Archive for Januar, 2010

Der Superbowl und die US-Gesundheitsreform (und Hitler)

Januar 31, 2010

In einer Woche, am 7. Februar, findet das wichtigste Sportereignis des Jahres statt. Nein, nicht dieses Fußballtreffen am Rande der Antarktis, sondern der Superbowl XLIV. Was sonst?

Zwar sind die Arizona Cardinals leider ausgeschieden, aber sie haben die Playoffs erreicht. Wir erinnern uns, so werden bei spannenden Sportarten die Mannschaften für das Endspiel bestimmt (und ohne ein Endspiel ist eine Sportart nicht spannend). Am Ende haben sie gegen die New Orleans Saints verloren, was keine Schande ist: Familie Stevenson geht fest davon aus, dass die Saints die Indianapolis Colts in Grund und Boden stampfen werden. Oder, weil das Spiel in Florida stattfindet, zumindest in den Sumpf.

[Die ARD überträgt ab 23.35 Uhr direkt, wenn auch aus unerklärlichen Gründen immer noch nicht in HD. Dudes! American Football wird seit 2003 als HDTV ausgestrahlt. Das muss doch langsam machbar sein.]

In diesem Eintrag verbinden wir den Superbowl mit der politischen Lage im Kongress nach dem Sieg des Republikaners Scott Brown bei der Senats-Sonderwahl in Massachusetts. Genauer gesagt geht es darum, dass die Demokraten ihre „strategische Mehrheit“ von 60 Sitzen verloren haben. Umgekehrt gesehen verfügen die Republikaner nun wieder über das Werkzeug des filibuster und können damit – ausreichend dicke Windeln vorausgesetzt – Gesetzentwürfe der Demokraten blockieren und Kompromisse erzwingen. Davon betroffen wäre auch die Gesundheitsreform.

Theoretisch könnten die Demokraten jetzt schnell im Repräsentantenhaus den schon fertigen Entwurf des Senats verabschieden. Dann müsste ihre eigene Version nicht in die bis dahin vielleicht blockierte andere Kammer. Aber dazu können sich die Parteifreunde von Präsident Barack Obama nicht durchringen, selbst wenn Wirtschafts-Nobelpreisträger sie mit dem Aufruf just do it anflehen.

Warum? In der Bevölkerung wächst die Skepsis über die Gesundheitsreform, die nach Ansicht von Kritikern ein unbezahlbares bürokratisches Monster schaffen würde und ohnehin durch Kniefälle vor diversen Lobbyisten pervertiert worden sei. Im November steht bekanntlich das ganze Repräsentantenhaus zur Wahl, und die Abgeordneten wollen 2011 noch einen Job haben. Befürworter der Reform sind entsprechend außer sich vor Wut über die Demokraten, denen sie Feigheit vorwerfen. Unter anderem.

Das bringt uns zu einer Karikatur des Pulitzer-Preisträgers Tom Toles. Sie zeigt Footballspieler mit dem Schriftzug DEMS auf dem Rücken bei der Besprechung des nächsten Spielzugs, also im huddle. Der Ball mit den Worten health care liegt knapp vor der Touchdown-Linie. In einer Sprechblase steht:

It’s the last play of the game.
It’s fourth and one inch.
We’re behind by five.
What do you think? Field goal, or punt?

Wer von Hause aus nur die primitiven kleinkind- und betrunkenengerechten Regeln des Fußballs kennt, kratzt sich an dieser Stelle vielleicht am Kopf. Gehen wir den Text Zeile für Zeile durch:

  1. last play: Streng genommen müsste hier etwas über die Spielzeit stehen, vielleicht dass noch eine Sekunde übrig ist und die Dems keine Auszeit mehr haben. Vermutlich ging das aus Platzgründen nicht.
  2. fourth and one inch: Es ist der vierte und damit letzte Versuch, die vorgeschriebenen zehn Yards zu überwinden, oder (wie in diesem Fall) in die Endzone zu kommen. Der Ball muss noch einen Zoll nach vorne getragen werden, sprich, der Touchdown ist so sicher wie, äh, ein Elfmeter.
  3. behind by five: Ein Touchdown sind sechs Punkte, sprich, auch ohne Zusatzversuch hätten die Dems dann gewonnen.
  4. field goal or punt: Ein Feldtor sind drei Punkte, das reicht also nicht zum Sieg. Beim Punt wird der Ball ins Feld getreten, weil man weit in die eigene Hälfte zurückgedrängt wurde und keine Versuche mehr hat. Sprich, an dieser Stelle völlig unangebracht.

