Archive for Mai, 2012

ZEUGS: Die Error-37-Ausgabe

Mai 25, 2012

Woran merkt man, dass man eine Familie hat, einen Job, diverse Verpflichtungen, nicht nächtelang aufbleiben kann, also zusammengefasst schlicht und einfach alt geworden ist? Diablo 3 kommt raus und zehn Tage später ist man immer noch nicht das erste Mal durch. Unfassbar, das wäre früher innerhalb von 36 Stunden abgefeiert gewesen. Wenigstens bleibt (noch) die Blamage erspart, von den eigenen Kindern vorgeführt zu werden, denn das hack-and-slay ist noch nichts für sie.

Wie auch immer, während des Aufstiegs zu einem Wizard Level 32 (erst) sind ein oder zwei Dinge aufgelaufen.

  • Zur politischen Dimension von Fabelwesen: Dieses Blog wird schon mal dafür belächelt, dass es die USA lieber mit Hilfe der Populärkultur erklärt als mit Ergüssen aus den Elfenbeintürmen der Intellektuellen. Völlig zu Unrecht, natürlich, denn man kann die US-Politik nachweislich komplett mit Vampiren und Zombies erklären:

    Here’s the weirdest graph you’ll see all week. It’s graphing the popularity of zombie movies versus vampire movies, split out by whether the president at the time was a Republican or a Democrat. There are exceptions, but in general when a Republican is in office, it’s all about zombies. When it’s a Democrat, it’s all about vampires.

    Eine genauere statistische Analyse findet sich bei der Originalquelle Mr. Science Show. Das führt zur Frage, ob die zunehmende Beliebtheit von Lost Girl mit ihren Succubi den Aufstieg einer dritten Partei in der amerikanischen Politik vorhersagt.

  • Zu Präsidentenwahl, denn auch Comic-Figuren spielen eine Rolle: In Kalifornien gibt es eine Bewegung, Mickey Mouse als Präsidentschaftskandidaten einzusetzen.

    Mickey Mouse is an icon of the successful practice of CAPITALISM. He lives it, he loves it, and he does not belittle it.

    Hintergrund ist dass die Teilnehmer an der demokratischen Vorwahl einen Kandidaten angeben können, der nicht auf dem Stimmzettel vorgedruckt wurde (write-in). Donald Duck war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

  • Zur Geburtenrate, denn es gibt eine Zeitenwende: Der Anteil der weißen Neugeborenen (non-Hispanic white) ist unter 50 Prozent gefallen.

    Non-Hispanic whites accounted for 49.6 percent of all births in the 12-month period that ended last July, according to Census Bureau data made public on Thursday, while minorities (…) reached 50.4 percent, representing a majority for the first time in the country’s history.

    Der Artikel in der „New York Times“ geht auf die gesellschaftlichen Folgen und die Altersstruktur ein, die daraus entsteht: Alte nicht-hispanische Weiße und junge Hispanics und Schwarze.

  • Zum Krieg gegen Japan: io9 verweist auf die Biowaffen-Angriffe auf China.

    Led by the enigmatic Dr. Shiro Ishii, Unit 731 committed thousands of macabre experiments and infected hundreds of thousands with the plague in China. Most of the scientists involved with Unit 731 escaped trial and entered mainstream society at the end of the war due to an agreement with Allied commanders, but a few are speaking of the horrors they committed in their old age.

    Der Artikel ist in der Rubrik secret history für kaum bekannte Ereignisse der Geschichte eingeordnet.

  • Zur Buchzensur, Fanfiction und prüden Amerikanern: Der interessierte Leser mag bemerkt haben, dass es im amerikanischen Sprachraum zunehmend Anspielungen auf „50 Grauschattierungen“ gibt, wie „Fifty Shades of Gay“ bei Slate oder „Fifty Shades of Spay“ bei Icanhascheezburger. Der Ursprung ist der SM-Roman Fifty Shades of Grey, ein Bestseller, der seinen Ursprung im Twilight-Fanfiction hat. Die Nachfrage ist so groß, dass auch amerikanische Bibliotheken sie aufnehmen.

