Archive for Mai, 2011

Warum Amerikaner in Polen mit ihren Witzen aufpassen müssen

Mai 31, 2011

After I came to the US I saw a book with Polish and other ethnic jokes. (…) I took the book and as I looked through Polish, Irish, and Jewish jokes, I was stunned! The so-called „Polish jokes“ were exactly like the policemen jokes we had laughed at in Poland!

— Baba Jaga Corner, „Political Jokes in Poland versus Polish Jokes in America“

Die Wirklichkeit zwingt uns ein anderes Thema als geplant auf: US-Präsident Barack Obama war zu Besuch in Polen. Er wird dort hoffentlich mit den Witzen aufgepasst haben, damit ihm nicht so etwas herausrutscht:

Heard about the Polish hockey team? They all drowned during spring training.

(Wir reden hier natürlich von echtem Hockey.)

Moment, werden einige interessierte Leser jetzt sagen, den Witz kenne ich doch … tatsächlich sind Polish jokes das amerikanische Gegenstück zu den Ostfriesenwitzen in Deutschland, nur mit dem Vorteil, dass Polen von den USA aus sehr viel weiter weg ist. Niemand scheint sicher zu wissen, warum ausgerechnet die Polen daran glauben müssen. Wie auch immer: Man findet die üblichen Standardwitze wie den mit der Glühbirne.

Interessant ist im Zusammenhang mit der Reise, dass vor einigen Jahren das polnische Außenministerium Berichte zurückweisen musste, Außenminister Radek Sikorski habe folgenden Witz über Obama gemacht:

Have you heard that Obama may have a Polish connection? His grandfather ate a Polish missionary.

Das ist noch nicht einmal lustig. Wenn schon Kannibalen-Witze, dann lieber der Klassiker:

Two cannibals are eating a clown. One says to the other, „Does this taste funny to you?“

META Blogpause wegen Systemumbaus bis Dienstag, 31. Mai 2011

Mai 24, 2011

Die Welt mag (noch) nicht zu Ende gegangen sein, aber im Hause Stevenson gibt es einen großen Umbruch: Nach langjähriger Diskussion und viel Hin und Her wird der Ubuntu-Server/WinXP-Spielerechner gegen eine NAS ausgetauscht.

(Hintergrund für die drei Leute, die es interessiert: Da alle spielenswerte Spiele inzwischen auf Mac OS X laufen, gibt es keinen Grund mehr für einen Dual-Boot-Rechner mit dieser Leistung, genauer, mit diesem Stromverbrauch. Damit hat sich der interessierte Leser MLJ nach Jahren durchgesetzt.)

Daher wird dieser Autor die kommenden Tage seine freie Zeit mit dem Aufräumen von Verzeichnissen, dem Anlegen von Sicherheitskopien von Sicherheitskopien und dem Jonglieren von Festplatten verbringen.

Für Dienstag geplant ist (endlich) der Eintrag über Katanas.

Einige Bemerkungen zum bevorstehenden Ende der Welt

Mai 20, 2011

Nuns. No sense of humor.

— Der Bösewicht Victor Kruger/Kurgan in Highlander

Family Radio, eine kleine aber lautstarke Gruppe von radikalen Christen um den Ingenieur Harold Camping, hat für den 21. Mai 2011 das Jüngste Gericht vorhergesagt. Ja, das ist Samstag, sprich, morgen. Es handelt sich ausdrücklich nicht um das Ende der Welt, das dann am 21. Oktober folgen soll. Genauer gesagt endet dann das ganze Universium. Bis dahin soll die Erde so aussehen wie in einem Strange-Girl-Comic.

Nun, wir werden sehen. Es fällt allerdings auf, dass die Katastrophenschützer der Centers for Disease Control (CDC) dringendere Sorgen haben.

