Archive for Oktober, 2010

ZEUGS: Halloween: Deutsche Varianten, Gandalf der Gelbe und paranoide Amis

Oktober 31, 2010

Inzwischen kommt sich dieser Autor etwas albern vor, Halloween zu erklären. In diesem Jahr scheint eine kritische Masse erreicht oder eine Schwelle überschritten worden zu sein, denn das Fest ist überall: Selbst bei der Online-Bestellung von RAM für den MacBook der Schönsten Germanin gab es ein Sonderangebot, obwohl im Moment nicht einmal die Preise gruselig sind.

Auch bei den Jack-O-Lanterns nimmt die Kunstfertigkeit deutlich zu. So steht in einem Vorgarten auf dem Weg zum Kindergarten von Kind Nummer Zwei eine Variante des berühmten kotzenden Kürbisses. Noch nicht ganz der Todesstern, aber der erste Schritt dahin. Viel hat sich verändert seit 1984, als die Ehrenwerten Eltern die Samen aus den USA selbst mitbringen, die Kürbisse selbst züchten und einige davon den dankbaren Mitarbeitern der US-Botschaft geben mussten, weil die großen Varianten in Deutschland nicht zu bekommen waren.

Das wirft allerdings die Frage auf, warum es immer noch kein Candy Corn in Deutschland gibt. Nochmal: Es ist Halloween und es gibt kein Candy Corn. Hallo? Erkennt hier denn niemand eine Marktlücke, wenn er sie sieht?

  • Zusammen mit dieser Entwicklung schreitet wie erwartet die Germanisierung von Halloween voran – das Fest bekommt eine eigene, charakteristische Note. Kind Nummer Eins wartet dieses Jahr unaufgefordert (für Nicht-Eltern: überall, ohne Unterlass und mit voller Lautstärke) mit gleich drei deutschen Reimen auf:

    Rummel, Rummel, Reister
    Wir sind die bösen Geister
    Wollt ihr uns vertreiben
    Oder sollen wir bleiben?
    Tut ihr nix in unseren Sack
    Nehmen wir euch huckepack
    Tut ihr doch was Schönes rein
    Gehen wir alle artig Heim

    Geister schreien
    Hexen lachen
    Gibt uns Süßes
    Sonst wird’s krachen

    Ich bin der Geist von Nebenan
    Gibt mir Süßes
    Sonst seid ihr dran

    Den ersten Reim hatten wir schon einmal im Blog.

  • Während wir in Deutschland sind, etwas zu den einheimischen Varianten: Der interessierte Leser WH erzählt, dass er als Kind an Silvester (!) von Tür zu Tür gelaufen ist, in Lumpen gekleidet und mit Kohle im Gesicht, und um Geld bettelt hat. Der interessierte Leser ML bemerkt, dass es die Rummelboodse nicht nur im Odenwald, sondern auch im Saarland und Rheinland-Pfalz gab; RB und JB weisen auf das Rübengeistern hin. Der verlinkte Wikipedia-Eintrag hat eine Liste mit verschiedenen Bräuchen und ihren Heimatregionen. — Dieser Autor vermutet, dass diese Traditionen die Verbreitung von Halloween in Deutschland erleichtert haben, weil das Grundprinzip schon bekannt ist. Etwa so, wie das christliche Weihnachten sich leichter am heidnischen Sonnenwendfest ansiedeln ließ.

    Moment, sagte jemand Heiden?

  • Der BBC nutzt Halloween als Aufmacher für eine Studie der Wicca in Großbritannien. Dort sind Pagane als Thema gerade schwer angesagt, denn das Druid Network ist offiziell als Religion [PDF] anerkannt worden. In dem Bericht wird Halloween allerdings nur als Aufmacher benutzt und dann nie wieder erwähnt. Tatsächlich lehnen tiefgläubige Pagane Halloween genauso ab wie radikale Christen. Andere sehen das lockerer:

    I’ve been Pagan for over two decades, and just don’t feel that a gaggle of kids collecting candy and dressed like the Jonas Brothers has any bearing whatsoever on my religious obligations or needs. My ancestors know that I honor them and respect them, and they don’t seem to be troubled by my love of Reese’s Peanut Butter Cups.

    Wicca feiern am 31. Oktober ausdrücklich nicht Halloween – ein angelsächsisches Kinderfest mit zunehmend weltweiter Verbreitung – sondern Samhain. Christen feiern am 24. 25. Dezember schließlich auch nicht die Sonnenwende, sondern die Geburt von Jesus Christus. Nebenbei: Resse’s Peanut Butter Cups sollten auch schleunigst eingeführt werden, direkt nach Candy Corn.

