Archive for Januar, 2013

Die faszinierenden Kuriositäten des P.T. Barnum (oder: das Internet sieht alles)

Januar 31, 2013

Der heutige Eintrag steht unter dem Motto, dass man in einem Blog nicht schummeln sollte, denn das Internet sieht alles.

Vor einigen Tagen hatten wir den Spruch The greatest show on earth vorgestellt und ihn auf den gleichnamigen Film zurückgeführt. Nur Minuten — Minuten! — nachdem der Artikel online war, meldete sich der interessierte Leser SB und wollte wissen, was denn mit einer Verbindung zum Entertainer, Museumsbetreiber, Redner, Autor, Sklavereigegner und Politiker P. T. Barnum sei. Habe der den Spruch nicht schon vorher benutzt?

Ja, schon. Phineas Taylor Barnum (1810–1891) gründete noch im Alter von 61 Jahren einen Wanderzirkus mit dem Namen „P. T. Barnum’s Grand Traveling Museum, Menagerie, Caravan & Hippodrome“. Die Namen wechselten mehrfach und der Zirkus beanspruchte tatsächlich für sich irgendwann the greatest show on earth zu sein, zum Beispiel als

P.T. Barnum’s Greatest Show On Earth, And The Great London Circus, Sanger’s Royal British Menagerie and The Grand International Allied Shows United

später bekannt unter dem doch etwas griffigeren Namen „Barnum & Bailey’s“. Der Zirkus reiste als erster per Zug und führte als erster drei Manegen ein. Der Elefant hieß — wie sonst — Jumbo. Es steht völlig außer Frage, dass jeder Zirkus, der später kam, von „Ringling Bros. and Barnum & Bailey Circus“ beeinflusst wurde, wie heute der direkte Nachfolger [automatische Music] heißt. Entsprechend auch The Greatest Show on Earth.

Warum hat dann dieser Autor erstmal nur den Film zitiert? Nun, die Idee war, P. T. Barnum über einen Spruch einzuführen, der in den USA untrennbar mit seinem Namen verbunden ist und den der interessierte Leser vermutlich schon gehört hat. Dort sollte dann ein Hinweis auf den Zirkus-Eintrag eingebaut werden.

Welcher Spruch?

There’s a sucker born every minute

Mit sucker ist hier nicht ein Lutscher gemeint, sondern ein Depp, der über’s Ohr gehaut und ausgenommen werden kann, wenn man sich als Betrüger nur geschickt genug anstellt (in Lost Girl benutzt Kenzi den verwandten Begriff des mark). Der Satz ist so bekannt, dass er zu There’s one born every minute abgekürzt wird oder als Anspielung wie Barnum was right auftaucht. Barnum, so wird hier behauptet, sah die Welt als eine endlose Gelegenheit an, seinen Mitmenschen Geld abzunehmen.

Dummerweise hat das Barnum möglicherweise nie gesagt, sondern einer seiner Konkurrenten im Show-Geschäft. Das muss nicht unbedingt stören, wie wir an der Geschichte des Patrioten Nathan Hale gesehen haben. Man muss es nur im Hinterkopf behalten. Deutsche gehen auch locker damit um, dass die Schlacht im Teutoburger Wald wohl nicht im Teutoburger Wald stattfand (Kommentar der Schönsten Germanin: „Scheißegal, wo das stattfand, wir haben gewonnen.“)

Neben dem Spruch und dem Zirkus ist Barnum insbesondere für die Freak-und-Monster-Show in einem Museum bekannt, das er 1841 kaufte. Im American Museum gab es neben konventionellen Ausstellungen auch, sagen wir mal, Kuriositäten:

His first major acquisition for the museum was the Fejee Mermaid, a monkey-fish hybrid that he advertised as a luxurious mermaid through engravings and descriptions in newspapers.

Nach der Meerjungfrau kam später der Zwerg Charles Stratton dazu (unter dem Namen General Tom Thumb), die Riesin Anna Swan (2,27 Meter groß) sowie die körperlich verbundenen Zwillinge Chang und Eng Bunker aus Siam (von denen der Begriff „Siamesische Zwillinge“ stammt).

