Archive for November, 2007

Kurz erklärt: Ein gibt kein Happy End

November 28, 2007

US-Filme haben angeblich immer ein „Happy End“. Das ist falsch, wie man an jedem guten amerikanischen Zombie-Film sehen kann, wo der Untergang der Menschheit Pflicht ist. Und wenn überhaupt haben Hollywood-Filme ein happy ending.

Denn wenn es um die Art geht, wie ein Geschichte zu Ende geht, spricht man vom ending. Nicht nur die Amerikaner übrigens, sondern auch die Briten. Ein happy end gäbe es nur dann, wenn das letzte Stück Film glücklich wäre. Dagegen spricht aber die Regel:

Don’t anthropomorphize objects. They hate it.

Trotzdem, das „Happy End“ ist inzwischen im Deutschen ein festgelegter Begriff, so sehr, dass ihn Wörterbücher übernommen haben. Man sollte ihn jedoch im Umgang mit Angelsachsen vermeiden, sonst entstehen lustige Situationen.

(Vorschlag und German-Joys-Link von FL, vielen Dank)

Von der Bedeutung der Kommata für das US-Waffenrecht

November 24, 2007

Manchmal lohnt es sich, die Dinge vor sich herzuschieben. Zu den wichtigsten Themen, die noch ausstehen, gehören die amerikanischen Waffengesetze. Dieser Autor hat schon eine große Datei mit Links und Stichworten zusammengetragen, allein, er hat bislang die Mühe gescheut, sie in einen Eintrag zu verwandeln. Und siehe da, das war auch besser so.

Denn der Oberste Gerichtshof hat in der vergangenen Woche beschlossen, sich mit der Kernfrage zu befassen: Was genau bedeutet der berühmte Zweite Verfassungszusatz? Die Anhörungen dürften im März stattfinden, ein Urteil wird vor Ende Juni 2008 erwartet – mitten im Wahlkampf, da kennt SCOTUS ja gar nichts. So lange können wir jetzt auch noch warten.

Heute werden wir uns nur den juristischen Hintergrund anschauen und einige Links verbraten. Den kulturellen Aspekt, der für Deutsche erfahrungsgemäß so unverständlich ist wie die germanische Tempolimit-Phobie für die übrige Welt, den behandeln wir im kommenden Jahr.

Das ist der Text des Second Amendment:

A well regulated Militia, being necessary to the security of a free State, the right of the people to keep and bear Arms, shall not be infringed.

Wer auch nach mehrmaligem Lesen das Gefühl hat, den Satz nicht wirklich zu verstehen, muss sich keine Sorgen machen, denn er ist auch für Muttersprachler verwirrend. Er ist schlicht zu kurz – nach dem überlangen First Amendment ist den Verfassungsvätern beim Diktat wohl die Luft ausgegangen. Außerdem gibt es, kein Witz, eine erbitterte Debatte über die Kommata.

Fangen wir mit zwei Punkten an, die (vergleichsweise) unstrittig sind:

Erstens, es dürfen Bürgerwehren gebildet werden, sprich, der Bund hat kein militärisches Monopol gegenüber den Bundesstaaten wie in Deutschland. Heute sind diese „Milizen“ die Nationalgarden und state defense forces, die dem Gouverneur des jeweiligen Bundesstaates unterstehen und gemeinsam das Gegengewicht zu der Berufsarmee des Bundes bilden. Das wissen wir schon.

Solche Einheiten dürfen allerdings nur von den Behörden organisiert werden, denn Privatarmeen sind in den USA verboten. Das legte das Oberste Gericht 1886 in Presser vs State of Illinois fest, nachdem ein gewisser Herman Presser mit dem Säbel in der Hand an der Spitze von 400 bewaffneten Mitgliedern des deutschstämmigen Lehr und Wehr Vereins (der tatsächliche Name) durch die Straßen Chicagos gezogen war. Presser musste zehn Dollar Strafe zahlen.

Zweitens, der Second Amendment betrifft nur den Bund. Die Bundesstaaten und Kommunen haben sehr wohl das Recht, den Besitz von Waffen einzuschränken und tun das auch. Sie dürfen ihn nur nicht komplett verbieten, weil das auch die Nationalgarden als citizen soldiers treffen würde. Das wurde 1875 in U.S. vs Cruikshank festgelegt und in Presser bestätigt:

This is one of the amendments that has no other effect than to restrict the powers of the national government (…) the states cannot (…) prohibit the people from keeping and bearing arms, so as to deprive the United States of their rightful resource for maintaining the public security

Presser unterscheidet dabei allerdings nicht zwischen Waffen für die Bürgerwehren und Waffen im Privatbesitz.

Damit dürfte klar sein, dass nicht „jeder Ami eine Knarre haben darf“, wie es in Deutschland gerne mal heißt. Auch Bundesstaaten mit liberalen Waffengesetzen wie Arizona haben seitenlange Verordnungen [PDF] wie die anderen Staaten auch. Selbst die größte Waffenlobby NRA stellt die Notwendigkeit von gewissen Einschränkungen nicht in Frage:

The truth is, NRA supports many gun laws, including federal and state laws that prohibit the possession of firearms by certain categories of people, such as convicted violent criminals, those prohibiting sales of firearms to juveniles, and those requiring instant criminal records checks on retail firearm purchasers.

Der wirkliche Streit dreht sich um die Frage, was im Second Amendment genau mit the people gemeint ist. Heißt das, der einzelne Bürger darf (im Rahmen der Landes- und Kommunalgesetze) privat Waffen besitzen – ist es also ein individual right? Oder bedeutet der Satz nur, dass das Volk als Ganzes (unter Aufsicht der Landesbehörden) sich zu Bürgerwehren organisieren darf – ist es also ein collective right?

Das Oberste Gericht hat dazu nie Stellung genommen. In Abwesenheit einer klaren Linie war die bisherige Reglung so: Alle streiten sich lautstark über die Bedeutung des Satzes, so schrill wie sie nur können. Tatsächlich aber hält sich der Bund (mit vorübergehenden Ausnahmen) im Wesentlichen aus der Gesetzgebung heraus und die Grenzen werden – wie sonst auch – von den Kommunen und Bundesstaaten gezogen.

Denn diese haben aus dem Chaos gelernt und eindeutigere Versionen des Second Amendment in ihre Landesverfassungen aufgenommen. Alaska hat zum Beispiel einen Erklärsatz hinzugefügt, der die Rechte des Einzelnen festlegt:

A well-regulated militia being necessary to the security of a free state, the right of the people to keep and bear arms shall not be infringed. The individual right to keep and bear arms shall not be denied or infringed by the State or a political subdivision of the State.

