Archive for August, 2012

Ja, auch Frauen spielen American Football (und zwar nicht nur in Reizwäsche)

August 24, 2012

Nun waren die Olympischen Spiele ganz unterhaltsam, und ja, dieser Autor hatte großen Spaß dabei, mit seiner Umgebung über die Medallienverteilung im Frauenfußball zu sprechen. Aber der 5. September rückt näher und damit der Anstoß bei der wirklich spannenden Sportart. Wird auch Zeit.

Daher wenden wir uns heute einer Frage zu, die diesem Autor früher oder später im Zusammenhang mit American Football immer gestellt wird — spielen das auch Frauen? Die Antwort ist ein klares „Ja“, wenn auch bestenfalls halb-professionell.

Zuerst müssen wir darauf hinweisen, dass Frauen in der NFL bei den Männern mitspielen könnten. Das gab es tatsächlich: Pat Palinkas hielt 1970 den Football für ihren Ehemann hin, einem Kicker (Nicht-Football-Fans: Das ist die Situation bei dem football gag bei den Peanuts, wo Lucy Charlie Brown den Ball wegzieht). Sie wurde berühmt.

„The neatest present I got from the fans was a bronze jockstrap,“ Palinkas boasts. „It was from a fan club in Nebraska. It’s on a plaque.“

Liz Heaston schoss 1997 die ersten Punkte in einem College-Spiel. Allerdings sind diese sehr wenigen Frauen nur in den special teams vertreten, weil die Kraft- und Größenunterschiede zu extrem sind. Im April 2012 wurde übrigens erstmals eine weibliche Schiedsrichterin eingesetzt, doch schon.

Die erste reine Frauen-Liga, die National Women’s Football League, wurde 1974 gegründet, scheint dann aber in den 90ern zerfallen zu sein. Heute gibt es in den USA und Kanada zusammen fünf Ligen:

(Zur Erinnerung: Die Kanadier haben etwas andere Regeln. Unter anderem sind je Mannschaft zwölf Spieler auf dem Feld. Football ist deswegen einer der wenigen Sportarten, die nicht in einer gemeinsamen nordamerikanischen Liga gespielt werden.)

Die WFA und IWFL spielen im Frühjahr, sprich, nach der Saison der Herren, und mit einem etwas kleineren Ball. Die Teamnamen stehen in Sachen Aggression ihren männlichen Kollegen dagegen in Nichts nach. In der WFA finden wir Wisconsin Wolves und New England Nightmare. Einige sind allerdings spezifisch weiblich, wie Los Angeles Amazons, DC Divas oder die Detroit Dark Angels (Englisch ist hier praktisch, weil nicht alles auf -innen enden muss). Es gibt Fan-Kleidung für Footballerinnen, mit Sprüchen wie Real Women Tackle oder Women Hit Harder.

Spätestens jetzt wird der eine oder andere interessierte Leser bemerken wollen, dass er beim Zappen auf der Suche nach einer TV-Dokumentation über das Spannungsfeld der Dialektik im Diskurs der Junghegelianer ganz zufällig Aufnahmen von Frauen gesehen hat, die in einer Halle Football spielten und dabei, nun, recht wenig anhatten. Zwar einen Helm und Schulterpolster, ja, aber sonst eher … äh … Unterwäsche.

Das ist die Lingerie Football League (LFL), die mit je sieben Frauen auf dem Feld und sonst geänderten Regeln spielt. Die Sendung wird offenbar in 85 Länder übertragen. Ab 2014 soll es auch eine Europaliga geben mit Mannschaften in Barcelona, Manchester, Dublin, Frankfurt und „Rhein“, wo auch immer das liegen mag.

Zurück zu den Spielen in voller Montur — wie Frauen in anderen „typisch männlichen“ Sportarten wie Boxen werden Footballerinnen offenbar ständig gefragt, warum sie gerade diese Sportart gewählt haben. Brigid Mullen von den Wisconsin Wolves schrieb dazu in Sports Illustrated:

Because we love the game — end of story.