Dass diese Leute alle ihre eigene Wikipedia-Seite haben, zeugt von ihrem — und Barnums — Einfluss auf die amerikanische Kultur, der bis heute besteht. Ein Kreisel von Barnum findet sich in der Sammlung von Artefakten in Warehouse 13. Er führt dazu, dass Organe oder Gliedmaßen nachwachsen (bis sie dummerweise explodieren). Der interessierte Leser mag sich das Musikvideo zu „Closer“ von Nine Inch Nails anschauen und selbst entscheiden, wie viel „barnumartiges“ dort durchschimmert.

[Liebe Jugendliche, ein Musikvideo ist ein kurzer Film, der früher im Fernsehen zu den Liedern von Popstars ausgestrahlt wurde. Historisch leitet sich hiervon der Name von MTV – Music Television – ab, obwohl der Sender heute praktisch keine Musikvideos mehr zeigt. Warum das so ist, erklärt dieses Video [YouTube]. Ja, so coole Dinge gab es in den 80er Jahren.]

Barnums Museum wurde ein unglaublicher Erfolg. Es war sechs Tage die Woche, 15 Stunden am Tag geöffnet. Aus allen Schichten kamen bis zu 15.000 Besucher täglich und zahlten jeweils 25 Cent. Das ursprüngliche Gebäude brannte im Juli 1865 ab, wurde an anderer Stelle wieder aufgebaut und ging 1868 nochmal in Flammen auf. Natürlich waren die Umstände mysteriös.

Das spätere Barnum Museum in Connecticut wurde 2010 durch einen Tornado beschädigt und ist offenbar immer noch geschlossen. Im Internet kann man allerdings die Ausstellungen besichtigen. Seit 2000 ist auch eine virtuelle Rekonstruktion des ursprünglichen American Museums online. Die „New York Times“ schrieb dazu:

“Maybe what’s uniquely American about Barnum was this effort — he called it democratic, but it might be something else — to bring everybody together, regardless of class background,“ Dr. Buckley of Cooper Union said. “It was the whole period of the 1840’s when I believe it’s possible to say that a distinct American popular culture was developed, and the museum is central, and Barnum is central, to that development.“

Und jetzt mal ehrlich. Das kann man doch nicht alles in einen Eintrag packen, oder?

Joss Whedon und The Greatest Show On Earth

Januar 26, 2013

Wie erwähnt ist dieser Autor während seiner jüngsten Krankheitsphase an sinnvoller Literatur gescheitert. Zum Glück hatte er sich kurz zuvor Cabin in the Woods ausgeliehen, Joss Whedons meisterhafter Meta-Horrorfilm.

Angesichts der nicht ganz trivialen Handlung wäre auch hier der Fieber-reduzierte IQ normalerweise ein Problem. Aber es war die zweite Sichtung des Films, und wie man diesem Autor im Studium beigebracht hat, ist ein gutes Gedächtnis besser als hohe Intelligenz. Und so konnte er seine Restkonzentration auf Sprüche wie The greatest show on Earth verwenden.

Wie so viele Sätze des Films ist das eine Anspielung auf irgendwas. Hier handelt es sich um den gleichnamigen Zirkusfilm aus dem Jahr 1952 mit Charlton Heston.

A fierce, primitive fighting force that smashes relentlessly forward against impossible odds. That is the circus. And this is the story of the biggest of the big tops, and of the men and women who fight to make it „The Greatest Show on Earth“.

[Ergänzung: Kaum hatte dieser Autor diesen Text gepostet, warf ihm der interessierte Leser SB mit einer gewissen Berechtigung vor, zu kurz gesprungen zu sein: Der Spruch gehe doch ganz ursprünglich auf ein Motto des Entertainers P.T. Barnum zurück. Ja, schon, aber Barnum sollte eigentlich über den Satz There’s a sucker born every minute und einem Rückverweis auf diesen Eintrag eingeführt werden. Das werden wir jetzt wohl vorziehen müssen.]