    At many, „Fifty Shades of Grey,“ by the previously unknown British author E. L. James, is the most popular book in circulation, with more holds than anyone can remember on a single title (2,121 and counting last Friday at the Hennepin County Public Library, which includes Minneapolis, up from 942 on April 9).

    Einige Bibliotheken haben beschlossen, das Buch nicht in die Regale zu nehmen. Dieser Autor hat es noch nicht gelesen — wenn er bei Diablo 3 eine respektable Stufe erreicht hat, ist erstmal A Song of Ice and Fire an der Reihe. Er sagt aber jetzt schon voraus, dass wie bei 9,5 Weeks die Kinoversion stark bereinigt sein wird.

  • Zum US-Militär: 51 Prozent der US-Bürger wollen einer Umfrage zufolge die amerikanischen Soldaten aus Europa abziehen. (Via InstaPundit).
  • Zum Dark Day, um wenigstens zum Ende etwas das Gefühl von Diablo hineinzuschleppen: Der Sender BBC befasst sich mit dem Rätsel des gleichnamigen Tages am 19. Mai 1780, als es in Neuengland und Kanada finster wurde. Die neuste Theorie ist ein Waldbrand. Weil die BBC aber britisch ist, kann eine Sache in dem Artikel nicht fehlen:

    When the makers of Doctor Who this week asked fans of the show to send in their suggestions, they received a wide range of theories both plausible and Tardis-related.

    Zur Vorsicht wird auch nochmal darauf hingewiesen, dass in diesem Jahr die Welt nicht enden wird — was natürlich voraussetzt, dass dieser Autor Akt IV endlich abschließt.

Warum sie kommen, wenn du es baust

Mai 16, 2012

Das Arbeitszimmer im Hause Stevenson ist faktisch fertig. Und nun zeigt sich ein unerwartetes Phänomen: Gewisse Familienmitglieder, die bislang kein Interesse daran gezeigt haben, dort zu arbeiten, nehmen plötzlich den Welteroberungstisch unter Beschlag. Das ist doof, denn dort steht der größte Monitor des Hauses. Ohne den muss dieser Autor Diablo 3 in der nativen MacBook-Pro-Auflösung von 1440 x 900 Pixeln spielen. Das ist natürlich völlig untragbar.

Allerdings, werden die angelsächsischen Leser jetzt sagen, darf man sich nicht wundern. Schließlich gilt: If you build it, they will come.

Diesen Spruch findet man bei Amerikanern ständig. Das geht so weit, dass die Autoren der TV-Serie Eureka die 13. Folge der dritten Staffel einfach „If You Build It …“ nannten, und alle haben gewusst, was gemeint war.

(Der deutsche Titel lautet „Wenn ihr gebaut habt, kommen sie“, was wegen des fehlenden „es“ eher klingt wie eine Warnung vor Termiten. Trotzdem, hier war man auf dem richtigen Weg.)

In diesem Fall kommt der Satz nicht von einem der üblichen Verdächtigen – der Bibel, Alice in Wonderland, The Wizard of Oz oder Shakespeare. Vielmehr stammt er aus Field of Dreams, einem Baseball-Film mit Kevin Costner. Dieser spielt einen Farmer, der besagten Satz als Teil einer Vision über ein Baseball-Feld hört. Obwohl ihn alle für irre erklären, baut er den diamond. Und siehe da, die Leute kommen tatsächlich. Der Spruch nimmt auf der Liste der berühmtesten Filmzitate des American Film Institute Platz 39 ein.

Was uns alles im Arbeitszimmer nicht weiterhilft. Vielleicht muss ein anderes Zimmer umgebaut werden? So als Lockmittel?