Das Bild könnte natürlich erweitert werden. Jemand namens Jeirvine bietet in den Kommentaren als Alternative an:

More like: „We’re up by 24, there’s 10 seconds on the clock and we have all of our time-outs. Let’s forfeit.“

Da haben wir die Spielzeit. Spotalt fragt:

Wouldn’t the picture be a little more accurate with a mob of angry voters standing in the endzone?

Das Football-Bild ist noch ein geschmackvoller Kommentar und besitzt so etwas wie Humor. Das es anders geht, zeigt eine Liste von fünf Witzen über die Demokraten, die auch per E-Mail die Runde macht:

What do you call a dead baby with no arms and no legs wearing a sombrero?

I don’t know, but whatever you call it, it’s got about 1,000% more fight in it than these jackass Democrats.

Es geht natürlich noch einen Ticken heftiger, denn wir reden von Angelsachsen mit ihrem besonderen Humor.

Im englischsprachigen Internet gibt es inzwischen das Ritual, die neusten politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen mit Hilfe von Untertiteln auf die Hitler-flippt-aus-Szene aus Der Untergang abzubilden. Das kennen wir von Harry Potter [YouTube], Michael Jacksons Tod [YouTube] und natürlich der Ankündigung von Left 4 Dead 2 [YouTube]. Der Titel ist immer etwas mit Hilter finds out that … Was liegt näher, als ihn zum Wahlergebnis in Massachusetts [YouTube] Stellung nehmen zu lassen?

Health care was supposed to be done by August, now it drags on forever, like Stalingrad!

Und irgendwo arbeitet bestimmt schon ein Amerikaner an der nächsten Version: Hitler finds out that the Colts lost the Superbowl. Heh.

[Mit Dank an DKS für Linkhilfe]

Der Elternspruch vom Tun und Sagen

Januar 27, 2010

Im Internet wird gerade in einem Video über einen deutschen Politiker hergezogen, der von den Bundesbürgern jeder Schicht beste Englischkenntnisse fordert, sie selbst aber angeblich nicht besitzt.

Leider ist der arme Mann nicht in Amerika aufgewachsen, sonst wüsste er die klassische Antwort von angelsächsischen Eltern, die von ihren Kindern bei unvorbildhaftem Verhalten erwischt werden:

Do as I say, don’t do as I do

Der interessierte Leser wird diese festgelegte Redewendung schon mehrfach gehört haben, zum Beispiel in dem Genesis-Lied „Jesus He Knows Me“:

God will take good care of you
Just do as I say, don’t do as I do

Wir finden den Spruch auch bei George Clooney in From Dusk Till Dawn in einer etwas anderen Form:

I never said do what I do, I said do what I say.

Schon daran sieht man, dass er oft mit einer gewissen Ironie gebraucht wird. In der Erziehung ist angeblich das Gegenteil erstrebenswert und wird leadership by example genannt. Auch Germanen gehen „mit gutem Beispiel voran“ – zumindest auf Hochdeutsch.

ZEUGS: Angriff der Informationsimperialisten

Januar 23, 2010

Als Schreiber liest man gelegentlich eine Wortschöpfung und verbringt dann den restlichen Tag damit, schlecht gelaunt und grün vor Neid durch die Wohnung zu stampfen, weil sie einem nicht selbst eingefallen ist. Sehr zum Leidwesen der Schönsten Germanin ist das heute wieder der Fall, denn dieser Autor hat bei Spiegel Online den Begriff „Informationsimperialismus“ gefunden. Es geht um den Streit zwischen den USA und China über Zensur im Internet:

Die [chinesische] Tageszeitung „Global Times“ warf den USA in einem Kommentar sogar „Informationsimperialismus“ vor. Die Forderungen der USA nach freiem Fluss der Informationen seien „ein verdeckter Versuch, anderen Ländern im Namen der Demokratie ihre Werte aufzuzwingen“.

Dagegen „regele“ China das Internet nach Angaben eines Regierungssprechers, um es in Einklang mit „nationalen Bedingungen und kulturellen Traditionen“ zu bringen.

Dieser Autor ärgert sich nicht wegen des Inhalts, sondern weil der Begriff herrlich in die Serie zur Meinungsfreiheit gepasst hätte. Der Übergang von „Kulturimperialismus“ zu „Informationsimperialismus“ hätte wunderbar deutlich gemacht, wie stark dieser Teil des First Amendment im internationalen Vergleich ist und welche Folgen er im Internet hat. Wie einprägsam wäre das gewesen!

