Warum viele amerikanische Häuser schlecht gedämmt sind (und warum sich das ändert)

Januar 16, 2009

Dieser Autor und die Schönste Germanin haben die strenge Kälte der vergangenen Wochen genutzt, um in Socken von Zimmer zu Zimmer zu laufen und zu gucken, wo es zieht. Das größte Problem scheinen die Fensterbänke in den Kinderzimmern zu sein: Sie wurden wohl nicht in die Fassadendämmung einbezogen und ragen jetzt wie Kühlelemente ins Haus. Wir werden im Sommer schauen müssen, ob sich das mit einem vertretbaren Aufwand beheben lässt. Die Racker spielen sowieso meist im Wohnzimmer.

Das führt uns zurück zu unserer Diskussion über die amerikanische Rahmenbauweise, den dort hatten wir angekündigt, den Eintrag zum Energieverbrauch der USA um die Frage der Dämmung zu ergänzen. Deutsche, die einen Winter in einem kalten Teil Amerikas verbracht haben, berichten (zu) oft von Fenstern mit einfachem Glas oder Steckdosen, durch die der Wind pfeift. Auch die US-Regierung ist der Meinung, dass häufig selbst einfache Energiespar-Maßnahmen ungenutzt bleiben.

Die ganz aufmerksamen Wintertouristen werden bemerkt haben, dass die meisten dämmschwachen Häuser ein gewisses Alter haben. Bei (für amerikanische Verhältnisse) alten Gebäuden gibt es das kaum.

Tatsächlich hat jede Region eine traditionelle Bauweise, die sorgfältig an das jeweilige Klima angepasst ist:

  • Kalter Nordosten wie Neuengland: Saltbox houses mit einer nach Süden gewandten, breiten Vorderseite und mit einem langgezogenen Norddach. Das bietet im Winter weniger Angriffsfläche für die Nordwinde. Der massive Kamin steht in der Mitte des Hauses und heizt sich im Laufe des Tages so stark auf, dass er bis in die Nacht warm bleibt.
  • Schwül-heißer Südosten wie Florida: Cracker houses mit weit ausgezogenen Dächern für viel Schatten und abgedunkelten Terrassen. Die Häuser sind aufgebockt, damit die Luft unter dem Fußboden hindurch ziehen kann. Die Fenster sind riesig und gehen vom Fußboden bis zur Decke, die dazu noch hoch ist. Moderne Solarhäuser in der Region werden nach diesen Prinzipien gebaut.
  • Trocken-heißer Südwesten wie in New Mexico oder Südkalifornien: Schon die Indianer und hitzeerfahrenen spanischen Siedler bauten dicke Südmauern aus Lehmziegeln (adobe), die sich nur langsam aufheizen. Nachts geben sie die Wärme nach innen ab. Dazu kommen kleine Fenster und ein Innenhof mit Wasserspiel. Ein ähnliches Prinzip wird heute bei Trombe-Wänden benutzt.

Energiesparende Baumaßnahmen waren also über Jahrhunderte hinweg in Amerika der Normalfall. Reste davon sieht man auch in neueren Häusern, wie die viele hohen Decken in Arizona, unter denen sich die Wärme (und die Luftballons von Kind Nummer Zwei) sammeln kann. Aber oft wurden die Techniken aufgegeben. Warum?

Wegen der billigen Energie.

Eine Zeit lang war das Zeug in den USA so günstig, dass sich aufwändige Baumaßnahmen schlicht nicht lohnten. In ihrem Buch Passive Solar Energy [PDF] beschreiben Bruce Anderson und Malcolm Wells die Entwicklung so:

Simplified heating and cooling technology developed more quickly than improved materials and techniques for upgrading the thermal performance of houses, in part because of abundant and cheap energy. The result is that large central heating and cooling systems run by cheap energy compensate for climatically inappropriate house designs.