Was die ganze Sache ein klein wenig interessanter macht als die bisherigen Vorhersagen von Rapture ist die Medienkampagne, mit der die Gruppe Amerika und andere Teile der Welt überzogen hat: Etwa 2.200 Werbeplakate allein in den USA, Video-Clips mit Geigen [YouTube], mit panischem Geschrei [YouTube] und mit veraltetem Englisch [YouTube] sowie diverse Radiosendungen in mehr als 30 Sprachen. Einige Mitglieder sollen ihre Jobs aufgegeben haben. Ihre Kinder — kein Stück doof — wollen ihre Zimmer nicht mehr aufräumen:

The children, however, have found something to giggle over. „She’ll say, ‚You need to clean up your room,'“ Grace said. „And I’ll say, ‚Mom, it doesn’t matter, if the world’s going to end!'“

Gelächter und Spott ist auch die Reaktion der übrigen Amerikaner. Der preisgekrönte Karikaturist Garry Trudeau befasst sich in Doonesbury seit Tagen mit der Prophezeiung. Atheisten (und jede Menge andere Leute) veranstalten Rapture parties am 22. Mai oder bieten an, gegen eine gewisse Summe die Tiere der Geretteten in Pflege zu nehmen. Andere Bürger bereiten Streiche vor:

I’m entertaining the idea of gathering up all my old, unwanted clothes and shoes and leaving sets of them arranged around town so it’ll look like it really happened

Es gibt die unvermeidbaren T-Shirts. Auf Facebook wird offenbar besprochen, was man sich am besten aus den leeren Häusern der Erlösten holen soll. Und im Internet werden die ältesten Witze ausgegraben:

One of my regular fuck-bud[die]s is Jesus. I think he will come again.

Für dieses Blog ist die Geschichte aus zwei Gründen interessant. Einmal sehen wir an den Reaktionen wieder, dass in den USA die Meinungsfreiheit Blasphemie deckt, im Gegensatz zu gewissen europäischen Staaten (wo die Durchsetzung allerdings eher sporadisch ist). Camping und Co haben nicht einmal auf dem Papier eine Möglichkeit, sich gegen den Spott zu wehren, denn wir reden hier von dem Land mit den Jesus-Dildos [NSFW], die im Dunklen leuchten.

Wichtiger ist allerdings: Der interessierte Leser mag sich in diesen Tagen anschauen, wie die deutschen Medien mit dem Thema umgehen — diesem Autor sind hier wegen Regel Zwei leider die Hände gebunden. Allgemein gesagt besteht bei solchen Anlässen in der Presse die Neigung, das (bekannt falsche) Bild vom hyperreligiösen Amerikaner herauszukehren statt auf die doch etwas arg größere Zahl der US-Bürger zu verweisen, die Drink Tequila like there will be no hangover! rufen und Einladungen mit Stoner-Jesus [JPG] drucken.

Wie auch immer: Dieser Autor ist sehr zuversichtlich, dass er noch weitere Einträge schreiben wird. Zumindest bis zum 21. Oktober.

ZEUGS: Der perfekte Nazi-Sturm, das Bin-Laden-Maßband und eine XOXO-Variante

Mai 18, 2011

Zu den großen Aha-Erlebnissen im Leben dieses Autors gehörte das Vorwort des SciFi-Gottes Isaac Asimov zu der Kurzgeschichte „It’s Such a Wonderful Day“. Darin beschreibt Asimov, dass er schöne, sonnige Tage hasst, weil ihn alle nach draußen scheuchen wollen. Dabei will er doch nur vor seiner Tastatur sitzen:

„What are you doing indoors on a day like this, you creep?“ Sometimes out of sheer indignation they pick me up and throw me out of the window so I can enjoy the nice day.

Im Hause Stevenson laufen dummerweise auch noch zwei kleine Kinder herum, die wegen der Bewegung und des Sonnenlichts, des Vitamin Ds und so tatsächlich an die frische Luft müssen. Trotz seiner Versuche, do as I say, don’t do as I do als legitime Erziehungsmethode zu verkaufen, muss dieser Autor dann auch ständig dorthin, wo man die Schrift auf dem MacBook nicht mehr erkennt.

Weswegen dieses Blog in sonnigen Wochen weniger häufig Einträge und in regnerischen mehr erhält. Nur falls sich jemand wundert.

  • Zu Gesprächen über Politik: Bei der Recherche zu dem Eintrag hat Google eine detaillierte Darstellung der Deutschen für Ausländer ausgeworfen, von ASAG Biotech Network:

    [D]o not expect direct eye contact to necessitate some greeting or acknowledgement; the German will also not expect anything from you. This is one of the most typical communication patterns immediately observed by visitors to Germany. If the visitor is visibly foreign, this can unfortunately result in a mistaken perception of the Germans as cold and unfriendly to foreigners.