Jetzt juckt es diesem Autor in den Fingern, alle Einträge umzuschreiben. Mehr noch, das wäre vielleicht ein guter Name für das Blog als Ganzes gewesen, auch wenn das Wort ziemlich lang ist und einige Leute bekanntlich mit der Ironie Probleme haben, wenn sie nicht kursiv geschrieben wird.

Vertan, vertan. Vielleicht als T-Shirt? Egal. Zum Umschreiben ist auch gar keine Zeit, denn viele interessierte Leser haben viele Dinge eingeschickt.

  • Zu Avatar und Pocahontas: Der interessiere Leser JP argumentiert, dass nicht Disneys Pocahontas, sondern The Last Samurai Pate für Avatar gestanden hat:

    Es passt einfach alles: Der Kriegsveteran, der eigentlich schon genug vom Krieg gesehen hat, der Konflikt zwischen Industrialisierung und Naturzustand, die Aufnahme in den „Stamm“, die langsame Bindung zum Stamm und die damit einhergehende Katharsis, der Endkampf gegen die Armee der Industrialisierung (komplett mit kaltblütigem General) … lediglich die Enden divergieren, und die Rolle der Neytiri wird in „Samurai“ auf zwei Charaktere aufgespalten.

    Die linke Kulturkritikerin Annalee Newitz von io9 hat einen langen Kommentar zu Avatar geschrieben mit dem Titel „When Will White People Stop Making Movies Like ‚Avatar‘?“ Auch dort kommt The Last Samurai vor, ebenfalls Dances with Wolves, District 9, Dune und Enemy Mine. Sie argumentiert, dass Science Fiction leidet, wenn ständig eine weiße Identifikationsfigur eingefügt wird:

    Speaking as a white person, I don’t need to hear more about my own racial experience. I’d like to watch some movies about people of color (ahem, aliens), from the perspective of that group, without injecting a random white (erm, human) character to explain everything to me.

    Vielleicht hätte Will Smith die Hauptrolle von Avatar bekommen sollen?

  • Zur Synchronisation: Wenn wir schon unsere schlechte Laune in viel zu langen Einträgen über Kinofilme auslassen: Bloody Disgusting hat den schwedischen Vampirfilm Låt den rätte komma in zum
    besten Horrorfilm des Jahrzehnts ernannt. Ja, noch vor The Descent. Låt den rätte, so die Begründung, sei

    an austerely beautiful creation that reveals itself slowly, like the best works of art do

    Kunst? Verdächtig. Zwar lief der Film unter dem (korrekt übersetzten) englischen Titel Let the Right One In als das Centerpiece des Fantasy Filmfestes 2008, aber dieser Autor hat ihn verpasst. Dummerweise führt dessen ansonsten wunderbarer Online-DVD-Verleih nur die deutschen Titel in der Datenbank, was die Suche enorm erschwerte: Auf So finster die Nacht kann man wohl nur kommen, wenn man sich nicht mit dem Film (oder dem Roman von John Ajvide Lindqvist) beschäftigt hat, denn der Titel wurde vom Morrissey-Lied „Let the Right One Slip In“ inspiriert.

    [Während wir dabei sind: Liebe FSK, ein Film mit abgerissenen Kinderköpfen im Schulschwimmbad und Narben auf dem Schamhügel einer Zwölfjährigen sollte nicht ab 16 Jahren freigegeben werden, egal, wie viele Preise er gewonnen hat.]

    Warum wir das hier erwähnen? Weil die Kultur- und Informationsimperialisten an einem remake arbeiten. Manchmal kann das gut sein, wie jeder weiß, der sich nach The Ring durch Ringu gequält hat. Aber alles deutet darauf hin, dass Let Me In (Vorschlag für den Synchron-Titel: Finstere Fische sterben schweigend) ein Desaster werden wird, denn die Macher laufen herum und erzählen, der Film solle „für die Allgemeinheit zugänglicher“ und a little bit more thrilling gemacht werden.

    Die Schönste Germanin dürfte das freuen. Der Rest von uns kann sich überlegen, was geändert werden wird und dabei seine Vorurteile testen, was eine britische Produktionsfirma mit niederländischem Eigentümer als richtig für den nordamerikanischen Markt sieht. Wir werden im Oktober darauf zurückkommen.

  • Zur Synchronisation, nochmal, und ab jetzt wieder kürzer, versprochen: Der interessierte Leser JP (ein anderer) verweist auf die Wut des Zwiebelfisch-Autors Sebastian Sick über eingeblendete deutsche Untertitel wie „Ich Herz LA“. Das ist doch mal echter Informations-Zwang.
  • Zu altem Englisch in neuer Form, denn offenbar ist Kino heute the leitmotif, wie es so schön auf Englisch heißt: Der Filmemacher und Autor Adam Bertocci hat eine Shakespeare-Version von The Big Lebowski verfasst mit dem Titel Two Gentlemen of Lebowski.

