Gestern war in den Medien wieder Bush-ist-blöd-Tag. Die Vereinten Nationen haben ein Redemanuskript des Präsidenten veröffentlicht, in dem seine Mitarbeiter hinter ausländischen Namen „eine englische Lautschrift-Version“ gestellt hatten, wie es in einer Meldung hieß. Bei Kirgistan – genauer, Kyrgyzstan – stehe zum Beispiel KEYR-geez-stan. Mindestens ein Medium, das wegen Regel 2 hier ungenannt bleiben muss, sieht das als Zeichen, dass Bush dumm und ungebildet ist.
Nun mag George W. Bush tatsächlich dumm und ungebildet sein oder auch nicht – das ist nicht unser Thema. Wir ignorieren auch die seit Jahren anhaltende Diskussion darüber, ob er zu den Millionen Menschen mit einer Form von LRS gehört. Wohl aber können wir die Aussage seiner Pressesprecherin bestätigen, dass solche Aussprache-Hilfen durchaus üblich sind.
Denn es handelt sich nicht um ein System, das Bushs Mitarbeiter nur für ihn erfunden haben, wie einige deutsche Berichte vermuten lassen. Wer sich länger im englischen Sprachraum aufhält, wird solche Leitlinien häufig finden. Der Merriam-Webster, dessen Mitarbeiter eher selten im Verdacht stehen, dumm und ungebildet zu sein, benutzt sie zum Beispiel, um über die Aussprache von Neufundland zu diskutieren. Im Internet sind Varianten davon der Standard. Und dann ist da noch die Sache mit den Dinosauriern.
Hintergrund ist der bekannte Unterschied zwischen der Schreibweise von Wörtern im Englischen und ihrer Aussprache: Das Englische ist nur ansatzweise phonetisch.
(Damit die Besserwisser besonders aufmerksamen Leser Ruhe geben: Strenggenommen ist es nicht mehr phonetisch. Ohne hier die Geschichte der englischen Sprache aufzurollen, halten wir fest, dass die Schreibweise ziemlich genau die Aussprache beschreibt, nur leider die von vor mehreren Hundert Jahren. Früher wurde knight tatsächlich ähnlich wie „Knecht“ ausgesprochen. Aber dann beschlossen die Engländer im 15. Jahrhundert plötzlich, alles ganz anders auszusprechen, was man The Great Vowel Shift nennt. Warum die Engländer das gemacht haben, weiß keiner. Dummerweise gab es damals keine Amerikaner, Kanadier oder Australier, um den Unfug zu stoppen.)
Nun wäre eine Lösung des Problems eine formelle phonetische Darstellung wie die der IPA. Dieses System kennen Deutsche aus dem Englischunterricht und wissen daher selbstverständlich sofort was Sache ist, wenn irgendwo /naɪt/ oder /ˌkɪrgəˈstøn/ steht. Wer eine Fremdsprache lernt, ist dafür auch sehr /ˌθøŋkfəl/, denn es sind ganz andere Laute.
Einen wesentlichen Nachteil des IPA-Systems kennen jetzt die interessierten Leser, deren Browser kein Unicode kann: Die ganzen Sonderzeichen des IPA-Systems sind selbst im 21. Jahrhundert unhandlich, weswegen dieser Eintrag auch nicht auf dem Zombie-iBook geschrieben werden konnte.
Für die eigene Muttersprache ist IPA ohnehin /ˌoʊvərˈkɪl/, denn alle benutzen die gleichen Phoneme, mehr oder weniger auf jeden Fall. Deswegen wird die Aussprache von eingedeutschten Fremdwörtern im Alltag nicht mit /kəmˌpjudər/ oder /høndi/ beschrieben, sondern als „Kompjuter“ und „Händi“. Das ist auch besser so, denn handy wird eingedeutscht eher /hɛndi/ ausgesprochen. Erfahrungsgemäß ist es einfacher zu erklären, dass „Scot“ im Original wie „Skaat“ und nicht wie „Skott“ ausgesprochen wird, als /skɑt/ hinzuschreiben.
Genauso verfahren eben die Angelsachsen, nur notgedrungen sehr viel häufiger, weil die Engländer damals dummes Zeug mit der Aussprache gemacht haben.