Dazu muss man wissen, dass die USA früher der größte Öl-Produzent der Welt waren. Die Industrie begann im 27. August 1859 in Pennsylvania, als „Colonel“ Edwin L. Drake in 69 Fuß Tiefe [JPG] auf „Steinöl“ stieß. Er wollte damit das Walöl für Lampen ersetzen. Die Arbeiter seiner Bohrcrew, die sonst nach Salz suchten, hielten die Idee für dummes Zeug [1]. Sie wurden nicht unvorstellbar reich.

Leute mit etwas mehr Weitblick wie John D. Rockefeller schon. Er gründete 1870 Standard Oil und holte immer mehr Öl aus der Erde. Bis 1950 waren die USA für über die Hälfte der weltweiten Förderung verantwortlich und deckten ihren Verbrauch problemlos selbst.

Der Höhepunkt der einheimischen Förderung – das peak oil der USA – wurde (ohne Alaska) etwa 1970 erreicht, wie von dem Geologen M. King Hubbert [PDF] vorhergesagt. Erst mit dem Rückgang der amerikanischen Produktion wurde die 1965 gegründete Opec mächtig und die USA von ausländischem Öl abhängig. Es entstand die geopolitische Lage, die wir so schätzen und lieben gelernt haben.

Wir wissen aus Europa was passiert, wenn es billige Energie im Überfluss gibt. Der Stromverbrauch pro Kopf ist in Norwegen jenseits von Gut und Böse [JPG], was die norwegische Regierung so begründet:

Cheap hydroelectric power has resulted in high electricity consumption, and a weak motivation to limit or reduce use. Today Norway is the country in the world with the highest per capita electricity consumption.

(Nach anderen Quellen liegt Island an erster Stelle) Norwegen bezieht seinen Strom zu 99 Prozent aus Wasserkraft. Warum sparen? So lange die Schwerkraft sich nicht abnutzt, wird es keinen Mangel daran geben und CO2 fällt auch nicht an.

Zwar wussten die Amerikaner, dass ihr Öl nicht erneuerbar war. Aber lange Zeit gingen alle davon aus, dass die Vorräte in den USA gigantisch seien. Über Hubberts Peak-Oil-Theorie machte man sich lustig oder wollte sie schlicht nicht wahrhaben.

Denn mit billiger Energie kann man wunderbare Sachen machen, in Norwegen wie in den USA. Wer in kalten Landesteilen eine gläserne Fensterfront nach Norden haben will, kann sie kriegen, auch ohne Doppelverglasung. Eine größere Heizung gleicht das aus. Riesenfenster in der prallen Sonne in heißen Gegenden? Kein Problem: Die Klimaanlage muss nur mehr Leistung bringen. Energie im Überfluss gewährt architektonische Freiheit.

(Was man mit dieser Freiheit macht, ist eine andere Sache. In der Praxis führte sie oft nur dazu, dass der gleiche langweilige Haustyp quer duch alle Klimazonen gebaut wurde. Einfallslose Architekten scheinen aber ein weltweites Problem zu sein.)

Deutschland kannte dagegen nie eine Zeit, in der es billige Energie im Überfluss gab. Große Öl-Vorkommen gab es in Mitteleuropa nicht, weswegen die Wehrmacht so dringend Rumänien einnehmen wollte. Heute werden die Benzin-Preise durch Steuern künstlich hoch gehalten. Nur zum Wohle der Umwelt, versteht sich.

(Gelegentlich hört man das Gerücht, dass Benzin den USA vergleichsweise billig ist, weil die Regierung es subventioniert. Oh, how we wish! So etwas gibt es wirklich [PDF] – die arabischen Staaten, China und Russland halten den Preis künstlich niedrig. Die USA gehören zum großen Bedauern der Bevölkerung nicht dazu. Die meisten Europäer unterschätzen aber, wie viel die Steuerlast ausmacht.)

