Archive for Juni, 2013

Der wichtigste Unterschied bei den Tischmanieren

Juni 29, 2013

Es kann sehr frustrierend sein, ein Blog über die USA zu führen. Da hat dieser Autor über Monate hinweg Material für einen Eintrag über den Unterschied zwischen deutschen und amerikanischen Tischmanieren zusammengetragen, und dann kommt Slate daher und schreibt den wichtigsten Punkt in großer Länge auf. Seufz.

If you can’t beat ‚em, join ‚em: Wer sich für das Thema interessiert — und das dürfte jeder sein, der wiederholt mit Amerikanern am Essenstisch sitzt — sollte sich den Slate-Artikel durchlesen. Wir werden hier eine kurze Zusammenfassung für die Leute liefern, die nicht so firm im Englischen sind, und stärker den germanischen Blickwinkel bedienen.

Zuerst: Tischmanieren gehören zu den sozialen Konventionen, die an sich irrelevant sind, aber als Bildungsmarker dienen. In gewisser Weise ist es ein Spiel, das innerhalb der jeweiligen Kultur gespielt wird.

Die meisten Germanen bemerken in den USA entsprechend gar nicht, dass die Amerikaner ihren Suppenlöffel immer weg vom Körper führen (sollten), weil die Richtung in Deutschland unwichtig ist. Dagegen schaudern Deutsche und Amerikaner gemeinsam angesichts des britischen fork loading, bei dem zum Beispiel ein Stück Fleisch aufgespießt wird, darauf dann Kartoffelpüree geschmiert wird, um schließlich noch einige Erbsen obendrauf zu packen — sozusagen eine repräsentative Abbildung der gesamten Mahlzeit auf einer Gabel.

Was Amerikanern in Deutschland und Deutschen in Amerika allerdings sofort auffällt, ist der Umgang mit dem Messer. Das dürfte der wichtigste Unterschied sein.

Als so ziemlich einzige Menschen auf der Welt (außer einigen Kanadiern) legen die Amerikaner nach jedem Schnitt das Messer wieder auf den Tellerrand hin und lassen die Gabel dann von der linken in die rechte Hand wandern, wo sie wie ein Bleistift gehalten wird. Die Zinken zeigen dabei nach oben, wie bei einer Schaufel. Der formelle Name für dieses Ritual lautet American Style, wobei Slate mit einem Augenzwinkern eine ganze Reihe anderer Namen vorschlägt:

Zig-zag is etiquette doyenne Emily Post’s term for it, but we could also call it the Star-Spangled Fork-Flip, the Freedom Fork-Over, or the Homeland Handoff. Or the cut-and-switch.

In Deutschland, England, Frankreich und so weiter ist dagegen der Continental Style verbreitet, bei dem das Messer in der rechten Hand bleibt und die Zinken der Gabel die meiste Zeit nach unten zeigen.

Für Amerikaner ist das eine Barbarei. Dieser Autor hat wiederholt die Formulierung gehört, dass Europäer wie truck drivers essen, wobei er nicht genug amerikanische Fernfahrer kennt, um das verifizieren zu können. Umgekehrt wirken Amerikaner am Tisch auf Europäer wie kleine Kinder, die erst noch den richtigen Umgang mit dem großen, gefährlichen Messer lernen müssen.

Ironischerweise entspricht der amerikanische Stil einfach den europäischen Tischsitten des frühen 18. Jahrhunderts, genauer, den französischen Sitten, ausgerechnet. Während die ganze Wechselei den Europäern Mitte des 19. Jahrhunderts wieder zu doof wurde, blieben die Amerikaner bis heute bei der alten Form.

Schluss damit, argumentiert Slate. Es sei Zeit, endlich diesen verstaubten und umständlichen europäischen Schickschnack aufzugeben:

The other reason to dump the cut-and-switch, of course, is that it’s a European pretension — one so weird that even Europe eventually abandoned it.