Der Streifen gewann zwei Oscars, der Titel wurde zu einem geflügelten Wort. Fast interessanter ist, dass der Regisseur Steven Spielberg ihn laut Wikipedia als wichtigen Einfluss bezeichnete.

Der deutsche Titel heißt Die größte Schau der Welt, was erstaunlich nah am Original ist. „Schau“ klingt für heutige Ohren etwas altbacken, inzwischen würde man vermutlich einfach show sagen (Showgirls wurde nicht als Schaumädchen übersetzt). Damals war der Kulturimperialismus halt noch nicht so weit.

Diesem Autor macht übrigens seine Reaktion auf Cabin in the Woods etwas Sorge, denn wie es bei Beetlejuice so schön heißt: Jedes Mal, wenn er den Film sieht, findet er ihn lustiger. Vielleicht muss er ihn einfach nochmal sehen – ohne Fieber.

Amerikanische Ausschnitte, kanadische Unterhosen und Depardieu goes Galt

Januar 21, 2013

Fieber ist doof, denn es entfällt der wichtigste sekundäre Krankheitsgewinn: Man kann im Bett nicht lesen. Zwar hat dieser Autor versucht, sich endlich Richard Dawkins‘ berühmte Atheisten-Bibel-Schrift The God Delusion vorzunehmen, aber nach wenigen Seiten führte das nur zu einem, nun, unheiligen Brummen im Kopf.

  • Zu Religion in den USA: Immerhin ist dieser Autor noch in der Einleitung bis zu dem Punkt gekommen, an dem sich der Brite Dawkins sich gesondert und länger an seine amerikanischen Leser wendet. Er schreibt:

    The status of atheists in America today is on par with that of homosexuals fifty years ago.

    Das today bezieht sich bei dieser Taschenbuch-Ausgabe auf das Jahr 2007. Wie wir gesehen habe, zeigen Umfragen, dass inzwischen immer mehr Amerikaner ihr nicht-religiöses „Coming-Out“ wagen, offenbar eine der Kernforderungen von Dawkins in dem Buch.

  • Zum Ruf des deutschen Justizsystems im Ausland: Dawkins verweist in einer Fußnote dieser Ausgabe auf das Urteil der deutschen Richterin Christa Datz-Winter, die 2007 einen Scheidungsantrag einer Muslimin verworfen hatte, weil ein Ehemann laut dem Koran seine Frau schlagen dürfe (der Ausschnitt bei Google Books). Die Auflage von The God Delusion lag laut Wikipedia bis Anfang 2010 bei mehr als zwei Millionen Exemplaren allein auf Englisch.
  • Zu Bürgerkrieg: Futury bespricht Folgen des Kriegs für den Journalismus, die bis heute gelten.
  • Zu Slang, diesmal aus Kanada: Wir haben mehrfach über Lost Girl gesprochen. Die Sci-Fi-Website io9 hat vor dem Start der dritten Staffel in den USA eine wahre Lobeshymne auf die Fernsehserie verfasst und bespricht die zahlreichen Hinweise, die den kanadischen Ursprung verraten:

    It started on Canada’s Showcase channel, where everybody could appreciate the jokes about gotch, and the occasional references to First Nations government policies.

    First Nations ist der Name der Kanadier für die Indianer, Worte wie ginch, gonch, gotch und gitch beziehen sich auf kanadischen Slang für die Unterwäsche. In den Kommentaren wird es nochmal richtig lustig wenn die Kanadier diskutieren, ob „BC“ (British Columbia) wirklich zum Land gehört. Was die Übersetzer damit machen, ist unklar.