  • Beim BBC finden wir auch einen Bericht über Halloween in Großbritannien. Etwas seltsam: Einerseits soll es demnach dort herkommen (das behaupten die Inselaffen immer, auch wenn es dadurch nicht wahrer wird), auf der anderen Seite die britische Kultur gefährden, irgendwie. Es sind hier die Anhänger von Bonfire Night, die über Halloween schimpfen. Umsonst:

    The British supermarket chain Waitrose […] is selling 13% more pumpkin carving kits, 21% more decorations and a scarcely credible 676% more large pumpkins than last year.

    Das ist die amerikanische Rache für 1812. Bury them in pumpkins!

  • Noch mehr Kulturmix, weil alles verschmilzt: Ein bento ist japanisches Essen für unterwegs. Das kann man schön dekorieren, aktuell dann als Halloween-Bento. Die Schönste Germanin macht unsere abgeschnittenen Finger mit Würstchen.
  • Forschung und Entwicklung: Das Wissenschaftsblog Discover hat eine Liste der sechs gruseligsten Berichte zusammengestellt, darunter Exorcism-resistant ghost possession treated with clopenthixol:

    Many cultures give rise to apparently genuine cases of ghost possession. Neuroleptics may relieve symptoms of exorcism-resistant possession.

    Ob das gegen Zombies hilft, wurde leider nicht untersucht.

  • Spuken und lesen: Der Autor Neil Gaiman (American Gods, Sandman) schlägt eine Erweiterung von Halloween vor: Nicht nur Süßigkeiten, sondern auch Bücher sollen verschenkt werden.

    I propose that, on Hallowe’en or during the week of Hallowe’en, we give each other scary books. Give children scary books they’ll like and can handle.

    Das ist ein sehr angelsächsischer Vorschlag. Die Vorstellung, dass Sich-Fürchten zu Halloween dazugehört, hat es bislang nicht über den Atlantik geschafft. Es gibt kaum deutschsprachige Grusel-Kinderbücher (noch eine Marktlücke) und selbst Kind Nummer Eins‘ scary-Ausgabe von You Read to Me, I’ll Read to You wird von germanischen Eltern im Freundeskreis mit Sorge betrachtet. Merke: Gory rhymes with story, selbst für die Kleinen. Gaiman hat eine Website für sein Projekt aufgebaut und nennt es All Hallow’s Read.

  • Zu Apple, weil wir MacBooks erwähnt haben: Das ultimative Horror-Kostüm für Windows-Fans ist iWearDress like Steve Jobs! Wem das nicht gefällt, kann sich von amerikanischen Prominenten leiten lassen. Mit birthday suit ist dabei die Kleidung gemeint, die man zur Geburt anhatte, nämlich gar keine. Von Alyson „Willow“ Hannigans Känguru-Kostüm (mit Baby am Bauch) gibt es Fotos [JPG].
  • Über Eltern: Das „Wall Street Journal“ bespricht stranger danger und die Sorgen – benutzt wird das Wort paranoiavon amerikanischen Eltern zu Halloween. Die neuste Variante:

    Across the country, cities and states are passing waves of laws preventing registered sex offenders from leaving their homes — or sometimes even turning on their lights — on Halloween.

    Zur Erinnerung: In den meisten Bundesstaaten ist der Wohnort von Sexualverbrechern öffentlich bekannt (inzwischen auch als iPhone App mit augumented reality). Tatsächlich ist Halloween statistisch gesehen einer der sichersten Tage des Jahres, weil so viele Leute unterwegs sind. Offenbar gibt es auch keinen einzigen beschriebenen Fall von vergifteten Süßigkeiten. Trotzdem treibt die amerikanische Presse jedes Jahr die Panikmache weiter. Vermutlich ist es daher nur eine Frage der Zeit, bis ihre deutschen Kollegen ebenfalls die Hysterie-Maschine anwerfen. Diesen Teil von Halloween können die Deutschen ruhig in den USA lassen.

