Archive for März, 2012

Von Norma Rae und Goldman Sachs

März 28, 2012

Der interessierte Leser dürfte mitbekommen haben, dass der Goldman-Sachs-Manager Greg Smith seinen Job auf dramatische Art geschmissen hat: Mit einem Gastbeitrag in der New York Times, in dem er der Bank — sehr vereinfacht gesagt — vorwirft, nicht immer nett zu sein. Goldman sieht das nicht so.

Uns interessiert hier weder der Fall selbst, noch die zahlreichen Analysen dazu, noch die Darth-Vader-Parodie, sondern ein Satz in einem späteren Artikel der New York Times (Hervorhebung hinzugefügt):

To some, Mr. Smith was a hero — not quite Norma Rae, granted, but close enough for post-bailout Wall Street. After all, he stood up to the mighty Goldman, the Street’s version of The Man.

Über The Man haben wir schon gesprochen, aber Norma Rae ist neu: Sie ist die Hauptfigur in dem gleichnamigen Gewerkschaftsdrama aus dem Jahr 1979. Rae, gespielt von Sally Field, setzt in einer Textilfabrik eine Arbeitervertretung durch. Der mit zwei Oscars ausgezeichnete Film basiert auf dem Leben von Crystal Lee Sutton. Besonders eine Szene soll in der Wirklichkeit genauso abgelaufen sein wie im Kino:

„I took a piece of cardboard and wrote the word UNION on it in big letters, got up on my work table, and slowly turned it around. The workers started cutting their machines off and giving me the victory sign. All of a sudden the plant was very quiet …“

Diese Schlacht verlor Sutton — sie wurde gefeuert. Aber ihre Tat gab der Gewerkschaftsbewegung einen wichtigen Impuls. Wobei es auffällig ist, dass die New York Times auf die Filmfigur Rae verweist und nicht auf die echte Frau Sutton.

Die deutschen Übersetzer scheinen es übrigens mal wieder besonders gut gemeint zu haben und fügten dem Titel noch Eine Frau steht ihren Mann hinzu. Synchronisation, das ist halt wie ein unheimliches Wesen aus einer fremden Welt.

META Nächster Eintrag Mittwoch, 28. März 2012

März 22, 2012

Wegen einer ungeplanten Reise gibt es in dieser Woche keinen Eintrag. Wir machen kommende Woche am Mittwoch, dem 28. März mit Goldman Sachs und Norma Rae weiter.

ZEUGS: Vom Ami zum Deutschen, die Sex-Szenen bei Galaxy Quest und die Abtreibungsfrage bei Buffy

März 15, 2012

  • Zur Staatsbürgerschaft: Im Magazin Slate beschreibt eine amerikanische Jüdin, wie und warum sie die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hat, die ihrem Großvater entzogen worden war.

    It’s hard to say how many people have been naturalized, but word has spread in the last five to 10 years. Advertisements run in Jewish publications broadcasting the statute’s provision. (…). Dozens of Americans now put in applications at German embassies and consulates each month.

    Die Autorin weist darauf hin, dass sie kein Wort Deutsch spricht und auch nie in Deutschland war.

  • Zu Fußball: Die amerikanische Frauenfußball-Liga steht vor dem Aus. Der Grund: Desinteresse der Zuschauer.
  • Zu like als Modewort: Angeblich enthielt der ursprüngliche Schnitt von Galaxy Quest Sex-Szenen und derbe Sprache, wie keine Geringere als die Schauspielerin Sigourney Weaver erklärt (Hervorhebung hinzugefügt):

    We were like, „How do we get our hands on the R-rated version of Galaxy Quest?“ She said „I don’t know!“ and we were like, „Come on, Sigourney!“

    Hier wird das we were like als Stilmittel verwendet (hofft dieser Autor auf jeden Fall). Der ältere interessierte Leser wird sich an die berühmte Apple „Switch“ Werbung [YouTube] mit Ellen Feis erinnern, in der and I was like auch eine prominente Rolle spielte.

  • Zu Sprachen in den USA: Der republikanische Präsidentschaftskandidat Rick Santorum hat den Puertoricanern erzählt, dass sie Englisch als Amtssprache einführen müssen, wenn die Insel der 51. Bundesstaat werden will:

    „Like any other state, there has to be compliance with this and any other federal law,“ Santorum said. „And that is that English has to be the principal language. There are other states with more than one language such as Hawaii but to be a state of the United States, English has to be the principal language.“

    Das ist leider — mit Verlaub — schlicht falsch, denn die USA haben keine Amtssprache, und ein entsprechendes Gesetz wäre vermutlich verfassungswidrig. Einige Bundesstaaten haben „offizielle“ Sprachen, im Fall von Puerto Rico Englisch und Spanisch. Bekanntlich gab es in Kalifornien nach der Wahl von Arnold Schwarzenegger zum Gouverneur einige Änderungen.

  • Zu Indianern: Die Navajo Nation wehrt sich vor Gericht gegen die Verwendung ihres Namens bei Kleidungsmarken. Dieser Autor hat von Mode nicht die geringste Ahnung, wie die Schönste Germanin bestätigen wird, aber laut diesem Bericht der New York Times gibt es eine richtige Welle mit „Navajo“-Produkten, die bis nach Frankreich schwappt. Immer diese Amerikaner mit ihrem Kulturimperialismus.
  • Zur technologischen Weltspitze: Der Chief Information Officer (CIO) des Weißen Hauses, Brook Colangelo, beschreibt den Stand der Technologie nach dem Regierungswechsel.

    Over 82% of the White House’s technology had reached end of life. Desktops, for instance, still had floppy disk drives, including the one Colangelo delivered to Rahm Emanuel, Obama’s then chief of staff and now Mayor of Chicago.