    Is not thy name, sir, Geoffrey of Lebowski? To be or not Lebowski, that is the question; I see we still did meet each other’s man. Shall we not make amends? A gentleman of high sentence ought to be of unsequestered location, possessed of resources fit to restore a thousand rugs from vile offence.

    Das Stück gehört hoffentlich bald zum Programm von Shakespeare in the Park.

  • Zu Religion: Der prominente amerikanische Atheist Christopher Hitchens spricht in einem Slate-Beitrag über die deutliche Zunahme von Konfessionslosen in den USA [ja, was jetzt kommt, ist ein einziger Satz; so viel zum Thema plain English]:

    Thanks to the foolishness of the „intelligent design“ faction, which has tried with ignominious un-success to smuggle the teaching of creationism into our schools under a name that is plainly stupid rather than intelligent, and thanks to the ceaseless preaching of hatred and violence against our society by the fanatics of another faith, as well as other related behavior, such as the mad attempt by messianic Jews to steal the land of other people, the secular movement in the United States is acquiring a confidence that it has not known in years, while many of those who put their faith in revelation and prophecy and prayer are feeling the need to give an account of themselves.

    Zusammenfassung: Religion bekommt nach seiner Ansicht einen immer schlechteren Ruf (die fanatics of another faith sind Muslime). Hitchens geht auch auf die Frage ein, warum laut einiger Umfragen angeblich mehr Amerikaner an den Teufel als an die Evolution glauben. Wir werden im Zusammenhang mit der Tiger-Woods-Affäre wieder auf Religion im Kongress eingehen.

  • Zu Chocolate Chip Cookies, denn nach diesem Zeugs-Eintrag ist etwas Schokolade vermutlich nötig: Der interessierte Leser FP erklärt, dass man doch Backpulver für baking soda nehmen kann:

    [M]an braucht nur etwas mehr. Umgekehrt geht das nicht, weil Baking Soda eine Säure benötigt um als Triebmittel aktiv zu werden. Backpulver enthält bereits Stoffe, die diesen Vorgang auslösen und wegen dieser Zusatzstoffe braucht man mehr davon, aber letztendlich funktioniert es genauso. (…) Ich mache seit Jahren meine Pfannkuchen und allerlei andere amerikanische Rezepte immer mit Backpulver.

    Und das Thema Essen bringt uns wieder zu Imperialisten und Schweden. Wenn der Rahmen steht, soll man aufhören.

Zuletzt noch etwas Eigenwerbung: Die Website Evangelisch.de hat mit diesem Autor ein Interview zum Thema „Obama nach einem Jahr“ geführt. Vielen Dank!

Avatar – Pocahontas in blau

Januar 19, 2010

Dieser Autor hat es dann doch endlich geschafft, Avatar zu sehen. Mehr noch, inzwischen hat er den Film in 3D und 2D geschaut. Der Streifen ist genau so, wie man es gehört hat: Von der Handlung vorhersehbar und schlicht wie, nun, eine Liebesgeschichte auf der „Titanic“, aber visuell umwerfend. Die zusätzliche Dimension ist nett, aber macht das Bild unscharf. Das ist schade: Avatar ist der erste Film, bei dem dieser Autor neugierig ist, wie er sich in full HD macht.

[Wer den Film noch sehen will, hört jetzt auf zu lesen, geht ins Kino und kommt dann wieder. Das gilt nicht für unsere interessierten Leser in China.]

Für Amerikaner ist sofort klar: Die Handlung von Avatar ist geklaut sehr stark inspiriert von der Geschichte der Indianer-Frau Pocahontas, zumindest wie sie von Disney erzählt wird. Das geht so weit, dass es im Internet das angepasste Exposé dazu gibt.

Pocahontas ist eine von zwei Indianerinnen, deren Namen man mindestens kennen sollte (die andere ist Sacajawea von den Shoshone, die Führerin der Expedition von Lewis und Clark). Schon deswegen gehen wir kurz auf sie ein. Zudem kennen die meisten Deutschen vermutlich nur die Disney-Version, die sich gewisse erzählerische Freiheiten nahm.

Pocahontas (etwa 1595 bis 1617) war die Tochter eines Indianerhäuptlings der Algonquian namens Powhatan im heutigen Virginia. Als sie noch ein kleines Mädchen war, landeten am 14. Mai 1607 die Engländer und gründeten die Kolonie Jamestown. Der Überlieferung nach verstand sie sich sehr früh sehr gut mit dem Anführer der Siedler, ein Haudegen namens John Smith.

