alle Aktien verkauft. Bargeld ist halt viel unverfänglicher.
  • Zur Autonomie der Städte: Ein einprägsames Beispiel dafür, dass die Kommunen in den USA eigene Gesetze erlassen können, bietet uns Delcambre in Louisiana: Dort soll es für zu tief hängende Hosen eine Geldstrafe von 500 Dollar geben. Wieder ein Modetrend, der an diesem Autor spurlos vorbei gegangen ist, was diesmal aber wohl selbst die Schönste Germanin nicht bedauern wird.
  • Zum Spelling Bee: In diesem Jahr war es kein deutsches Wort, das den Sieg im Buchstabierwettbewerb brachte, sondern serrefine. Interessant ist, dass der 13-jährige Sieger Evan O’Dorney gar nicht zur Schule geht, sondern von seinen Eltern zu Hause unterrichtet wird. Das ist das berühmte home schooling, auf das wir auch werden eingehen müssen. Wir sollten erwähnen, dass an zweiter Stelle ein Kanadier war, denn die dürfen auch teilnehmen, vermutlich weil es in Nunavut so langweilig ist.
  • Zu Executive Orders: Für die Erlasse von Präsident George W. Bush gibt es einen einfacheren Zugang als die Datenbank des Nationalarchivs: Sie sind auf der Website des Weißen Hauses aufgelistet.
  • Zur Gesetzgebung: Der interessierte Leser AD weist auf die Folge „Mr. Spritz Goes to Washington“ der Simpsons (Episode 14, Staffel 14) hin, wo Krusty der Clown ein Kongressabgeordneter wird und ein Gesetz durchbringt. Das dort beschriebene Verfahren ist, äh, leicht anders.
  • Zum Wizard of Oz: Der interessierte Leser K hat mehr Folgen von Scrubs gesehen als dieser Autor und weiß deswegen, dass die Episode 7 von Staffel 5 „My Way Home“ der Geschichte von Dorothy gewidmet ist. Und wie stellt man Toto da, wenn Hunde nicht ins Krankenhaus dürfen? Als iPod mit dem Lied „Africa“.
  • Zu Nüssen: Die erbosten Fans von Jericho haben etwa 25 Tonnen Erdnüsse bei CBS eingehen lassen (nebenbei: eine amerikanische ton sind nicht 1.000 Kilo, sondern 907 Kilo). Und es hat geklappt: Die Serie kommt wieder, zumindest für eine halbe Staffel. Offenbar hat CBS unterschätzt, wie viele Leute die Serie im Internet oder auf digitalen Videorecordern gucken statt um eine bestimmte Uhrzeit vor dem Fernseher zu sitzen. Das hat die Diskussion angefacht, ob die traditionellen Nielsen-Ratings als Maß für die Zuschauerzahl überhaupt noch so wichtig sind.

(Was uns zu einer Fußnote für die Buffy-Zweifler bringt: Staffel 8 entwickelt sich zu einem Riesenerfolg für den Verlag Dark Horse Comics. In dem von Diamond Comic Distributors herausgegebenen Verkaufsranking erreichte Heft 1 den 9. Rang, Heft 2 immerhin den 12. Rang. Beide sind neu aufgelegt worden. Buffy war im März und April der einzige Titel unter den Top 40, der nicht von Marvel oder DC stammte. Da kann man doch nicht einfach bis August Pause machen!)

META: Neue Buchbesprechung: An Empire of Wealth

Juni 13, 2007

Statt eines neuen Eintrags gibt es heute eine Ergänzung der Buchliste: An Empire of Wealth von John Steele Gordon ist eine leicht lesbare Einführung in die Wirtschaftsgeschichte der USA, die aber mit „Hardware“-Schwächen daherkommt.

Kurz erklärt: Wo kommen die ganzen Kaukasier her?

Juni 11, 2007

Die interessierte Leserin A macht uns auf ein Phänomen aufmerksam, das Europäer immer wieder verwirrt: Dass Weiße in den USA in einigen Formularen caucasians genannt werden. Haben die Amis noch nie einen echten Kaukasier gesehen?

Schuld ist, ohne jemanden hier zu nahe treten zu wollen, ein Deutscher. Der Göttinger Anatom Johann Friedrich Blumenbach schlug 1795 vor, die Menschheit in fünf Rassen aufzuteilen. Für die Weißen nahm er den Begriff „Kaukasier“. In den USA hielt dieser sich länger, und dieser Autor würde tatsächlich raten, dass es daran liegt, dass dort nicht so viele echte Kaukasier herumlaufen.

Bei der Volkszählung wird inzwischen von whites gesprochen.

Free Speech, Teil 4: Das FCC und Fluchen im Fernsehen

Juni 7, 2007

Eigentlich war als nächster Eintrag dieser Serie die Frage der Obszönität vorgesehen, aber aktuelle Ereignisse bieten eine gute Gelegenheit, ein anderes Thema vorziehen: Ein Bundesberufungsgericht hat sich zu der neuen Praxis der Funkaufsicht FCC geäußert, auch spontane Flüche (fleeting
expletives)
mit Geldbußen zu ahnden. Mit der Federal Communications Commission müssen wir uns ohnehin beschäftigen, und der aktuelle Fall ist in den deutschen Medien breit „gecovert“ worden, wenn auch stellenweise etwas konfus. Die schockierenden Perversionen blutjunger Amerikanerinnen werden noch eine Folge warten müssen.

