Der heutige Eintrag steht unter dem Motto, dass man in einem Blog nicht schummeln sollte, denn das Internet sieht alles.
Vor einigen Tagen hatten wir den Spruch The greatest show on earth vorgestellt und ihn auf den gleichnamigen Film zurückgeführt. Nur Minuten — Minuten! — nachdem der Artikel online war, meldete sich der interessierte Leser SB und wollte wissen, was denn mit einer Verbindung zum Entertainer, Museumsbetreiber, Redner, Autor, Sklavereigegner und Politiker P. T. Barnum sei. Habe der den Spruch nicht schon vorher benutzt?
Ja, schon. Phineas Taylor Barnum (1810–1891) gründete noch im Alter von 61 Jahren einen Wanderzirkus mit dem Namen „P. T. Barnum’s Grand Traveling Museum, Menagerie, Caravan & Hippodrome“. Die Namen wechselten mehrfach und der Zirkus beanspruchte tatsächlich für sich irgendwann the greatest show on earth zu sein, zum Beispiel als
P.T. Barnum’s Greatest Show On Earth, And The Great London Circus, Sanger’s Royal British Menagerie and The Grand International Allied Shows United
später bekannt unter dem doch etwas griffigeren Namen „Barnum & Bailey’s“. Der Zirkus reiste als erster per Zug und führte als erster drei Manegen ein. Der Elefant hieß — wie sonst — Jumbo. Es steht völlig außer Frage, dass jeder Zirkus, der später kam, von „Ringling Bros. and Barnum & Bailey Circus“ beeinflusst wurde, wie heute der direkte Nachfolger [automatische Music] heißt. Entsprechend auch The Greatest Show on Earth.
Warum hat dann dieser Autor erstmal nur den Film zitiert? Nun, die Idee war, P. T. Barnum über einen Spruch einzuführen, der in den USA untrennbar mit seinem Namen verbunden ist und den der interessierte Leser vermutlich schon gehört hat. Dort sollte dann ein Hinweis auf den Zirkus-Eintrag eingebaut werden.
Welcher Spruch?
There’s a sucker born every minute
Mit sucker ist hier nicht ein Lutscher gemeint, sondern ein Depp, der über’s Ohr gehaut und ausgenommen werden kann, wenn man sich als Betrüger nur geschickt genug anstellt (in Lost Girl benutzt Kenzi den verwandten Begriff des mark). Der Satz ist so bekannt, dass er zu There’s one born every minute abgekürzt wird oder als Anspielung wie Barnum was right auftaucht. Barnum, so wird hier behauptet, sah die Welt als eine endlose Gelegenheit an, seinen Mitmenschen Geld abzunehmen.
Dummerweise hat das Barnum möglicherweise nie gesagt, sondern einer seiner Konkurrenten im Show-Geschäft. Das muss nicht unbedingt stören, wie wir an der Geschichte des Patrioten Nathan Hale gesehen haben. Man muss es nur im Hinterkopf behalten. Deutsche gehen auch locker damit um, dass die Schlacht im Teutoburger Wald wohl nicht im Teutoburger Wald stattfand (Kommentar der Schönsten Germanin: „Scheißegal, wo das stattfand, wir haben gewonnen.“)
Neben dem Spruch und dem Zirkus ist Barnum insbesondere für die Freak-und-Monster-Show in einem Museum bekannt, das er 1841 kaufte. Im American Museum gab es neben konventionellen Ausstellungen auch, sagen wir mal, Kuriositäten:
His first major acquisition for the museum was the Fejee Mermaid, a monkey-fish hybrid that he advertised as a luxurious mermaid through engravings and descriptions in newspapers.
Nach der Meerjungfrau kam später der Zwerg Charles Stratton dazu (unter dem Namen General Tom Thumb), die Riesin Anna Swan (2,27 Meter groß) sowie die körperlich verbundenen Zwillinge Chang und Eng Bunker aus Siam (von denen der Begriff „Siamesische Zwillinge“ stammt).
Dass diese Leute alle ihre eigene Wikipedia-Seite haben, zeugt von ihrem — und Barnums — Einfluss auf die amerikanische Kultur, der bis heute besteht. Ein Kreisel von Barnum findet sich in der Sammlung von Artefakten in Warehouse 13. Er führt dazu, dass Organe oder Gliedmaßen nachwachsen (bis sie dummerweise explodieren). Der interessierte Leser mag sich das Musikvideo zu „Closer“ von Nine Inch Nails anschauen und selbst entscheiden, wie viel „barnumartiges“ dort durchschimmert.
[Liebe Jugendliche, ein Musikvideo ist ein kurzer Film, der früher im Fernsehen zu den Liedern von Popstars ausgestrahlt wurde. Historisch leitet sich hiervon der Name von MTV – Music Television – ab, obwohl der Sender heute praktisch keine Musikvideos mehr zeigt. Warum das so ist, erklärt dieses Video [YouTube]. Ja, so coole Dinge gab es in den 80er Jahren.]
Barnums Museum wurde ein unglaublicher Erfolg. Es war sechs Tage die Woche, 15 Stunden am Tag geöffnet. Aus allen Schichten kamen bis zu 15.000 Besucher täglich und zahlten jeweils 25 Cent. Das ursprüngliche Gebäude brannte im Juli 1865 ab, wurde an anderer Stelle wieder aufgebaut und ging 1868 nochmal in Flammen auf. Natürlich waren die Umstände mysteriös.
Das spätere Barnum Museum in Connecticut wurde 2010 durch einen Tornado beschädigt und ist offenbar immer noch geschlossen. Im Internet kann man allerdings die Ausstellungen besichtigen. Seit 2000 ist auch eine virtuelle Rekonstruktion des ursprünglichen American Museums online. Die „New York Times“ schrieb dazu:
“Maybe what’s uniquely American about Barnum was this effort — he called it democratic, but it might be something else — to bring everybody together, regardless of class background,“ Dr. Buckley of Cooper Union said. “It was the whole period of the 1840’s when I believe it’s possible to say that a distinct American popular culture was developed, and the museum is central, and Barnum is central, to that development.“
Und jetzt mal ehrlich. Das kann man doch nicht alles in einen Eintrag packen, oder?