    Der Text enthält einige Punkte, die wir schon besprochen haben – das direkte „Nein“ oder die Kleidung nach Stand zum Beispiel – und einige, die wir noch angehen müssen, wie die unterschiedliche Diskussionskultur oder der (fehlende) Kampf um die Rechnung. Woran dieser Autor gar nicht gedacht hatte, ist der „Sturmlauf“ der Germanen an der Supermarktkasse, den er aber jetzt auf die Liste genommen hat.

  • Zu perfekten Stürmen und grammar nazis: Bei Spiegel Online konnte man in den vergangen Tagen sehen, wie sehr beide Begriffe inzwischen ins Deutsche übergegangen sind. Nehmen wir den Artikel über die Anti-Google-PR von Facebook (Hervorhebung jeweils hinzugefügt):

    Es ist der perfekte Sturm: Facebook hat eine PR-Agentur damit beauftragt, negative Geschichten über den Konkurrenten Google in den Medien zu platzieren.

    Dann hätten wir aus der Live-Berichterstattung über den Eurovision Song Contest:

    Kollegin M. aus der Bilddokumentation ist nicht nur ein Modenazi: „Für mehr als Mitleidspunkte reicht das nicht.“ Sie meinte den isländischen Beitrag.

    Nun werden vermutlich diverse interessierte Leser bemerken wollen, dass SPON nicht der Maßstab der deutschen Sprache ist. Allerdings sieht dieser Autor die Verwendung im Live-Ticker als Zeichen, wie sehr sich die Nazi-Form durchgesetzt hat. Wenn das so weiter geht, kann er hier wieder „gepisst“ im Sinne von „wütend“ benutzen, ohne jedes Mal wieder Protest-Mails zu erhalten.

  • Zu verrückten Hunden: Die interessierte Leserin AK weist darauf hin, dass es in Portugal den Spruch auch mit Portugiesen gibt.
  • Zum Tod von Osama bin Laden: Nicht jedes angebliche Friedens-Zitat von Martin Luther King ist wirklich von ihm. Faustregel: Immer erst googlen, bevor man im Internet etwas glaubt. Äh. Dieses Blog ist natürlich eine Ausnahme.
  • Zu Humor in Situationen, in denen es sich für Germanen nicht schickt, während wir bei OBL sind: Um bei der Identifizierung des Al-Kaida-Chefs die Körpergröße zu schätzen, legte sich ein Navy SEAL neben die Leiche. Als man das Präsident Barack Obama erklärte, soll er verwundert gesagt haben:

    „Could we not afford to buy a tape measure?“

    Angeblich soll jetzt der für die Sondereinheiten zuständige Vize-Admiral William H. McRaven eine Plakette mit einem Maßband überreicht bekommen haben.

  • Zu Verschwörungstheorien: Der SMBC-Comic hat eine hilfreiche Anleitung zu deren Entstehung, wenn jemand sich selbst daran versuchen möchte. Bitte diesen Autor nicht mit dem Ergebnis belästigen.
  • Zu den Garten-Piraten: The Local berichtet über guerrilla gardening in Berlin.

    Although, strictly speaking, residents aren’t allowed to dig up public land and plant private gardens, many district officials tolerate it — not least because the city doesn’t have enough money to green the areas itself.

    Mit Bilderstrecke von Berliner Gartenfreaks.

  • Zu Milliarden und Billionen: Das Finanzblog Zero Hedge bietet eine einleuchtende Darstellung von einer trillion Dollar, sprich, einer Billion von dem Zeugs. Ja, das Motto der Site stammt aus Fight Club. Das Manifesto des Blogs enthält auch eine sehr amerikanische Sicht der Vorzüge der Anonymität.
  • Zu prüden Amerikanern und dummen Abgeordneten, als Präventivschlag, bevor die deutsche Presse von der Geschichte Wind kriegt: Der Senat des Bundesstaates Florida hat nicht, wie im Internet im Moment die Runde macht, aus versehen Sex verboten. Ehrlich. Nicht, dass man es ihnen nicht zutrauen würde, aber in diesem Fall ist Justizenglisch das Problem.
  • Zur Meinungsfreiheit: Wir hatten davon gesprochen, dass die religiösen Irren forschen Christen der Westboro Baptist Church während Soldaten-Beerdigungen feiern dürfen (inzwischen auch vom Obersten Gericht bestätigt). Die gleiche Logik schützt auch Demonstrationen vor den Kirchen von Scientology. Wie ein Anwalt der Bürgerrechtgruppe ACLU es formuliert:

    „Worshiping in peace means you’re inside your house of worship,“ [Adam] Schwartz said. „What you don’t have is a right to be free from seeing things you don’t want to see when you walk on the sidewalk in or out of the church.“

    Hier sehen wir wieder das Prinzip des Bürgersteigs als ein Raum, in dem die Meinungsfreiheit maximal geschützt ist.