Männer müssen ihre Liebe zum Football in Nordamerika eher selten begründen. Die Doktorantin Jennifer Carter, selbst eine Defensive Back, hat eine Arbeit über die Herausforderungen an weibliche Footballspieler verfasst. Diese fangen mit der eigentlich für Männer entworfene Ausrüstung an, gehen über die fehlende Fachbetreuung beim Training bis hin zu den gesellschaftlichen Ansichten über Frauen mit Blessuren:

While visible injuries on the field are dealt with similarly through a culture of sacrifice, off the field, women often face stigma due to visible bruising, cuts, scrapes, and other abrasions

Das alles hat den Frauenfootball nicht aufhalten können. Die erste (wenn auch bislang einzige) Weltmeisterschaft fand 2010 in Stockholm statt. Das Endspiel gewannen die USA mit 66 zu 0 Punkten gegen Kanada, wie es sich gehört. Die deutsche Mannschaft landete auf dem undankbaren vierten Platz.

Und damit sind wir an den Punkt, der im Umfeld dieses Autors für die größte Verwunderung gesorgt hat: Frauenfootball gibt es nicht nur in den USA und Kanada. Seit den Achtzigern wird es als „Ladiesfootball“ auch in Deutschland gespielt.

Das erste Spiel fand am 27. September 1987 zwischen den Berlin Adler Girls und einer Spielgemeinschaft Cologne Crocodiles / Hannover Ambassadors / Leverkusen Leopards statt.

Die Bundesliga umfasst zehn Mannschaften. Das diesjährige Finale, der Ladies Bowl XXI, findet am 23. September 2012 ab 15.00 Uhr im Sportpark „Fritz Lesch“ in Frankfurt an der Oder statt. Dieser Autor hat keine Zweifel, dass die Berlin Kobra Ladies gewinnen werden.

Frack, Baby, frack: Die amerikanische Erdgas-Revolution

August 20, 2012

It’s frack, baby, frack to the break of dawn

– Aus „My Water’s On Fire Tonight (The Fracking Song)“ [YouTube] von Lisa Rucker und Adam Sakellarides

Der Kohlendioxid-Ausstoß der USA ist im ersten Vierteljahr 2012 auf den niedrigsten Wert seit 20 Jahren gefallen. Das ist überraschend. In ihrem Bericht nennt die U.S. Energy Information Administration (EIA) drei Faktoren: Ein milder Winter, eine geringere Nachfrage nach Benzin (eine Folge der schlechten Wirtschaftslage) und ein Rückgang der Stromproduktion durch Kohle wegen der niedrigen Erdgas-Preise.

Wus, werden jetzt die interessierten Leser in Europa sagen. Billiges Erdgas? Wo gibt es das denn? In Amerika, wenn auch erst seit kurzem. Plötzlich soll die USA bis 2017 auch der weltgrößte Erdgas-Produzent werden, noch vor Russland. Beides ist eine Folge des fracking, einer nicht ganz neuen, aber jüngst dramatisch verbesserten Bohrtechnologie. Die Rede ist von einem „Goldenen Zeitalter“ des Erdgases, mit großen Folgen für die Energie-, Klima- und sogar Weltpolitik.

Der Reihe nach.

„Fracking“ leitet sich nicht von dem Schimpfwort bei Battlestar Galactica ab, sondern von hydraulic fracturing. Vereinfacht gesagt [Schaubild] werden dabei Millionen Liter Wasser, Sand und Chemikalien unter Hochdruck in Erdgasfelder gepresst. Das bricht kleinere Speicher auf, die mit bisheriger Technologie nicht erreichbar waren. Das Gas wird freigesetzt und kann gewonnen werden.

Der Erfinder der modernen Variante ist der Milliardär George Mitchell. Die Geschichte dahinter klingt wie das schlimmste Klischee einer amerikanischen Erfolgsbiografie, nur ohne die Tellerwäscher-Phase: Zehn Jahre lang forschte der Chef einer Firma für Öl-Dienstleistungen und Vater von zehn Kindern nach einem besseren Verfahren und nahm dafür Millionen in die Hand. Alle sprachen von einer Zeit- und Geldverschwendung. Aber nein, Mitchell hatte Recht.

Die USA haben damit jetzt Zugang zu Reserven, die vorher nicht erschlossen werden konnten. Präsident Barack Obama erklärte 2011 in seiner Rede zur Lage der Nation:

We have a supply of natural gas that can last America nearly 100 years, and my administration will take every possible action to safely develop this energy

(Über die „Vorräte für fast 100 Jahre“ reden wir weiter unten.)

