Archive for November, 2009

ZEUGS: Keine Gnade für Truthähne, die Lego-Matrix und Battlestar Gleichschaltung

November 27, 2009

Heute war in den USA Thanksgiving. Daher sollten wir einen kleinen Fehler korrigieren, der in einigen Medien auftaucht: Dass der Präsident einer „alten Tradition“ folgt, wenn er seinen Truthahn begnadigt. Denn eigentlich stammt die Sitte aus dem Jahr 1989 und geht auf George Bush (Vater, nicht Sohn) zurück. Sprich, es ist so ungefähr die jüngste Thanksgiving-Tradition überhaupt. Früher waren US-Präsidenten halt nicht solche Weicheier.

  • Zu trust me: Aus unverständlichen Gründen hat dieser Autor vergessen, auf Making Money von Terry Pratchett hinzuweisen. Die Hauptfigur des Romans, der ehemalige Betrüger, jetzige Postchef und zukünftige Bankdirektor Moist von Lipwig, liebt diesen Spruch:

    „Do you trust them? Trust me.“
    „You use that phrase an awful lot, Mr. Lipwig,“ said Hicks.
    „Well, I’m very trustworthy.“

    Natürlich. Von Lipwigs nächste Herausforderung soll angeblich die Steuerbehörde von Ankh-Morpork sein.

  • Zum Indianersterben: Archäologen haben eine neue De-Soto-Stätte in Georgia gefunden. Offenbar müssen die Vorstellungen über die Route erneut korrigiert werden.
  • Zum Energieverbrauch: Ein Anliegen dieses Blogs ist es, dem interessierten Leser die amerikanische Sicht von Deutschland näher zu bringen. Daher der Hinweis auf einen Bericht der Washington Post über die Auswirkungen der „grünen“ deutschen Energiepolitik auf die Strompreise:

    A kilowatt of electricity costs three times as much here as it does in the United States, supercharged with high taxes to discourage use and to help fund renewable energy development. Meanwhile, a 50 percent „eco-tax“ has sent the price of gasoline soaring to $8 a gallon.

    Warum der Bericht ausgerechnet aus Gelsenkirchen kommt, bleibt unklar. Geheime Schalke-Fans bei der Post?

  • Zum Humor: The Onion stellt die neue Sci-Fi-Serie Fallen Axis vor, deren schockierende Prämisse lautet: Was wäre, wenn Deutschland den Zweiten Weltkrieg verloren hätte?

    „Imagine, if you will, a world in which Hitler’s glorious master plan had instead ended in ignominious failure, and the Allies had somehow emerged the victors,“ the show’s creator, Leonhardt Riefenstahl, said during an appearance on Entertainment Heute Nacht.

    Man beachte die etwas andere Version des ABC-Logos, die sich der Sender als Satire gefallen lassen muss. Vermutlich hilft Battlestar Gleichschaltung, die Zeit bis Iron Sky zu überbrücken.

  • Zu dodge this, während wir bei Filmen sind: Eine Gruppe von Leuten mit viel zu viel Freizeit hat die Szene in Lego nachgestellt (gefunden via io9).
  • Zu Ayn Rand: Dass Konservative sich im Moment wie in einem Roman von ihr vorkommen, ist klar. Wie groß das Interesse an Rand heute allgemein in den USA ist, sieht man daran, dass gleich zwei neue Biografien veröffentlicht wurden.

    She was an amphetamine-addicted author of sub-Dan Brown potboilers, who in her spare time wrote lavish torrents of praise for serial killers and the Bernie Madoff-style embezzlers of her day.

    Okay, der Slate-Autor mag Rand nicht. Andere Besprechungen sind etwas ausgewogener. In wie weit Bioshock eine ganz neue Generation von Rand-Anhängern (und -Gegnern) hervorgebracht hat, werden wir erst in einigen Jahren sehen.

  • Zu Steuererklärungen: Das Center for Responsive Politics hat die persönlichen Finanzdaten der Kongressabgeordneten benutzt, um ihre Vermögen zu schätzen. Die Ergebnisse sind von der Presse aufgegriffen worden:

    In the Senate, 68 legislators were estimated to be worth at least $1 million, led by Herb Kohl, a Democrat from Wisconsin, who was worth an estimated $214,570,011 in 2008. The average net worth across the Senate was $13,989,022.98.