ZEUGS: Vermisste Atombomben, verlorene Kolonien und zensierte Homo-Erotik

Mai 10, 2012

  • Zu verlorenen Kolonien: Neue Hinweise in einem mehr als 400 Jahre alten Rätsel: Die Untersuchung einer alten Karte im Britischen Museum könnte eine Spur zur Roanoke-Kolonie enthalten, die Ende des 16. Jahrhunderts verschwand. Offenbar wurde eine Stelle mit einem Flicken überklebt und damit ein Symbol für ein Fort versteckt. Die Lost Colony hinterließ als einzigen sicheren Hinweis das Wort „Croatoan“, eingeritzt in einem Baum.
  • Zu verlorenen Atombomben, während wir Dinge suchen: IO9 berichtet über eine seit 1958 vor Virginia vermisste Atombombe, die vor der Notlandung eines B-47-Bombers abgeworfen wurde. Warum die Notlandung? Weil der Bomber bei einer Übung mit einem Kampfflugzeug kollidiert war. Und wieso wurde bei einer Übung eine echte Atombombe mitgeführt?

    [F]lying a simulation with a detonation-ready nuclear bomb is bizarre, but it provides the most accurate preparation for a combat scenario.

    Die Suche wurde immer wieder fortgesetzt, zuletzt 2001. Umsonst. Von einem Finderlohn ist übrigens nicht die Rede.

  • Zu prüden Amerikanern und die Synchro von US-Medien: Die Zeitschrift Unique beschreibt die inhaltlichen Eingriffe während der Übersetzung:

    Vulgäre Ausdrucksweisen, sexuelle Anspielungen (besonders homosexuelle) und die Thematisierung von Ehebruch, Prostitution und Pädophilie sind dem deutschen Publikum teils bis heute immer wieder dank weitsichtiger Synchron-Autoren erspart geblieben.

    Das „erspart geblieben“ ist übrigens Ironie. Dieser Autor muss gestehen, dass ihm die Änderungen an Citizen Kane nicht bekannt waren. (Via BildBlog)

  • Zu prüden Amerikanern, nochmal, und Zensur in US-Medien: Skandal bei Lost Girl! Wie beschrieben handelt es sich um eine kanadische Serie, die in den USA von SyFy ausgestrahlt wird. Jetzt soll das eingetreten sein, was Kritiker befürchtet haben: In der US-Version ist eine Szene geschnitten worden — um acht Sekunden — die die Liebesbeziehung zwischen Bo und Lauren charakterisiert. Die lesbischen Fans der Serie schäumen vor Wut (dort auch eine Dokumentation des Schnitts). Syfy weist alles zurück und macht die kanadischen Produzenten Showcase verantwortlich. Diese verweisen ihrerseits auf die Notwendigkeit, die Folgen aus Zeitgründen zu kürzen, denn in den USA sind die time slots kürzer. Syfy-Pressesprecher Gary Morgenstein nutzt die Gelegenheit sofort zur Werbung:

    [T]he scene was cut not by Syfy but by the producers to conform to US running time; the Canadian version runs longer. … None of this had to do with the same sex relationship. In fact, in episode 206, airing on Syfy May 21, there is a rather „hot“ scene between Lauren and Bo.

    Trotzdem, die Kommentare im Syfy-Forum sind nicht nett und auf der Facebook-Seite von Lost Girl wird darum gebeten, die Zuschauer nicht für dumm zu verkaufen. Dabei wird auch bemerkt, um endlich zum Punkt zu kommen, dass es keinen rechtlichen Grund für die Schnitte geben kann: Als Kabelsender ist Syfy nicht dem FCC unterworfen und kann zeigen, was es will (tatsächlich ist Lost Girl verglichen mit True Blood und Game of Thrones fast kindertauglich). Die Verschwörungstheorien konzentrieren sich daher inzwischen auf Syfys hausinterne Regeln. Klar ist, dass bei der Szene am 21. Mai jede Sekunde gezählt werden wird.

  • Zu nützlichen englischen Wörtern: Die Schönste Germanin, die sich immer Gott weiß wo im Internet herumtreibt, hat ein Video [YouTube] über die vielen Verwendungen des Wortes fuck gefunden. Schockierend.
  • Zur US-japanischen Kulturvermengung: Der japanische Kulturimperialismus schlägt wieder zu. Der Spielentwickler Blizzard hat einen Kurzfilm zu der bevorstehenden Veröffentlichung von Diablo 3 online gestellt:

    Blizzard Entertainment teamed up with renowned director Peter Chung and acclaimed animation studio Titmouse to create this unique vision of a fundamental moment in the battle between the High Heavens and the Burning Hells.