Das hohe Angebot lässt den Erdgas-Preis einbrechen: Im ersten Halbjahr 2012 fiel er bei den Großhändlern zwischen 38 und 49 Prozent. Wer als Europäer wirklich heulen will, kann die Preise international vergleichen. In den USA pendelten sie im Juni 2011 zwischen vier und sieben Dollar pro Millionen Kubikfuß, während man in Deutschland 10,3 bis 12,1 Dollar zahlte. Andere Quellen sprechen von einem vier Mal höheren Preis in Europa. Das geht alles noch. Die Preise in Asien liegen zehn Mal so hoch wie in den USA. Dort und nur dort sei Erdgas billig, schreibt der Economist.

(Fracking ist nicht alleine für den Preiseffekt verantwortlich. Die USA haben einen freien Erdgasmarkt, der von Angebot und Nachfrage bestimmt wird. In vielen Ländern besteht dagegen weiter die traditionelle Koppelung an den Ölpreis.)

Um zu dem Rückgang das CO2-Ausstoßes zu verstehen, muss man noch wissen, dass seit den 90er Jahren eine neue Form von Gasturbinen zur Stromerzeugung zur Verfügung steht. Etwa 80 Prozent der Erdgaskraftwerke in den USA sind inzwischen natural gas combined-cycle power plants (NGCC), bei denen die Abfallwärme besser genutzt wird. Siemens hat ein Werk für diese Turbinen in North Carolina gebaut.

Damit läuft Erdgas selbst King Coal den Rang ab, bislang das Rückgrat der amerikanischen Stromproduktion.

It doesn’t hurt that NGCC plants have lower capital costs than coal plants — $600 to $700 per kW versus $1,400 to $2,000 kW — relatively short construction times, and environmental benefits.

Bei der Verbrennung von Erdgas entsteht allgemein weniger CO2 pro Kilowattstunde. Da zur Stromerzeugung immer weniger Kohle in den USA verfeuert wird, sinkt der CO2-Ausstoß.

Was macht man jetzt als Amerikaner mit der ganzen übrig gebliebenen Kohle? Nun, man verkauft sie nach Europa, wo wegen des höheren Erdgas-Preises und des Atomausstiegs immer mehr von dem Zeug verbraucht wird. In Deutschland könnte sie bald für 50 Prozent statt jetzt 42 Prozent der Stromgewinnung verantwortlich sein. Auch die Importe dürften zunehmen:

„Coal will continue to remain on the money in Europe because it’s more competitive to burn than gas,“ said Trevor Sikorski, an analyst at Barclays Plc in London. „More and more of the coal to Europe will come from the U.S. where just the opposite is happening.“

Das Goldene Zeitalter des Erdgases soll die USA auch wesentlich unabhängiger von Importen aus, äh, schwierigen Staaten wie Saudi-Arabien machen. Einige reden sogar von der energy independence, der völligen Selbstversorgung, die bis 2020 kommen soll (der republikanische Präsidentschaftsbewerber Mitt Romney peilt 2021 an).

Dazu muss man allerdings wissen, dass die „Energie-Unabhängigkeit“ so etwas wie der Heilige Gral der amerikanischen Energiepolitik ist. Entsprechend goss Jon Stewart 2010 in seiner Daily Show Spott und Häme [YouTube] über Obamas Pläne und wies auf seine bekannt liebenswürdige Art darauf hin, dass die vergangenen acht Präsidenten — bis zurück zu Richard Nixon — das auch schon versprochen hatten.

Fool me once, shame on you. Fool me twice, shame on me. Fool me eight times — am I a fucking idiot?

Überhaupt mag dem interessierten Leser die bisherige Geschichte etwas zu sehr nach Einhörnern, Regenbögen und Kuscheltieren klingen. Zurecht, denn in der Praxis ist Fracking äußerst umstritten. Eine kurze Zusammenfassung weist auf einen horrenden Wasserverbrauch, ätzende Salze sowie krebserregende und radioaktive Stoffe hin:

[A] well can produce over a million gallons [knapp vier Millionen Liter] of wastewater that is often laced with highly corrosive salts, carcinogens like benzene and radioactive elements like radium, all of which can occur naturally thousands of feet underground. Other carcinogenic materials can be added to the wastewater by the chemicals used in the hydrofracking itself.

Was die Folgen sein werden, ist unklar. Die „New York Times“ ist allerdings an Zehntausende interne Dokumente der US-Umweltschutzbehörde EPA gelangt, die vor eskalierenden Belastungen für die Umwelt warnen. Studien sehen einen Zusammenhang mit (kleineren) Erdbeben.