    Interessant ist auch, in welche Unternehmen die Abgeordneten investiert haben. In Deutschland scheinen diese Angaben vertraulich zu sein, daher gibt es keine Vergleichsmöglichkeit.

Warum man Angelsachsen nicht trauen sollte (wenn sie darum bitten)

November 24, 2009

Unser heutiges Beispiel hat nichts mit Zombies oder Buffy zu tun. Denn dieser Autor hat (mit der für einen berufstätigen, bloggenden, zweifachen Familienvater üblichen Verspätung) Portal [YouTube] von Valve entdeckt.

[In diesem Eintrag werden Details aus dem Spiel genannt, was man neudeutsch als spoiler bezeichnet. Wer selbst noch Portal spielen will, sollte nicht weiterlesen.]

Es geht in dem Spiel darum, unter Aufsicht einer KI namens GLaDOS in einem Labor Physik-Rätsel mit Hilfe einer Art Kanone zu lösen, die Türen in Wand und Decke schießen kann. Das fängt sehr harmlos an, so harmlos, dass Kind Nummer Eins bei der Bewältigung der ersten Karten half (den restlichen Abend verbrachte es damit, der Katze hinterher zu rennen und dabei Speedy thing goes in, speedy thing comes out! zu schreien). Später entgleist alles und die Beziehung zur KI wird brüchig (Hervorhebung hinzugefügt):

Have I lied to you? I mean, in this room? Trust me.

Der weniger kinderfreundliche Teil der Geschichte gipfelt in einem offenen Zweikampf, geführt mit Raketenwerfern und Nervengas.

If you want my advice, you should just lie down in front of a rocket. Trust me. It will be a lot less painful than the neurotoxin.

Uns geht es um das „vertraue mir“ in beiden Sätzen. Faustregel: Wenn man trust me von einem Angelsachsen hört, ist das immer sehr verdächtig. Der interessierte Leser wird sich nicht nur an die Schlange in der Disney-Version des Dschungelbuchs erinnern, sondern auch an den letzten Satz von Beverly Hills Cop, als Eddie Murphy die beiden Polizisten in eine, äh, nicht ganz beamtengerechte Bar führen will:

I know the perfect place. You guys will love it. Trust me.

Trust me finden wir in dieser ironischen Form überall. Der BBC warf in der Serie Trust me, I’m a doctor einen bösen Blick auf das britische Gesundheitssystem. Aus den 70ern ist ein Witz über New Yorker überliefert:

Q: How do you say „fuck you“ in New York?
A: „Trust me“

Entsprechend ist trust me im Alltag meist ironisch gemeint, besonders wenn es mit ernster Miene vorgetragen wird. Wie wir in einem anderen Teil unserer (vernachlässigten) Serie über Humor sehen werden, sind ernste Angelsachsen grundsätzlich verdächtig. GLaDOS sing am Ende von Portal nicht ohne Grund:

I’m being so sincere right now.

Nee, ist klar. Bei einer Sache hat sie allerdings wirklich recht: Der Kuchen ist sehr, sehr lecker.

ZEUGS: Zombie-Paintball, Militär-Meditation und viel zu viele Katzen

November 17, 2009

Dieser Autor muss davon ausgehen, dass kaum jemand diesen Eintrag liest, denn bekanntlich ist heute morgen weltweit Left 4 Dead 2 freigeschaltet worden. Aus diesem Anlass — und weil Buffy immer noch in Tibet herumläuft herumfliegt — handeln unsere ersten Einträge von der Zombie-Apokalypse.

  • Zum V-Zeichen: Valve kann mit seinem Hand-Plakat niemand glücklich machen. Die Briten haben (inzwischen doch schon) gemerkt, dass die US-Variante bei ihnen eine unanständige Geste darstellt. Auf der Insel zeigen die verbliebenen Finger jetzt in die andere Richtung. Ärgerlicherweise wird in der Meldung das Märchen der britischen Bogenschützen weiterverbreitet, was in den Kommentaren aber schnell richtig gestellt wird.
  • Zu Halloween: Wir hatten davon gesprochen, dass sich das Prinzip des haunted houses noch in Deutschland durchsetzen muss. Worauf wir hierzulande vermutlich noch etwas länger warten können, ist ein Zombie-Paintball Spukschloss wie in diesem Jahr in Kalifornien. Der Hintergrund klingt sehr bekannt:

    You are an elite member of the weapon development specialists of Evike.com Corporation. Waking up to a survivor’s call, you found your team locked inside the corporate building with only one way out … With the weapons given to you by the survivor, you are to locate 5 fuses to power the generator to unlock the magnetic bolted gate. The building is running out of oxygen and a horde of undead awaits you. Complete this mission and alert the world of the infection.

