Vor einigen Jahren, als die Schönste Germanin noch bei einem Dotcom arbeitete, entdeckte sie während einer USA-Reise mit diesem Autor ein Plakat in einem Rekrutierungsbüro der Marines. Der Text lautete ungefähr so:
We’d promise you sleep deprivation, mental anguish, and muscles so sore that you’ll puke, but we don’t like to sugarcoat things
(To puke ist umgangssprachlich für „kotzen“). Das schien ihr genau der richtige Spruch für die Wand hinter ihrem Schreibtisch zu sein. Also ging sie in das Büro hinein.
Der diensthabende Marine – sehr groß, breitschultrig, schwarz, perfekt gekleidet – begrüßte sie mit einem Grinsen und der Frage, ob sie eine Marineinfanteristin werden wolle, worauf sie mit einem betont deutschen Akzent etwas im Sinne von „Mit Sicherheit nicht“ sagte – aber das Plakat da hätte sie gerne. Das war wohl nicht so einfach, denn es gab kaum welche davon. Aber die Schönste Germanin lächelte, was immer die erstaunlichsten Dinge möglich macht, und einige Tage später hatte er ein zweites Exemplar. Zum Dank brachte sie ihm kurz darauf Plätzchen vorbei, und zwar als er gerade in einer Diskussion mit einer ganzen Gruppe anderer Soldaten war. Seinem Grinsen nach zu urteilen hatte er nicht im geringsten vor, ihnen den Hintergrund zu erklären.
Die Bundesrepublik ist eine der letzten großen Demokratien, die noch eine Wehrpflicht haben. Damit entfallen in Deutschland nicht nur die Anwerbeprogramme und -Büros, die den Bürger zum Dienst an der Waffe ermuntern sollen, sondern auch die ganzen Witze, die Kritik und natürlich auch die politische Debatte, die daraus folgt. Denn in Staaten mit professionellen Armeen hat jede Teilstreitkraft einen besonderen Werbespruch, einen Slogan, wenn man so will, auch wenn einige wohl lieber von einem Motto sprechen würden.
In Kanada ist es Fight with the Canadian Forces – Fight fear, fight distress, and fight chaos, in Großbritannien Be the best für die Army und in Australien The Army. The Edge. Die Niederländer haben auch Werbung, aber dieser Autor hat nur verstanden, dass es zwecklos ist, niederländischen Soldaten unter der Dusche das heiße Wasser abzudrehen. Wir beschränken uns daher vielleicht besser auf englischsprachige Länder.
Das US-Heer hat sich jetzt für einen neuen Slogan entschieden: Army Strong. Der alte, An Army of One, wurde erst Januar 2001 eingeführt nach etwa 20 Jahren mit Be all you can be. Der Umbruch kommt also vergleichsweise plötzlich. Hintergrund sollen die Rekrutierungsprobleme im Jahr 2005 sein, obwohl die Ziele für 2006 – 80.000 neue Soldaten für das Heer – wieder übertroffen wurden.
Army Strong wurde von der Werbeagentur McCann Worldgroup ausgedacht, was den amerikanischen Steuerzahler eine Milliarde Dollar über vier Jahre kosten wird. Zusammen mit dem Slogan gibt es eine Reihe von neuen Materialien wie ein Video, das man bei YouTube schon sehen kann. Die koordinierte Werbekampagne soll kurz vor Veterans Day beginnen, dem 11. November.
Andere bekannte amerikanische Militär-Slogans sind oder waren Cross into the blue für die Air Force, das inzwischen auf Do something amazing umgestellt hat (was wenigstens bei der Übersetzung nicht unfreiwillig komisch wird). Die Marines benutzen seit längerem The Few. The Proud. in Abwandlung eines Anwerbespruchs von 1799. Die Navy hat Accelerate your life und die Küstenwache Ready today, preparing for tomorrow.
Als Werbekampagne dürfte im Ausland allerdings immer noch das Plakat von James Montgomery Flagg [JPG] aus dem Ersten Weltkrieg am bekanntesten sein, auf dem die Symbolfigur der USA, Uncle Sam, auf den Betrachter zeigt und erklärt: I want YOU for U.S. Army. Was die meisten nicht wissen, ist dass es von einem britischen Plakat inspiriert wurde.
[Der aufmerksame Leser wird ein Detail bemerkt haben: Flaggs Plakat hat „U.S.“ (mit Punkten) und Army Strong „US“ (ohne Punkte). Die Frage der Abkürzung ist einen eigenen Eintrag wert.]
Kritiker und Witzbolde haben natürlich eine ganze Reihe von inoffiziellen oder „echten“ Slogans für das Militär parat. Einige sind zynisch (Risk your life for freedoms nobody appreciates), andere sind kritisch –
Be All That You Can Be — Unless You’re Gay, In Which Case Be About Six Inches Less Outgoing Than You Can Be
– oder haben einen Humor, der, nun, nicht immer wirklich germanisch ist. Der bekannteste Spruch dieser Art dürfte Peace through superior firepower sein, das inoffizielle Motto dieses Autors bei Diablo II.
Wer diese Sprüche durchliest, wird feststellen, dass viele von Mitgliedern einer Teilstreitkraft sind, die Witze auf Kosten einer anderen machen. Diese Tradition wird damit erklärt, dass das die einzigen „Feinde“ sind, die durchhalten – in Großbritannien und Spanien herrscht inzwischen das Parlament, der Faschismus ist besiegt, die (echten) Kommunisten werden rar und selbst Castro schwächelt, aber die Navy hat nach 220 Jahren immer noch die Marines am Hals (oder umgekehrt). Und so darf es nicht nicht wundern, wenn es neben den vorhersehbaren Witzen wie Army strong, verbs hard auch jede Menge Gegenslogans wie Air Force smart oder Marines better gibt.
Wird sich die Bundeswehr auch irgendwann diesem Spott stellen müssen? Bislang schützt sie die Front der Wehrpflichtbefürworter. Als Berufsarmee würde sie aber nicht umhin kommen, sich ebenfalls moderner Marketingmethoden zu bedienen, mit TV-Spots, Image-Kampagnen, Plakaten und Rekrutierungsbüros. Und natürlich Slogans. Vielleicht bringt dann irgendwann eine schöne Angelsächsin auch mal Plätzchen vorbei.