    In den ersten 40 Tagen waren die Systeme 23 Prozent der Zeit nicht verfügbar.

  • Zur Abtreibungsdebatte: Wir gehen davon aus, dass alle interessierte Leser es selbstverständlich mitbekommen haben, aber zur Sicherheit: Das Thema spielt bei Buffy in Staffel 9 eine Rolle. Wer sich für die Diskussion interessiert (und keine Angst vor Spoilern hat) mag sich ein Interview mit dem Dark-Horse-Redakteur Scott Allie anschauen, in dem er über Buffys ungewollte Schwangerschaft spricht, warum man dann das Thema Abtreibung aufgriff und wie die Fans reagiert haben. Ob diese Diskussion auch im diesjährigen Buffy-Kurs der Portland State University Thema sein wird, ist nicht bekannt.

[KORRIGIERT 16. März 2012: Autor von German Again ist eigentlich eine Autorin, zuerst gesehen von ML, vielen Dank]

Von der kaum noch fassbaren Unbeliebtheit des US-Kongresses

März 7, 2012

Heute haben wir gute Nachrichten für die FDP — es gibt noch andere Politiker auf der Welt, die am unteren Ende der Beliebtheitsskala krebsen. Da wäre der ganze Kongress der USA, dessen Arbeit von den Amerikanern so mies bewertet wird, dass der Presse langsam die Vergleiche ausgehen. Und während die deutschen Liberalen noch mehr als ein Jahr Zeit haben, um es wieder zu richten, wird in den USA schon im November das ganze Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt.

Kurz die Erinnerung daran, dass die USA eine echte Gewaltenteilung haben, wie sie im 18. Jahrhundert groß in Mode war. Während Angela Merkel einen Sitz im Parlament hat und sogar mitstimmen kann, ist der Präsident im Kongress nur Gast. Von der Natur des Systems her hat die Bundeskanzlerin auch (fast) immer eine Mehrheit in der Legislative hinter sich. Entsprechend ist es in Deutschland nicht sehr sinnvoll zu fragen, wie die Bevölkerung die Arbeit des Bundestags bewertet, unabhängig von der der Regierung.

In den USA schon, und das Ergebnis ist gar nicht schön. Zwar sind die Abgeordneten in den neusten Umfragen von Gallup mit zehn Prozent noch nicht ganz so weit unten wie die FDP. Aber dem Trend nach kann das noch kommen. Alle Erhebungen zeichnen das gleiche Bild: Laut Fox News liegt der Kongress bei 13 Prozent, die „New York Times“ fand Ende Oktober 2011 neun Prozent. Und Gallup zufolge sind Anhänger beider Parteien unglücklich.

Democrats‘ and Republicans‘ approval of Congress are equally low, at 11% and 12%, respectively, while 8% of independents approve.

Es gibt eine ganze Reihe methodisch fragwürdiger, aber sehr einprägsamer Vergleiche, um diese Zahlen einzuordnen.

So war Präsident Richard Nixon während des Watergate-Skandals 1974 mit 24 Prozent beliebter. Der Energiekonzern BP kam während der Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko 2010 noch auf 16 Prozent. Sogar die Zustimmung zu einer Umwandlung der USA in einen kommunistischen Staat soll mit elf Prozent etwas größer sein. Zwischen den Abgeordneten und dem bodenlosen Umfrage-Abgrund steht demnach nur noch Kubas Ex-Machthaber Fidel Castro mit fünf Prozent. Und 43 Prozent der Amerikaner würden lieber zufällig ausgewählte Fremde im Kongress sehen als die jetzige Bande.

Senator Lindsey Graham ist das Ganze offenbar peinlich:

It’s so bad sometimes I tell people I’m a lawyer

Aber warum ist, bildlich gesprochen, ein vor drei Tagen überfahrenes Stinktier in der texanischen Mittagssonne beliebter als die direkt vom Volk gewählten Abgeordneten? Wirklich angesehen war der Kongress noch nie, mit einem Höchstwert von 35 Prozent 1974. Im Jahr 2011 war er dazu noch sehr unproduktiv — viel Streit, wenige Gesetze. Verwandt damit ist der Vorwurf, dass die Politiker lieber politische Spielchen treiben statt die Probleme des Landes zu lösen. Der interessierte Leser wird sich an den Verhandlungspoker um den Haushalt erinnern.

Die Abgeordneten selbst haben andere Erklärungen:

[I]n predictable partisan fashion, they blamed each other, President Barack Obama, the economy, the wars in Iraq and Afghanistan, and the public’s failure to grasp how Congress is supposed to work, among other causes.

Die Verachtung für den Kongress in der Bevölkerung gibt den Präsidentschaftskandidaten eine Option, die in Deutschland ebenfalls unbekannt ist: Sie können versuchen, sich im Wahlkampf demonstrativ vom Kongress als Ganzes abzusetzen, einschließlich der eigenen Parteifreunde. Gallup sieht dieses Verhalten beim Amtsinhaber:

It is notable that President Obama has continued to make criticism of Congress a part of his broad presidential re-election strategy.

Was zur Frage führt, warum die Amerikaner nicht einfach das Problem lösen, in dem sie andere Abgeordnete wählen — throw the bums out, lautet der berühmte Ruf. Dummerweise sind die Amerikaner den Umfragen zufolge mit ihren eigenen Vertretern durchaus zufrieden:

[V]oters are much more positive about the U.S. representative from their own congressional district than they are about „most members of Congress,“ with 53% saying their representative deserves to be re-elected, while 39% hold the opposite view.

Schuld sind, natürlich, die anderen.