Nun gibt es einen Ort, wo seit 31 Jahren der Privatbesitz von Faustfeuerwaffen (handguns) komplett verboten ist: Der Regierungsbezirk District of Columbia um die Hauptstadt Washington, der bekanntlich kein Bundesstaat und damit direkt der Verfassung unterstellt ist. Das Gesetz war ein Versuch, die hohe Kriminalitätsrate zu bekämpfen.

(Dummerweise stieg die Gewaltrate danach dramatisch an, bis Washington auch zur „Mordhauptstadt“ der USA wurde. Gegner von strengen Waffengesetzen benutzen das als Beispiel für deren angebliche Sinnlosigkeit, wie auch die Verdoppelung der mit Schusswaffen verübten Verbrechen in Großbritannien seit der Einführung eines umfassenden Verbotes. Die Befürworter halten andere gesellschaftliche Faktoren für bestimmend und verweisen darauf, dass die benachbarten Bundesstaaten kein völliges Verbot haben. Die Details dieser Schlammschlacht ersparen wir uns.)

Dieses Verbot erklärte nun das Bundesberufungsgericht des Regierungsbezirks im März 2007 in Parker vs District of Columbia [PDF] (inzwischen umbenannt in District of Columbia vs Heller) für verfassungswidrig. Das Urteil war nach den Jahrzehnten des Streits atemberaubend eindeutig: Der Second Amendment schütze das Recht des Einzelnen, Waffen zu tragen, ein Recht, das älter sei als die Verfassung.

That right existed prior to the formation of the new government under the Constitution and was premised on the private use of arms for activities such as hunting and self-defense, the latter being understood as resistance to either private lawlessness or the depredations of a tyrannical government

Das Gericht las das Recht dabei auch aus dem Text des Second Amendment ab. Und damit sind wir bei den Kommata. Von den drei Stück sind das Erste und Dritte Pausenzeichen und können ignoriert werden – der aufmerksame interessierte Leser wird bemerkt haben, dass sie in der alaskanischen Version fehlen. Bleibt das zweite Komma. Nach Ansicht des Gerichts hat es folgende Funktion:

The provision’s second comma divides the Amendment into two clauses; the first is prefatory, and the second operative.

Damit wäre der erste Teil – der mit der Bürgerwehr – eine Art Mini-Präambel, die den zweiten Teil – das grundsätzliche Recht, Waffen zu tragen – nicht einschränkt. Die Vertreter des Regierungsbezirks sehen das anders, nämlich dass der erste Teil des Satzes das Ziel und der zweite Teil die Mittel dafür sind, die entsprechend eng gefasst verstanden werden müssten.

Inzwischen melden sich Englischprofessoren zu Wort, um über die Verwendung von Kommata in der Schriftsprache des ausgehenden 18. Jahrhunderts zu philosophieren. Hier verlassen wir die Debatte, bevor sich dieser Autor in der Situation wiederfindet, Dinge wie eine phrase in apposition erklären zu müssen.

Denn nun darf sich das Supreme Court mit 220 Jahre alter Grammatik und der Frage zu beschäftigen, warum die Verfassungsväter nicht einfach klar und deutlich geschrieben haben, was sie eigentlich wollten. Wäre das wirklich so schwer gewesen?

Gut, dass wir mit dem Thema gewartet haben.

[Ergänzung 13. Dezember 2008: Das Oberste Gericht entschied schließlich im Sommer 2008, dass der Second Amendment ein individuelles Recht ist.]

Saltine Crackers und der schwedische Kulturimperialismus

November 20, 2007

Die Schönste Germanin ist im Thanksgiving-Rausch. Das kann dieser Autor nur begrüßen, und zwar nicht nur weil sie – zusätzlich zu ihrer Intelligenz, Warmherzigkeit und Schönheit – eine begnadete Köchin ist. Nein, die Schönste Germanin hat sich die Mühe gemacht, für die deutschen Gäste am Donnerstag eine Reihe von amerikanischen Lebensmitteln zu besorgen. Darunter sind diesmal auch saltine crackers. Da wir Thanksgiving selbst schon besprochen haben, gehen wir heute auf diese Salzkräcker ein.

Obwohl, eigentlich gibt es nicht viel zu sagen. Es sind kleine, rechteckige, harte, durchlöcherte, staubtrockene, geschmacksarme Kräcker, die in großen Pappkartons zu etwa 450 Gramm kommen und absolut süchtig machen. Der Nährwert geht gegen Null, außer, wie die Wikipedia ironisch bemerkt, wenn man an Salzmangel leidet. Traditionell schmiert man Erdnussbutter auf sie oder legt kleine Cheddar-Scheiben drauf. Letztere hat die Schönste Germanin natürlich auch gekauft.

Man kann aber auch, wenn man in Deutschland lebt und monatelang nicht an die Dinger herangekommen ist, sich bei den Ehrenwerten Eltern einfach mit einer Dose Dr Pepper und einem ganzen Karton vor den Fernseher setzen, Football gucken und sie essen, bis einem schlecht davon wird. Das dauert erstaunlich lange. Wichtig ist dabei, nicht das Trinken zu vergessen, denn sonst saugen sie einem das ganze Wasser aus dem Körper.

(Der letzte Punkt ist die Grundlage für ein Partyspiel, dem saltine challenge, das offenbar als Werbegag für Nabisco begann: Kriegt man innerhalb von einer Minute sechs Saltines heruntergewürgt [YouTube], ohne etwas zu trinken?)

Nun hat die Schönste Germanin nicht echte amerikanische Saltine Crackers besorgt, denn die sind in Deutschland schlicht zu teuer. Zum Glück verkauft der schwedische Knäckebrot-Hersteller Wasa aber sie inzwischen unter dem unwahrscheinlichen Namen Crack & Taste:

Cracker-Genuss auf knusprig-leichte Art! Genießen Sie den feinen Geschmack unserer knusprig gebackenen Cracker, hergestellt aus sorgfältig ausgewählten Zutaten.

Wasa schreibt nirgendwo auf der Packung, dass es sich eigentlich um amerikanische Saltine Cracker handelt, also ein Fall von kulinarischem Kulturimperialismus durch die Hintertür ist. Es würde diesen Autor auch nicht wundern, wenn die Wasa-PR-Abteilung eine kleine rührselige Geschichte vorbereitet hätte, wie sich schon König Gustav Adolf 1631 vor der Schlacht bei Breitenfeld solche Kräcker reichen ließ – vielleicht nicht genau Crack-&-Taste-Kräcker, versteht sich, aber schon Kräcker, die der direkte Vorgänger waren. Urschwedisch!