  • Zu XOXOXO: Über eine seltene, aber wichtige Sondervariante des X-und-O-Codes informiert uns der kurzweilige Film Scott Pilgrim vs the World: Hier stehen die sieben X für die seven deadly exes, also die todbringenden Exfreunde. Das ist aber wirklich ein Sonderfall. Ach, und der Film hat auch eine wunderbare Anwendung des Wortes whatever.

Kulturelle Ikonen: Die Keystone Kops

Mai 13, 2011

Facebook ist gerade dabei erwischt worden, wie es mit Hilfe einer PR-Agentur böse Dinge über Google lancieren wollte. Das lässt nicht nur Facebook doof aussehen, so die Kommentatoren, sondern auch die zuständigen Vertreter der Agentur Burson-Marsteller (Hervorhebung hinzugefügt):

Here were two guys from one of the biggest PR agencies in the world, blustering around Silicon Valley like a pair of Keystone Kops.

Einige interessierte Leser werden die Keystone Kops kennen, nämlich die kriminellen NetHack-Spieler —

[Fußnote: NetHack ist ein Computerspiel aus der Dungeon-and-Dragons-Familie, das seit 24 Jahren gepflegt wird und sich durch zwei Dinge auszeichnet: Eine lächerliche ASCII-Grafik (es gibt andere Versionen, aber die sind für Warmduscher) und eine gehirnauflösende Tiefe und Komplexität. Heute, Freitag der 13., ist zum Beispiel ein ganz schlechter Tag zum spielen, besonders nach Mitternacht. ]

— denn diese Polizisten tauchen auf, wenn man aus einem Laden etwas klaut. Zu ihren Waffen gehören Torten. Ja, Torten.

Denn die KK sind ein Haufen Komiker [YouTube] aus einer Serie von Stummfilmen der Jahre 1912 bis 1917. Heute werden sie, wie man am ersten Zitat erkennt, von Angelsachsen als Sinnbild für Unfähigkeit benutzt.

So schimpfte der US-Senator Joseph Lieberman nach Hurrikan Katrina, die Rettungskräfte

ran around like Keystone Kops, uncertain about what they were supposed to do or uncertain how to do it

Man findet es auch bei den Briten nach Fußballspielen:

„You saw the Keystone Kops,“ the Wolverhampton Wanderers manager said when asked about the first of the four goals his side conceded.

In dem Blog Smart Girl Politics wird damit gegenwärtig die Öffentlichkeitsarbeit der US-Regierung nach der Tötung des Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden beschrieben:

The White House Keystone Kops aren’t just squandering a public opinion bump. They’re squandering the victory of our men in uniform, along with the intel-gatherers who made the mission possible.

Bleibt die Frage, wie man sich vor dieser Tollpatsch-Polizei schützen kann. Beine in die Hand nehmen, das scheint gut zu klappen, denn die Jungs — damals waren es offenbar noch alles Jungs — stolpern früher oder später über die eigenen Füße. Sonst kann dieser Autor das E-Wort empfehlen. Es ist erstaunlich, wie oft das hilft.

Warum höfliche Amerikaner nicht über Politik reden (und Deutsche damit in den Wahnsinn treiben)

Mai 9, 2011

[W]hile politics and religion are seen as private matters across the Atlantic, critical discussion and openly expressing one’s political views are par for the course in Germany.

— Jan Friedmann, „Exchange Students Find a New Way to Deal With Germans“

Im Spiegelfechter hat Stefan Sasse eine „Liebeserklärung an Amerika“ veröffentlicht. Wir schauen uns hier nicht den Artikel selbst an (der netterweise dieses Blog verlinkt), sondern die Kommentare.