Inzwischen ist in den USA die Zeit des Energie-Überflusses vorbei. Zwar gibt es noch große Kohlevorräte und wie in Deutschland bildet dieser fossile, nicht erneuerbare und eher dreckige Brennstoff das Rückgrat der Stromversorgung. Aber der schon der vorübergehende Anstieg des Spritpreises auf vier Dollar je Gallone – schwindelerregende 0,79 Euro pro Liter nach jetzigem Umrechnungskurs – im vergangenen Jahr kann symbolisch für das endgültige Ende eines Energie-Zeitalters stehen.

Entsprechend besinnen sich die Amerikaner wieder auf ihre traditionellen Bauweisen (und Brennstoffe), erweitert um moderne Methoden und Technologien. Wir hatten darauf hingewiesen, dass die Außenwände der Häuser immer weniger mit two-by-four-Latten gebaut werden und mehr mit den breiteren two-by-six-Varianten. Das bietet mehr Schutz vor Zombies Platz für Dämmmaterial.

Allgemein können wir zwei Strategien unterschieden:

Das George-W.-Bush-Modell. Selbst Bush-Hasser gestehen zähneknirschend ein, dass der Landsitz des scheidenden Präsidenten ein model of environmental rectitude ist. Es wurde nach den örtlichen Wind- und Lichtverhältnissen ausgerichtet, wird durch Geothermie geheizt und gekühlt und verfügt über große Grauwasser-Zisternen – das volle Programm. Entworfen wurde es vom preisgekrönten Architektur-Professor David Heymann aus Texas. Das Haus wird bei diesem Ansatz in die Umgebung eingepasst und verbraucht damit so wenig Energie wie möglich. Das erfordert allerdings einen höheren Aufwand an Planung und Recherche.

Dagegen steht das Al-Gore-Modell. Der „Klimanobelpreisträger“ lebt in einer Villa mit einem hohen Energieverbrauch, angeblich im Durchschnitt 18.400 kWh pro Monat und im Jahr 20 Mal so viel wie der Landesdurchschnitt. Gore weist darauf hin, dass seine Energie komplett aus erneuerbaren Quellen stammt und er seine restliche Treibgas-Produktion über Zertifikate ausgleicht. Dieser „norwegische“ Ansatz ändert nicht viel am Verbrauch, aber er schont die Umwelt und die Umsetzung ist leichter – wenn man die Kohle dazu hat.

Denn Normalsterbliche haben weder das Geld für einen Star-Architekten, den Alles-Öko-Tarif der Stromgesellschaften oder gar CO2-Zertifikate. Ihnen bleiben die klassischen Methoden des Energiesparens wie die Jagd nach Luftzügen in Socken.

Auch das bringt schon eine Menge. Auf Öko-Websites wie Build it Solar wird beschrieben, wie eine Familie ihren Energie-Verbrauch – Strom, Erdgas, Benzin – ohne Einschränkungen der Lebensqualität halbieren kann:

We cut our energy use from 95,000 kWh per year to 36,000 kWh per [year] — this is saving us $4,800 per year in energy costs

Der wichtigste Einzelpunkt war dabei der Umstieg auf ein Hybrid-Auto.

Amerikaner haben es bei solchen Umbauten zum Teil schwerer, zum Teil einfacher als Deutsche. Die verschiedenen Klimazonen verlangen ein jeweils anderes Expertenwissen, weswegen sich die Dämmklasse je Region ändert. Auch Anderson und Wells brauchen sieben Seiten, um die Grundprinzipien der passiven Solarenergie für jeden Landesteil zu beschreiben.

Auf der anderen Seite erlaubt die Rahmenbauweise größere Eingriffe in die bestehende Baumasse mit wenig Aufwand. Wer auf Seiten wie Build it Solar herumsurft, findet die Empfehlung, kurz mal die Südwand des Hauses herauszureißen, um dann ein solar chimney, eine solar wall oder gleich ein solar room einzurichten.

Dieser Autor bleibt in seinem Stein-und-Beton-Haus doch lieber erstmal bei neuen Fensterbänken.

([1] An Empire of Wealth, John Steele Gordon, Harper Perennial 2004)

Werbung
%d Bloggern gefällt das: