Archive for April, 2013

META: Blogpause bis zum 6. Mai 2013

April 22, 2013

Wir haben wieder eine Phase, in der im Hause Stevenson viel zu viel auf einmal passiert. Daher ruht das Blog bis Montag, den 6. Mai 2013. Eigentlich würde sich der Star Wars Day anbieten — der 4. Mai, denn May the Fourth be with you — aber das lässt sich nicht einrichten. Wieder ein Sieg für das Imperium.

Zur Erinnerung: Der Aufbau der US-Polizei

April 19, 2013

Bei der Berichterstattung und den Kommentaren über die Jagd nach den Boston-Attentätern wird (verständlicherweise) eine gewisse Verwirrung über die Struktur der amerikanischen Polizei deutlich. Zur Erinnerung: Wir hatten den allgemeinen Aufbau bereits besprochen und getrennt darauf hingewiesen, dass die Universitäten wegen ihrer großen Autonomie auch eigene Beamten stellen. Der in der Nacht getötete Polizist gehörte also tatsächlich zum MIT.

ZEUGS: Nazi-Banden, Sperma-Exporte und Wonder-Woman-Pornos

April 13, 2013

Ich hätte ja gerne noch Außerirdische, Elvis und irgendwas mit Tieren in die Überschrift gepackt, aber so viel Platz war nicht. Zum Frühlingsanfang und nach dem Umgraben des Pädagogischen Gemüsegartens eine kurze ZEUGS-Liste mit diesmal wahrhaft seltsamen Themen:

  • Zu US-Schulen, um die ernsten Einträge an den Anfang zu stellen: Wir haben immer noch vor, auf den Aufbau den Schulsystems und die Diskussion über home schooling einzugehen. Heute zwei Beispiele, warum das öffentliche Schulsystem in den USA nicht unbedingt den besten Ruf hat: In Jacksonville, Florida wurde Kindern beigebracht, dass man aus Gründen der Sicherheit auf seine Bürgerrechte verzichten muss. Geht aber noch krasser. In Albany, New York lautete das Thema im Englisch-Aufsatz, warum die Juden für die Probleme in Nazi-Deutschland verantwortlich waren.

    The English teacher, who has not been named, asked students to pick a method of argument and review a packet of Nazi propaganda in order to make a persuasive argument that „Jews are evil and the source of our problems“.

    Ein Drittel der Schüler weigerte sich immerhin, den Aufsatz zu schreiben. Die Schulbehörde diskutiert gegenwärtig das weitere Vorgehen.

  • Zu amerikanischen Neo-Nazis, wenn wir schon mal dabei sind: Die BBC beschreibt in einem ausführlichen Bericht die Entwicklung und heutige Stärke von rechtsradikalen Gruppen in US-Gefängnissen. Man müsse sich diese Organisationen eher als „normale“ kriminelle Banden denn als ideologische Gruppen vorstellen:

    Although its constitution demands that members must be „genetically of European ancestry“ and believe in „the racial purity of the white race“, its leaders have proved pragmatic in their dealings with non-white outsiders.

    Die Mitglieder werden demnach in der Organisation gehalten, in dem man sie mit Hakenkreuzen und ähnlichen Symbolen tätowiert. Entsprechend geringe Chancen auf einen normalen Job haben die Häftlinge, wenn sie entlassen werden.

  • Zum Wahlsystem: Wie würden die USA aussehen, wenn man die Bundesstaaten nach gleicher Bevölkerungszahl — also etwas mehr als sechs Millionen je Bundesstaat — aufteilen würde? Die Namen der neuen Staaten sind allerdings sehr seltsam.
  • Zu The Wizard of Oz und Alice in Wonderland, wenn wir schon Einträge als Fragen formulieren: Was sagt Alice, wenn sie sich mit Dorothy zum Tee trifft?
  • Zu Sperma-Exporten: Es ist vielleicht nicht unbedingt ein Thema, das diesem Autor in den Sinn kam, als er mit diesem Blog anfing, aber gut: Offenbar sind die USA der weltgrößte Exporteur von Sperma. Nur, warum?

    It’s not about the superior fitness of American males, exactly. One reason is that the US’s immigration history means lots of ethnic diversity. For some would-be mothers from other parts of the world, this can give US product a leg up over places like Denmark, another sperm exporting powerhouse.