[Die unglaublich vielen Kommentare — wenn sich jemand immer noch fragen sollte, warum die entsprechende Funktion hier deaktiviert ist: Dieser Autor hätte nicht einmal Zeit, so viel Text zu sichten, geschweige denn sinnvoll darauf zu antworten.]

Dort finden wir diesen Beitrag:

Amerikaner sind mir als ziemlich unpolitisch bekannt. Über Politik diskutiert der Durchschnittsamerikaner nicht. So jedenfalls erlebe ich sie. Ich arbeite für eine US-amerikanische Firma.

Diese Aussage ist eine wunderbare Gelegenheit, unsere Einträge über angeblich „oberflächliche“ und „prüde“ Amerikaner um das dritte klassische Vorurteil zu ergänzen: Die Vorstellung, dass der US-Bürger an sich politisch desinteressiert ist. Ähnlich wie bei den anderen beiden Fällen haben wir es hier mit einem kulturellen Unterschied zu tun. Die Arbeitskollegen des Kommentators sind vermutlich nicht unpolitisch, sondern einfach nur höflich.

Denn im Umgang mit Fremden, Kollegen und entfernten Verwandten gilt in den USA die Regel:

Don’t talk about politics or religion.

Warum? Weil es schnell zum Streit kommt, und das wäre unhöflich, und Angelsachsen haben, wie wir mehrfach gesehen haben, eine panische Angst davor, unhöflich zu sein.

Wir finden die Regel an verschiedenen Stellen. Auf einer Liste des korrekten Verhaltens bei Gesprächen steht sie an erster Stelle, noch vor use reason to think. Man soll es schon seinen Kindern einbläuen, zusammen mit der Ermahnung, nicht mit vollem Mund zu sprechen. Selbst für smalltalk beim Frisör gilt traditionell das Tabu. Andere Listen raten auch von Diskussionen über Geld und Sex ab. Nicht nur Amerikaner, auch Briten werden diese Regeln für den Umgang mit Fremden nahe gelegt. Man beachte die Erweiterung:

[D]on’t complain, avoid politics and religion, and keep strong opinions to yourself.

„Nicht jammern“ ist natürlich die ganz alte Schule.

Auf der Arbeit, um zu unserem Zitat zurückzukehren, gehören sich diese Themen erst recht nicht. Neben der ganzen Frage der Höflichkeit schaden solche Diskussionen der Gruppendynamik:

[A]voiding any discussions of politics in the work place would be the best bet, as team spirit has the potential to be broken by a wave of insults.

Dazu die Ermahnung: You are at work to work, nicht um über Politik zu reden. So nämlich.

Es gibt allerdings auch weniger idealistische Gründe. Im Extremfall können Angestellte ihren Job verlieren, wenn dem Arbeitgeber die Ansichten nicht passen. Wer für den Bund oder die Bundesstaaten arbeitet, genießt einen gewissen Schutz, nicht aber die meisten Angestellten in der Privatwirtschaft:

Only four states — California, New York, Colorado and North Dakota — have some protections for employees who get involved in politics away from the office or plant, but even those laws are limited

In der Praxis bleibt das auf Einzelfälle beschränkt, aber Kritiker sorgen sich über die Schere, die Arbeitnehmer im Kopf haben könnten.

Dieser ganze Umgang steht im krassen Gegensatz zu den Sitten in Deutschland. Der Germane an sich redet ständig und mit großer Begeisterung über Politik, überall, mit jedem. Politisches Interesse zu zeigen wird als Zeichen für Bildung, Weltoffenheit und gelebtes Staatsbürgertum gesehen. Mehr noch, mit einem Ausländer über die Politik in deren Land zu sprechen gilt nicht nur als wertvolle Gelegenheit für einen kulturellen Austausch. Es ist auch eine Art zu zeigen, dass man sich für seinen Gegenüber interessiert. Eher sollte man mit Deutschen nicht über Fußball reden, außer, man hat einen Hochdruckschlauch zur Hand.

Aber irgendwo müssen Amerikaner doch außer im Internet über Politik und Religion sprechen, oder? Ja, unter guten Freunden und engen Verwandten.

Conversations around politics are usually best brought up around friends or close family members that know how you feel and won’t be offended by your personal stance as they you know it is just a debate rather than attack on their personal character if you don’t share the same political interest.