Wir haben schon den Duck Test eingeführt und können deswegen sagen: Das sind Saltine Cracker, wenn auch in einer hübschen blau-gelben Verpackung. Am Ende ist es diesem Autor auch egal, wie sie vermarktet werden. Hauptsache, jemand hat sie endlich nach Deutschland eingeführt.

In diesem Sinne: Happy Thanksgiving, alter Schwede!

Kurz erklärt: Pinkeln in Public

November 18, 2007

I remember, having lived in Germany for 7 years, that German men would take a piss anywhere.

– Aaron auf Blogmeister USA

Amerikaner pinkeln nicht in der Öffentlichkeit. Es gilt als unhygienisch und als Zeichen einer schlechten Kinderstube, schon seit jeher. Entsprechend verstört reagieren sie bei ihrem ersten längeren deutschen Stau, beim Nachhauseweg von einem Fußballspiel oder wenn sie an einem Samstagabend in Berlin an der Nordseite des Bahnhofs Friedrichstraße vorbeikommen. Der Hinweis, dass deutsche Frauen darüber auch entsetzt sind und dass es (Experten zufolge) auch in Frankreich, Spanien und Tschechien so üblich ist, beruhigt sie nicht. Gepinkelt wird da, wo niemand einen sieht.

Nun kann man sich alle möglichen Gründe für diesen Unterschied überlegen, angefangen bei der Bevölkerungsdichte. Amerikaner entwickeln schnell eine eigene Theorie: Klofrauen (und Klomänner). But I did it all myself! ist eine häufige, wenn auch selten ausgesprochene Reaktion darauf, ständig Kleingeld für’s Pinkeln bezahlen zu müssen: Auch das ist in den USA unbekannt.

ZEUGS: Menschenfleisch, Currywurst auf Spanisch und Schwarze

November 15, 2007
  • Zum Hühnchengeschmack: Eine erschreckende Zahl von interessierten Lesern will wissen, ob auch Menschen nach Huhn schmecken. Dieser Autor verweist auf einen ausführlichen Bericht – zusammengefasst: nein – und würde viel besser schlafen, wenn wir das Thema damit fallen lassen könnten.
  • Zum Gebrauch des Vornamens: Die Sache mit der Anrede von Vorgesetzten wird in Buffy zum running gag. Renee, in Heft 1 noch angehalten, Xander nicht „Mr. Harris“ zu nennen, nennt Willow in Heft 7 „Ms. Rosenberg“ – „Buffy“ benötige ihre Hilfe, sagt Renee. Willow ist aber gar nicht begeistert davon, mit dem „Namen ihrer Mutter“ angesprochen zu werden. Mehr noch, sie hat offenbar schon gedroht, Renee in eine Ziege zu verwandeln, sollte sie es noch mal machen. Willow spricht ihrerseites vor Renee (die sie einfach „Renee“ nennt) betont von „Ms. Summers“ statt von „Buffy“. Alles klar? Nein? Macht nichts. Wir halten fest: Im Zweifelsfall ist es besser in eine Ziege verwandelt zu werden als einen Vornamen zu früh zu gebrauchen.
  • Zu Angelsachsen unter sich: Inzwischen ist Staffel 8 natürlich bei Heft 8 angekommen, wo sich Buffy mit der bösen britischen Slayerin Lady Genevieve Savidge Schläge und Beleidigungen austauscht: „colonial“ schimpft Gen, während Buffy mit einem „rennfaire reject“ kontert (auch renfair geschrieben, von renaissance fair). Dabei ist diesem Autor aufgefallen, dass dieses Blog schon mal den Eindruck vermittelt, die Angelsachsen seien eine große, glückliche Familie. Dem ist nicht so, und um dem entgegenzuwirken verweisen wir auf einen Bericht über den Antiamerikanismus in Neuseeland, wo weniger Leute die USA mögen als in China und Russland.
  • Zu Spanisch in den USA: Zu den Leuten, die tatsächlich verstanden haben, was die zukünftige Zweitsprache der USA bedeutet, gehört zum Glück die deutsche Botschaft in Washington:

    En 1949 Herta Heuwer vendió su primer bratwurst aderezado con salsa de puré de tomates, curry y otros ingredientes. En 1959 esta emprendedora berlinesa patentó su invención bajo el nombre de Currywurst.

    Wenn Hispanics in Deutschland ständig currywurst bestellen, wissen wir jetzt, warum.

  • Zum Spanischen, nochmal: Die Wähler in Arizona – Pardon, die Wählerinnen und Wähler in Arizona – sind aufgefordert worden, sich für die Briefwahl ihrer Kandidatinnen und Kandidaten registrieren zu lassen. Dass dies in zwei Sprachen geschieht, wird die interessierten Leserinnen und Leser dieses Blogs nicht überraschen, denn der Bundesstaat liegt an der Grenze zu Mexiko und hat viele Einwanderinnen und Einwanderer. Dummerweise hat das Spanische zwei Artikel, und damit fühlen sich amerikanische Bürokratinnen und Bürokraten sofort zur politischen Korrektheit verpflichtet (Hervorhebung hinzugefügt):

    El/la votante permanecerá en esta lista hasta que la inscripción del/de la votante se cancele, se cambie a categoría inactiva o hasta que el/la votante solicite por escrito que lo/la eliminen de la lista.

    Dieser Autor versucht herauszufinden, ob auch in den USA das „Positivgebot“ gilt, nach dem nur gute oder neutral besetzte Begriffe den Hinweis auf Frauen bekommen, aber niemals von „Terroristinnen und Terroristen“, „Verbrecherinnen und Verbrecher“ oder „Kinderschänderinnen und Kinderschänder“ gesprochen wird.

  • Zur Aussprache-Hilfe: Der interessierte Leser AW hat einen Link zu einer Liste eingeschickt, die amerikanische Soldaten im Zweiten Weltkrieg bekommen haben. Ein großer Spaß ist es, sich nur die Hilfe anzuschauen und sich dann zu überlegen, was das wohl auf Deutsch heißt: MA-khen zee kai-na G’SHISH-ten! Nein, das soll nicht Klingonisch sein.
  • Zu dummen Schülern: Als Amerikaner in Deutschland bekommt schon mal zu hören, dass amerikanische Schüler irgendwas total Banales über Deutschland nicht wüssten und dass das US-Bildungssystem deswegen Dreck sei. Mit Interesse hat dieser Autor daher eine Reihe von Berichten zu dem Wissen deutscher Schüler über Deutschland gelesen:

    Wenn nach einer aktuellen Studie heute fünf Prozent der deutschen Gymnasiasten Walter Ulbricht für einen oppositionellen Liedermacher der DDR halten und mehr als sieben Prozent in Erich Honecker den zweiten Bundeskanzler der Bundesrepublik sehen, dann ist das bei weitem nicht so komisch wie es sich anhört.

