Archive for Januar, 2014

ZEUGS: Football, Musik und Atombomben

Januar 29, 2014

Früher, ja früher, da hat man am Wochenende endlich etwas geschafft bekommen, zum Beispiel Einträge für sein Blog zu schreiben. Im Moment verbringt dieser Autor Samstag und Sonntag allerdings eher in Turnhallen mit anderen Eltern sportverrückter Kinder. Er hat dadurch zwar eine ganze Reihe von Volleyball-Schlachtrufen gelernt und weiß jetzt, dass „Eiserne Union“ nichts mit Hertha zu tun hat. Aber zum Schreiben kommt er immer weniger. Daher diesmal nur ein Zeugs.

  • Zu American Football, denn es steht wieder das wichtigste Sportereignis der Welt an, der Superbowl: In einem etwas respektlosen Video [YouTube] werden nochmal die Regeln erklärt. Nur dass man Leute nicht wirklich mit der Faust ins Gesicht hauen kann.
  • Zu Religion und Militär: Die US-Streitkräfte erlauben nun Bärte, Turbane und andere eigentliche verbotene Änderungen des Aussehens aus religiösen Gründen.

    Muslim, Sikh, Jewish and Wiccan soldiers, marines, sailors and airmen can now request exemptions to strict military uniform and grooming policies.

    In den US-Streitkräften dienen 1500 Wicca, was irgendwie nach ziemlich wenig klingt für den Großen Satan.

  • Zur Rede zur Lage der Nation: Das Language Log untersucht die Häufigkeit von Pronomen. Präsident Barack Obama benutzt demnach die erste Person weniger als seine Kritiker ihm vorwerfen.

    This is unlikely to prevent cries of „narcissism!“ or „royalty!“ from the likes of George Will, Peggy Noonan, Charles Krauthammer, and Stanley Fish. But I present this bit of prophylaxis in the hope that ridicule may eventually succeed where reality has failed.

    Zur Erinnerung, die „Rede“ wurde früher schriftlich verfasst.

  • Zum Arbeitsmarkt: Amerikaner arbeiten in der Industrie inzwischen im Durchschnitt knapp unter 42 Stunden pro Woche und damit mehr als in den vergangenen 60 Jahren.
  • Zu Musik, genauer gesagt die Art, die dieser Autor so gar nicht hört: Klassik ist in den USA vom Aussterben bedroht, wie Slate berichtet.

    There’s little doubt as to the causes: the fingernail grip of old music in a culture that venerates the new; new classical music that, in the words of Kingsley Amis, has about as much chance of public acceptance as pedophilia; formats like opera that are extraordinarily expensive to stage; and an audience that remains overwhelmingly old and white in an America that’s increasingly neither.

    Via German Joys.

  • Zu Rechtsradikalen in den USA, ein Bericht der BBC über eine Kleinstadt in North Dakota, in der sich Neo-Nazis breit machen wollten.

    In a part of the country where many people are of German and Russian ancestry, the swastika is something residents neither want to forget, nor especially be reminded of.

    Die Anführer stehen inzwischen vor Gericht. Ihnen droht eine Haftstrafe von bis zu 35 Jahren.

  • Zu Atombomben: Die USA erwägten 1968 den Einsatz von
    Atomwaffen gegen Nordkorea, wie wir jetzt wissen.

    The warheads in such a situation would be delivered by Honest John rockets and Sergeant missiles, each with a maximum yield of 70 kilotons (very roughly five times the yield of the Hiroshima bomb). It would not have been a happy ending for anyone on the Korean peninsula.

    Die Unterlagen sind inzwischen online verfügbar Und wen das irgendwie bedenklich stimmt, der kann sich die Fotos aus den 50er Jahren anschauen, die zeigen, wie man von Los Angeles aus am Himmel das Leuchten der Atombomben-Tests in der Wüste von Nevada sehen konnte. Ehrlich, und wir heute müssen mit Nordlichtern vorliebnehmen.

[KORREKTUR 29. Januar 2013: „Präpositionen“ sind nicht das gleiche wie „Pronomen“. Zuerst gefunden von R., vielen Dank]

Über die Verwendung von „gay“ unter angelsächsischen Jugendlichen

Januar 17, 2014

Dieser Autor hat, wie mehrfach in diesem Blog angedeutet, absolut keine Ahnung von Fußball, trotz der ständigen Nachhilfeversuche von Kind Nummer Zwei. Daher war seine erste Reaktion auf die Flut von Medienberichten nach dem Coming-Out von Thomas Hitzlsperger ein verwirrtes „wer“? Zum Glück war die Schönste Germanin zur Stelle, die nicht nur weise, sondern auch klug ist.

Nun würde sich eine Diskussion über den Begriff facepalm anbieten, aber wir wollen uns ein anderes Thema vornehmen: Eine besonders unter angelsächsischen Jugendlichen geläufige Verwendung des Wortes gay, die Außenstehende verwirren kann.

Zuerst müssen wir festhalten, dass gay an etwas leidet, das Programmierer als operator overloading bezeichnen: Es hat je nach Zusammenhang eine unterschiedliche Bedeutung. Die älteren Verwendungen — Shakespeare und so — gehen in Richtung „fröhlich, heiter“ bei Personen und „knallbunt, schrill“ bei Farben. Inzwischen sind beide überwiegend von „homosexuell“, genauer gesagt „schwul“, verdrängt worden. Das dürfte dem interessierten Leser am vertrautesten sein.