  • Die wirkliche Gefahr für Kinder: Verkehrsunfälle. In Deutschland dürfte sie noch größer sein, denn nicht allen Autofahrern ist bewusst, dass an diesem Abend kleine Leute in dunklen Kostümen unterwegs sind. Dieser Autor begleitet die Horde daher als „Gandalf the Yellow“: Mit leuchtend gelber Regenjacke und einem gelben Knicklicht auf einem langen Stab. So stellt er sich wenn nötig auf die Straße und brüllt mit britischem Akzent You cannot pass! während die Kinder die Fahrbahn überqueren. Funktioniert – nur den Spruch, den versteht irgendwie keiner. Vielleicht muss der Bart länger wachsen?
  • Aber die Zähne! Okay, das ist ein Problem. Der Trick ist, ganz viel auf einmal zu essen statt über Stunden immer wieder zu naschen. Und Fluoride nicht vergessen.
  • Noch mehr Jack-O-Lantrens von xkcd. Dieser Autor ist sich nicht sicher, ob er wirklich die Anspielung auf das Auswahlaxiom verstanden hat – können wir nicht bei Physik-Katzen bleiben [JPG]?
  • Schließlich die etwas andere Halloween-Kunst, denn es muss nicht immer Gemüse sein: Künstler in Großbritannien basteln Halloween-Szenen in aufklappbaren Kisten. Zum Ausschneiden und selbermachen für das Fenster.

[Mit Hinweisen von Instapundit und Frau Lostinabadbook, vielen Dank]

Warum „ländliche Angelegenheiten“ bei Shakespeare unanständig sind

Oktober 26, 2010

Warum bloß hat dieser Autor Beispiele aus TV-Serien wie Buffy oder Star Trek genommen statt bei den hochgeistigen Literaturklassikern zu bleiben? Es stellt sich heraus, dass jede Menge interessierte Leser solche Serien im Original schauen. Und das führt zu Nachfragen, die in einem guten Familienblog eigentlich keinen Platz haben.

TH zum Beispiel hat Veronica Mars geguckt und will jetzt wissen, worauf Kristen Bell in der Folge „Look Who’s Stalking“ anspielt (Hervorhebung hinzugefügt):

Veronica: Mrs. C! I trust you’re well.
Kendall: Why, if isn’t little miss teen getaway. Your dad and I were just dealing with a little trouble.
Veronica: Like „trouble“ with a capital T, that rhymes with C, that stands for –
Keith: Veronica!
Veronica: I was gonna say cute.

Sicher, Veronica, sicher. Für die Uneingeweihten: Kendall (gespielt von Charisma Carpenter aus Buffy) und Veronica mögen sich nicht. Wirklich absolut überhaupt gar nicht. Das einzige Wort, das hier passt, ist damit eindeutig cunt. Das erklärt auch die Reaktion von Veronicas Vater Keith.

Cunt – „Fotze“ – ist eines der schlimmsten Schimpfwörter der englischen Sprache und taucht daher bei den „sieben schmutzigen Wörtern“ auf, die man im amerikanischen Antennen-Fernsehen nicht aussprechen sollte. Einige Feministinnen wollen das Wort „zurückholen“ (to reclaim). Entsprechend finden wir es bei den Vagina Monologues [YouTube].

Es gibt eine Debatte, ob das Wort in anderen englischsprachigen Ländern als genauso schlimm empfunden wird, was bei der Diskussion über die Altersfreigaben von Kick-Ass wieder hochkam. Amerikaner sagen den Briten nach, mit dem Wort hemmungslos um sich zu werfen, was auch an Trainspotting [YouTube] liegen dürfte. Dieser Autor kann dazu nichts sagen, denn er kennt nur höfliche Engländer, vermutlich eine Folge seines völligen Desinteresses an Fußball.

Wie auch immer, als höflicher Ersatz dient die Formulierung the c-word. In einigen Texten findet man die etwas anspruchsvollere Umschreibung country matters. Aber wer Hamlet in der Schule durchgenommen hat, weiß das schon.

Wie, nicht? Hat der Englischlehrer das etwa verschwiegen? Tsk. Dann schauen wir uns Akt 3, Szene 2 genauer an (Hervorhebung hinzugefügt):

Hamlet: Lady, shall I lie in your lap?
Ophelia: No, my lord.
Hamlet: I mean, my head upon your lap?
Ophelia: Ay, my lord.
Hamlet: Do you think I meant country matters?
Ophelia: I think nothing, my lord.

Wenn man die Zeile laut aufsagt (bitte vorher sicherstellen, dass keine Angelsachsen in Hörweite sind) und den ersten Teil von country betont, wird es ganz deutlich. Oder, wie es in den Kommentaren einer anderen Ausgabe so zart umschrieben wird:

Hamlet’s use of the word „country“ is probably a rude and indecent pun.