    Hauptschüler hat man wohl vorsichtshalber gar nicht erst gefragt. Nach anderen Daten „weiß“ mehr als jeder zehnte Berliner (!) Schüler, dass die Mauer von den Alliierten gebaut wurde und dass Helmut Kohl zur DDR gehörte. Das wird hier nicht aus Schadenfreude erwähnt – das sind die zukünftigen Mitschüler von Kind Nummer Eins – sondern um klar zu machen: Mehr Bildung tut überall Not.

  • Zu schwarzen Amerikanern: Das Pew Institut hat eine Studie über die Lage der Schwarzen in den USA herausgegeben. Die Medien haben Teile davon aufgegriffen, deswegen hier nur ein Punkt, über den nicht oft berichtet wurde: Die Mehrheit der Schwarzen macht für fehlenden Erfolg bei Rassengenossen heute nicht mehr Diskriminierung, sondern individuelles Versagen verantwortlich. Noch in den 90ern war das genau umgekehrt.

    A 53% majority of African Americans say that blacks who don’t get ahead are mainly responsible for their situation, while just three-in-ten say discrimination is mainly to blame.

    Auch interessant die Frage, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, die Schwarzen als eine Rasse zu sehen. Immerhin mehr als ein Drittel der Schwarzen sagen nein, dafür seien die Unterschiede heute zu groß. Die ganze Studie [PDF] enthält viele faszinierende Details, die dieser Autor gerne aufgearbeitet hätte – allein, das wäre ein Projekt für einen Mann mit einem Laptop.

  • Und zuletzt, zu Spock: Der geschätzte Kollege CR ist inzwischen Vater einer gesunden Tochter. Wir gratulieren!

(Danke an die Ehrenwerten Eltern für mehrere Hinweise)

Der andere Spock

November 11, 2007

Trust yourself. You know more than you think you do.

– Der Anfang von Baby and Child Care von Dr. Benjamin Spock

Der geschätzte Kollege CR steht kurz davor, zum ersten Mal Vater zu werden. Selbstredend, dass wir erfahrenen Eltern beim Ungenannten Arbeitgeber ihn mit Horrorgeschichten terrorisieren ihm mit Ratschlägen helfen: Dass er noch ein letztes Mal ausschlafen soll, dass die DVDs ein Regel höher gestellt werden müssen als er es erwartet und dass man(n) die Dinge nicht persönlich nehmen darf, die Frauen nach 36 Stunden Wehen von sich geben. Es werden Empfehlungen für Kinderwagen ausgetauscht und es wird betont, wie wichtig Schaukelstühle sind.

Kommen Amerikaner zu solchen Gesprächen zusammen, fällt früher oder später der Name „Spock“. Deutschen mag das seltsam erscheinen, denn Vulkanier haben bekanntlich alle sieben Jahre Sex (nicht: Weltraumfieber). Was können die schon über Kinder wissen?

Tatsächlich ist nicht Mr. Spock gemeint, sondern Dr. Spock, genauer, Dr. Benjamin Spock. Der Kinderarzt schrieb 1946 ein Buch mit dem Namen The Common Sense Book of Baby and Child Care. Inzwischen wurde es in 39 Sprachen übersetzt und 50 Millionen Mal verkauft – angeblich eines der zehn größten Bestseller aller Zeiten. Amerikanische Eltern nennen es auch the manual.

Spocks Buch erschien zu einer Zeit, als Eltern angehalten wurden, ihre weinenden Kinder nicht hochzunehmen, sie nicht zu küssen oder mit ihnen zu kuscheln, damit aus ihnen echte Männer (und Frauen) werden würden. Die richtige Fütterung, so die Experten der Zeit, habe nach einem strengen Zeitschema mit genau dosierten Mengen stattzufinden, an das sich Mutter und Baby unbedingt halten müssten, egal wie sehr es beide quälte. Nach der Geburt wurde das Kind weggenommen statt im gleichen Zimmer wie die Mutter bleiben zu können.

Dummes Zeug, sagte Spock. Jedes Baby sei anders, die Eltern sollten ihren Instinkten trauen und die Kinder mit Respekt und Liebe behandeln – und das auch zeigen. Das Kind wisse selbst am besten, wann es wie viel Hunger habe. Der Yale- und Columbia-Absolvent setzte mit Baby and Child Care den gesunden Menschenverstand auf ein hartes medizinisches Fundament: A good hug sei die beste Medizin für die kleinen Wehwehchen des Lebens, aber Antibiotika die für Lungenentzündungen; Kinder sollen viel gehalten, aber auch geimpft werden.

Ausdrücklich betonte Spock, dass er nicht für eine antiautoritäre Erziehung eintritt:

I’ve always said ask for respect from your children, ask for cooperation, ask for politeness. Give your children firm leadership.

Kinder solle es nicht gestattet werden, unhöflich zu sein. In den letzten Lebensjahren betonte er die Bedeutung moralischer Werte, die weitergegeben werden müssten.

Heute ist das alles nicht mehr wirklich revolutionär. Die seit 60 Jahren ungebrochene Begeisterung für das Werk – inzwischen in der achten Ausgabe – zeigt aber, wie gut es Menschenverstand und Medizin verbindet. Das Buch besticht auch durch seinen Umfang, denn es behandelt alles von Windelwechseln und Schlafstörungen über Scheidungen und Aids bis hin zu Geschlechterrollen und Fernseh-Konsum. Der Stil ist so gewählt, dass er selbst in Notsituationen beruhigend wirkt. Es fehlt eigentlich nur, dass wie bei einem anderen berühmten Buch auf dem Umschlag in großen, freundlichen Buchstaben Don’t Panic! steht.

(Möglicherweise steht das da tatsächlich irgendwo. Kind Nummer Eins hat aber in jungen Jahren die Familienausgabe in die Finger bekommen und die Cover-Gestaltung lässt sich jetzt nur noch erahnen.)

Bei Baby and Child Care spürt man auch, wie sehr Spock Kinder geliebt hat. Es ist mit der Einstellung geschrieben, dass sie wunderbar spaßige kleine Wesen sind, die man einfach gern haben muss und die das Leben trotz der auf etwa 900 Seiten aufgelisteten Probleme schöner machen. Daher auch die Warnung:

One trouble with being an inexperienced parent is that part of the time you take the job so seriously that you forget to enjoy it.

Spock war auch politisch tätig und wandte sich lautstark gegen den Vietnam-Krieg. Er starb 1998 im Alter von 94 Jahren. Zuvor hatte er die Verantwortung für das Buch seinem Kollegen Steven J. Parker übergeben, der damit Hüter eines Nationalheiligtums wurde.

