Heute haben wir gute Nachrichten für die FDP — es gibt noch andere Politiker auf der Welt, die am unteren Ende der Beliebtheitsskala krebsen. Da wäre der ganze Kongress der USA, dessen Arbeit von den Amerikanern so mies bewertet wird, dass der Presse langsam die Vergleiche ausgehen. Und während die deutschen Liberalen noch mehr als ein Jahr Zeit haben, um es wieder zu richten, wird in den USA schon im November das ganze Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt.
Kurz die Erinnerung daran, dass die USA eine echte Gewaltenteilung haben, wie sie im 18. Jahrhundert groß in Mode war. Während Angela Merkel einen Sitz im Parlament hat und sogar mitstimmen kann, ist der Präsident im Kongress nur Gast. Von der Natur des Systems her hat die Bundeskanzlerin auch (fast) immer eine Mehrheit in der Legislative hinter sich. Entsprechend ist es in Deutschland nicht sehr sinnvoll zu fragen, wie die Bevölkerung die Arbeit des Bundestags bewertet, unabhängig von der der Regierung.
In den USA schon, und das Ergebnis ist gar nicht schön. Zwar sind die Abgeordneten in den neusten Umfragen von Gallup mit zehn Prozent noch nicht ganz so weit unten wie die FDP. Aber dem Trend nach kann das noch kommen. Alle Erhebungen zeichnen das gleiche Bild: Laut Fox News liegt der Kongress bei 13 Prozent, die „New York Times“ fand Ende Oktober 2011 neun Prozent. Und Gallup zufolge sind Anhänger beider Parteien unglücklich.
Democrats‘ and Republicans‘ approval of Congress are equally low, at 11% and 12%, respectively, while 8% of independents approve.
Es gibt eine ganze Reihe methodisch fragwürdiger, aber sehr einprägsamer Vergleiche, um diese Zahlen einzuordnen.
So war Präsident Richard Nixon während des Watergate-Skandals 1974 mit 24 Prozent beliebter. Der Energiekonzern BP kam während der Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko 2010 noch auf 16 Prozent. Sogar die Zustimmung zu einer Umwandlung der USA in einen kommunistischen Staat soll mit elf Prozent etwas größer sein. Zwischen den Abgeordneten und dem bodenlosen Umfrage-Abgrund steht demnach nur noch Kubas Ex-Machthaber Fidel Castro mit fünf Prozent. Und 43 Prozent der Amerikaner würden lieber zufällig ausgewählte Fremde im Kongress sehen als die jetzige Bande.
Senator Lindsey Graham ist das Ganze offenbar peinlich:
It’s so bad sometimes I tell people I’m a lawyer
Aber warum ist, bildlich gesprochen, ein vor drei Tagen überfahrenes Stinktier in der texanischen Mittagssonne beliebter als die direkt vom Volk gewählten Abgeordneten? Wirklich angesehen war der Kongress noch nie, mit einem Höchstwert von 35 Prozent 1974. Im Jahr 2011 war er dazu noch sehr unproduktiv — viel Streit, wenige Gesetze. Verwandt damit ist der Vorwurf, dass die Politiker lieber politische Spielchen treiben statt die Probleme des Landes zu lösen. Der interessierte Leser wird sich an den Verhandlungspoker um den Haushalt erinnern.
Die Abgeordneten selbst haben andere Erklärungen:
[I]n predictable partisan fashion, they blamed each other, President Barack Obama, the economy, the wars in Iraq and Afghanistan, and the public’s failure to grasp how Congress is supposed to work, among other causes.
Die Verachtung für den Kongress in der Bevölkerung gibt den Präsidentschaftskandidaten eine Option, die in Deutschland ebenfalls unbekannt ist: Sie können versuchen, sich im Wahlkampf demonstrativ vom Kongress als Ganzes abzusetzen, einschließlich der eigenen Parteifreunde. Gallup sieht dieses Verhalten beim Amtsinhaber:
It is notable that President Obama has continued to make criticism of Congress a part of his broad presidential re-election strategy.
Was zur Frage führt, warum die Amerikaner nicht einfach das Problem lösen, in dem sie andere Abgeordnete wählen — throw the bums out, lautet der berühmte Ruf. Dummerweise sind die Amerikaner den Umfragen zufolge mit ihren eigenen Vertretern durchaus zufrieden:
[V]oters are much more positive about the U.S. representative from their own congressional district than they are about „most members of Congress,“ with 53% saying their representative deserves to be re-elected, while 39% hold the opposite view.
Schuld sind, natürlich, die anderen.