    Der Fachausdruck für die Folgen der Gendurchmischung lautet Heterosis, auf Englisch auch hybrid vigor genannt. Dazu kommt die Kombination aus strengen Qualitätskontrollen und vergleichsweise lockeren Gesetzen. Kanada importiert übrigens 90 Prozent seines Spermas aus den USA. Nur so als nützliche Hintergrundinformation.

  • Zur Meinungsfreiheit: Können wir da noch einen draufsetzen? Klar. Wir haben erklärt, dass Parodie und Satire in den USA außergewöhnlich stark durch das First Amendment geschützt sind. So sehr, dass man in den USA Porno-Filme mit eigentlich geschützten Figuren drehen kann, so lange man das Ganze als Humor verpackt. Wir kommen jetzt darauf, weil io9 argumentiert, dass den Machern einer solchen porn parody als ersten überhaupt gelungen ist, Wonder Woman eine gute Uniform zu verpassen.

    Axel Braun (…) has just released the first entirely safe-for-work picture of Kimberly Kane as Wonder Woman from her upcoming porn flick, and holy god that is the best Wonder Woman outfit I’ve ever seen.

    Der Link ist ungefährlich für die Arbeit (außer, der Chef mag kein Wonder Woman), daher kann sich der interessierte Leser zu Recherchezwecken ohne Gefahr der sozialethischen Desorientierung selbst ein Bild vom Kostüm machen. Danach gibt es mehr zum juristischen Hintergrund von so Streifen wie The Dark Knight: XXX. Was vermutlich gleich die kalte Dusche spart.

Die Logik hinter amerikanischen Straßennamen

April 1, 2013

Europäer haben fürchterlich unlogisch und unordentlich angeordnete Städte. Die Straßen verlaufen krumm, gebogen, schief, ändern unvermittelt ihre Namen und stoßen nur ganz selten in rechten Winkeln aufeinander.

Fragt man einen Europäer, warum das so ist, versucht er sich mit einem Hinweis auf das Mittelalter herauszureden. Das ist natürlich dummes Zeug, denn die Chinesen haben in ihren Städten wie Xian — knapp 3.000 Jahre alt — schnurgerade Straßen [Karte]. Die alten Europäer haben es einfach nicht auf die Reihe gekriegt.

Die ausgewanderten Europäer dagegen haben vernünftige Straßen angelegt. Amerikaner (und Kanadier) lieben systematische Stadtpläne. Am bekanntesten dürfte in Deutschland die Straßenführung auf Manhattan sein, wo die Namen grob diesen Regeln folgen:

  • Nord-Süd-Verlauf: Name mit avenue
  • Ost-West-Verlauf: Name mit street
  • Die Nummern der Avenues nehmen von Osten nach Westen zu
  • Die Nummern der Streets nehmen von Süden nach Norden zu

Allerdings ist das System in New York nicht wirklich perfekt, schon weil Manhattan eine lang gestreckte Insel ist, auf der „Nord-Süd“ eigentlich „Nordosten-Südwesten“ heißen muss. Vermutlich haben die Niederländer da irgendwas vermasselt.

Wir wollen heute am Beispiel von Phoenix im Bundesstaat Arizona zeigen, wie logisch Straßennamen und Hausnummern sein können [Karte], wenn man sich etwas Mühe gibt. Als Vorbild für alle SimCity-Spieler sozusagen.

Dazu muss man wissen: Phoenix liegt in einem Wüstental, das Gebiet ist flach und vor der Erfindung der Klima-Anlage wohnte hier kaum jemand. Inzwischen ist sie die fünftgrößte Stadt der USA (zur Erinnerung: Kühlen ist energetisch günstiger als heizen, selbst bevor man den Aufwand des Schneeräumens einbezieht). Ziemlich ideale Bedingungen also.

Es versteht sich von selbst, dass die Straßen Ost-West und Nord-Süd ausgerichtet und gerade sind – natürlich nicht ganz grade, denn ein guter Städteplaner berücksichtigt die Erdkrümmung (ob das in Xian auch der Fall ist, konnte dieser Autor nicht herausfinden). Fangen wir mit dem Hauptkreuz in der Stadtmitte an:

  • Die Nord-Süd-Achse heißt Central Ave. Zugegeben, das ist etwas fantasielos. Aber immerhin weiß man sofort, was Sache ist.
  • Die Haupt-West-Ost-Achse heißt Washington Street. Auch das ist keine große Überraschung. Amerikaner halt.