Bleibt die Frage, ob es eine bewusste Verbindung zwischen Spock dem Vulkanier und Spock dem Kinderarzt gibt. Offenbar nein: Der Star-Trek-Erschaffer Gene Roddenberry suchte nach eigenen Angaben nur einen Namen, der außerirdisch klang. Das sollte den Niederländern zu denken geben: „Spock“ ist eine angepasste Schreibweise des holländischen „Spaak“.

[Ergänzt 12. Nov 2007 Fügt Hinweis und Link auf achte Ausgabe ein]

Drei berühmte US-Frauen, deren Namen man ständig hört

November 7, 2007

Dieser Autor ist ein Weltraum-Fan seitdem er – so wird auf jeden Fall berichtet – während der Mondlandung besonders lustvoll in die Windel machte. Daher hat er natürlich den jüngsten Einsatz der Raumfähre „Discovery“ zur Raumstation ISS mit großem Interesse verfolgt. Dabei sind ihm drei Dinge aufgefallen:

  1. Die „Discovery“ wurde von einer Frau kommandiert, der MIT-Absolventin und Luftwaffen-Offizierin Pamela Melroy, Veteranin des ersten Irak-Kriegs.
  2. Zur gleichen Zeit wurde die ISS von Peggy Whitson befehligt, einer promovierten Biochemikerin.
  3. Die Presse drehte nicht durch, nur weil Frauen die Führungspositionen übernahmen. In vielen Berichten wurde das überhaupt nicht erwähnt, obwohl die Nasa dazu Material bereitstellt.

Der dritte Punkt ist erfrischend, weil man in der Berichterstattung über Hillary Clinton vor lauter das-könnte-die-erste-Präsidentin-sein schon mal vergisst zu erwähnen, was eigentlich ihr Wahlprogramm ist. Es wäre schön zu glauben, dass es ist inzwischen für alle Nicht-Taliban normal ist, wenn Frauen solche Aufgaben übernehmen.

Früher wäre das auf jeden Fall nicht normal gewesen, auch nicht in den USA. Wir werden den Shuttle-Einsatz STS-120 zum Anlass nehmen, drei Frauen aus drei Jahrhunderten vorzustellen, die für die amerikanische Geschichte wichtig waren und deren Namen man in den USA ständig hört. Der zweite Punkt bedeutet, dass es nicht unbedingt die wichtigsten Frauen überhaupt in der US-Geschichte waren. Aber der interessierte Leser weiß selbst, wie häufig Buffy und Willow nun schon die Welt gerettet haben.


Betsy Ross (1752 bis 1836). Angeblich die Näherin der ersten US-Flagge [JPG].

„Angeblich“ ist hier ein wichtiges Wort. Die traditionelle Darstellung geht etwa so: George Washington und Mitglieder des Continental Congress besuchten im Juni 1776 die Näherin in Philadelphia. Sie brachten einen Entwurf für eine gestreifte Flagge mit, die 13 sechseckige Sterne in einem blauen Feld hatte. Ross fand fünfeckige Sterne besser. Geht nicht, sagte Washington, ist zu schwierig. Dummes Zeug, erwiderte Ross, und zeigte den Männern an einem Blatt Papier, wie einfach das geht. Geil, sagte Washington, dann einmal bitte mit fünfeckigen Sternen. Ross setzte sich hin und nähte in einem patriotischen Rausch die erste Flagge der USA.

Historiker schließen nicht kategorisch aus, dass es so war, haben aber (heute) Zweifel. Die Probleme fangen damit an, dass es für diese Version eigentlich nur eine Quelle gibt, die Aussage ihres Enkels William J. Canby im Jahr 1870 – also nach dem Bürgerkrieg – vor der Historischen Gesellschaft von Philadelphia. Andere Verwandte unterstützten die Darstellung zwar unter Eid. Aber es fehlen andere Belege. So gab es noch Jahre später verschiedene Flaggen, einige mit Sternen, die sechs und mehr Ecken hatten, so dass ein genervter Washington 1779 eine einheitliche für die Truppen forderte. Ohnehin wurde das genaue Aussehen der Stars and Stripes erst 1912 standardisiert.

Trotzdem, Ross und die Flagge sind in der amerikanische Psyche untrennbar verbunden. Für die Historikerin Laurel Thatcher Ulrich gibt die Geschichte Frauen einen Platz in der Amerikanischen Revolution, deren Hauptrollen sonst alle von Männern gespielt wurden:

Betsy Ross will not go away because she gives women a part in the revolutionary narrative without disrupting its heroic outlines. Our national story does indeed focus on „presidents, generals, and statesmen,“ but it also demands a role for ordinary people who sustained the patriot cause.

Heute finden wir Ross an so seltsamen Orten wie der audience participation version der Rocky Horror Picture Show. In einer Variante lautet der Ablauf:

[Zuschauer] And Betsy Ross used to sit home and sew and sew and …

[Erzähler] And so it seemed that fortune had smiled on Brad and Janet, and that they had found the assistance that their plight required. Or had they?

(Die RHPS ist übrigens das Lieblingsmusical der Schönsten Germanin, empörenderweise noch vor „Once More With Feeling“).


Susan B. Anthony (1820 bis 1906). Bürgerrechtlerin, zentrale Figur im Kampf um das Wahlrecht für Frauen.

Men, their rights, and nothing more, women, their rights, and nothing less.

Anthony wuchs in einer strengen Quaker-Familie in Massachusetts auf, in der es nutzloses Zeug wie Kinderspiele, Musik oder Spielzeuge nicht gab. Stattdessen wurde den acht Kindern Selbstdisziplin, Prinzipientreue und Selbstwertgefühl eingeimpft. Mit drei Jahren konnte Anthony lesen. In der Schule weigerte sich der Lehrer, ihr schriftliche Division beizubringen, weil sie ein Mädchen war. Ihr empörter Vater baute eine eigene Schule zu Hause auf. Die Lehrerin dort wurde zu einem Vorbild. Anthony wurde selbst Lehrerin.

Allerdings trieb sie ihre Persönlichkeit – die, höflich formuliert, von einem brennenden Sinn für Gerechtigkeit bestimmt war – zu anderen Dingen. Sie kämpfte als abolitionist gegen die Sklaverei. Dann engagierte sie sich in der temperance movement, die sich in den USA (und in Kanada und Großbritannien) gegen den Dämon Alkohol stellte. Bei einem Treffen der Sons of Temperance in Albany 1853 durfte sie nicht reden, weil sie eine Frau war. Ihr Lebensziel wurde die Gleichberechtigung, insbesondere das Wahlrecht für Frauen. Sie wurde eine suffragist.