Die Unternehmen haben erreicht, dass sie in den USA nicht an die Wasserschutzverordnungen gebunden sind – der Kongress beschloss 2005 eine Ausnahmeregelung für das Fracking, so dass es nicht unter den Safe Water Drinking Act fällt. Die Unternehmen halten die verwendeten Chemikalien geheim, aber Nachforschungen der Presse liegen vor. ProPublica unterteilt die Stoffe in drei Gruppen:

  1. Most Commonly Found wie Wasser, Methanol, Diesel
  2. Serious Health Hazards wie Schwefelsäure, Blei, Salzsäure
  3. Just Plain Weird wie Instant-Kaffee, Stärke, Harz

Die Diskussion über eine etwaige Verseuchung des Trinkwassers artet im Moment in eine Schlammschlacht aus. Die meisten interessierten Leser werden allerdings die Videos kennen, in dem es aus dem Wasserhahn brennt [Video]. Über die USA hinaus wurde die Dokumentation Gasland bekannt, die 2010 einen Sonderpreis auf dem Sundance Filmfest gewann.

Befürworter sprechen von Einzelfällen und Unfällen — richtig angewandt und umgesetzt seien diese Probleme beherrschbar. Die Energie-Unternehmen wehren sich unterdessen mit Händen und Füßen gegen staatliche Auflagen und verweisen auf zu hohe Kosten. Ein Bericht der Internationalen Energie-Agentur (IEA) mit Sitz in Paris sieht das anders:

The report estimates that operating with a near-zero-impact environmental footprint would add about 7 percent, or $600,000, to the typical $8 million cost of a well in, say, Texas or North Dakota.

Die IEA hat ihrerseits „Goldene Regeln“ für das „Goldene Zeitalter“ aufgestellt. Es sind entsprechend keine Müsli-mampfenden kryptokommunistischen Langhaar-Ökos (oder zumindest nicht nur), die nach strenger staatlicher Aufsicht rufen. Auch der Vater des modernen Frackings selbst, Mitchell, sieht Washington in der Pflicht.

„There are good techniques to make it safe that should be followed properly,“ he says. But, the smaller, independent drillers, „are wild.“

Mittel in einer Wirtschaftskrise zeigt aber keine Partei im Kongress großes Interesse an Maßnahmen, die Arbeitsplätze gefährden und Erdgas — und damit Strom — teurer machen könnten. Die vergleichsweise hohen Benzin-Preise bereiten ihnen kurz vor der Wahl schon genug Kopfschmerzen.

Auch jenseits des eigentlichen Fracking-Verfahrens gibt es Bedenken. Erdgas mag zwar weniger CO2 pro Energieeinheit freisetzen, aber Treibhausgas bleibt Treibhausgas. Die IEA sieht die Gefahr, dass billiges Erdgas den Umbau zu erneuerbaren Energien ausbremst. Auch die Sache mit den Vorräten für 100 Jahre wird angezweifelt:

Assuming that the United States continues to use about 24 tcf [trillion cubic feet] per annum, then, only an 11-year supply of natural gas is certain. The other 89 years‘ worth has not yet been shown to exist or to be recoverable.

Am Ende ist schlicht noch nicht bekannt, wie groß die Vorräte sind, welche langfristigen Folgen das Fracking hat und ob Erdgas als Brückentechnologie verwendet wird. Klar scheint nur zu sein, dass die USA daran festhalten werden. Alles deutet darauf hin: Die Revolution findet statt.

[Danke an RBO und MAK für Anregungen.]

ZEUGS: Die Lage der US-Solarindustrie, Kanadier in den USA und israelische Kinderspiele

August 12, 2012

Die Zahl der ZEUGS-Einträge in diesem Blog hat etwas abgenommen, was daran liegt, dass dieser Autor die entsprechenden Links inzwischen eher schnell bei Google Plus postet. Das ist schon von der Formatierung her weniger Arbeit.

  • Zum US-Energieverbrauch: Die New York Times untersucht in einem längeren Artikel die Lage der Solarindustrie in den USA am Beispiel des Unternehmens Sungevity. Zu den größten Hindernissen gehört (natürlich) die Bürokratie:

    Lynn Jurich at Sunrun told me that the work it takes to arrange permits for an installation adds $2,500 to the cost of each system.