Damit sind wir auch bei dem Kern der Geschichte: Angeblich wollte Powhatan Smith zwischendurch töten, aber Klein-Pocahontas setzte sich für ihn ein und rettete ihm das Leben. Mensch, das kennen wir doch!

[Fußnote: In Avatar wird die Retterin Neytiri von Zoe Saldana (und vielen blauen Pixeln) gespielt, die wir besser als Uhura in der Neuauflage von Star Trek kennen. Ihre Familie stammt aus der DomRep. Damit ist sie eine dieser black Hispanics, die Europäer so verwirrend finden: Von der Rasse her ist sie schwarz, von der ethnischen Zugehörigkeit eine Latina. Zusammen mit Michelle Rodriguez (Resident Evil) als Trudy Chacon sind damit in Avatar die beiden kämpfenden Frauen Hispanics.]

Smith selbst hat den Vorgang in seinem 1624 erschienen Buch The Generall Historie of Virginia, New England & the Summer Isles: Together with The True Travels, Adventures and Observations, and a Sea Grammar beschrieben. So lang wie der Titel ist auch der entsprechende Satz, denn plain English war damals noch unbekannt:

[T]hen as many as could laid hands on him, dragged him to them, and thereon laid his head, and being ready with their clubs, to beat out his brains, Pocahontas the king’s dearest daughter, when no entreaty could prevail, got his head in her arms, and laid her own upon his to save him from death: whereat the Emperor was contented he should live to make him hatchets, and her bells, beads, and copper; for they thought him as well of all occupations as themselves.

Später wurde Smith verletzt und musste zurück nach England – den Indianern wurde gesagt, er sei tot.

Pocahontas‘ Leben blieb aufregend. Sie wurde zwischendurch entführt, konvertierte zum Christentum [JPG], änderte ihren Namen in Rebecca, und heiratete 1614 den Siedler John Rolfe. Zusammen hatten sie ein Kind, Thomas. So eine binationale Ehe hilft immer bei internationalen Beziehungen und auch mit den Indianern klappte es besser. Die Zeit wird Peace of Pocahontas genannt.

Die Familie reiste 1616 nach England, wo Pocahontas/Rebecca alle verzauberte und sie König James I. traf. Auch den totgeglaubten Smith sah sie wieder, eine sehr emotionale Begegnung. Aus dieser Zeit stammt auch das berühmte Porträt von Simon van de Passe, das die Vorlage für das noch berühmtere Ölgemälde lieferte. Auf beiden Bildern ist, äh, vielleicht nicht sofort zu erkennen, warum sie alle in ihren Bann geschlagen haben soll.

Im März 1617 brach die Familie Rolfe wieder nach Amerika auf. Pocahontas, inzwischen etwa 22 Jahre alt, wurde so krank, dass sie die Reise abbrechen musste. Heute geht man von einer Lungenentzündung oder Tuberkulose aus. Sie verstarb auf englischem Boden. Ihre letzten Worte sind überliefert als:

All must die. ‚Tis enough that the child liveth.

Tatsächlich wurde Thomas der Urahn einer ganzen Sippe, zu der angeblich auch die ehemalige First Lady Nancy Reagan gehört. Pocahontas wurde in Gravesend beigesetzt, aber leider wissen die schusseligen Engländer nicht mehr, wo. Immerhin haben sie später eine Statue aufgestellt.

Wer Pocahontas nur von Disney kennt, wird jetzt verwirrt sein. Sie und Smith waren doch für einander bestimmt! Wer ist diese blöde Rolfe-Person? Das war doch ganz anders! Ja, unter anderem weil man in westlichen Kinderfilmen ungern nackte kleine Mädchen und 28-jährige Männer zeigt, die sich sehr gut verstehen. David Morenus, nach eigenen Angaben selbst Nachfahre von Pocahontas, hat eine Tabelle mit den wichtigsten Unterschieden zwischen Zeichentrickfilm und Wirklichkeit zusammengestellt. Er schreibt dazu:

The movie is just a cartoon musical, after all. Disney was more interested in telling a good story than in sticking to the facts. (…) If you know the history, it adds to the pleasure of the movie. If you think this is history, you will be confused.