Anthony war nicht beliebt. Sie wurde beschimpft, ihr Abbild verbrannt, sie wurde verhaftet, weil sie trotz des Verbots wählen ging. Aber sie hielt an ihrer Vision fest, bis zum Ende. Weil die Welt ungerecht ist, starb sie 1906, 14 Jahre vor der Verabschiedung des 19. Verfassungszusatzes.

Es war daher grausam, 1978 ausgerechnet Anthony als Kopf für eine Ein-Dollar-Münze auszusuchen. Amerikaner hassen Ein-Dollar-Münzen und hassen die U.S. Mint für deren ständigen Versuche, ihre geliebten Ein-Dollar-Scheine abzuschaffen, nur weil man damit bis zu eine halbe Milliarde Dollar einsparen könnte (was wir in einem eigenen Eintrag genauer besprechen werden). Angefeindet zu Lebzeiten, in Enttäuschung gestorben, lehnen sie heute Taxifahrer ab.


Eleanor Roosevelt (1884 bis 1962). First Lady, Bürgerrechtlerin, Reformerin.

Franklin D. Roosevelt (kurz FDR) führte die USA aus der Weltwirtschaftskrise und durch die dunkelsten Stunden des Zweiten Weltkriegs. Er wird mit George Washington und Abraham Lincoln zu den größten Präsidenten gezählt. Schon allein deswegen könnte man vermuten, dass die Frau an seiner Seite etwas Besonderes war. Das wäre eine unglaubliche Untertreibung.

Eleanor trug schon bei der Geburt den Namen Roosevelt, denn sie gehörte zu dem gleichen niederländischen Klan wie FDR, ihrem Cousin fünften Grades. Ihr Onkel war Präsident Theodore Roosevelt. Ihre Kindheit war traurig und einsam, ihr Vater ein Alkoholiker. Ein englisches Internat erkannte ihre Fähigkeiten und förderte sie.

Eleanor und FDR kannten sich seit Kindestagen. Sie war 20, als die beiden 1905 heirateten. Theodore führte sie zum Altar. FDR stand schon damals im Mittelpunkt – „He has to be the corpse at every funeral and the bride at every wedding“ soll Eleanor gewitzelt haben.

Das Lachen verging allen 1921, als FDR an Polio erkrankte. Die Krankheit lähmte ihn von der Hüfte ab. Seine Karriere – bislang Senator des Bundesstaates New York, Vize-Marineminister unter Wilson und demokratischer Kandidat für den Posten des Vize-Präsidenten 1920 – schien zu Ende. Seine Mutter riet ihm, aufzuhören.

FDR wollte davon nichts wissen und Eleanor auch nicht. Mit ihrer Unterstützung lernte er, mit eisernen Beinschienen zu stehen und mit einer Krücke zu gehen. Sie trat für ihn auf, wurde zu „seinen Augen, seine Ohren, seine Füße“, sie schreib Artikel für Zeitungen und Zeitschriften, besuchte Krankenhäuser, Schulen und Gefängnisse. Er wurde Gouverneur von New York und 1932 Präsident der USA.

So eine First Lady hatte Amerika noch nicht gesehen. Eleanor hasste die Rolle, die alle für sie vorgesehen hatten, auch FDR. Sie interessierte sich nicht für das Essen im Weißen Haus oder wie es dort aussah. Die Zimmer verstaubten und der Präsident beschwerte sich über die Mahlzeiten, aber umsonst.

Eleanor bereiste die Welt, hielt eigene Pressekonferenzen und schrieb eine monatliche Kolumne in Woman’s Home Companion. Bis Januar 1934 bekam sie Post von 300.000 Amerikanern. Sie kämpfte für die Sozialprogramme des New Deal. Berühmt – in einigen Teilen des Landes berüchtigt – wurde sie für ihren Einsatz für Schwarze. Im Zweiten Weltkrieg unterstütze sie unter anderem schwarze Piloten, die Tuskegee Airmen. Sie brachte sechs Kinder zur Welt.

Nach FDRs Tod 1945 setzte Eleanor ihr soziales Engagement fort. Präsident Harry Truman schickte sie zur ersten Generalversammlung der neu gegründeten Vereinten Nationen. Dort war sie an der Ausarbeitung der Menschenrechtscharta beteiligt. Deutsche werden sie aus der Zeit in nicht ganz so guter Erinnerung behalten, denn sie setzte sich für den Morgenthau Plan ein, der eine Aufteilung und Deindustrialisierung des besiegten Feindes vorsah.

Eleanor Roosevelt starb im Alter von 78 Jahren an Anämie und Tuberkulose.

Dem heutigen interessierten Leser drängen sich Parallelen zu Hillary Clintons Zeit als First Lady auf. Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Art, wie ihre Ehemänner mit ihrer Arbeit umgingen: FDR war das alles nicht wirklich so recht, während Bill Clinton den Bürgern „zwei für den Preis von einen“ versprach. Hillary selbst hat Eleanor Roosevelt jüngst eine Inspiration genannt:

She said, „You know, if you’re going to be involved in politics you have to grow skin as thick as a rhinoceros.“ So occasionally, I’ll be sitting somewhere and I’ll be listening to someone perhaps not saying the kindest things about me. And I’ll look down at my hand and I’ll sort of pinch my skin to make sure it still has the requisite thickness I know Eleanor Roosevelt expects me to have.

Der prägende Krieg: The French and Indian War

November 3, 2007

Heute müssen wir Hausaufgaben machen. Für mindestens drei zukünftige Themen – Waffengesetze, Außenpolitik und Indianer – brauchen wir Hintergrundwissen über einen Krieg, der entscheidend die Weltsicht der Gründungsväter der USA prägte und damit bis heute die Einstellung der Amerikaner beeinflusst. Es handelt sich um den French and Indian War, der in den Weiten Nordamerikas begann, aber am Ende auch Staaten wie Preußen, Hannover, Sachsen und Österreich hineinzog. In Deutschland sind die späteren Phasen als der Siebenjährige Krieg bekannt.

Uns interessiert aber der Anfang. Wir befinden uns in der Mitte des 18. Jahrhunderts, etwa 30 Jahre vor der Unabhängigkeitserklärung. Europas Kolonialmächte haben Nordamerika unter sich aufgeteilt: Großbritannien hält die Ostküste, die Franzosen Québec und Louisiana.

Zwischen diesen beiden Imperien liegt, wie ein saftiger Knochen zwischen zwei Kampfhunden, das fruchtbare Ohio-Tal [JPG]. Die Franzosen wollen es haben, um eine Nord-Süd-Achse durch den Kontinent zu treiben, der Louisiana und Québec zusammenschweißen und die verhassten Briten an der Küste einsperren würde. Die Briten wollen das verhindern und die Region für ihre Siedler öffnen. Beide wollen den Fellhandel kontrollieren.