    Hauptsächlich geht es in der Reportage aber darum, wie knallharte finanzielle Überlegungen und ein neues Geschäftsmodell die Technologie beim Privatanwender vorantreiben. — Wer sich für das Thema interessiert, wird die Diskussion des Physikprofessors Tom Murphy in dem Energie-Blog Do the Math lieben. Mit Schaltbildern!

  • Zu amerikanischen (und anderen) Toiletten: Eine Erklärung, wie sie funktionieren. Mit Selbstversuchen!
  • Zu prüden Amerikanern, allerdings diesmal eher über die Briten, die auch die Amerikaner für prüde halten: Der im Vorbeigehen angesprochene SM-Roman Fifty Shades of Grey von E.L. James bricht in Großbritannien Verkaufsrekorde.

    The first in the erotic trilogy passed the million mark in 11 weeks, smashing the previous record of 36 weeks set by Dan Brown’s The Da Vinci Code.

    Auch in Deutschland scheint das Fieber ausgebrochen zu sein. Ehrlich, wie gut kann ein SM-Roman sein, der nicht auf dem Index steht?

  • Zu Kanada: Slate beschreibt die Wanderungsbewegung von Kanada in die USA.

    [A]bout 167,300 Canadian residents moved to the U.S. between 2001 and 2006. That’s about 33,000 per year. By comparison about 9,000 Americans move to Canada each year, and the U.S. has nine times as many people.

    Nach der Wiederwahl des republikanischen Präsidenten George W. Bush stieg die Zahl der Auswanderer nach Kanada um etwa 1.000 US-Bürger. Beschrieben wird auch, wie der Wechselkurs zwischen dem kanadischen und US-Dollar sich auf den Gewinn der gemeinsamen Hockey-Liga NHL auswirkt. Dabei reden wir natürlich von echtem Hockey, also Eishockey.

  • Zu den Indianern, während wir über Einwanderer sprechen: Neue Gen-Analysen deuten darauf hin, dass es drei Migrationswellen aus Asien gab.
  • Zum Krieg gegen Japan und Inhaftierungslager: Die New York Times berichtet von einer Gedenkveranstaltung für eine Untergruppe der Amerikaner japanischer Abstammung, die während des Zweiten Weltkriegs in Lagern festgehalten wurden: Die, die zwei Fragen zur Loyalität mit „Nein“ beantwortet hatten.

    After the end of the war, the no-noes, as they were known, not only struggled to find a place in mainstream society, but also were regarded with suspicion by other Japanese-Americans, whose pledge of undivided loyalty and search for larger acceptance could have been threatened by the no-noes.

    Weil man es nicht oft genug sagen kann: Ein concentration camp ist kein „Konzentrationslager“, das meist als death camp übersetzt wird.

  • Zum Supreme Court: Der interessierte Leser StS schreibt über die Geschichte des Obersten Gerichts.
  • Zu Waffengesetzen: Die schwarze Journalistin J. Victoria Sanders erklärt, warum sie eine Schusswaffe besitzt und welche Bedeutung die Waffengesetze aus ihrer Sicht für den schwarzen Feminismus haben.

    To be a gun-owning feminist, to prepare to protect oneself against two of the most frightening enemies of female-identified people — rape and/or domestic violence — still strikes at the heart of what could be described as a feminist identity crisis, wherein women oppress each other with our inability to make room for alternative models of self-protection.

    Der Kritik anderer Frauen stellt sie die Unterstützung durch „weiße Südstaaten-Männer“ gegenüber. Dem Bericht zufolge sind schwarze Frauen in Texas seit fünf Jahren die Gruppe mit der größten Zunahme von Anträgen auf einen Waffenschein.

  • Zur Wahl: Das Pew Research Center beschreibt und analysiert die immer größeren Herausforderungen bei politischen Umfragen in den USA. Unter anderem will niemand mit den Leuten am Telefon reden:

    At Pew Research, the response rate of a typical telephone survey was 36% in 1997 and is just 9% today.

    Dazu kommt, dass immer mehr Amerikaner kein Festnetzanschluss mehr haben, sondern nur ein Handy, und darüber keine Umfragen gemacht werden, warum auch immer. Die Institute sind trotzdem der Meinung, dass sie brauchbare Ergebnisse liefern.