Die FCC ist eine 1934 gegründete Bundesbehörde, die für die Regulierung des Funkspektrums – also terrestrischer Hörfunk und terrestrisches Fernsehen – zuständig ist. Hintergrund ist das Problem, dass das Spektrum begrenzt ist und jemand entscheiden muss, wer welche Teile bekommt. Hier wacht sie auch über die Einhaltung des Jugendschutzes. Die Behörde sorgt zudem für gewisse technische Standards und eine Reihe anderer Dinge, die wir im Rahmen unserer Diskussion über die Meinungsfreiheit ignorieren.

Der Clou an der FCC sind aber die Sachen, für die sie nicht zuständig ist. Kabel und Satellit sind keine beschränkten Güter und zudem ist bei ihnen eine Kiste vorgeschaltet, in der man Maßnahmen zum Jugendschutz einbauen kann. Die FCC hat deswegen bei Kabelsendern bis auf technische Fragen nichts zu sagen, die Lizenzen werden von den Bundesstaaten und Kommunen vergeben. Aus diesem Grund sind auch schock jocks wie Howard Stern in den Weltraum gewechselt. Im Internet hat die FCC, wie wir gesehen haben, keine Befugnisse. Auch bei DVDs oder Kinofilmen muss sie passen.

Deswegen ist die gelegentliche Beschreibung der FCC als „Medienaufsicht“ in der deutschen Presse falsch. Sie ist für den Funkbereich und nur für den Funkbereich zuständig. Entsprechend hat ihre Bedeutung im Leben des gemeinen Amerikaners in den vergangenen Jahren abgenommen: Etwa 85 Prozent der US-Haushalte haben Kabelfernsehen.

Im Funkbereich ist die FCC aber eben auch für den Inhalt zuständig. Eine direkte Zensur ist ihr zwar ausdrücklich verboten. Sie darf aber Schweinkram im Äther unterbinden:

Whoever utters any obscene, indecent, or profane language by means of radio communication shall be fined under this title or imprisoned not more than two years, or both.

(Man beachte den Begriff radio communication, also die besagte Beschränkung auf den Funkbereich.)

Meist gibt es Geldstrafen, im Extremfall kann die FCC dem Sender die Lizenz entziehen. Dieser Vorgang ist sehr selten. In den USA gibt es etwa 12.600 Radiosender und 1.616 terrestrische Fernsehsender, die alle nicht überwacht werden – die FCC wird nur bei Beschwerden tätig, die Beweislast liegt bei dem Beschwerdeführer.

Zum Glück für die FCC gibt es den Parents Television Council (PTC). Das ist eine Gruppe „besorgter Eltern“, auf die mehr als 99 Prozent aller Beschwerden zurückgehen. Das selbstgewählte Ziel der PTC ist es, jeden Schweinkram aus dem Fernsehen zu verbannen, natürlich der lieben Kleinen wegen. Auf ihrer Website findet man auch ein hilfreiches Formular für Beschwerden an die FCC.

Was genau ist jetzt Schweinkram? Über die juristische Definition von Obszönität reden wir wie gesagt in der kommenden Folge. Hier reicht es zu wissen, dass obscene content nicht durch das First Amendment geschützt ist. Dagegen fällt indecent content – „unanständiger Inhalt“ – ausdrücklich unter die Meinungsfreiheit. Er darf nicht verboten, sondern nur aus Gründen des Jugendschutzes eingeschränkt werden. Die FCC hat dazu eine safe harbor Zeit verfügt von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr, weil Kinder dann schlafen. Was dummerweise niemand Kind Nummer Zwei gesagt hat.

Für die Praxis ist das Urteil FCC vs Pacifica Foundation aus dem Jahr 1978 von zentraler Bedeutung. Der Komiker George Carlin hatte im Radio einen Monolog mit dem Titel „Seven Words You Can Never Say on Television“ aufgeführt (der Supreme Court, immer auf seine Dokumentationspflicht bedacht, hat den genauen Wortlaut im Anhang seines Urteilstextes aufgeführt). Der befasst sich, wie der Titel sagt, in großer Ausführlichkeit mit den folgenden sieben Wörtern:

Cocksucker, cunt, fuck, motherfucker, piss, shit, tits

Die FCC ging dagegen vor, der Sender klagte, der Supreme Court gab dem FCC Recht, wenn auch denkbar knapp mit 5-4 Stimmen. Die Liste ist weder erschöpfend noch heute wirklich aktuell – tits zum Beispiel ist nicht halb so schlimm wie fuck – aber der amerikanische Rundfunk vermeidet diese Begriffe seitdem tagsüber wie die Pest und maskiert sie durch das berüchtigte beep.