Tastsächlich sieht man mehr und mehr Amerikaner — auch Nicht-Fernfahrer — die zumindest in informellen Situationen „kontinental“ essen, schon weil es praktischer ist (bei der Familie Stevenson schlägt hier der deutsche Einfluss voll durch, weswegen sich dieser Autor in den USA jedes Mal wieder bewusst umstellen muss). Dabei bleibt die Gabel oft im Bleistift-Griff mit nach oben gerichteten Zinken, was eine Hybrid-Form darstellt. Wegen der Schaufelwirkung kann das sogar effektiver sein als das europäische Herumgestochere mit der umgedrehten Gabel.

Was tut man jetzt als Gast in dem einen oder anderen Land? Schließlich will man nicht ungehobelt erscheinen.

Da die Schönste Germanin nicht im Traum daran denkt, die amerikanische Fuchtelei mit dem Messer mitzumachen, baut sie in den small talk am Essenstisch einen kleinen Vortag über unterschiedliche Tischsitten ein. Zwar guckt man ihr dann erst Recht bei jedem Bissen auf die Gabel, aber sie hat sonst ihre Ruhe und hat sich um die Völkerverständigung verdient gemacht. Der neue US-Botschafter in Deutschland kommt vermutlich nicht mit dieser Strategie durch. Aber für Normalsterbliche dürfte das ausreichen.

Wo die K-Straße liegt

Juni 20, 2013

Frank Bruni von der „New York Times“ hat mehrere Fragen zu der angeblichen geheimen Schwulenlobby im Vatikan, insbesondere warum sie so „spektakulär ineffektiv“ sei (Hervorhebung hinzugefügt):

You wouldn’t last a minute on K Street; the Karl Roves of the capital would have you for lunch.

Diese „K-Straße“ hat nichts mit dem Werk von Franz Kafka zu tun, hier führt der Hinweis auf den republikanischen Berater Rove auf die richtige Fährte. Es ist der Name einer Straße in der Hauptstadt Washington, wo früher die großen Lobby-Verbände angesiedelt waren. Als solches ist der Begriff negativ besetzt, denn hier, so der Vorwurf, töten die Interessenverbände die Demokratie. Wie die „Washington Post“ es vor der Wahl 2012 beschrieb:

It’s the symbol of all that’s wrong with Washington, the front line where the Occupiers dug their anti-authoritarian trenches, the boulevard that has been shorthand for capital corruption during recent Republican debates.

Von den 20 größten Lobby-Firmen, so die Zeitung, hat allerdings heute nur eine noch ihre Büros auf der K Street. Kein Wunder bei dem schlechten Ruf.

Warum Dal Riata nicht nur der Name einer Kneipe für notgeile Dämoninnen ist

Juni 13, 2013

Wir haben viel zu lange nicht mehr über die kanadische TV-Serie Lost Girl geschrieben, und das wo in der vierten Staffel doch George Takei als Gastdarsteller auftreten wird. Schauen wir uns daher heute genauer an, wo sich die Fae treffen, um mal in Ruhe ein Bier zu trinken: In einer Kneipe, die in der Serie nur „The Dal“ genannt wird, aber mit vollem Namen „The Dál Riata“ heißt.

Over a century old, the Irish-themed pub also acts as a Waypoint, neutral ground and a place for visitors to check in.

Die irische Einrichtung wundert nicht, denn Dál Riata ist der Name eines Königreiches im späten 6. und frühen 7. Jahrhundert, das aus Teilen von Irland und Schottland bestand.

Die sehr kurze Version seiner Geschichte lautet etwa so: Unter König Fergus Mor sind die Iren um etwa 500 n.Chr. in West-Schottland eingefallen und haben das Reich errichtet. Später gab es einen Bürgerkrieg, bis König Fercher Fota wieder für Ordnung sorgte — er ist wichtig, weil ein gewisser Macbeth von ihm abstammen soll. In den 740er Jahren fielen die Picts in Dál Riata ein. Später gaben die Wikinger ihnen den Rest. Dál Riata wurde Teil des Königreiches Alba.

Der Name scheint Germanen verständlicherweise nicht geläufig zu sein. Dieser Autor wollte ursprünglich schreiben, dass er auch nicht notwendigerweise jedem Amerikaner (oder Kanadier) bekannt sein dürfte.