  • Zu Religion in den USA und der Wahl: Foreign Policy untersucht die Beziehungen zwischen Mormonen und Juden.

    „Mormons consider themselves to be latter-day Israelites and inheritors of the promises made to Abraham, so they have a natural affinity for Jews,“ says Mark Paredes, a Mormon from Michigan who writes the blog Jews and Mormons for the Jewish Journal of Greater Los Angeles.

    Angenehm sind die zahlreichen Links im Text zu den einzelnen Quellen. Mensch, woher kennen wir das bloß?

  • Zu Kinderspielen: In amerikanischen Sommerlagern und an Schulen setzt sich ein israelisches Spiel namens „Gaga“ durch.

    In gaga, players lob the ball underhand, trying to hit one another below the knees (or below the waist, depending on where you’re playing) to eliminate their opponents from the court. If the ball goes over the wall, or if it is caught before bouncing, the person who launched it is out of the game.

    Der Artikel verlinkt zu einer ausführlicheren Beschreibung der Regeln. Stefani Joanne Angelina Germanotta war für eine Stellungnahme offenbar nicht zu erreichen.

Unbeirrt panisch: Amerikaner (und Briten) und der Rückgang der Gewaltverbrechen

August 9, 2012

Dieser Autor hatte im Urlaub ein faszinierendes Gespräch mit einem Paar aus Nordirland über die USA. Ein wunderbares Land, sagten sie, aber doch so gefährlich. Man müsse ständig und überall Angst um sein Leben haben. Sprachloses Erstaunen bei den Stevensons. Zur Erinnerung: Nordirland ist dort, wo seit etwa 320 Jahren ein Marsch für Ärger sorgt, es gerne mal bürgerkriegsähnliche Zustände gibt und die Gewalt gerade wieder zunimmt. Ganz klar: Unsere Vorurteile gewinnen.

Mit der „gefühlten Gewalt“ ist das allerdings auch in Amerika selbst so eine Sache. In den vergangenen Jahrzehnten ist die Zahl der Gewaltverbrechen dramatisch zurückgegangen. So hat sich die Mordrate in den letzten 20 Jahren fast halbiert:

In the past 20 years (…) the murder rate in the United States has dropped by almost half, from 9.8 per 100,000 people in 1991 to 5.0 in 2009.

Die Zahl der Raubüberfälle sank allein von von 2009 auf 2010 um zehn Prozent, Vergewaltigungen sind seit 1980 um 85 Prozent rückläufig. Alles natürlich immer noch viel zu hoch, aber der Trend ist eindeutig, die jüngsten Amokläufe hin oder her.

Die Gründe für die Entwicklungen sind umstritten — io9 bot spaßeshalber jüngst drei der abgefahrensten Erklärungen an (ironischerweise mit einem Standbild aus Continuum, einer kanadischen TV-Serie). Darunter ist eine Zunahme von Abtreibungen. Bei den rückläufigen Vergewaltigungen wird der leichtere Zugang zu Pornografie als Grund diskutiert. Am Ende weiß es niemand so richtig.

Wichtig ist nun: Die Wahrnehmung der Verbrechensrate, die crime perception, ist nicht mitgezogen.

In Umfragen sprechen die Amerikaner sogar davon, dass nach ihrer Ansicht die Zahl der Verbrechen immer weiter zunimmt. Das Umfrage-Institut Gallup nennt diese anhaltende Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und Wahrnehmung „merkwürdig“ (curious). Tatsächlich müsste man nach einigen Jahrzehnten einen gewissen Lerneffekt erwarten können. Aber Fehlanzeige.

Warum? Als einen Grund nennt Gallup die Berichterstattung der amerikanischen Medien:

It could possibly reflect a real increase in media attention to crime on the local and national news.

Der Kriminologe James Alan Fox von der Northeastern University wird deutlicher: Die Medien sind schuld.

This is because of the growth of crime shows and the way that TV spotlights the emotional. One case of a random, horrific shooting shown repeatedly on TV has more visceral effect than all the statistics printed in a newspaper.

Wer einmal in den USA einen lokalen Nachrichtensender geschaut hat, wird wissen, was Fox meint. Der Spruch unter angelsächsischen Journalisten lautet if it bleeds, it leads — was blutet, wird zum Aufmacher.

