Archive for August, 2013

META Blogpause wegen des Fantasy Filmfestes 2013

August 20, 2013

Wie jedes Jahr legt dieses Blog eine Pause ein, während dieser Autor sich auf dem Fantasy Filmfest herumtrollt. Der nächste Eintrag erscheint am Montag, dem 2. September 2013, obwohl das Labor Day und eigentlich ein Feiertag ist.

ZEUGS: Ein Lexikon des NSA-Sprechs, Indianer im Internet und bewaffnete Mütter

August 16, 2013

Die sommerliche Bausaison im Hause Stevenson nähert sich ihrem Ende, und in der Zwischenzeit sind einige Links aufgelaufen.

  • Zum NSA: Das Magazin Slate hat ein Lexikon zusammengetragen mit der manchmal etwas kuriosen Bedeutung von normalen englischen Wörtern im Sprachgebrauch des Geheimdienstes.

    One of the NSA’s foundational documents states that „collection“ occurs not when the government acquires information but when the government „selects“ or „tasks“ that information for „subsequent processing.“

    Die „Sammlung“ von Daten ist nach der NSA-Terminologie also nicht die „Sammlung“ von Daten, wie sie sich normale Amerikaner vorstellen. Unser oben verlinkte Artikel zum NSA von 2006 liest sich übrigens heute wunderbar naiv.

  • Zur Staatsbürgerschaft: Verschärfte Steuer-Meldepflichten für Amerikaner im Ausland haben zu einer Versechsfachung bei der Aufgabe von US-Staatsbürgerschaften geführt. Im konservativen Blog InstaPundit wird dies als eine Variante des going Galt bezeichnet. Die USA sind die einzige Industrienation, die ihre Bürger auch im Ausland zur Kasse bittet, zumindest wenn ihr Einkommen eine gewisse Schwelle überschreitet.
  • Zu Indianern: Die Navajo haben jetzt Internet-Zugang durch ein Datenzentrum, das mehrheitlich ihrer Regierung gehört. Oder wie der Navajo-Präsident Ben Shelly es formuliert [PDF]:

    We are a technology nation just as much as we are an energy nation.

    Das Projekt geht auf einen Besuch von Präsident Bill Clinton im Jahr 2000 zurück. Dieser traf die 13-jährige Myra Jodie, die zwar bei einem Preisausschreiben einen iMac gewonnen hatte, aber keine Möglichkeit hatte, ihn ans Internet anzuschließen. Zum Teil mussten Navajo bislang zum Teil 30 Meilen bis zum nächsten Zugangspunkt fahren. Das Projekt war innerhalb des Stammes umstritten — outside our wheelhouse, nicht unser Ding, wie Sidney Bob Dietz II es formulierte, der Direktoriums-Vorsitzende des Navajo-Versorgers NTUA.

  • Zu Waffen: Die Gruppe Armed Citizen Project (ACP) will zu ihrem „National Empowerment Day“ jährlich 500 alleinstehende Mütter an Schusswaffen ausbilden.

    There exists a subtle misogyny used in the messaging of anti-gun groups, keeping women dependent on others to provide their protection, when our nation’s constitution makes clear they have the right to provide this protection for themselves.

    Zusammengefasst der Absatz: Waffengegner sind tendenziell frauenfeindlich, weil sie Frauen in einer Abhängigkeit von Männern halten, wenn es um ihren Schutz geht. Das Argument wird wiederholt aufgeführt. Der Tag sollte am 10. August stattfinden, zum Ablauf hat dieser Autor nichts gefunden. Das ACP hat sich zum Ziel gesetzt, Bürger in Gegenden mit hoher Kriminalität zu bewaffnen, insbesondere Frauen.

  • Zum Selbstbild: Das Skeptiker-Wirtschaftsblog Zero Hedge führt zehn Dinge auf, die Amerikaner angeblich nicht über Amerika wissen.

    Americans tend to assume that the rest of the world either loves us or hates us (…). The fact is, most people feel neither. Most people don’t think much about us.

    Das muss der deutschen Presse allerdings entgangen sein, die scheinbar nicht genug von Nachrichten aus den USA bekommen kann.

  • Zu dicken Amerikanern: Verdammt, die USA fallen wieder zurück: Selbst der durchschnittliche Mexikaner ist inzwischen fetter als sein Gegenstück in den USA. Wenigstens hält American Samoa noch die weltweite Spitze, immerhin ein US-Territorium.
  • Zum Bürgerkrieg: SPON schreibt auf Deutsch über den ersten Kampf zwischen Panzerschiffen der Geschichte, zwischen der USS „Monitor“ und der CSS „Virginia“. Letztere ist in den USA auch unter dem alten Namen „Merrimack“ bekannt. Die Battle of Hampton Road war der blutigste Tag in der Geschichte der US-Marine bis zum japanischen Überfall auf Pearl Harbor. Der Geschützturm der „Monitor“ wurde inzwischen gehoben.

Der endlose und erbittert geführte Streit über den geteilten Infinitiv

August 11, 2013

NSA-Überwachung? Telefondaten-Schnüffelei? Alles Kleinkram. Für wirklich tiefgehende Empörung musste man sich in den vergangenen Tagen an einen Liebhaber der englischen Sprache wenden. Denn ausgerechnet das altehrwürdige Wirtschaftsmagazin The Economist hat angeblich einen Infinitiv geteilt. Einen Infinitiv! Einfach so!