Das Oberste Gericht erklärte jedoch in diesem Urteil ausdrücklich, dass es sehr strenge Kriterien für solche Einschränkungen gebe und dass es bei seiner Entscheidung davon ausgehe, dass die FCC ihre zurückhaltende Politik beibehalte.

Und damit sind wir bei dem aktuellen Fall, denn die FCC hatte immer die besagten fleeting expletives bei Direktschaltungen ausgeklammert, wenn also bei einer Livesendung ein einzelnes fuck oder shit durchrutscht. Das sei den Sendern ja nicht zuzumuten, erklärte die Behörde selbst.

In den vergangenen Jahren war aber von Zurückhaltung plötzlich nichts mehr zu spüren. Im Januar 2003 nahm Bono seinen Golden Globe Award mit den inzwischen berühmten Worten an: „This is really, really, fucking brilliant!“ Die FCC ließ das zuerst durchgehen, obwohl es Beschwerden von – wem wohl – der PTC gab. Das FCC selbst erklärte entsprechend ihrer jahrelangen Praxis, der Ausspruch sei fleeting and isolated.

Fünf Monate später hob die Behörde diese Entscheidung aber auf. Mehr noch, sie erklärte die ganze Kategorie für abgeschafft:

While prior Commission and staff action have indicated that isolated or fleeting broadcasts of the ‘F-Word’ such as that here are not indecent or would not be
acted upon, consistent with our decision today we conclude that any such interpretation is no longer good law.

Das gelte nicht nur für das „F-Wort“, sondern auch für das „S-Wort“. An diesem Punkt langte es den Sendern und sie klagten, unter anderem mit dem Vorwurf, die FCC habe ihre Kriterien plötzlich und ohne ausreichenden Grund oder gar ausreichende Begründung geändert.

Das Bundesberufungsgericht gab ihnen nun Recht. In dem Urteilstext wird unter anderem darauf hingewiesen, das auch Präsident George W. Bush und diverse Senatoren schlimme Dinge gesagt haben. Die FCC habe zudem nicht gezeigt, dass solche isolierte Ausrufe ein Problem seien, habe keinen sinnvollen Grund für ihre geänderten Kriterien vorgelegt und habe insbesondere entgegen ihrer Zusagen auch die Zurückhaltung vermissen lassen, die ausdrücklich die Grundlage für FCC vs Pacifica gewesen sei. Das gehe so nicht.

Was hat sich also jetzt geändert? Nicht viel. Das Gericht hat einfach den Zustand von vor einigen Jahren wiederhergestellt – ante bono, sozusagen. Es bleibt weiterhin verboten, tagsüber im terrestrischen US-Fernsehen in langen Monologen Schweinkram von sich zu geben; ausdrücklich geschützt sind aber jetzt die spontanen Ausbrüche von ausländischen Musikern mit schlechter Kinderstube.

Das Gericht hat insbesondere nicht über die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit der FCC geurteilt. Aber es hat einige interessante Bemerkungen angefügt:

The proliferation of satellite and cable television channels — not to mention internet-based video outlets — has begun to erode the “uniqueness” of broadcast media, while at the same time, blocking technologies […] have empowered viewers to make their own choices about what they do, and do not, want to see on television. […] [T]echnological advances may obviate the constitutional legitimacy of the FCC’s robust oversight.

Die ungewöhnlichen Befugnisse der FCC zur Einschränkung der Meinungsfreiheit beruhen also auf ungewöhnlichen Umständen, die es dank neuerer Technologie vielleicht bald nicht mehr so gibt. Man mag diese Passage als eine Warnung an die FCC verstehen. Bürgerrechtsgruppen ist die Kommission ohnehin schon immer suspekt. Die Electronic Frontier Foundation (EFF) spricht von der größten Zensurbehörde der Welt (was Chinas KP bestimmt gemein findet). Auch auf die völlig andere Medienlandschaft seit den 70er Jahren weist das Gericht hin: Terrestrisches Fernsehen hat, wie wir oben gesehen hatten, einfach nicht mehr die gleiche Bedeutung wie früher.

Es ist daher auch kein Wunder, dass an der Klage die Größen des US-Fernsehens – Fox, CBS, NBC und ABC – beteiligt waren. Sie stehen mit dem Kabelkanälen wie HBO, Satelliten-Sendern und Internet-Angeboten wie YouTube und vielleicht bald Joost im Wettbewerb, die nicht die FCC im Nacken haben. Nach „Nipplegate“, wie spöttisch die Aufregung über die entblößte Brust von Janette Jackson beim Superbowl XXXVIII genannt wird, beschloss die FCC, hart durchzugreifen. Die Klage ist die Antwort der Sender.

Und was sagt die FCC zu dem Urteil? Sie ist natürlich völlig entsetzt [PDF] und sieht eine fürchterliche Gefahr auf Amerika zukommen:

If we can’t restrict the use of the words „fuck“ and „shit“ during prime time, Hollywood will be able to say anything they want, whenever they want.

Äh. Selbst David Hasselhoff?