    Die „Horde“ besteht aus 20 Freiwilligen, denen man genre-typisch in den Kopf schießen muss. Was diesen Autor etwas nervös macht, ist dass die Schönste Germanin letztens vor dem Hintergrund der Star FM Charity Games völlig überraschend erklärte, dass sie schon immer mal Paintball ausprobieren wollte. So ein Haunted House kommt uns nicht in den Keller!

  • Zu Plain English: Wie wir am Beispiel der Haikus gesehen haben, sind Computerspiele-Fans Schöngeister. Vor der Veröffentlichung von L4D2 haben sie ihre (offensichtlich reich bemessene) Freizeit damit verbracht, die Dialoge des Spiels in eine etwas anspruchsvollere Form zu bringen. So heißt es jetzt

    Furthermore, if at an impending exigency our intrepid coterie discovers a consummate paucity of ordnance and ammunition, our misanthropic adversaries will develop an ironically unfavorable disposition towards our circumstances.

    statt

    And if we run out of bullets … they gonna wish we hadn’t.

    Vielleicht ist es gut, dass es im 18. Jahrhundert noch keine Computer gab – so müssen wir nur auf den steampunk-Mod zu L4D2 warten. Dann hätten wir noch den Satz Vans — how I doth hate thee, was der interessierte Leser sofort als falsch erkennen wird.

  • Zu Alaska: Themenwechsel, angeregt durch 30 Days of Night: Hat sich der Kauf von Alaska für den amerikanischen Steuerzahler gelohnt? Eine Studie sagt nein (Original hier [PDF]). Vielleicht könnte man es an die Russen zurückverkaufen – wenn das restliche Öl erstmal abgepumpt ist, versteht sich.
  • Zur Transition Movement: Während wir vom Öl reden, reden die Peak-Oil-Leute von „Peak Gold“, denn angeblich hat die Welt das Gold-Produktions-Maximum überschritten. Aber keine Angst, das ist alles nur eine 6.000 Jahre alte Blase.
  • Zum Energieverbrauch: Teile der USA haben bekanntlich ein Ressourcen-Problem, das in Mitteleuropa eher unbekannt ist: Wassermangel. Hier gibt es mal gute Nachrichten: Wegen Sparmaßnahmen lag der Wasserverbrauch 2005 unter dem im Jahr 1975, obwohl die Bevölkerung seitdem um 30 Prozent zugenommen hat. Insbesondere eine größere Effektivität von Wasserkraftwerken und in der Landwirtschaft soll dafür verantwortlich sein.
  • Zu Religion und Militär: Wenn dieser Autor die Linklisten richtig deutet, suchen viele interessierte Leser nach Fotos von Wicca-Militärgrabsteinen. Der Link war etwas versteckt auf der Website von Circle Sancuary. In einigen Fällen gibt es die zugehörigen Biografien.

    This gravestone honors the life, service, and sacrifice of eighteen year old Stephen P. Snowberger III who was killed in action in Iraq on May 11, 2006. Stephen was a Wiccan soldier and member of the Baghdad-based Victory Base Open Circle, sponsored by the Sacred Well Congregation.

    (Man beachte den Gebrauch des Vornamens) Das US-Heer hat über den Victory Base Open Circle in Camp Liberty 2008 einen eigenen Artikel veröffentlicht, in dem von 4.300 pagans im amerikanischen Militär die Rede ist.

  • Zu Religion und Militär, nochmal: Das amerikanische Heer legt seinen 1,1 Millionen Soldaten seit diesem Herbst ein Warrior Mind Training nahe. Klingt aufregend, ist aber am Ende nichts anderes als klassische fernöstliche mindfulness Mediation in einer tarnfarbenden Verpackung.

    The benefits of Warrior Mind Training, students have told instructors, are impressive: better aim on the shooting range, higher test scores, enhanced ability to handle combat stress and slip back into life at home.

    Diese Techniken werden inzwischen auch an einigen amerikanischen Schulen gelehrt – zum Abbau von Aggressionen.