Das Language Log zitiert den kontroversen Satz und hebt dabei die kritische Stelle hervor:

These approximations allow a computer to cope with the problem, yet are sufficiently similar to many real places for the conclusions drawn from them to, as it were, hold water.

Da sieht man es: Zwischen dem to und dem hold ist mehr als nur ein Leerzeichen. Kann es wirklich sein, dass der Economist nach 170 Jahren schwach geworden ist und einen split infinitive zugelassen hat? Kennt die Barbarei keine Grenzen mehr? Ist das Abendland jetzt endgültig dem Untergang geweiht?

Nein, schreibt Geoffrey K. Pullum in dem Blog. Es handelt sich nur um eine parenthetical interruption, ein Einschub, der überall stehen kann. Das britische Magazin bleibt — aus Pullums Sicht — weiter stilistisch in einer finsteren sprachlichen Vorzeit gefangen.

It’s basically an exception that merely proves the rule: my favorite magazine still has a usage policy which on some points is stuck in the dark ages of the 19th century.

Kein Sprachstreit im Englischen erregt die Gemüter so sehr und seit so langem wie der über den getrennten Infinitiv. Zusammenfasst geht es darum, ob man

to boldly go where no man has gone before

sagen darf, wie es bei Star Trek in der Anmoderation heißt, oder ob die Serie nicht eigentlich

to go boldly where no man has gone before

als Motto haben müsste (der britische Autor Douglas Adams griff in The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy den Streit mit dem Satz to boldly split infinitives that no man had split before auf).

Historisch gab es die erste Konstruktion im Englischen bereits im 14. Jahrhundert. Dann wurde sie zwischendurch kaum benutzt, um im 19. Jahrhundert wieder aufzutauchen. Aus dieser Zeit stammt auch die Vorstellung unter einigen Sprachwissenschaftlern, dass man das nicht machen dürfe, weil … nun … also … es sich irgendwie nicht gehört, to und den Infinitiv zu trennen.

(Ältere germanische Semester werden sich an dieser Stelle an eine ähnlich gut begründete Regel aus ihrem Deutschunterricht erinnern:

Trenne niemals s und t, denn es tut den beiden weh

Diese Regel gilt nicht mehr.)

Als angeblich stichhaltigeres Argument wird angeführt, dass man Infinitive im Lateinischen nicht trennen dürfe, und dass es deswegen auch nicht im Englischen gemacht werden sollte. Auch das ist nicht viel überzeugender. Englisch ist nicht Latein, wie wir spätestens seit Romanes eunt domus! [YouTube] wissen.

(Die gleiche Logik mit dem Latein ist übrigens daran Schuld, dass es im englischen Wort für „Insel“, island, heute ein stummes „s“ gibt. Auch island stammt nicht aus dem Lateinischen.)

Entsprechend sagt die überwältigende Mehrheit der englischen Stilberater und Sprachwissenschaftler beiderseits des Atlantiks, dass am split infinitive nichts auszusetzen sei. Selbst der Economist schreibt in seiner Stilfibel:

Happy the man who has never been told that it is wrong to split an infinitive: the ban is pointless.

Warum dann noch die Aufregung, Jahrhunderte später? Warum lässt der Economist dann selbst keine getrennten Infinitive zu? Nun, der Eintrag in der Fibel geht weiter:

Unfortunately, to see it broken is so annoying to so many people that you should observe it.

Eine kleine aber lautstarke Minderheit von Stilwächtern — häufig mit dem uns schon bekannten Titel grammar nazis bedacht — hält eisern an der Regel fest und erhebt ein wütendes Protestgeheul, wann immer jemand einen Einschub wagt. Wer wie der Economist seine Ruhe haben will, vermeidet es einfach.

Auch das praktisch veranlagte Grammar Girl nennt die Vorschrift einen „Mythos“, rät aber, die Trennung bei gewissen Texten zu vermeiden, weil einige Leute halt an „erfundene Grammatikregeln“ glauben.

I would never split an infinitive in a pitch letter to an editor, for example, because there are certainly editors out there who believe the myth.

Anders formuliert ist das für einige Leute ein Aufregerthema, egal, ob das Sinn macht oder nicht. Der interessierte Leser kennt solche Vorgänge auch von gewissen Mitmenschen, zum Beispiel die, die im vergangenen Satz lieber ein „Sinn ergibt“ gelesen hätten, auch wenn die Masse der Germanen inzwischen „Sinn macht“ sagt. Nur dass in diesem Fall nicht nach ein ein oder zwei Generationen die neue Form akzeptiert wurde, sondern kein Ende des Streits in Sicht ist.

Was macht der Ausländer in einer solchen Situation? Wie bei dem veralteten whom kann man den Status des geeinten Infinitivs als Bildungsmarker eiskalt ausnutzen und jede Trennung vermeiden. Man muss nur mit dem Wissen leben, dass man sich damit einer Art Sprachterror beugt. Aber hier ist wohl selbst der NSA machtlos.