Das probably ist hier unnötig: Shakespeare ist voll von unanständigen Anspielungen, Hunderte, deren Besprechungen ganze Bücher füllen. Manchmal ist es offensichtlich, wie am Anfang von Romeo and Juliet, wo Jungfrauen (unter anderem) gegen die Wand gedrückt werden sollen. In anderen Fällen wie hier bei Hamlet liest sich das auf dem Papier eher harmlos; erst wenn die Schauspieler auf der Bühne alles richtig betonen, versteht man, was gemeint war. Und teilweise hat sich Englisch über die Jahrhunderte so verändert, dass man heute selbst Muttersprachlern den Witz erklärt muss.

Auch in unserem Fall ist die Passage eigentlich noch viel unanständiger:

[N]othing is a double-entendre; „an O-thing“ (or „’n othing“, or „no thing“) was Elizabethan slang for „vagina“.

Mit diesem nützlichen Wissen ausgerüstet mag der interessierte Leser sich noch einmal den obigen Ausschnitt vornehmen – Ophelias I think nothing, my lord ist doppeldeutig. Genauso geht es weiter:

Hamlet: That’s a fair thought to lie between maids‘ legs.
Ophelia: What is, my lord?
Hamlet: Nothing.

Ja, der gute alte Will bietet halt etwas für jeden Anspruch, einer der Gründe, warum man ihn ein Genie nennt. Das gleiche Wortspiel findet sich im Originaltitel von „Viel Lärm um Nichts“, Much Ado About Nothing:

„As Shakespeare’s title ironically acknowledges,“ Gordon Williams writes in Shakespeare’s Sexual Language, „both vagina and virginity are a nothing causing Much Ado.“

Zum Glück für die Amerikaner hilft die Boulevardpresse, etwaige Bildungslücken zu stopfen. Deutsche Schüler verpassen dagegen den Spaß (wobei dieser Autor nicht weiß, ob das ihren Lehrern überhaupt auf der Uni beigebracht wird). Völlig außen vor stehen die faulen Schüler, die nur eine deutsche Shakespeare-Ausgabe zu Hilfe nehmen, statt sich durch die englischen Fußnoten zu kämpfen:

Hamlet: Denkt Ihr, ich hätte erbauliche Dinge im Sinne?
Ophelia: Ich denke nichts.
Hamlet: Ein schöner Gedanke, zwischen den Beinen eines Mädchens zu liegen.
Ophelia: Was ist, mein Prinz?
Hamlet: Nichts.

Hier hat der Übersetzer keine Chance: Die Doppeldeutigkeiten lassen sich nicht retten und damit verliert die ganze Passage ihren Witz. Wir hatten über die ans Zwanghafte grenzende Liebe der Angelsachsen zu Wortspielen gesprochen — jetzt sehen wir den Großmeister bei der Arbeit. Und verstehen, warum Angelsachsen bei Shakespeare-Übersetzungen schaudern. Ach armer Yorick!

Bevor jemand fragt: Nein, dieser Autor weiß nicht, wie die Passage im klingonischen Original lautet. Bedenkt man, wie alle Beteiligten am Ende von „Looking for par’Mach in All the Wrong Places“ auf die Krankenstation humpeln, will dieser Autor das vielleicht auch gar nicht wissen. Klar ist, wir bleiben in diesem Blog bei den Beispielen aus der Populärkultur — die Klassiker sind einfach viel zu versaut.

ZEUGS: Gott, Atombomben und Halloween

Oktober 23, 2010

Viele, viele Links zu Videos diesmal.

  • Zu Meinungsfreiheit und Religion: Die interessierte Leserin RZ hat noch weitere Bilder von der Gegendemonstration der Comic-Fans gegen die Westboro Baptist Church eingeschickt. Einige Anspielungen dürften für den Nicht-Experten etwas schwierig sein: All Glory Darkseid Is ist nicht eine Yoda-Version von „Ehre der Dunklen Seite der Macht“ für Leute mit Rechtschreibschwäche, sondern ein Gegner von Superman. In dem beigefügten Video finden wir neben dem Plakat God needs a starship (was wir nun wirklich als bekannte Anspielung voraussetzen können) ein Interview mit Jesus persönlich. Ja, Jesus. Die Westboro Church ist so nervig geworden, dass sich inzwischen der Supreme Court mit ihr beschäftigt. Wehe, dieser Autor muss den Eintrag umschreiben.
  • Zum Wizard of Oz: Der interessierte Leser JT verweist auf eine Wahlwerbung [YouTube] bei der die Präsidentin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi als böse Hexe daherkommt. Verantwortlich ist der Republikaner John Dennis, der gegen sie antritt.
  • Zur ersten Atombombe: In der jüngsten Ausgabe des Geek-Comics xkcd ist von soh-cah-toa die Rede. Wer? Ein, äh, berühmter Indianer-Häuptling:

    This man’s history and accomplishments are clouded by time, but over the years he has single-handedly helped countless Trigonometry students memorize the formulas for angle functions in a right triangle.

    Es ist also ein Merkspruch. Nicht vergessen, wenn man den Mauszeiger auf der xkcd-Zeichnung ruhen lässt, gibt es einen weiteren Kommentar.

  • Zu Atombomben, nochmal: Der japanische Künstler Isao Hashimoto hat eine Zeitraffer-Darstellung aller Atombomben-Explosionen auf der Erde (außer den nordkoreanischen) zusammengestellt. Wer sich in den 50ern langweilt, soll bloß durchhalten – in den 60ern geht es richtig los. Faszinierend.
  • Zu Namen in den USA: Der interessierte Leser IM verweist auf einen Sketch des Komikers Louis C.K. [YouTube], in dem dieser auf eine sehr eigene Art beschreibt wie es ist, in einem Land ohne Gesetze zur Namensgebung zu leben.
  • Zu Alu-Hüten: Der interessierte Leser TM weist darauf hin, dass auch die Russen diesen wichtigen Schutz [YouTube, ab etwa 2.45 Minuten] kennen. Dort sind die „psychotronischen Experimente“ des KGB dafür verantwortlich – „die machen das so, dass alles schwingt“.
  • Zu Halloween: ScienceDaily analysiert in einem kurzen Beitrag die Entwicklung des Sackinhalts:

    When trick-or-treating entered the American scene in the 1920s, neighbors gave children items like apples, pastries, breads and even money. So why, 40 years later, are there $1 billion in candy sales each Halloween?

    Äh. Vielleicht weil Schokolade besser schmeckt? Auch in diesem Jahr haben die besten Eltern der Welt zwei Tüten mit candy corn geschickt. Ja, sie sind schon weg. Räusper.

  • Zu Haunted Houses, nochmal, weil die Suchanfragen dazu wieder zunehmen: io9 hat eine Liste der zehn schaurigsten Spukhäusern in den USA zusammengestellt. Man beachte die Verwendung eines safety words beim Vortex Theater in New York, etwas, das der interessierte Leser eher aus einem anderen Zusammenhang kennen – der Buffy-Folge „Consequences“ natürlich. Wie auch immer, Spukhäuser gehören zu dem Teil von Halloween, der noch nicht ganz in Deutschland angekommen ist.

Wenn Angelsachsen mit Büchern werfen

Oktober 20, 2010

US-Präsident Barack Obama ist bei einem Auftritt mit einem Buch [YouTube] beworfen worden. In den deutschen Medien fand das nicht viel Beachtung, wohl unter anderem weil hierzulande der Symbolgehalt fehlt: to throw the book at somebody bedeutet, ihn so hart wie möglich zu bestrafen oder auch alle möglichen Anklagepunkte gegen ihn aufzuführen.

Buffy-Fans wissen das natürlich. In der Folge „Who are You“ ist Buffy in Faiths Körper gefangen. Dummerweise weiß das niemand. Noch blöder: Faith wird wegen Mordes gesucht und soll zum Wächterrat nach England gebracht werden.

Willow: I hope they throw the book at her.
Giles: I’m not sure there is a book for this.
Willow: They could throw other things.

Die Übersetzer haben diesmal das Problem gut gelöst, auch wenn Giles‘ nachdenkliche Bemerkung zu den Grenzen der Justiz in einen Tadel umgewandelt wurde:

Willow: Die müssten ihr die Vorschriften um die Ohren hauen.
Giles: Na, dazu sind Vorschriften wohl nicht da.
Willow: Dann sollen sie einfach so zuhauen.

Zurück zu Obama: In diesem Fall handelte es sich offenbar nicht um einen Protestakt, sondern um den Versuch des Autors, für das Buch Werbung zu machen. Wir können davon ausgehen, dass die Beamten vom Secret Service gerade E-Book-Fans geworden sind.

FanFic oder wenn Buffy vor Harry Potters Augen endlich Edward tötet

Oktober 15, 2010

Die Schönste Germanin hat ein Hobby: Sie liest in großen Mengen Geschichten aus der Literaturgattung des fan fiction. Das führt in Deutschland schon mal zu Verwirrung, nicht nur, weil das hierzulande kaum jemand kennt: Der Begriff wird umgangssprachlich zu fanfic verkürzt, auf Englisch natürlich völlig harmlos, auf Deutsch, äh, weniger. Inzwischen hat es dieser Autor satt zu erklären, was seine Ehefrau fast jeden Tag auf dem Sofa (am Arbeitstisch, in der Küche, im Bett) macht, besonders wenn dann ständige gewisse Missverständnisse auftreten. Deswegen gibt es jetzt einen Text dazu.