  • Zur Grobstruktur: Welche Macht in den USA die Wähler einer Kommune haben, sehen wir der Stadt Dudley in Massachusetts. Dort wurde per Volksentscheid beschlossen, dass man für die Haltung von mehr als drei Katzen eine Lizenz braucht. Hintergrund ist ein Nachbarschaftsstreit über die 15 Katzen der Mary Ellen Richards. Diese so genannten cat ladies gibt es natürlich auch in anderen Teilen der Welt –

    The typical person who gets caught with more pets than she can handle is a woman over the age of 60 who lives alone.

    – aber bei Angelsachsen sind sie eine Art kulturelle Ikone. Wenn dieser Autor sich richtig erinnert, lässt Terry Pratchett seine Figur Susan Sto Helit befürchten, dass sie break out in cats könnte. Wenn so etwas ansteckend wird, hätten wir schon das nächste Computerspiel.

Bye-bye Christian Soldiers – Religion im US-Militär

November 13, 2009

Der mutmaßliche Amoklauf eines muslimischen Militärpsychologen auf dem Stützpunkt Fort Hood gibt uns einen Anlass, etwas mehr auf das Thema Religion in den USA einzugehen.

Denn parallel zur Gesamtgesellschaft sehen wir auch in der Armee eine deutliche Zunahme der religiösen Vielfalt. Anders formuliert nimmt die Zahl der Christen unter den 1,4 Millionen Soldaten stetig ab. Zwar stellen sie immer noch bis zu drei Viertel der Truppe und damit die deutliche Mehrheit. Das US-Militär marschiert aber in großen Schritten darauf zu, die westlichen Streitkräfte mit einem der geringsten Anteile an Christen zu werden, wenn sie es nicht sogar schon sind (die Türkei klammern wir hier aus offensichtlichen Gründen aus). Das dürfte nicht nur den Taliban unklar sein.

Zuerst: Es ist unmöglich, genaue Zahlen über Religion in den amerikanischen Streitkräften zu bekommen. Bekanntlich darf der Bund in den USA wegen der Trennung von Kirche und Staat keine Daten zum Glauben erheben und die entsprechenden Angaben der Soldaten auf den Personalbögen sind freiwillig. In einer Studie [PDF] des unabhängigen Population Reference Bureau von 2004 wurde der Anteil der Christen in Uniform mit (gerundet) 68 Prozent angegeben und die der Atheisten und Religionslosen mit 21 Prozent. Keine Angaben machten elf Prozent. Generell seien amerikanische Soldaten weniger religiös als die Gesamtbevölkerung.

Vergleichbare Zahlen sind noch schwieriger. Angeblich sind 94 Prozent der britischen Soldaten Christen. Das klingt unwahrscheinlich – realistischer ist, dass dieser Anteil der gläubigen Soldaten Christen sind. Auch bei der Bundeswehr gibt es Probleme, weil gar keine Daten erhoben werden. Es soll 1.000 Muslime und 200 Juden unter den 250.000 deutschen Soldaten geben. Juden sind bekanntlich vom Wehrdienst befreit.

Allgemein haben westliche Armeen kein Interesse daran, viel über Religion zu sprechen – außer natürlich, wenn man gerade gegen Islamisten kämpft und bei jeder Gelegenheit betonen will, ganz viele ihrer Glaubensgenossen unter Waffen zu haben. Die Angaben zur Zahl der Muslime im US-Militär schwanken dabei deutlich, zwischen offiziell mehr als 4.000 und fünf Mal so viele:

The population of Muslims in the military has significantly increased within every branch of the Armed Forces over the past several years. By even the lowest estimates, there are currently more than 20,000 Muslim in the US Armed Forces and these figures are constantly increasing.

Religion kann man eigentlich nicht getrennt von einem ganzen Haufen anderer Faktoren betrachten. Bei einem Berufsheer – sprich, in so ungefähr jedem demokratischen Land außer Deutschland und Israel – gibt es immer den Vorwurf, dass die „Eliten“ nicht dienen und ihr Anteil in den Streitkräften geringer ist. Einige Kritiker wollen diesen Effekt im religiösen Aufbau der amerikanischen Armee erkennen:

You’d expect there to be 21,000 or so Episcopalians in uniform. There are only 9,600. You’d expect 33,000+ Presbyterians. There are 13,000. Lutherans, you’d expect 58,000. There are 35,000. Methodists? 83,000 expected. 44,000 in fact.