Allerdings kommt Dál Riata häufiger in historischen und Fantasy-Romanen vor, als ihm klar war, darunter in Kushiel’s Dart von Jacqueline Carey, das seit Jahren ungelesen bei den Stevensons im Bücherschrank steht. Offenbar sind die Leute da so lüstern wie in Lost Girl (dass beide Werke von Buffy beeinflusst wurden, versteht sich von selbst).

In The Dal bei Lost Girl geht es allerdings nicht nur irisch zu, sondern auch ziemlich jüdisch. In einem Review der Serie schreibt io9, die Kultur der Fae sei „half-Jewish, half-Celtic, and all crazy“:

Whenever we go to the Dal and see traditional fae holidays being celebrated, it becomes abundantly clear that the fae are basically Irish Jews. They drink like crazy and then do the hora. They have secret books written in an ancient language and then they do the riverdance.

Wobei man sagen muss: Wenn die Succubus Bo im Dal auf dem Tisch tanzt, sieht das absolut nicht wie Riverdance aus. Oder dieser Autor muss sich das doch vielleicht mal im Theater anschauen.

Mulligans und Magic-Monster

Juni 7, 2013

In Vorbereitung eines Umbaus im Wohnzimmer haben wir nach Jahren einen Schrank in der hintersten Ecke des Wohnzimmers ausgeräumt. Dabei ist uns eine deutsche Ausgabe des Fantasy-Kartenspiels Magic: The Gathering aus den 90er Jahren vor die Füße gefallen. Dieser Autor hatte vergessen, wie grausam das damals war: die Übersetzung fragwürdig, die Kunst minderwertig, die Regeln umständlich erklärt. Kind Nummer Eins hat sich trotzdem sofort in das Spiel verliebt. Damit erübrigt sich wohl jeder Vaterschaftstest.

Wir haben daher ein neues, englisches duel deck geholt (für Freaks: Ajani vs. Nicol Bolas), denn man soll nie eine Gelegenheit auslassen, das Vokabular auszubauen. Kind Nummer Eins lernt jetzt so nützliche Begriffe wie Jungle Shrine, tap, untap, exile, artifact creature und natürlich mulligan.

Moment, mulligan?

Das passt schon allein von der Sprache her nicht in ein Spiel, in dem Namen wie Steamcore Weird, Terramorphic Expanse oder Profane Command üblich sind. Tatsächlich ist das ein Begriff, der vom Golf kommt und sich im Englischen inzwischen verselbstständigt hat. Damit wird eine zweite Chance bezeichnet, zum Beispiel ein zweiter Abschlag bei einer informellen Golfrunde, wenn der erste komplett verunglückt ist.

(Oder so. Dieser Autor hat keinen blassen Schimmer von Golf und weiß nur, dass man die anderen Spieler nicht mit dem Schläger hauen darf und dass irgendwelche Tiger mitspielen, auch wenn das unwahrscheinlich klingt.)

Der Ursprung des Namens ist unklar. Die United States Golf Association (USGA) listet gleich drei Geschichten zu einem gewissen David Mulligan auf, der in Kanada in den 20er Jahren sich einen zweiten Schlag genehmigt haben soll.

Wie auch immer, wir finden den Begriff inzwischen auch bei politischen Diskussionen, wie zu Griechenlands Politik in der Schuldenkrise:

Greece wants two mulligans — like a golfer demanding second chance, a do-over tee shot, times two. The immediate and obvious mulligan is a new national election. (…) The second mulligan, The Big Greek Mulligan, is another matter entirely. What Greece really wants is a complete eurozone do-over — a restart, from scratch, with all debts forgiven.

Bei Magic besteht der Mulligan darin, dass man die am Anfang ausgeteilten Karten zurückgeben und neue erhalten kann. Allerdings zieht man dann zur Strafe eine weniger.

Das Spiel selbst hat in den vergangenen Jahren übrigens erstaunliche Fortschritte gemacht. Die Regeln sind zwar immer noch kompliziert, aber werden (zumindest auf Englisch) besser erklärt und die Kunst auf den Karten ist zum Teil schlicht umwerfend. Nur bei der Preispolitik, da scheint sich nicht viel geändert zu haben.