Über die Symbolik von Pocahontas‘ Leben sind Bände geschrieben worden. Entweder zeigt die „Vorzeigefamilie“, dass alles gut wird, so lange die dämlichen Eingeborenen die überlegenen christlich-europäischen Werte übernehmen, wie es Gottes Wille ist (beliebt im 17. Jahrhundert). Oder ihr Tod zeigt, dass das eine richtig blöde Idee ist und dass der weiße Mann, seine Religion und seine Technik nur Verderben bringen (die Variante bei Avatar). Der interessierte Leser wird sich das alles selbst denken können und dieser Autor fand politische Interpretationen schon in der Schule fürchterlich langweilig. Wir lassen das hier.

Bleibt die Frage, ob der romantische Kern der Geschichte, Smiths Rettung, überhaupt wahr ist. Seine Zeitgenossen auf beiden Seiten des Atlantiks hatten keine Zweifel. Erst in der Neuzeit erschien das einigen Leuten zu schön, um wahr zu sein. Seitdem gibt es Spekulationen, Smith habe die Geschichte nur erfunden – aber eine Lüge müsste man ihm konkret nachweisen. Überlegt wird auch, ob das mit der Hinrichtung nur ein Ritual war. Dagegen spricht wiederum, dass keine derartigen Sitten unter den Indianern der Region bekannt sind. Smith ist auf jeden Fall die einzige Quelle.

Am Ende weiß man es schlicht nicht. Aber es ist eine gute Geschichte, so gut, dass man sie einfach immer wieder neu erzählen muss. Der Erfolg ist dann programmiert. Wir können alle nur froh sein, dass diesmal Céline Dion nicht irgendwie beteiligt war – und dabei hat sie doch schon bei Titanic vom Baum gesungen.

Ein Ausflug in die kanadische Währungsgeschichte

Januar 14, 2010

Eigentlich wollte dieser Autor etwas über das Verhältnis von Avatar zu Pocahontas schreiben. Allerdings gibt es bei der Indianer-Prinzessin doch mehr zu recherchieren als erwartet.

Daher gehen wir heute kurz auf einen Eintrag in einem anderen Blog ein: In The Conscience of a Liberal erklärt der Wirtschaftsnobelpreis-Träger Paul Krugman gerade, warum er den Euro immer noch für eine blöde Idee hält [ja, dieser Autor liest auch Blogs, die nichts mit Buffy oder Zombies zu tun haben. Bitte nicht weitersagen]. Am Ende schreibt der Professor:

What I’ve always found interesting is the way many Europeans now insist that a single currency is absolutely essential, when the example of Canada — which is closer to the United States than it is to itself — provides an obvious counterexample. But people tend to forget that Canada exists …

Krugman meint damit zuerst die Frage, warum die Kanadier als faktische wirtschaftliche Kolonie der USA – 80 Prozent der Exporte gehen nach Süden [PDF] – eine eigene Währung haben. Das sprengt den Rahmen dieses Blogs und wird daher mit dem Hinweis auf einen anderen Krugman-Artikel abgehandelt (eigentlich müsste die Frage ohnehin lauten, warum Kanada überhaupt noch ein eigener Staat ist, aber das nimmt man diesem Autor irgendwie immer übel).

Man könnte diesen Absatz aber auch so verstehen, dass Krugman auf die lange, chaotische Phase in der kanadische Währungsgeschichte anspielt. Denn während die USA Anfang der 1790er eine einheitliche Währung einführten, die bis heute benutzt wird, wurschtelten sich die Kanadier bis zum Uniform Currency Act von 1871 mit mehreren Sorten Geld durch. Und trotzdem funktionierte die Wirtschaft in dem Gebiet, das heute Kanada heißt. Irgendwie.

Wie chaotisch war das Chaos? Lassen wir einfach diesen Abschnitt auf uns wirken, der einen kleinen Teil der Entwicklung beschreibt:

In Nova Scotia, decimalization occurred on 1 January 1860. Nevertheless, because that province rated the sovereign at $5 instead of $4.8666, its currency remained incompatible with that of Canada and New Brunswick. New Brunswick officially decimalized on 1 November 1860, and Newfoundland followed in 1863. Like Nova Scotia, Newfoundland’s currency was not compatible with that of Canada or New Brunswick. The colony of Vancouver Island also decimalized in 1863, followed by British Columbia in 1865. 11 Manitoba decimalized in 1870, upon its entry into Confederation, and Prince Edward Island followed in 1871.

Die Wikipedia vereinfacht einige Teile mit einer Tabelle, aber sonderlich viel hilft das auch nicht. Das Ganze war etwa so messy wie ein Elch, der frontal von einem Schneepflug getroffen wurde; wer die Einzelheiten überblickt, hat, äh, einen Nobelpreis verdient. Wir bleiben oberflächlich.