FanFics sind Geschichten, die im Universum eines Romans, Films oder Comics spielen, aber nicht von dem ursprünglichen Autor geschrieben wurden. So wie der Begriff verstanden wird, gibt es dafür kein Geld, die Rechte verbleiben beim Schöpfer. Veröffentlicht wird heute fast ausschließlich im Internet. Die Schönste Germanin hängt bei dem riesigen Archiv von FanFiction.Net ab (eine sehr viele kleinere deutsche Site ist FanFiktion.de).

Das Grundprinzip gibt es natürlich schon lange. Die englische Wikipedia verweist auf Varianten von Tausend und eine Nacht und Teilen des Ramayana aus Indien. Bekannter in unseren Breiten ist Rosencrantz and Guildenstern Are Dead, ein Bühnenstück von Tom Stoppard aus dem Jahr 1966 — Hauptdarsteller sind zwei Nebenfiguren aus Hamlet. John Gardner schrieb Grendel, in dem das Epos Beowulf aus der Sicht des Monsters erzählt wird.

In beiden Fällen sind allerdings die Autoren Leute, die hauptberuflich schreiben, nicht Fans. FanFic ist eine Amateurveranstaltung. Wobei einige dieser Amateure inzwischen den Sprung zu erfolgreichen eigenen Geschichten schaffen, selbst wenn sie vorher eher anrüchige Varianten geschrieben haben. Womit wir wieder bei den angeblich prüden Amerikanern wären.

Will man über FanFic reden (oder auch nur eine Diskussion zwischen der Schönsten Germanin und ihrer ähnlich süchtigen interessierten Freundin Frau Lostinabadbook verfolgen können), muss man sich mit den wichtigsten Fachbegriffen vertraut machen.

Angst können sich deutsche Leser dabei selbst erklären, squee kann vom Laut erraten werden. Ships haben nichts mit Wasser zu tun, sondern sind Geschichten über Beziehungen (von relationship). Slash sind schwule Liebesgeschichten (von dem Schrägstrich bei Paarungen wie „Kirk/Spock“); femslash das lesbische Gegenstück. Unter crossover versteht man ein Zusammenkommen von Roman-Universen, wie bei Road of Carnage von Ida Brink:

Outside the safe walls of Hogwarts, Buffy and co. find themselves involved in a war against Voldemort. No one is safe, not everyone is loyal and there will be losses on both sides. Can love and friendship prevail against the darkness or will it crumble beneath the growing shadows?

Wie gut geschrieben ist denn das alles? Die Qualität scheint wie bei (hust) Blogs einer Normalverteilung zu folgen: Einige sind fürchterlich, die Masse ist mässig, und einige sind wirklich, wirklich gut.

Die Schönste Germanin verweist dabei auf Creature of Habit (zu dem fast 13.000 Bewertungen abgegeben wurden) von EZRocksAngel aus dem Twilight-Universum. Frau Lostinabadbook bietet ihrerseits The End of the Honeymoon von Jane Elliott aus der Welt von Pride and Prejudice an (dem ursprünglichen Roman, nicht das mashup mit den Zombies). Der Open-Source-Guru Eric S. Raymond lobt ein abgefahrenes Werk des KI-Forschers Eliezer Yudkowsky namens Harry Potter and the Methods of Rationality:

Which meant that the only possible stable time loop was the one in which Paper-2 contained the two prime factors of 181,429. If this worked, Harry could use it to recover any sort of answer that was easy to check but hard to find. He wouldn’t have just shown that P=NP once you had a Time-Turner, this trick was more general than that. Harry could use it to find the combinations on combination locks, or passwords of every sort.

In diesem Blog haben wir schon andere Beispiel erwähnt, die natürlich meist mit Buffy zu tun haben: Die FanFic-Hörspiele Buffy Between the Lines, das berühmte Buffy vs. Edward-Video [YouTube] oder das Shakespeare-Derivat A Midsummer’s Nightmare von Linda R. Barlow. Bei FanFiction.Net gibt es fast 37.000 Werke aus dem Buffy-Universum. Das hört sich nach viel an, bis man es mit Twilight vergleicht (etwa 163.000 Texte). Selbst die verblassen gegenüber Harry Potter mit mehr als 470.000 Geschichten. Ja, fast eine halbe Million. Und ständig kommen neue hinzu.