    Interessant ist die japanische Bildersprache in einem Werbefilm für ein amerikanisches Spiel, das sich inhaltlich vom europäischen Mittelalter ableitet. Diablo 3 erscheint am Dienstag, und dieser Autor möchte übrigens anschließend nicht gestört werden.

  • Zu den Federalist Papers: Wir hatten von der Bedeutung der Argumentationsschriften für die US-Verfassung gesprochen. Das Wall Street Journal hat nun mit Entsetzen festgestellt, dass sie an führenden amerikanischen Universitäten äußerst stiefmütterlich behandelt werden.

    The political science departments at Harvard, Yale, Princeton, Stanford and Berkeley — which set the tone for higher education throughout the nation and train many of the next generation’s professors — do not require candidates for the Ph.D. to study The Federalist.

    Fehlanzeige auch in hochrangigen juristischen Fakultäten. Dieser Autor kann die Lektüre, auch wenn sie nicht ganz einfach ist, nur empfehlen. Dann weiß man mehr als Harvard-Doktoren! (Via InstaPundit)

  • Zu Fan-Fiction: Der Wissenschaftsjournalist Clive Thompson bricht in Wired eine Lanze für selbstgeschriebene Geschichten aus virtuellen Universen wie die von Harry Potter.

    As fandom scholars like blogger and USC professor Henry Jenkins have documented, today’s young people routinely build off their favorite cultural universes — writing new stories, creating game mods, shooting fan videos. It’s not sui generis creativity — they’re working with preexisting worlds — but it exercises the same creative muscles.

    Natürlich ist der Effekt bei Buffy-Geschichten doppelt so stark.

Liebe Medien, eine Neighborhood Watch ist keine Bürgerwehr

Mai 3, 2012

Genug ist genug: Aus aktuellem Anlass ein kurzer Hinweis an die deutschsprachigen Medien, die über den Fall Trayvon Martin berichten: Eine neighborhood watch ist keine, nochmal, keine „Bürgerwehr“. Dieser Autor hat zwar ein gespanntes Verhältnis zur Wikipedia, aber in diesem Fall liegt sie mit ihrer Beschreibung der „Nachbarschaftswache“ genau richtig:

Die Bürger sollen bei verdächtigen Vorkommnissen nicht selbst einschreiten, sondern die Behörden informieren. Die Mitglieder sind weder staatlich bestellt noch stehen ihnen Befugnisse zu, die über die Rechte jedes anderen Bürgers (zum Beispiel Notwehr) hinausgehen. Auch Waffen dürfen sie nur tragen, soweit dies in dem jeweiligen Land auch sonst zulässig ist.

Es sind also noch nicht einmal „Hilfspolizisten“, wie sie Politiker immer mal wieder einführen wollen:

Die ehrenamtlich oder nebenberuflich tätigen Hilfspolizisten sollten für ihre Tätigkeit ausgebildet werden und dann eine polizeiähnliche Uniform, Schlagstock, Reizgas, Handschellen und Polizeifunkgerät bekommen

Eine Bürgerwehr ist militärisch ausgerichtet, was in diesem Fall komplett falsch ist. So etwas kennen die USA auch — besonders in der Kolonialzeit waren sie sehr beliebt — und wir hatten schon über die Nationalgarde als die Heere der Bundesstaaten gesprochen. Ja, das ist alles kompliziert, weswegen wir auch einen getrennten Eintrag über die den Aufbau der Polizei geschrieben haben. Schon da haben wir uns über die Übersetzung „Bürgerwehr“ lustig gemacht. Offenbar war das zu subtil.

Was schreibt man dann für neighborhood watch? In dem Wikipedia-Eintrag wird wie gesagt der Begriff „Nachbarschaftswache“ benutzt. Den hat dieser Autor zwar noch nie gehört, aber vielleicht lebt er einfach im falschen Teil der Republik … hier gucken die Omas noch aus dem Fenster, wie die Schönste Germanin so schön sagt.