Ein Teil des Problems ging dabei auf die Feigheit Loyalität der Kanadier zurück, die ja unbedingt weiter brutal geknechtete Untertanen der menschenverachtenden britischen Monarchie bleiben mussten statt im brüderlichen Bund mit den südlichen Kolonien das leuchtende Paradis der gottgewollten Freiheit zu gründen. Denn London setzte die Kanadier unter Druck, wie alle braven Subjekte der Krone das bizarre System von zwölf Pence je Shilling und 20 Shilling je Pfund zu benutzten (die Briten führten erst 1971 eine Dezimal-Währung ein). In der Praxis war aber schon damals der wirtschaftliche Einfluss der USA so stark, dass nur eine Währung nach dem Dollar-Cent-Milles-Muster realistisch war, wie sie Kanada tatsächlich inzwischen benutzt. Einige Zeit liefen beide Systeme parallel zueinander.

Zum Schluss würde dieser Autor normalerweise schon aus Prinzip einen Seitenhieb auf die Kanadier einbauen — schließlich bot die Währungssituation nördlich der Grenze den US-Bürgern jahrzehntelang gute Unterhaltung. Aber vielleicht ist das gerade bei einem deutschen Publikum nicht die beste Idee, denn auch hierzulande war 1871 ein wichtiges Währungsjahr.

Daher überlassen wir das Thema jetzt den Leuten, die für das damalige Durcheinander heute überaus dankbar sind, und kehren zu den Parallelen zwischen blauen Außerirdischen und roten Eingeborenen zurück.

ZEUGS: Erfundene Feiertage, deutsche Kürbisalternativen und Linux-Probleme

Januar 6, 2010

Dieser Autor hat über die Feiertage viele Dinge gelernt, gute wie schlechte. Zu den schlechten gehört, dass die Leute von Canonical bei Ubuntu 9.10 so mit dem Kernel herumgepanscht haben, dass Windows XP unter VirtualBox 3.1.2 unbrauchbar ist.

Entsprechend hat er danach die Fähigkeit erworben, den 2.6.32er Linux-Kernel zu Fuß zu installieren, um anschließend hocherfreut zu erfahren, dass ein virtuelles XP auf einem Q9550 abgeht wie ein geölter Blitz (oder, um mehr im Ton dieses Blogs zu bleiben, wie ein eingefetteter). Jetzt muss nur noch VirtualBox lernen, richtig mit Direct3D umzugehen, und dann lernt Monty diesen Autor bei Civ IV auch ohne Reboot kennen.

Aber das nur am Rande. Einige weniger technische Dinge liefen ebenfalls auf:

  • Zu Weihnachten: Der interessierte Leser mag etwas von dem „Winterfeiertag“ Kwanzaa aufgeschnappt haben, das von einigen Schwarzen in den USA zwischen Weihnachten und Neujahr begangen wird. Es handelt sich um eine Erfindung von Ron (auch Maulana) Karenga, ein Aktivist mit einer bewegten Vergangenheit. Zu den Zielen gehört:

    To serve as a regular communal celebration which reaffirmed and reinforced the bonds between us as a people in the U.S., in the Diaspora and on the African continent, in a word, as a world African community. It was designed to unite and to strengthen African communities.

    Ob jemand in Afrika überhaupt etwas davon gehört hat, weiß dieser Autor nicht. Kwanzaa ist unter Schwarzen umstritten: Einige sehen es als Beleidigung für die Arbeit der Bürgerrechtler, andere halten ihn für nützlich für das Gemeinschaftsgefühl Zuerst gefeiert wurde es 1966.

  • Zu Carmen Sandiego: Der interessierte Leser P hat als erster darauf hingewiesen, dass es auch in Deutschland die TV-Sendung „Jagd um die Welt – Schnappt Carmen Sandiego!“ gab. Sein Kollege FS schickte dazu einen Link zu Nostalgikern ein. Erstausstrahlung war demnach der 5. Januar 1994. Der Name scheint trotzdem nicht wirklich in Deutschland bekannt zu sein.
  • Zum Energieverbrauch der USA und Umweltschutz: Amerikaner haben bei der Umstellung auf alternative Energien ein Problem, dass man in Europa so nicht kennt: Indianer. Seit neun Jahren wird um den Aufbau von Cape Wind gestritten, der der erste (!) Windpark vor der US-Küste werden soll. Schlimm genug, dass durch das Projekt die wunderbare Aussicht gewisser hochgestellter Persönlichkeiten auf den Nantucket Sound ruiniert werden würde. Die haben natürlich nichts gegen Windenergie an sich, versteht sich, tolle Sache, wirklich, aber doch bitte nicht gerade hier. Jetzt haben sich (doch schon) die Wampanoag zu Wort gemeldet:

    Here is where we still arrive to greet the new day, watch for celestial observations from the night sky and follow the migration of the sun and stars in change with the season.