Baptisten und Mormonen sind dagegen überrepräsentiert. Das Population Reference Bureau sieht in seiner Studie ebenfalls einen Unterschied zwischen den Verteilungen in der Allgemeinbevölkerung und dem Militär, warnt jedoch ausdrücklich, dass die Zahlen schwer zu vergleichen sind.

Diese Diskussion ist zwar interessant, wird aber schnell heikel. Im Sommer 2009 lag die Zahl der US-Soldaten, die sich als Buddhisten bezeichneten – die drittgrößte Religion in den USA – bei etwa 5.300. Für das Heer wird die Zahl der Juden – die zweitgrößte Religion – mit etwa 4.000 angegeben, andere Quellen sprechen von 4.000 im ganzen Militär. Laut der Pew-Studie zu Religion [PDF] sind aber 1,7 Prozent der US-Bevölkerung Juden und 0,7 Prozent Buddhisten. Zieht man jetzt den Begriff der „Elite“ dazu, haben wir eine Debatte, an der sich dieser Autor nicht beteiligen wird.

Unbestritten ist dagegen, dass es überdurchschnittlich viele Evangelikale (evangelicals) unter den Christen im Militär gibt, besonders unter den Seelsorgern. Das dürfte dem interessierten Leser bekannt sein, denn in den Medien, ob amerikanischen oder deutschen, gibt es bei Religion und US-Armee nur ein Thema: Radikale Christen, für die Kriege angeblich nur eine willkommene Gelegenheit für die Missionierung sind. Vor einigen Wochen veröffentlichte die Huffington Post dazu eine Sammlung von Vorfällen mit dem Titel „Top Ten Ways to Convince the Muslims We’re On a Crusade“.

Ob die Radikalen wirklich so einflussreich sind oder nur sehr laut und nervig, ist allerdings umstritten. Selbst Humanisten zeigen sich skeptisch über eine Unterwanderung der Streitkräfte. Vermutlich müssten die Evangelikalen erstmal die Illuminati verdrängen.

Leichter zu fassen als der religiöse Jetzt-Zustand beim amerikanischen Militär ist die Entwicklung – weniger Christen, mehr Nicht-Religiöse, viele kleinere Glaubensgemeinschaften. Ein Beleg dafür ist der zunehmende Zank über Religion innerhalb der Streitkräfte.

Auch hier hört man am häufigsten von radikalen Christen, die andere Soldaten bekehren wollen. Der bekannteste Vorfall sind Beschwerden jüdischer Kadetten an der Luftwaffen-Akademie in Colorado Springs, die nach eigenen Angaben von Christen unter Druck gesetzt wurden. Der Kongress schaltete sich ein und ein Bericht der Luftwaffe bestätigte Fälle von religiöser Intoleranz:

[T]here was a failure at the academy „to fully accommodate all members‘ needs and a lack of awareness over where the line is drawn between permissible and impermissible expression of beliefs.“

Weil wir hier von Amerikanern reden, gibt es natürlich eine Klage, angestrengt von der 2005 gegründeten Bürgerrechtsgruppe Military Religious Freedom Foundation (MRFF). Deren Gründer Michael L. Weinstein, selbst Absolvent der Akademie, berichtet stolz über die Anfeindungen der Radikalen:

Satan, Satan’s lawyer, the Antichrist, That Godless, Secular Leftist, The Antagonizer of All Christians, The Most Dangerous Man in America and […] The Field General of the Godless Armies of Satan.

(Zu Satanisten im Heer des „Großen Satans“ gibt es gar keine verlässlichen Zahlen. Die Briten, inzwischen ja ein „Kleiner Satan“, haben mindestens einen.)

Experten erwarten weitere Klagen, und zwar nicht nur, weil es mit mehr Nicht-Christen auch mehr Gelegenheit zum Streit gibt, sondern weil die „Kleinen“ mit neuem Selbstbewusstsein auftreten. Jede Gruppe hat inzwischen eine Organisation, die für ihre Rechte eintritt wie die American Muslim Armed Forces and Veterans Affairs Council oder die Military Association of Atheists and Freethinkers (MAAF). Auch ohne die forschen Evangelikalen wäre Ärger programmiert.

Wir können die ganze Entwicklung am Beispiel der Wicca demonstrieren. Das ist eine Untergruppe der „Heiden“ (pagans), zu denen unsere geliebte Willow Rosenberg gehört. In den USA werden die Indianer-Religionen dabei getrennt von den Paganen geführt, wir reden hier also von „europäischen“ Heiden.