Allerdings listet beispielsweise die Oxford University Press eine vierte Bedeutung auf:

informal, offensive foolish, stupid, or unimpressive

Stupid trifft es nach dem Sprachgefühl dieses Autors nicht ganz, eher wäre für ihn lame (lahm, öde) angebracht. Die New York Times bietet als Beispiel:

In a circle of 13-year-olds, „That’s so gay!“ might translate to: „Only ding-dongs go to the movies on Saturday when anyone who is anyone goes to the movies on Wednesdays.“

Am Ende ist das Haarspalterei, denn so oder so ist gay in diesem Zusammenhang abwertend, eine Beleidigung.

Verwendet wird That’s so gay von Jugendlichen auf beiden Seiten des Atlantiks. Einer britischen Studie zufolge war gay vor einigen Jahren das am häufigsten verwendete Schimpfwort auf den Schulhöfen des Landes. Die Erwachsenen sind entsetzt — das ganze Bemühen um eine tolerantere Gesellschaft, und dann kommt so etwas von der Generation, für die bekennende Homosexuelle zum Alltag gehören sollten. Die Schockwirkung dürfte die Verwendung bei den Rotzblagen natürlich noch gefördert haben.

Es gibt das Argument, dass die beiden Verwendungen so gar nichts miteinander zu tun haben. Wir kennen diese Sichtweise aus Deutschland, wo Ausländern die Kinnlade herunterfällt, wenn sie das erste Mal das Wort „getürkt“ hören. Der BBC sagt ein Experte zu der Schulhof-Studie von 2008:

„I have interviewed scores of school kids about this and they are always emphatic that it has nothing at all to do with hostility to homosexuals,“ […] „It is nearly always used in contexts where sexual orientation and sexuality are completely irrelevant.“

Homosexuellen-Verbände sehen das schon allein wegen der Selbstmordrate unter schwulen und lesbischen Jugendlichen nicht so locker. In Großbritannien — um heute mal auf der Insel zu bleiben — läuft eine Kampagne gegen diese Art der Verwendung in den Schulen. Darunter:

„Your so gay.“ — Can you spot two common mistakes?

Die Briten wären keine Angelsachsen, wenn sie nicht mit einem Wortspiel dagegen vorgehen würden. Der Slogan lautet:

Homophobia is gay

Die New York Times spekuliert in dem oben verlinkten Artikel, dass die Formulierung ohnehin langsam den Weg aller Jugendbegriffe geht. Eine 14-Jährige erklärt der Zeitung, gay habe sie benutzt, als sie kleiner war. Heute halte sie das für falsch und zieht folgende Konsequenz:

I’d much rather call someone a loser.

Vielleicht noch nicht ganz das, was man sich wünschen würde, aber immerhin.

Warum Allen Funt keinen Spaß bei der Übersetzung versteht

Januar 6, 2014

Kind Nummer Eins ist endlich, endlich alt genug um wenigstens einige ausgewählte Folgen von Buffy the Vampire Slayer zu gucken, wenn auch nur zusammen mit einem Elternteil. Selbst dann müssen alle Episoden vorher zur Sicherheit gesichtet werden, denn man vergisst schon einige Details, wenn man eine Serie nur acht oder neun Mal gesehen hat. Dieser Autor nimmt der Schönsten Germanin diese fürchterliche Arbeit natürlich heldenmutig ab.

Leider gehört „Tabula Rasa“ zu den Folgen, auf die der Nachwuchs noch verzichten muss. Das ist doof, nicht nur weil sie eine der besten überhaupt ist, sondern weil man damit gut einige grundsätzliche Unterschiede zum Leben in Deutschland erklären kann.

Das haben wir hier schon erledigt, daher tragen wir jetzt nur ein Detail nach. Als alle ohne Gedächtnis herumstehen und sich überlegen, was passiert sein könnte, sagt Anya:

[I] don’t see Allen Funt.

Giles schaut sie verwirrt an und stellt die Frage, die sich auch der gemeine deutsche Fernsehzuschauer stellen dürfte: Who?

Allen Funt war der Erfinder der Fernsehsendung Candid Camera, die in Deutschland als Versehen Sie Spaß läuft. Ganz ursprünglich war es eine Radiosendung, 1948 wechselte sie ins Fernsehen. Der britische Ableger begann 1960 unter der Leitung von David Nixon. Daher kann Giles mit dem Namen Funt auch nichts anfangen.

Die Buffy-Synchronisatoren gehen an dieser Stelle wieder ganz eigene Wege, vermutlich weil man Frank Elstner nicht in eine US-Serie stecken wollte (oder sie hatten den Auftrag, auf keinen Fall einen Konkurrenz-Sender zu erwähnen). Anya befasst sich in der deutschen Version weiter mit der Theorie, dass sie alle betrunken waren und stellt fest, dass sie „keine Elefanten“ sieht. Schlimm genug. Aber dazu wird noch aus Giles‘ sehr britischem und hörbar gebildetem „Who?“ ein selten dämliches „Äh?“, das überhaupt nicht zu seinem Charakter passt. Hier wird erneut die Sprachebene völlig verfehlt.

Dem interessierten Leser sei versichert, dass die Bildung von Kind Nummer Eins auch auf konventionelleren Wegen fortschreitet. Am Wochenende gab es im Hause Stevenson eine längere Diskussion über den Sinn von Umgehungsstraßen und galaktischen Hyperraum-Expressrouten. Auf der Grundlage des Original-BBC-Hörspiels, versteht sich.