Frankreich übernahm die Initiative. Pierre Joseph Céloron de Bienville zog 1749 mit 250 Soldaten durch das Tal und erzählte allen britischen Händlern, die er traf – und das waren viele – dass sie gefälligst verschwinden sollten. Sie ignorierten ihn. Außerdem vergrub Céloron Bleiplatten, um zu zeigen, dass das Land Frankreich gehörte. So richtig beeindruckend war das aber nicht. Also legte Paris 1753 nach und baute vom Erie-See nach Süden in Richtung des Ohio-Flusses Festungen.

Das war für die Briten zuviel. Der Gouverneur von Virginia, Robert Dinwiddie, schickte einen jungen Offizier namens George Washington und sieben weitere Männer in die Region um dem Erzfeind zu erklären, dass er gefälligst verschwinden solle. Die Franzosen ignorierten sie, wenn auch mit aller gebotenen Höflichkeit. Soviel zur „Diplomatie“.

(Washington wurde auf seiner Rückreise im Dezember 1753 von Indianern angegriffen, ertrank beinah und erfror fast, einer dieser großen Was-wäre-wenn-Momente der Geschichte. Sein Reisebericht machte ihn in Virginia berühmt.)

Nun hatte England die Kolonien (wie besprochen) sich selbst überlassen, auch bei der Verteidigung. Der Krone war es schlicht zu teuer, Truppen in Nordamerika zu stationieren. Die Siedler bildeten stattdessen Milizen, zu denen jeder wehrfähige männliche Bürger gehören konnte. Zum Zeitpunkt des Unabhängigkeitskrieges waren es die Briten in Nordamerika daher im Gegensatz zu ihren daheimgebliebenen Verwandten seit 300 Jahren gewöhnt, nicht nur Waffen zu tragen, sondern auch ihre eigenen Kampagnen komplett selbst zu organisieren.

(Aus den Milizen gingen die Nationalgarden hervor, weswegen die Virginia National Guard ihre Entstehung bis 1607 zurückverfolgt.)

Gouverneur Dinwiddie schickte nun Milizen seiner Kolonie an die Gabelung des Ohio, um dort selbst ein kleines Fort zu bauen. Die Franzosen eroberten und zerstörten die Anlage sofort und errichteten dort eine (für die damaligen Verhältnisse) massive Festung: Fort Duquesne (später Fort Pitt, heute die Millionenstadt Pittsburgh).

Aus britischer Sicht hatten die Franzosen damit einen Krieg angefangen. Virginia schickte weitere Milizionäre unter der Führung Washingtons nach Westen. Bei der Schlacht von Jumonville Glen fielen Schüsse, wobei nicht klar ist, wer anfing. Es gab Tote. Washington zog sich zurück und errichtete Fort Necessity, das er aber kurz darauf aufgeben musste.

Virginia war mit dem Konflikt überfordert, aber die anderen Kolonien, darunter New York und South Carolina, hatten kein Interesse. In Pennsylvania wollten die pazifistischen Quaker eh nichts vom Kampf wissen. Hier offenbarte sich eine Schwäche der Briten in Nordamerika, die bis zur Verfassung von 1787 auch die junge USA an den Rand der Katastrophe bringen sollte: Die Kolonien hatten nur ihre eigenen Interessen im Kopf.

Einem gewissen Benjamin Franklin schwebte eine Lösung vor. Der angesehene Wissenschaftler, späterer Botschafter in Paris und heute Zierde des 100-Dollar-Scheins legte 1754 den Albany Plan vor, der eine größere Einheit der Kolonien vorsah. Allein, es war zu früh, trotz der Ermahnung join or die. Der Albany Plan gilt als erster Schritt zur Zusammenarbeit, ein wichtiger Vorläufer der Articles of Confederation, die während des Unabhängigkeitskriegs als Grundgesetz dienten und erst nach viel Streit von der heutigen Verfassung abgelöst wurden.

Washingtons Niederlage bewegte London zum handeln. Die Regierung schickte reguläre Soldaten unter der Führung des 60-jährigen Edward Braddock nach Ohio. Der General war, um es kurz zu machen, ein Idiot. Als Franklin ihm nahelegte, dass die mit den Franzosen verbündeten Indianer ernstzunehmende Gegner seien, erwiderte dieser [1]:

These savages may indeed be a formidable enemy to your raw American militia. But upon the King’s regular and disciplined troops, sir, it is impossible they should make any impression.

Umgekehrt konnten die Kolonialisten die Rotröcke nicht leiden, die sich zu fein waren, um bei dem Bau von Befestigungsanlagen oder dem Hacken von Schneisen durch die Wälder zu helfen.

Braddock zog mit etwa 1.500 englischen Soldaten und Milizionären aus, um Fort Duquesne zu erobern. Am 9. Juli 1754 wurden sie im Wald von etwa 70 Franzosen, 150 Kanadiern und 650 Indianern überrascht [3]. Braddock wandte die europäische Kampftaktik mit geometrischen Schlachtreihen an, die französische Seite suchte wie in der Wildnis Nordamerikas üblich Deckung hinter Bäumen.

Das Ergebnis war ein Gemetzel. In der Schlacht an der Monongahela wurden zwei Drittel der britischen Truppen getötet – darunter Braddock – oder verletzt. Washington überlebte. Etwa zwölf Engländer wurden von den Indianern gefangen genommen, nackt und gefesselt nach Duquesne gebracht und in der Nacht am Ufer des Allegheny mit Brandeisen zu Tode gefoltert [1].

Der große Vorteil der Franzosen war, dass sie fast alle Indianer auf ihre Seite ziehen konnten – daher auch der Name des Kriegs. Von den großen Stämmen blieben nur die Irokesen den Briten treu und die Creek im Süden immerhin neutral.

Der Kommandeur der Franzosen, Jean Dumas, wählte entsprechend eine Strategie mit dem Ziel, die Engländer bis zum Atlantik zurückzutreiben: Er schickte die Indianer in war parties mit je einem Franzosen an der Spitze gegen die nun ungeschützten Siedler.

Heute würden wir von Terrorangriffen sprechen. Meist wurden isolierte Siedlerfamilien überfallen, aber auch ganze Siedlungen. In Penn’s Creek wurden Männer, Frauen und Kinder massakriert. Die bislang mit den Briten verbündeten Delaware zerstörten Great Cove in Cumberland County. Augenzeugen berichteten, wie die Indianer dort das Blut der getöteten Kinder getrunken haben sollen, in Tulpehocken sollen die Krieger die Kinder lebendig skalpiert haben [1]. Die Gräueltaten wurden nur von den Berichten über Gräueltaten übertroffen.