Die Vorgehensweise ist, zumindest für Muttersprachler, einfach. Nehmen wir als Beispiel das für die deutschen Medien schon seit 1881 so schwierige Wort „Arkansas“. Zuerst bricht man es in Einzelteile auf:
ar-kan-sas
Dann sucht man sich eine eindeutige phonetische Darstellung:
ar-ken-saw
Der betonte Teil wird schließlich in Großbuchstaben geschrieben:
AR-ken-saw
Der Bundesstaat Arkansas wird also AR-ken-saw ausgesprochen, trotz der Ähnlichkeit mit Kansas (einfach KAN-sas), woran diesmal die Franzosen schuld sind. Wer nicht weiß, wie im Englischen „saw“ ausgesprochen wird, ist natürlich trotzdem gearscht, weswegen Ausländer mit schlechten Sprachkenntnissen weiter bei /ɑrkənsɔ/ und /kønzəs/ bleiben sollten.
Entsprechend ist „Condoleezza“, ein weiterer sprachtechnischer Liebling der germanischen Presse, kahn-doe-LEE-zah. Bei Merriam-Webster geht es um den Unterschied zwischen NOO-fun-lund und NOO-fun-land (aber niemals: NOO-found-land). In Listen kann man nachschauen, dass „Rhiannon“ REE-ann-non ausgesprochen wird. Dort findet sich leider keine „Buffy“ und keine „Willow“, aber immerhin „Xander“ als ZAN-derr.
Wer das alles zu anstrengend findet, kann den Pronunciation Guide für Personen der Zeitgeschichte von Voice of America benutzen. Dort erfahren wir, dass Angela Merkel AHN-gheh-lah M-AIR-kl ausgesprochen wird und Nicolas Sarkozy nee-ko-LAH sahr-ko-ZEE – da ist wieder das stumme französische „s“, das deutschen Nachrichtensprechern bei Arkansas so viele Probleme macht. Da Bush auf seinem Zettel sar-KO-zee stehen hatte, stammt seine Version übrigens wohl nicht von VOA.
Und dann gibt es noch, weit weg von den Sorgen der Weltpolitik, die Dinosaurier.
Früher oder später hat jedes Kind eine Dinosaurier-Phase. Die von Kind Nummer Eins begann vor etwa einem halben Jahr, als es im Regal ein englisches Kinderbuch fand, das laut Widmung Weihnachten 1972 seinem Vater von seinen Großeltern geschenkt worden war. Und plötzlich stand dieser Autor wie schon seine Eltern vor ihm vor dem Problem, wie man „Coelophysis“ richtig ausspricht, auf Englisch natürlich. Das ist schon deswegen nicht trivial, weil – wie wir gesehen hatten – für griechische Namen im Englischen besondere Regeln gelten.
Aber zum Glück weiß die National Geographic Society von den Nöten junger Eltern und hat in kleinen Buchstaben see-lo-FI-sis unter dem Fachbegriff geschrieben. So flüssig gehen einem dann die Namen über die Lippen, dass selbst die Schönste Germanin staunte … nur, dass sie den Trick schnell durchschaute. Manchmal ist es schwer, für alle Frauen im Haus ein Held zu sein.
Gegenüber der vergangenen Generation hat dieser Autor allerdings den Vorteil des Internets, wo man auch die härtesten Sauriernamen nachschlagen und sich vorlesen lassen kann. Da verlieren selbst Monster der Urzeit wie „Plataleorhynchus“ (pla-TAL-ee-o-RING-kus), „Dendrorhynchoides“ (DEN-dro-ring-KOY-deez) und „Criorhynchus“ (KRIE-o-RING-kus) ihren Schrecken.
Am Ende handelt es sich also um ein gebräuchliches System, das im Deutschen kein Gegenstück hat, weil es auf Deutsch nicht gebraucht wird.
Meistens, zumindest. Wenn sich dieser Autor anhört, auf wie vielfälltige Weise im Moment Birmas neue Hauptstadt Naypyidaw in den Nachrichten ausgesprochen wird, fragt er sich, ob kleinere Aussprache-Hilfen nicht vielleicht doch eine gute Idee wären.