Das mit dem „persönlichen Angriff“ ist kein Witz. Nicht umsonst geht das Eingangszitat dieses Eintrags mit einem Hinweis auf die Probleme mit amerikanischen Austauschstudenten in Deutschland weiter:

„We have to make it clear to our guests that questions about their political persuasion should not be construed as personal attacks.“

Denn wenn Amerikaner endlich über Politik reden, wird es gerne leidenschaftlich. Ihnen geht es dann um tiefe Überzeugungen und persönliche Werte. Sollten Amerikaner tatsächlich einen gewissen Hang zum Missionarischen haben, bricht er hier durch bei dem Versuch, den Gegenüber aus der politischen Finsternis ans Licht zu führen. Die Sache mit dem Bürgerkrieg wundert gar nicht mehr.

Gut, das ist vielleicht etwas zugespitzt. Jeden Tag gibt es in den USA schließlich Millionen von völlig gesitteten, konstruktiven politischen Gesprächen. Laut vielleicht, aber zivilisiert. Allerdings gibt es auch keinen Mangel an Berichten von Familienfeiern, wo sich sonst zurückhaltende Amerikaner anschreien, wie der Komiker Larry Miller ohne jeden Humor berichtet:

My nephew and uncle and sister’s boyfriend talked for a while at the table, but just a few minutes of talking turned quickly (always quickly, isn’t it?) to yelling and anger, and the little food angels that had been dancing over the table were instantly kicked away and replaced by snarling demons

Sein Fazit: Politics kills love — daher keine Politik bei Tisch.

Im Vergleich dazu wirken politische Diskussionen in Deutschland auf Amerikaner klinisch-abstrakt, fast wie eine intellektuelle Übung. Das kann schon mal den Eindruck erwecken, dass Deutsche das alles nicht wirklich berührt, dass sie zwar über Politik reden, sie ihnen aber nicht wirklich wichtig ist. Man redet über Politik doch nicht einfach so wie über das Wetter!

Und damit fangen die Probleme zwischen den Kulturen erst an.

Amerikaner sind schockiert, wenn sie bei Deutschen zu Gast sind und jemand ihnen erklärt, wie scheiße sie (zum Beispiel) den Irak-Krieg finden. Hier kommt zum Bruch des Tabus Politik unter Fremden das unhöfliche Verhalten gegenüber einem Gast dazu. Aber weil es sich für diesen nicht gehört, irgendwas Unhöfliches zu sagen, hält der Amerikaner den Mund oder macht belanglose Kommentare — oft auch dann, wenn er ebenfalls den Krieg verurteilt. Das wiederum wird vom Deutschen als Desinteresse ausgelegt, trotz der kleinen schwarzen Rauchwolken, die aus den Ohren des Gegenübers aufsteigen.

Am Ende wird der Gast dann selbstverständlich erklären, dass der Abend toll, einfach super, total spitze war. Der Germane freut sich, denkt sich nichts weiter und ist später nur etwas verwirrt, dass der Amerikaner nie wieder eine Einladung annimmt und allgemein irgendwie distanziert wirkt. War was?

Umgekehrt können auch Deutsche in den USA ihr rot-weiß-blaues Wunder erleben.

Denn irgendwann ist man so weit in eine Familie oder andere Gruppe aufgenommen, dass das Politik-Tabu nicht mehr gilt. Plötzlich – machmal sehr plötzlich – kommt es zu Diskussionen, in denen massiv – manchmal sehr massiv – gegengehalten wird. Dann soll der Deutsche bitteschön erklären, warum (sagen wir mal) die Bundeswehr nicht im Süden Afghanistans im Einsatz ist. Dabei wird schon mal klar, wie viel von der politischen Debatte in Deutschland inzwischen über das Internet in den USA ankommt.

Der verschreckte Deutsche versteht meist nicht, woher der plötzliche Wechsel kommt: Bislang waren alle doch so freundlich! Nach den Erfahrungen dieses Autors kann es schwierig sein zu vermitteln, dass eine solche Diskussion eigentlich ein gutes Zeichen ist. Sie zeigt, dass man in den inneren Kreis aufgenommen wurde, wo man sich gut genug kennt, um mal Tacheles zu reden.

(Hier spielt allerdings auch die unterschiedliche Diskussions- und Streitkultur eine Rolle, ein Thema für einen späteren Eintrag.)