Der Erfolg der Strategie war für die Franzosen messbar, wie ein Hauptmann berichtete [3]:

It is incredible, what a quantity of scalps they bring us.

Das Spiel konnten zwei spielen. Der Gouverneur von Massachusetts, William Shirley, lobte im Juni 1755 eine Belohnung von 40 Pfund für jeden Skalp eines männlichen Indianers und 20 Pfund je Skalp einer Indianerin aus. Pennsylvania zog im April des folgenden Jahres mit noch höheren Beträgen nach.

Unter den Angriffen zerbrach die frontier. Wer konnte, floh nach Osten. Etwa 1.000 deutsche Siedler suchten in ihrer Panik Schutz in dem mit Flüchtlingen überfüllten Philadelphia. Die Kriegszüge der Franzosen überquerten den Fluss Susquehanna und drangen damit in das britische Kerngebiet vor. Im November 1755 wurde eine Mission der Herrnhuter Brüdergemeinde (engl. Moravian Chruch) in Gnadenhutten nur etwa 50 Meilen nördlich von Philadelphia angegriffen, später wurde dort eine Einheit der Miliz vernichtet.

Ein hocherfreuter Dumas schrieb in einem Bericht an Paris über den Verlauf der Kämpfe [1]:

I have succeeded in setting against the English all the tribes of this region who had been their most faithful allies … I have succeeded in ruining the three adjacent provinces, Pennslyvania, Maryland, and Virginia … Thus far, we have lost only two officers and a few soldiers, but the Indian villages are full of prisoners of every age and sex.

Dumas mag beim Ausmaß der Zerstörung etwas übertrieben haben, aber nicht viel. Die Lage der Briten war verzweifelt, so verzweifelt sogar, dass die Quaker ihren Widerstand gegen einen Militärhaushalt aufgaben. Es handelte sich längst nicht mehr nur um ein Grenzscharmützel um das Ohio-Tal.

Wir können den Rest des Krieges schnell zusammenfassen, denn er ist für uns weniger von Interesse. Es dauerte bis 1756, bis England offiziell Krieg erklärte und damit formell der Siebenjährige Krieg begann. William Pitt übernahm als Premierminister und verbündete sich mit Preußen. Später prahlte er [2]:

I have conquered Canada in Germany.

Die Wende kam 1758, der Friede von Paris 1763. Frankreich verlor seine Besitztümer in Nordamerika, wo Großbritannien nun unangefochten herrschte. Als Teil des Friedensvertrages erhielten die Bewohner von Québec die Sonderrechte, die bis heute eine vollständige Einheit Kanadas verhindern.

Bevor wir uns die Folgen anschauen, müssen wir uns mit zwei Nachspielen befassen.

Erstens, die Royal Proclamation von 1763. König George III. wollte die Grenze nach Westen stabilisieren und untersagte (vereinfacht gesagt) jede Siedlungstätigkeit westlich der Appalachen. Diese Gebiete blieben zwar bei der britischen Krone, wurden aber den Indianern zugesprochen. Für die Kolonien war das ungeheuerlich – hatten sie nicht um das Ohio-Tal gekämpft? Und überhaupt, die paar Indianer! Die Wut über die Proklamation war einer der Auslöser des Unabhängigkeitskriegs, wenn auch ein kleiner.

Zweitens, die Zugabe. Die Indianer in der Region der Großen Seen waren nicht glücklich darüber, jetzt Teil von Großbritannien zu sein. Unter der Führung von Pontiac, einem Ottawa, griffen mehrere Stämme 1763 die Briten an, was heute Pontiac’s War [PNG] oder Pontiac’s Rebellion genannt wird. Acht Forts fielen, die Besatzungen wurden massakriert. Die Festungen Pitt, Niagara und Detroit wurden belagert, hielten aber aus. Wieder wurden Siedler ermordet, im Gegenzug gab es Übergriffe auf unbeteiligte Indianer. Die Briten unternahmen mehrere Kampagnen, bis Pontiac schließlich 1766 Frieden schloss. Der Aufstand ist berüchtigt für seine Brutalität, angefacht durch nackten Rassismus auf beiden Seiten. Er brachte aber keine wesentliche Änderung der Situation.

(Die Ereignisse in Fort Pitt werden wir uns in einem Eintrag genauer anschauen, denn dort ließ der Kommandeur, der Schweizer Söldner Simeon Ecuyer, mit Pocken verseuchte Decken an die Belagerer schicken. Es ist der einzige nachgewiesene Versuch, Indianer gezielt mit Seuchen zu töten.)

Der Krieg war für die Gründung der USA von wesentlicher Bedeutung. Zunächst entfiel die einzige ernst zu nehmende externe Bedrohung, die durch das katholische, zentralistische Frankreich. Die Kolonialisten machten die Erfahrung, dass ihre Milizen mit den britischen Truppen mithalten konnten (was die Engländer erst im Unabhängigkeitskrieg begriffen). Zentrale Figuren wie Washington sammelten wertvolle Erfahrung.

Mittelfristig war der Krieg die Ursache für einige der Konflikte zwischen Mutterland und Kolonie. Großbritannien war danach pleite und fing an zu überlegen, ob nicht die Bürger in Übersee etwas beitragen könnten, was ganz schlecht ankam. London sah Pontiacs Aufstand als Zeichen, dass in Nordamerika ein stehendes Heere benötigt wurde, für jeden Briten ein Angriff auf die Grundrechte. Die Beziehungen zu den (meisten) Indianern fielen auf einen Tiefpunkt.

Langfristig sorgte er für eine Entfremdung. Die Krone war nicht in der Lage gewesen, die Kolonien vor den Franzosen und Indianern zu schützen. Die Proklamation von 1763 ließ die landhungrigen Siedler schäumen. Zusammen mit dem King George’s War (1744 bis 1748) überzeugte sie der French and Indian War, dass sie von den europäischen Kolonialmächten nur als Spielball gesehen wurden, dessen Interessen irrelevant waren. An Unabhängigkeit dachten nur eine Handvoll Radikale. Aber mehr Selbstbestimmung, vielleicht war das die Lösung …

Die Einzelheiten schauen wir uns in den kommenden Wochen und Monaten an.

([1] The First American. The Life and Times of Benjamin Franklin H.W. Brands, Anchor Books, New York 2000; [2] The Penguin History of the USA Hugh Brogan, Penguin Books 1999; [3] A History of the Indians of the United States Angie Debo, University of Oklahoma Press, Seventh Printing 1983)