Zuerst die Entwicklung in der Gesamtbevölkerung, nach Daten der City University of New York von 1990 bis 2001:

Over the course of those 11 years, the survey went from tabulating 8,000 Wiccans nationally — that branch of Paganism was the only one to turn up — to 134,000 Wiccans, 33,000 Druids and 140,000 Pagans.

Die New York Times zitiert in dem Bericht zudem eine Expertin, die 2009 von 500.000 bis zu einer Million Paganen ausgeht. Die Pew-Studie fand für alle „New Age“-Gruppen einen Anteil von 0,4 Prozent, was bei 308 Millionen Amerikanern etwa 1,2 Millionen wären. Kurz: Es gibt immer mehr Heiden in den USA.

Im Militär sollen 1.800 Wicca dienen. Auch ihre Organisationen bieten Hilfe für die Opfer des Fort-Hood-Massakers an. Nach einem langen Kampf und einigen Klagen dürfen gefallene Pagane seit 2007 unter ihrem Zeichen beerdigt werden, dem pentacle. Bei den Wicca finden wir auch die Bereitschaft der Soldaten, für die Anerkennung ihres Glaubens offen einzutreten:

„I want to get to the point where you can say Pagan or Wicca and not get a bad reaction,“ said Staff Sgt. Katie McDaniel, 31, a Wiccan.

Der Streit über die Wicca im Militär tobt seit Jahren. Berühmt wurde der Ausspruch von George W. Bush als Gouverneur von Texas während des Wahlkampfs 2000:

I do not think witchcraft is a religion, and I do not think it is in any way appropriate for the U.S. military to promote it.

Dummerweise sieht das die amerikanische Verfassung anders, wie die Gerichte bestätigen: Wicca ist in den USA eine vollwertige Religion (ob Wicca dabei wirklich mit „Hexerei“ gleichzusetzen ist, ist nicht unser Thema). Bushs Gegenkandidat, der damalige Vize-Präsident Al Gore, wich der Frage übrigens aus.

Das Handbuch für Militärseelsorger geht inzwischen seitenweise auf Wicca ein und warnt davor, sie mit Satanisten zu verwechseln. Rund läuft alles allerdings nicht. Das Heer zog 2007 den Seelsorger Don Larsen nach seiner Konvertierung zum Wicca aus dem Irak ab und enthob ihn seines Amtes. Heute dient er bei der Nationalgarde von Idaho.

Aber auch bei den großen Religionen gibt es weiter Probleme. Die Seelsorger beim US-Militär müssen zum Beispiel einen Masters-Abschluss in Religion vorweisen. Dummerweise haben einige Religionen keine Priester und damit keine entsprechenden Seminare, allen voran der Buddhismus. Der erste buddhistische chaplain im Heer, Thomas Dyer, wurde in diesem Jahr nur deswegen zugelassen, weil der ehemalige Baptist noch als Christ seinen Abschluss machte (an dem Problem wird gearbeitet). Vor einigen Tagen wurde dem ersten Sikh gestattet, den Dienst mit Kopfbedeckung anzutreten, sehr zur Freude der amerikanischen Sikh Coalition. Auch diesem Fall ging ein jahrlanger Streit voraus.

Der Trend ist eindeutig. Als Freiwilligenarmee müssen die amerikanischen Streitkräfte damit klar kommen, dass immer mehr Leute aus verschiedenen Religionen Dienst tun oder gar keinem Glauben anhängen. Die Truppe muss sich anpassen.

Entsprechend wurde im Sommer 2006 in Quantico der erste Gebetsraum für muslimische Marines bereitgestellt. Einige Monate später eröffnete die Heeres-Akademie Westpoint eine ähnliche Stätte. Die viel gescholtene Luftwaffen-Akademie hat den ersten buddhistischen Andachtsraum der Streitkräfte eingerichtet – im Keller ihrer berühmten Kapelle. Aber immerhin.

Zumindest in den Elite-Einheiten ist man demonstrativ bemüht, die ganze Diskussion als völlig belanglos abzutun:

Petty Officer Third Class Nicholas Burgos, a Sunni Muslim training to be a Navy SEAL, or commando, says instructors sometimes goad him by calling him „Osama bin Burgos“ or asking if he’s training to help the Taliban. But „it’s all in good fun,“ he insists. „It’s all about how much mental stress you can deal with while you’re in training,“ Petty Officer Burgos says. „I just laugh or have a smirk on my face.“

Dies ist Dein Gehirn auf X – irgendwelche Fragen?