Damit hat man schon mal eine Grundlage. Bei den „Senkrechten“ — den Nord-Süd-Straßen — gelten jetzt folgende Regeln:

  • Alle haben Zahlen in ihrem Namen (zum Beispiel „50th Street“). Central ist dabei die „Straße Null“.
  • Die Straßen liegen so, dass der Abstand von acht Straßennummern eine Meile beträgt (beispielsweise von der 8th Street bis zur 16th Street). Nullpunkt ist die Kreuzung von Washington und Central. Dazwischen kann es kleinere Straßen geben.
  • Nord-Süd-Straßen westlich von Central sind avenues (wie „42nd Ave“).
  • Wenn sie östlich von Central liegen, handelt es sich dagegen um streets („22nd Street“).
  • Der nördlich von Washington gelegene Abschnitt bekommt ein north vorangestellt („North 32nd Street“, oder kürzer „N. 32nd St.“).
  • Der südlich von Washington gelegene Abschnitt bekommt ein south vorangestellt („S. 32nd St.“).

Damit können wir bei den Senkrechten sofort an der Adresse erkennen, in welchem Quadraten der Stadt die Straße liegt: „North 120th Avenue“ (in der Praxis: „N 120th Ave“) ist im Nordwesten zu finden, oder „links oben“ auf der Karte.

Mit den „Waagerechten“ ist das etwas schwieriger, denn hier wurde man schwach und hat Namen benutzt. Immerhin gilt:

  • Der Abschnitt, der westlich von Central liegt, bekommt ein west vorangestellt („W. Washington St.“).
  • Der Abschnitt, der östlich von Central liegt, bekommt ein east vorangestellt („E. Washington St.“).

Trotzdem muss man sich merken, wo ungefähr „Bell Road“ oder „Thomas Road“ liegen, zumindest bis die Borg die Erde übernehmen und diesen Makel ausbügeln.

Das waren die Straßenamen. Jetzt kommen wir zu den Hausnummern, der zweiten Komponente des Systems.

Auch hier fangen wir in der Mitte an und zählen von dort aus in alle vier Himmelsrichtungen hoch. In der Praxis bedeutet das zuerst, dass Hausnummern problemlos vier- oder fünfstellig sein können. Da sie im Gegensatz zum deutschen System vorangestellt werden, finden wir dann als Anschrift für die South Mountain Community Library:

7050 South 24th Street

Das ist noch nicht alles. Unterschieden wird auch zwischen graden und ungraden Hausnummern.

Je nach Verlauf der Straße liegen die ungraden Nummer an der Südseite (bei West-Ost-Straßen) oder Ostseite (bei Nord-Süd-Straßen). Entsprechend liegen die graden Hausnummern an der Nord- oder Westseite. Bei der (frei erfundenen) Adresse 10202 N. 96th Ave wissen wir sofort, dass wir ein Haus auf der westlichen Straßenseite suchen.

Das war jetzt leider eine idealisierte Darstellung von dem System in Phoenix. In der Praxis greift es nicht im Stadtkern, wo teilweise schon anderen Namen vergeben worden waren. Einige Straßen heißen road oder drive. Andere wurden diagonal durch das rechtwinklige Netz getrieben. Die Schnellstraßen machen komische Kurven. Perfektion sieht anders aus.

Aber immerhin weiß man jetzt, warum der Polizist in der amerikanischen (oder kanadischen) Lieblingsfernsehserie ohne ein Blick auf die Karte erstmal losbrausen kann, wenn er eine Adresse hat. Er weiß schon durch den Straßennamen, wo Bo und Kenzi diesmal die Leiche gefunden haben.

Es gibt noch eine Reihe von anderen Benennungssystemen in den USA, die zum Teil subtiler sind. Schauen wir uns Arlington, Virginia an: Die Namen der Nord-Süd-Straßen haben mehr Silben, desto weiter man nach Westen kommt.

  • One-syllable names (Ball Street to Wayne Street)
  • Two-syllable names (Adams to Woodrow)
  • Three-syllable names (Abingdon to Yucatan)
  • Four-syllable names (Arizona being the only street in this sequence)

Der Trick mit den Silben ist den Planern in Phoenix leider nicht eingefallen. Angesichts des rasanten Wachstums der Stadt wäre man ansonsten vielleicht inzwischen bei der „W. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Rd.“ angelangt.

[Dieser Eintrag beruht auf einen Vortrag an der Grundschule von Kind Nummer Eins]