Dass Harry der Gottkönig unter den FanFics ist, darf nicht wundern. J.K. Rowling gehört seit Jahren zu den Unterstützern der Gattung:

JK Rowling’s reaction is that she is very flattered by the fact there is such great interest in her Harry Potter series and that people take the time to write their own stories.

Andere Autoren sind nicht so begeistert (es gibt Listen, wer dafür und wer dagegen ist). Anne Rice (Interview with the Vampire) ist berühmt für ihre kategorische Ablehnung:

I do not allow fan fiction. The characters are copyrighted. It upsets me terribly to even think about fan fiction with my characters.

So oder so kommen angelsächsische Autoren inzwischen nicht an FanFic vorbei. Was uns zur Frage bringt, wie legal die ganze Sache ist. Um eine komplizierte Diskussion brutal zu vereinfachen: In den USA handelt es sich um eine Grauzone, und man tut als FanFic-Schreiber gut daran, sich innerhalb der vom ursprünglichen Autor gesetzten Grenzen zu bewegen. Bei Rowling sieht das so aus:

Her concern would be to make sure that it remains a non-commercial activity to ensure fans are not exploited and it is not being published in the strict sense of traditional print publishing.

Die Organization for Transformative Works (OTW) setzt sich für die Belange von Fan-Autoren ein und bemüht sich um ein freundlicheres juristisches Umfeld. Je länger sich das Genre hält, desto besser sind natürlich die Chancen dafür. Oder wie die Autorin Catherynne M. Valente es formuliert:

This argument is already over. It is a generational one. You’ve got a whole host of authors coming into their own who grew up with fanfic as a fact of life, or even committed it themselves.

Und nun hat dieser Autor ein schlechtes Gewissen: Was ist, wenn die interessierten Leser jetzt ihre Zeit mit FanFics verbringen, statt sich auf den diesjährigen National Novel Writing Month vorzubereiten?

ZEUGS: Explodierende Kinder, mächtige Juden und masturbierende Eichhörnchen

Oktober 11, 2010

Und wie gut ist nun Civilization V? Leider nicht so gut wie erhofft. Viel von der Tiefe ist verloren gegangen – in Fachkreisen tobt eine heftige Diskussion, ob das Spiel nicht sogar die gefürchtete Beschreibung dumbed down verdient. Der Witz mit Al Gore ist entfernt worden. Die fairste Rezension, die dieser Autor kennt, stammt von Tom Chick von 1up.com. Zumindest bis die größten Probleme durch Patches beseitigt sind, bleibt Civ 4 BtS unangefochten der größte Zeitvernichter im Hause Stevenson.

Bleiben wir bei Witzen:

  • Zu Humor: Dass auch die Angelsachsen nicht unbegrenzt schwarzen Humor aushalten, hat gerade die Öko-Gruppe 10:10 Climate Change Campaign erfahren. Um zum Kampf gegen den Klimawandel aufzurufen, ließ sie mit großem Aufwand ein Video mit dem Titel No Pressure drehen. Darin werden die Köpfe von Leuten, die nicht mitmachen wollen, in die Luft gesprengt [Link zum Video] – auch die von Kindern, deren blutige Überreste über ihre entsetzten Mitschüler spritzen. Das ging dann doch etwas weit, wie auch die Macher inzwischen eingestanden haben:

    Many people found the resulting film extremely funny, but unfortunately some didn’t and 10:10 would like to apologize to everybody who was offended by the film.

    Als die Proteste nicht nachließen (und Sponsoren wie Sony hastig absprangen), gab es eine zweite, längere Entschuldigung. Den Kritikern passt das Video allerdings zu gut in das Bild der eco-fascists (neuerdings auch green supremacists genannt, in Anlehnung an white supremacists), die schon vorher mit Kindesmord ihre Spots aufgemacht hätten.

  • Zu Verschwörungstheorien, wenn wir schon beim Faschismus sind: Der CNN-Moderator Rick Sanchez ist gefeuert worden, weil er (unter anderem) angedeutet hat, die US-Medien würden von Juden kontrolliert. Das Magazin Slate nutzte das als Anlass, sich der Frage ernsthaft anzunehmen. Das Fazit: Maybe the movies, but not the news. In den USA stirbt das Vorurteil langsam aus:

    Only 22% of Americans now believe „the movie and television industries are pretty much run by Jews,“ down from nearly 50% in 1964.