Inzwischen werden sich eine Reihe interessierter Leser fragen, was der Stevenson da für dummes Zeug redet. Sie werden auf amerikanische Bekannte verweisen, die ständig, ohne Unterlass und überall ihre politische Meinung zum Besten geben, ob jemand sie hören will oder nicht. Besonders zu den Präsidentenwahlen 2004 und 2008 kochten die Emotionen so hoch, dass viele Amerikaner trotz ihrer guten Erziehung und selbst auf der Arbeit nicht an sich halten konnten:

They think politics and work don’t mix, but they can’t help but talk about this particular election when they’re in the workplace.

Andere halten die ganze Konvention für veraltet. Selbst die Briten reden heute am Tisch über Politik. Entsprechend klagen Traditionalisten bei Miss Manners bitterlich über den Untergang der guten Sitten. Die Benimm-Tante bestätigt: Die Regel wird inzwischen ständig missachtet.

At best, it is thought to be a prissy restriction of adult conversation; at worst, it is considered a repression of free speech and the democratic process.

Ist das ein wirklicher Umbruch? Das wird sich erst im Laufe der Zeit herausstellen. Es ist auch schwer zu sagen, wie weit der Wandel geht. Auf MSNBC wurde vor der Wahl 2008 eine Befragung von 26.000 Leuten von Monster.com zitiert, die folgende Einstellungen zu politischen Diskussionen auf der Arbeit fand:

  • 46 Prozent: Listen, but keep your opinions to yourself
  • 30 Prozent: Don’t ask, don’t tell
  • 22 Prozent: Stand up and be heard

Es handelt sich vermutlich nicht um eine repräsentative Erhebung, daher ist das Ergebnis mit Vorsicht zu genießen. Sollte sie allerdings grob zutreffen, würde es heißen, dass etwa vier Fünftel der Amerikaner auf der Arbeit weiter nicht über Politik reden.

Was damit immer noch eine gute Faustregel ist.

[Geändert 10. Mai 2011: Weniger dramatische Darstellung der politischen Diskussion. 13. Januar 2012: Umgeschrieben]

Warum Osama bin Laden jetzt in Davy Jones‘ Spind liegt

Mai 3, 2011

Da wir schon erklärt haben, was es mit „Geronimo“ auf sich hat, befassen wir uns heute mit einem anderen Randaspekt der Tötung von Osama bin Laden. Es geht um eine Formulierung, die nach dem Seebegräbnis des Al-Kaida-Chefs an einigen Stellen auftaucht, zum Beispiel bei Slate (Hervorhebung hinzugefügt):

Do we normally bury enemies of state in Davy Jones‘ locker?

Wer jetzt an Jack Sparrow denkt — Entschuldigung, Captain Jack Sparrow — liegt nicht ganz falsch: In Pirates of the Caribbean ist das der Name des Kapitäns der Flying Dutchman, genauer, der Typ mit dem Tintenfischgesicht. Eigentlich ist das aber ein Witz, denn Jones hat streng genommen wenig mit der Legende des Fliegenden Holländers zu tun. Disney baute dann auch gleich den Spind in eine Art Hölle oder Fegefeuer um.

Mit dem locker ist aber traditionell der Meeresboden gemeint, wie man am Bin-Laden-Zitat von Slate erkennt. Es gibt verschiedene Theorien, wer Jones eigentlich sein soll — Pirat, Gastwirt, der Teufel, was auch immer. Am Ende weiß es niemand.

Anspielungen findet man bei Washington Irving (der Autor von Sleepy Hollow) in „The Adventure of the Black Fisherman“:

„For aught I know he has gone to sea once more on his chest, and may land to bother some people on the other side of the world; though it’s a thousand pities,“ added he, „if he has gone to Davy Jones’s locker, that he had not left his own locker behind him.“

Der Name Jones kommt in Herman Melvilles Moby Dick vor und in Treasure Island von Robert Louis Stevenson. Und schließlich findet er sich im Text eines berühmten Marsches [YouTube] der United States Naval Academy, „Anchors Aweigh“:

Roll out the TNT, Anchors Aweigh. Sail on to victory
And sink their bones to Davy Jones, hooray!

Was ziemlich gut die Verwendung in diesem Fall zusammenfasst.

Ach, und bevor jemand fragt: Die Liste der indizierten Verschwörungstheorien in diesem Blog ist bereits um Bin Ladens Tod ergänzt worden. Nur schon mal vorbeugend.