Das US-Maßsystem und die Anti-Cookie-Weltverschwörung

November 16, 2006

Bekanntlich benutzen die Amerikaner so ungefähr als Letzte [PNG] Dinge wie inch und foot statt Zentimeter und Meter. Bekannt ist auch die Begründung: Haben wir schon immer so gemacht, wo kämen wir denn da hin, da könnte ja jeder kommen. Und außerdem: Eine Maßeinheit, die von Franzosen erfunden wurde? Pffft.

Man sollte sich auch nicht der Illusion hingeben, dass sich in nächster Zeit irgendwas daran ändern wird. Da der normale Amerikaner es im Alltag nur mit anderen Amerikanern zu tun hat oder hin und wieder mit Kanadiern, die auch nicht wirklich mit dem ganzen Herzen dem metric system verfallen sind, sieht niemand so richtig ein, warum man sich die Mühe eines Systemwechsels machen soll. Die offizielle Begründung für eine Umstellung ist auch eher kontraproduktiv:

The current effort toward national metrication is based on the conclusion that industrial and commercial productivity, mathematics and science education, and the competitiveness of American products and services in world markets, will be enhanced by completing the change to the metric system of units. Failure to complete the change will increasingly handicap the Nation’s industry and economy.

Auf Deutsch: Die multinationalen Konzerne könnten damit noch mehr Profit machen, während der Steuerzahler für die Kosten der Umstellung aufkommen müsste. Vielen Dank auch. Soll die NASA halt besser aufpassen.

Für den amerikanischen Durchschnittsbürger ist das Metrische System also eine Lösung für ein Problem, das es gar nicht gibt. Die Einstellung ist ähnlich der eines Europäers zu den berüchtigten EU-Richtlinien wie die für den Krümmungswinkel von Gurken. Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied: In den USA werden die Verantwortlichen direkt vom Volk gewählt. Und das Volk will nicht, dass für so was Steuergelder ausgegeben werden. Entsprechend wenig Neigung zeigt der Kongress, sich mit der Frage zu beschäftigen.

Wer viel mit den USA zu tun hat, muss also damit leben, dass alles in unglaublich krummen Maßen daher kommt, also irgendwie vergurkt ist. Das darf einen ruhig zum Wahnsinn treiben. Man muss nur damit umgehen können.

Die gute Nachricht: Die Längen- und Volumenmaße der customary units erschlägt man inzwischen einfach mit Google. 100 square meters in square feet eingeben und schon kann man den Verwandten in den USA erklären, dass die neue Wohnung – wenn man schon eine haben muss – etwa 1076 Quadratfuß groß ist. Wenn man sich noch merken kann, dass ein pound nicht 500 Gramm sondern rund 454 Gramm sind, kommt man ziemlich gut zurecht.

Die schlechte Nachricht: Beim Backen gibt es richtig Probleme. Und das ist auch die eigentliche Tragödie des amerikanischen Sonderwegs, denn er behindert die allgemeine Verbreitung des wichtigsten Lebensmittels auf dem Planeten: Chocolate Chip Cookies. Das sprichwörtliche patriotische Gericht der Amerikaner mag zwar apple pie sein, aber ihr Herz hängt eigentlich an diesen Cookies. Bereits der Teig ist eine Art nationale Köstlichkeit. Nicht umsonst gibt es Chocolate Chip Cookie Dough Ice Creme.

Nur: Zutaten beim Backen werden in Volumeneinheiten und nicht nach Gewicht aufgeführt. In Deutschland werden zum Beispiel 500 g Nüsse verlangt oder 50 g Mandelblättchen; in den USA sind es one cup of butter und one teaspoon of baking soda. Auch in Deutschland benutzt man „Esslöffel“, hat also eigentlich ein gemischtes System. Amerikaner benutzen nur Volumina.

Die wichtigste Einheit ist dabei das cup, etwa 237 ml, dicht gefolgt von einem teaspoon, rund 5 ml. Man muss zur Umrechnung von Rezepten wissen, welches Volumen 500 g Nüsse einnehmen oder welches Gewicht 237 ml Butter haben. Das bleibt dem interessierten Leser als Übung überlassen: Bestimmt lässt sich irgendwo im Internet die Dichte von Haselnüssen auftreiben. Wir halten erneut fest: Übersetzen ist die Hölle.

Die Schönste Germanin, die nicht nur eine begnadete Köchin ist, sondern auch noch weise und klug, hält nichts von dieser Rechnerei und hat sich statt dessen von den Ehrenwerten Eltern einen Satz Messbecher schicken lassen. Ihrer Aussage nach hat das US-System den Vorteil, dass man nicht mit einer Waage herumhantieren muss. Allerdings behindert es natürlich die internationale Verbreitung von amerikanischen Rezepten.

Womit wir den Boden für eine neue Verschwörungstheorie bereitet haben: Die Franzosen haben nur deswegen der ganzen Welt ihren Meter aufgezwungen, weil sie Angst vor den amerikanischen Backkünsten haben, wie auch vor der amerikanischen Musik und wovon sie sich sonst noch alles kulturell bedroht fühlen. Perfide Tat!

Aber damit lassen wir sie nicht durchkommen. In einem der kommenden Einträge werden wir ein eingedeutschtes Rezept für Chocolate Chip Cookies vorstellen, mit Angaben in Gramm und Millilitern. Auch wenn der Kampf gegen das Metrische System verloren ist, der Kampf um die Cookies ist noch lange nicht entschieden.

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