November 6, 2009

Dieser Autor hat zwar im Moment kaum Zeit zu schreiben, aber dafür wieder mehr Gelegenheit, Podcasts zu hören. Beim Durchstöbern der Listen fiel ihm folgende Episode von Buddhist Geeks auf:

This is Your Brain on Meditation

Das Thema ist ein Interview mit dem Gehirnforscher James Austin und ist faszinierend, wenn man zufällig ein wenig Neuroanatomie kennt:

Now, here again, the egocentric processing stream, having started visually in the occipital lobe, has its trajectory that moves upward and toward the parietal lobe in the dorsal part of the brain. In contrast, the allocentric processing stream, having also started occipitally, has its trajectory downward moving, toward the inferior temporal region, and then on into the interior frontal lobe.

Eigentlich erleuchtend einleuchtend. Uns interessiert allerdings hier mehr der Titel der Sendung, denn Konstruktionen mit this is your brain on finden wir in den USA ständig: Auf einem Sofa, auf Gott, auf Architektur, und, wie könnte es in diesem Blog anders sein, auf Zombies.

Das klingt nach einer Anspielung, und tatsächlich stammt diese Konstruktion aus einer Anti-Drogen-Kampagne aus den 80er und 90er Jahren. Dabei wird mit einem Ei bildlich gezeigt, was Rauschmittel mit dem Gehirn anstellen. Am Ende heißt es: Any questions? Die erste Version [YouTube] war noch etwas zahm und für, nun, Weicheier. Bei der zweiten Version [YouTube] geht es schon eher zur Sache, denn mit einer Bratpfanne lässt sich in der Küche jede Menge Schaden anrichten.

Die Schauspielerin der neuen Version, Rachael Leigh Cook, wurde landesweit bekannt. Sie tauchte später auch in einer Parodie der Warnung [Video] in der Animations-Serie Robot Chicken auf und zertrümmert dabei gleich die halbe Nachbarschaft.

Robot Chicken wiederum ist eine Erfindung von Seth Green, besser bekannt als der Werwolf Oz aus Buffy the Vampire Slayer. In der Serie geht er bekanntlich nach Tibet und lernt, seine tierischen Triebe zu bändigen – unter anderem durch Meditation. Wie das genau funktioniert, konnte dieser Autor nicht auf Buddhist Geeks finden. Aber es ist doch schön zu wissen, dass alles im Leben irgendwie zusammenhängt – spätestens natürlich, wenn man Buffy ins Spiel bringt.

ZEUGS: Halloween-Witze, das Ende der Wäscheklammer und bewaffnete Frauen

November 3, 2009

Halloween brachte dieses Jahr die Lehre, dass selbst sehr lange blaue Knicklichter nicht hell genug sind, um ein ganzes Gespenst von innen zu erleuchten. Trotzdem ein großer Spaß – wir haben die ersten Leute, die anfragen, ob sie Fotos vom Haus machen dürfen. Nächstes Jahr versuchen wir, Geräusche beizumischen.

Die Schönste Germanin schreibt fleißig an ihrem NaNoWriMo-Roman mit dem Titel Die Seele geht zu Fuß, und schon jetzt prügeln sich Brad Pitt und George Clooney um die männliche Hauptrolle bei der Verfilmung (man beachte das Genre). Da dieser Autor während dieser Zeit die Brut beaufsichtigt, werden die Einträge hier eher unregelmäßig kommen.

  • Zu Halloween liefern wir noch (sehr) schlechte Anmachsprüche nach. Darin kommt ein Merksatz für Kinder vor, den der interessierte Leser BK eingeschickt hat: stop, drop, and roll als Anleitung für das richtige Verhalten, wenn die Kleidung brennt. Und in dem Spruch des Engels haben wir ein weiteres Beispiel für die Probleme von Einheimischen mit ihrer Sprache: Hello, I am the answer to you’re [sic] prayers.
  • Zu Indianern: Zu den bizarreren Vorurteilen über Indianer gehört die Vorstellung, dass sie alle irgendwie Ökos sind und ihre Tage damit verbringen, den Rest der USA und Kanadas über die mangelnde Verdaubarkeit von Geldscheinen zu belehren. Der interessierte Leser DKS weist vor diesem Hintergrund auf einen Streit zwischen der Navajo-Regierung und Umweltschützern über ein Kohlkraftwerk und einer Zeche auf dem Boden der Indianer im Südwesten hin.