Nicht nur die Amerikaner haben dieses Problem, in Großbritannien sehen wir das gleiche Muster. Auch auf der Insel geht die Gewalt deutlich zurück, auch dort geht die Bevölkerung von einer Zunahme aus:

Nearly two-thirds of people believe that crime in England and Wales is on the rise despite levels falling to their lowest for 30 years in 2010, according to official statistics.

Bei den Briten ist die Differenz zwischen echt und gefühlt am größten beim Bankkarten-Betrug und knife crime — der Dachbegriff für Verbrechen, bei denen Messer im Spiel waren. Die Office for National Statistics nennt ebenfalls die Berichterstattung in den Medien als möglichen Grund. Macht man sich klar, dass der Guardian eine eigene Rubrik für Messerangriffe unterhält, klingt das glaubwürdig: Weder in den USA noch in Deutschland hat die Presse dieses Thema bislang entdeckt.

Der Mechanismus ist deswegen für Besucher und Beobachter aus Übersee wichtig, weil sie selten die Verbrechensstatistiken der FBI studieren: Das Bild von den USA kommt meist aus den Medien (wo Panik geschoben wird) und vielleicht noch Amerikanern online oder im Bekanntenkreis (die sich panisch machen lassen). Man sollte im Hinterkopf behalten, dass dieses Bild nicht unbedingt der Wahrheit entspricht.

Und vermutlich gibt es auch ein oder zwei Menschen in Nordirland, die nicht in einem Bunker wohnen.

Der Totenkopf auf dem Ranzen von Kind Nummer Eins und der Day of the Dead

August 4, 2012

Kind Nummer Eins hat einen neuen Ranzen (der in diesem Teil der Republik verwirrenderweise „Mappe“ genannt wird) auf dem ein großer, weißer Totenkopf prangert. Die Schönste Germanin beteuert, das erst nach dem Kauf bemerkt zu haben, und dieser Autor fragt sich, was alles so vererbt wird. Züchten wir hier einen kleinen Goth heran? Kommt bald der Wunsch, das Kinderzimmer schwarz zu streichen?

Die Ehrenwerte Mutter reagierte völlig gelassen. Solche Totenköpfe gebe es schließlich bei ihr im Bundesstaat Arizona überall, als Zeichen des Day of the Dead, genauer, des Día de los Muertos. Selbst die angeheiratete Tante habe ein Cover für ihren iPad mit einem ähnlichen Muster. Die Frau ist über 70 und eine Anglo.

Der „Tag der Toten“ ist ein mexikanischer Feiertag zu Ehren der Verstorbenen. Er wurde zusammen mit den Hispanics — zur Erinnerung, inzwischen die größte Minderheit — in die USA eingeschleppt. Die Feier findet ab dem 30. Oktober statt, mit offensichtlichen Verbindungen zu Allerheiligen: Nach der Entdeckung der Neuen Welt wurden die jahrtausendealten Traditionen der Ureinwohner mit dem katholischen Glauben der spanischen Eroberer vermischt.

The clergymen likened the indigenous gods to the Catholic Saints. (…) By incorporating the beliefs of the Indians, the Spanish were able to quickly convert the majority of Indians to Catholicism.

Die genaue Beschreibung der Bräuche liegt außerhalb des Rahmens dieses Blogs. Wir weisen hier nur kurz auf die Zuckerschädel hin (die man auch selbst machen kann), die Altare in den Häusern mit Gaben für die Toten (ofrenda) und die Pflege der Gräber.

Wichtig ist, dass es keine Trauerfeiern im europäischen Sinn sind. Entsprechend sind nicht-hispanische Amerikaner beim Erstkontakt schon mal etwas verwirrt:

At first, I was a little creeped out by the whole thing. Visiting cemeteries and hanging out with dead people was kind of a foreign concept to me. (…) Being a „Gringa“ (…) I could not figure out why a majority of the graves were decorated with bottles of BEER!

(Was die Frage aufwirft, ob es nicht eine Form von Leichenschändung ist, Verstorbenen amerikanisches Bier anzubieten.)

Auch nach längerer Betrachtung kann dieser Autor nicht einschätzen, ob der Ranzen die Mappe von Kind Nummer Eins von den mexikanischen Schädeln beeinflusst wurde. Vermutlich nicht, denn es fehlt der Unterkiefer, während die mexikanischen Schädel vollständig zu sein scheinen.

So oder so geht dieser Autor jetzt lauschen, ob aus dem Kinderzimmer „This Corrosion“ kommt.