  • Zu Kanada, im vorbeigehen: Offenbar haben die Leute im kalten Norden die falschen Ahornblätter auf ihre neuen Geldscheine gedruckt. Diese sind außerdem aus Plastik, irgendwie. Und Ärger mit den Indianern haben die Kanadier auch. Aber wie gesagt, gutes Fernsehen.
  • Zu Ayn Rand: Als der französische Schauspieler Gerard Depardieu mit Hinweis auf die hohen Steuern seine Heimat verließ, hieß es es auf Englisch sofort wie? Genau, Depardieu shrugged.
  • Zu Maßeinheiten: Der interessierte Leser BM weist auf eine Übersicht für die Küche hin.
  • Zu prüden Amerikanern, weil es bei Lost Girl ständig um Sex geht: Der interessierte Leser MG weist auf einen Bericht über den angeblichen neuen Trend an den US-Unis hin. Beim #boobment ziehen Studentinnen enge und tief ausgeschnittene T-Shirts ihrer College-Mannschaft an, machen eindeutige Fotos und stellen sie dann auf Twitter online. Den Anfang sollen die Fans der University of Kansas Jayhawks gemacht haben [grenzwertig NSFW]. Not everything is flat in Kansas, wie es so schön heißt. Und dieser Autor war offenbar auf der falschen Uni. Oder es gab einfach noch kein Twitter. Oder beides.
  • Zur Unbeliebtheit des Kongresses, der sich inzwischen bekanntlich kaum noch fassen lässt: Public Policy Polling stellt eine Umfrage mit Vergleichen zwischen der Beliebtheit der Abgeordneten und unangenehmen Dingen vor wie Darmspiegelungen oder Zahnwurzelbehandlungen:

    Colonoscopies are not a terribly pleasant experience but at least they have some redeeming value that most voters aren’t seeing in Congress: Colonoscopies 58 [percent] Congress 31. And you can make the same point about root canals: Root Canals 56 Congress 32.

    Nickelback-Fans sollten die Studie vielleicht nicht lesen.

META Blog ruht bis Montag, 21. Januar

Januar 14, 2013

Auch wenn schreiben im Fieberwahn lustig sein kann, verzichten wir dieses Mal auf den Spaß und machen das Blog bis kommenden Montag (21. Januar) zu (ja, trotz des Feiertages in den USA). Der nächste Eintrag wird ein ZEUGS sein.

Vom alten und neuen Boss (und gewissen Werken von The Who)

Januar 3, 2013

Wir beginnen das Jahr mit einem Eintrag über einen Spruch, der sich hoffentlich 2013 nicht bewahrheiten wird. Ausgangspunkt ist eine Überschrift der Technologie-Site Ars Technica, die über ein neues Modell der Chromebox von Samsung berichtet:

Meet Samsung’s new Chromebox, same as the old Chromebox (almost)

Das klingt etwas komisch – lang, vor allem – und ist tatsächlich eine Anspielung auf

Meet the new boss, same as the old boss

Musikfans kennen die Zeile aus dem Lied „Won’t Get Fooled Again“ von The Who. In einigen Überschriften wird es ausgeschrieben. Allerdings ist der Spruch ist in den USA so geläufig, dass man einfach nur meet the new boss sagen kann, und jeder weiß, wie es weitergeht.

Das stellt Übersetzer vor gewisse Probleme, denn in Deutschland kehren neue Besen gut, nicht gleich. Vermutlich ist das ein Grund, warum die Supernatural-Folge „Meet the New Boss“ auf Deutsch zu „Der Zorn Gottes“ wurde.

(Vielleicht haben die Synchronisatoren auch einfach einen furchtbaren Musikgeschmack. Zumindest mit The Who, den Rolling Stones und Pink Floyd scheint man nicht vertraut zu sein: Aus „The Kids are Alright“ wird „Den Kindern geht es gut“, „Sympathy for the Devil“ heißt „Mein Name ist Luzifer“, „Let It Bleed“ mutiert zu „Die Erinnerung“ und — jetzt muss der interessierte Leser ganz tapfer sein — „Dark Side of the Moon“ heißt auf Deutsch „Sonnenfinsternis“.)

Nun gilt wie gesagt hoffentlich nicht meet the new year, same as the old year, schon allein weil das langweilig wäre. So oder so wünschen wir allen interessierten Lesern ein schönes neues Jahr.