    Last month, [Navajo Präsident Joe] Shirley criticized the Sierra Club, Grand Canyon Trust and other green organizations for interfering with Navajo sovereignty and caring more about insects or fish than the lives of Native Americans.

    Der Fall ist ziemlich kompliziert – zu kompliziert für einen ZEUGS-Eintrag – aber es geht, wie überall auf der Welt in solchen Situationen, um Arbeitsplätze und Geld (und darum, dass Shirley nicht an den Klimawandel glaubt). Die New York Times weist auf die wirtschaftlichen Faktoren für die Navajo und den benachbarten (und verfeindeten) Stamm der Hopi hin:

    On the Hopi reservation, revenues from coal mined by Peabody Energy in northern Arizona’s Black Mesa area make up 70 percent of the tribe’s $15 million budget. On the Navajo Nation, those revenues make up nearly 10 percent of the tribe’s budget.

    Moment, werden die Half-Life-Fans jetzt sagen, reden wir von der Black Mesa Forschungsanlage? Vielleicht, die soll ja in New Mexico liegen. Aber dieser Autor würde empfehlen, sich an die Leute von Aperture Science [YouTube] zu wenden. The cake is not a lie!

  • Zum Energieverbrauch und dem Wäscheleinen-Kampf: In den USA hat der letzte Hersteller von Holz-Wäscheklammern, National Clothespin of Montpelier, die Fertigung eingestellt. Der Grund:

    [L]ack of demand. Some 80 per cent of US households own and operate a tumble dryer, with millions more of us going down the street to a laundromat. The average American household dries eight loads of washing a week; over 2 million households do 15 loads a week or more.

    Natürlich werden die Dinger noch gekauft, aber halt woanders hergestellt. Dabei haben die Amerikaner die Wäscheklammer erfunden – genauer gesagt, die Christengruppe der Shaker.

  • Zu Umweltschutz allgemein: Der britische Öko Sami Grover hat als an Englishman in North Carolina zwei „grüne“ Listen aufgestellt: Five Things I Love about America und Five Things I Hate About America. Was ihm als Europäer übel aufstößt, ist zum Beispiel das Misstrauen gegenüber allem, was mit der Regierung zu tun hat; umgekehrt ist er begeistert von den amerikanischen non-profits. Dieser Autor hatte vor diesem Eintrag noch nie etwas vom veganischen Wettessen gehört.
  • Zu Deutsch im Englischen: Wie viel Deutsch kann man einem durchschnittlichen englischsprachigen Filmzuschauer zumuten? Dieser Autor hat sich inzwischen die norwegische Komödie Dead Snow ausgeliehen, und der Untertitel auf der DVD lautet: „Eins! Zwei! Die!“ (die IMDB spricht leider von „Ein!“). Zumindest bis drei Zählen sollte man also können. Der interessierte Leser EH weist außerdem auf das Wort zeitgeist hin, das durch Google populär gemacht wurde.
  • Zu Waffenrecht: Wir haben darauf hingewiesen, dass immer mehr Amerikaner gegen strengere Waffengesetze sind. Die britische Zeitung Telegraph beleuchtet einen Grund dafür: Die zunehmende Zahl von Frauen, die sich an der Schusswaffe ausbilden lassen.

    „It started with one camp in 2004 and now we’re planning 15 to 20 camps for 2010,“ said Debbie, who has helped recruit over 1,000 women to the shooting world. […] The women-only gun camps are particularly popular with women over the age of 35, up to those in their 60s.

    Man beachte den Hinweis auf die pinke Kaliber-.22-Faustfeuerwaffe. In der Zwischenzeit hat das Blog StrategyPage eine Analyse zu den gefallenen US-Frauen im Irak-Krieg gezogen. Wie sehr sich die Situation beim Militär geändert hat, konnte man die Tage im Fernsehen bei der Wiederholung von Independence Day sehen: Keine Soldatin weit und breit. So könnte man heute, 13 Jahre später, keinen Film mehr drehen, ob mit oder ohne Will Smith.

[Mehrere Links wurden über Instapundit gefunden, vielen Dank]