    Offenbar ist Stellarium nicht spirituell genug. Die Abkürzung für diese Einstellung lautet NIMBY, von not in my backyard. Die Kennedys und Wampanoag wären damit „Nimbies“.

  • Zu True Blood: Der interessierte Leser GG hat mehr von der Serie gesehen als dieser Autor und warnt:

    [G]erade weil in der zweiten Staffel von True Blood Charaktere eingeführt werden (bzw. deren Rolle für die Serie ausgebaut werden wird), die sehr stark die Themen Bigotterie, Prüderie und Frömmeln betreffen, könnte sich dieser Eintrag rächen. Wie bei Ihrem Beispiel zu Polizeikompetenzen wird der eine oder andere Germanische Zuschauer nämlich diese als extrem angelegte Rollen für halbwegs typische Amerikaner halten.

    Das wollen wir natürlich nicht. Daher gilt der Hinweis ausdrücklich nur für die erste Staffel. Dort wurde dieser Autor inzwischen mit Priapismus-Problemen konfrontiert, die in Buffy irgendwie nie angesprochen wurden.

  • Zu Halloween: Der interessierte Leser JB weist auf die Tradition der Rummelsebouz hin, bei nach der Rübenernte auch Fratzen geschnitzt wurden:

    Mit viel Mühe wurde diese dann ausgehöhlt, eine schwere Arbeit, eine Rübe ist nicht von Natur aus hohl wie ein Kürbis, sondern massiv und etwa so fest wie eine Kartoffel.

    Das kannte man wohl im Odenwald.

  • Zu Notfallausrüstungen, weil es in Brandenburg jetzt schneien soll wie doof: Wir hatten erwähnt, dass normale Amerikaner (wie normale Deutsche) nicht zu den Survivalist-Freaks gezählt werden wollen. Der Begriff survivalist wird in den USA inzwischen von dem etwas weniger dramatisch klingenden prepper (von to prepare) abgelöst:

    These „preppers“ (as they are called) are regular folks that saw what happened on 9/11, experienced their 401(k)s falling apart as the economy soured, witnessed the aftermath of Hurricane Katrina and decided to take the future into their own hands.

    (Das „401(k)“ ist ein Element der amerikanischen Altersvorsorge) Den Begriff findet man unter anderem bei Eric S. Raymond, den einige interessierte Leser als Open-Source-Programmierer und Autor von The Cathedral and the Bazaar kennen dürften.

Womit wir wieder beim Anfang gelandet wären. Dieser Autor hat gelernt, dass man dann wieder aufhören soll.

Die Jagd auf Hillary Clinton (und Carmen Sandiego)

Januar 1, 2010

Beste Wünsche an alle interessierten Leser zum Neuen Jahr!

Gar nicht so gut fängt 2010 für US-Außenministerin Hillary Clinton an, denn nach dem Anschlagsversuch des „Unterhosen-Bombers“ während eines Flugs von Amsterdam nach Detroit am ersten Weihnachtstag wollen ihre Kritiker wissen, warum sie sich nicht meldet und überhaupt wo sie denn bitte ist:

The „Where in the World is the Secretary“ locator (I am not making this up) on the State Department website puts her in the environs of Washington D.C.

Gemeint ist diese Website des Außenministeriums. Aber warum sollte der Autorin der Titel „Wo in aller Welt ist die Ministerin“ so komisch vorkommen?

Er erinnert – absichtlich oder unabsichtlich – Amerikaner an eine Serie von Computerspielen für Kinder namens Where in the World is Carmen Sandiego? Dabei muss man um die Welt reisen und Verdächtige mit Namen wie „Auntie Matter“ und „M.T. Pockets“ festnehmen, bevor man Carmen selbst [JPG] stellt. Das Ganze soll das Erdkundewissen der Kleinen stärken. Zumindest bei Schwesterlein Mein hat das wunderbar geklappt.

Inzwischen gibt es die übliche Latte von anderen Medien wie Bücher, eine Spielesendung, ein Lied [YouTube] und natürlich jede Menge Parodien [YouTube].

Amsterdam erscheint allerdings leider nicht in dem Spiel. Ob das irgendwas mit dem Schweigen von Clinton zu tun hat, darüber können wir nur spekulieren.

[Link ursprünglich gefunden über Instapundit]