    Was dem Humoristen Joel Stein von der Los Angeles Times überhaupt nicht passt (Links eingefügt):

    As a proud Jew, I want America to know about our accomplishment. Yes, we control Hollywood. Without us, you’d be flipping between The 700 Club and Davey and Goliath on TV all day.

    Das Gerücht, dass Sandra Bullock eine Jüdin sein soll, war diesem Autor dagegen neu.

  • Zu Mais in Iowa: Wie fruchtbar sind die Böden in Iowa? Nun, die Ökofaschisten ökologisch Interessierten unter den interessierten Lesern werden von Biokohle (englisch biochar) gehört haben, eine Form der Holzkohle, die nicht nur dramatische und langfristige Ertragssteigerungen [PDF] auf erschöpften Böden bringen soll, sondern auch als Wunderwaffe im Kampf gegen den Treibhauseffekt [PDF] gehandelt wird. Das Zeug wird auch in Iowa getestet. Allerdings schreibt die New York Times dazu:

    Given these conditions, biochar will only add a slight yield improvement, if any, he [Forscher David Laird] said. Laird’s hope, instead, is that charcoal will improve soil’s nutrient efficiency, dropping the vast amount of synthetic fertilizer dumped on cash crops each year […]

    Dieser Autor würde Biokohle auch gerne im Pädagogischen Gemüsegarten ausprobieren. Allerdings lebt er in Deutschland, und da gibt es …

  • Zur deutschen Sonntagsruhe aus US-Sicht: … Probleme bei der Herstellung wegen des Lärms der Vorschlaghammer, wie einige Landsleute zu berichten wissen (Hervorhebung im Original):

    I can tell you, we would never have gotten away with that in Germany, where I lived for two years (very quiet years — well, mostly), and where folks deeply resent it when people raise an unholy ruckus on Sundays.

    Offenbar lebten sie sehr weit entfernt von den Kinderzimmern der Stevensons.

  • Zu dem, was Europäer in Amerika den Amerikanern über Europa erzählen, was vielleicht noch spannender ist als das, was Amerikaner in Amerika den Amerikanern über Europa erzählen: Der französische Autor und Philosoph Pascal Bruckner zeichnet ein düsteres Bild der Alten Welt für die Leser der Neuen:

    While America is a project, Europe is a sorrow. Before long, it will amount to little except the residue of abandoned dreams.

    Und so weiter, bis man sich fragt, warum noch jemand da (also hier) wohnt. Offenbar vermittelt Bruckner sein Europa-Bild im Moment den amerikanischen Studenten an der Texas A&M University.

  • Zu F.A. Hayek und The Road to Serfdom, auch wenn es den Eintrag bislang nur als Notizen auf der Festplatte dieses Autors gibt: Der Economist macht sich lustig über eine Reporterin der New York Times, die im Zusammenhang mit der Tea-Party-Bewegung die rule of law als „Hayeks ungeschriebenes Gesetz“ bezeichnet. Hayek bespricht das Prinzip, aber in Wirklichkeit ist das natürlich nichts anderes als die Rechtsstaatlichkeit. Der ursprüngliche NYT-Artikel ist hinter einer Bezahlwand versteckt, was in diesem Fall vielleicht ganz gut ist.
  • Zu prüden Amerikanern: Wir hatten vergessen, auf die freizügigen Berichte über Sexualität in der amerikanischen Presse hinzuweisen, ob über die stimmungsaufhellende Wirkung von Sperma oder masturbierende Eichhörnchen. Ja, Eichhörnchen. Themen wie Analsex wirken da schon, nun, mainstream. Und dieser Autor ist immer noch nicht für externe Links verantwortlich.
  • Zu Wahlkampfausgaben und Korrelationen: Das Blog Rock, Paper, Shotgun hat eine Parodie einer Studie über den schlimmen, schlimmen Einfluss von Computerspielen veröffentlicht. Einige der Zwischenüberschriften:

    Grand Theft Auto Causes Marriages To Break Down
    PC Games Lead To Decline In Church Attendance
    Owning Consoles More Serious Than Gun Crime

    Wir verlinken den Text aber auch wegen eines wunderbaren Austausches in den Kommentaren (Formatierung geändert):

    Janek: Oh, if only Diana were here.
    Meat Circus: WAS here. Tabloids do not subjunct.
    Nil: Subjunct is a verb now?!

    Da haben wir den Tod des subjunctive im Englischen und die Neigung von Angelsachsen, alles in ein Verb zu verwandeln. Auch ja, der Economist bestätigt unsere Darstellung, dass der Wahlsieg in den USA nicht gekauft werden kann. Na bitte.