Archive for Februar, 2013

Warum amerikanisches Bier so verwässert ist (und warum es die Schuld der Deutschen ist)

Februar 28, 2013

We find your American beer like making love in a canoe. It’s fucking close to water.

– Monty Python, „Live at the Hollywood Bowl“

Die Schönste Germanin hat in den USA noch nie Bier getrunken, sagt sie, sondern immer nur Wasser mit einem seltsamen Geschmack und Pseudo-Schaum. Dieser Autor ist auf solchen Reisen zu beschäftigt damit, sein chronisches Root-Beer-Defizit auszugleichen, um sich mit etwas banalem wie Bier abzugeben. Aber Klagen von Deutschen über das „waschwasserartige“ Bier in den USA sind fast so häufig wie die über das Fehlen von Graubrot.

Nur, am Zustand des amerikanischen Biers sind Deutsche schuld.

Anlässlich einer Klage in den USA gegen große Brauerei-Konzerne wegen des Wassergehaltes von, tief Luft holen, Budweiser, Michelob, Michelob Ultra, Hurricane High Gravity Lager, King Cobra, Busch Ice, Natural Ice, Bud Ice, Bud Light Platinum und Bud Light Lime geht das Magazin Slate auf die Geschichte des Alkoholgehalts in amerikanischen Bieren ein. Zusammengefasst waren die Amerikaner Mitte des 19. Jahrhunderts auf dem besten Weg, eine Nation von Alkoholikern zu werden, denn außer Whiskey und starkem Bier gab es kaum etwas zu trinken. Der Alkohol-Konsum pro Kopf lag bei etwa 26,5 Litern pro Jahr, verglichen mit heute 9,5 Litern.

Die Temperance Movement — Abstinenz-Bewegung — wurde von Abolitionism — Anti-Sklaverei-Bewegung — allerdings in den Hintergrund gedrängt: Die Politiker wollten sich nicht zwei kontroverse Themen auf einmal aufhalsen. Die Temperance Movement würde bis nach dem Ersten Weltkrieg warten müssen, um die Prohibition durchsetzen zu können.

Als sie sich im 19. Jahrhundert nach einem Plan B umschaute, bemerkte sie die deutschen Einwanderer, die weniger Probleme mit Alkoholismus zu haben schienen (wir hatten in unserem Eintrag über Biergesetze in den USA darauf hingewiesen, dass binge drinking traditionell ein größeres Problem in angelsächsischen Staaten ist als in germanischen).

Man nahm sich diese Deutschen zum Vorbild:

Their low-strength lager beer and culture of relaxed, social drinking became the model for American alcohol consumption. Within a couple of decades, Germany’s mild lager beer became America’s favorite drink.

Über die Jahre wurden die Inhaltsstoffe verändert und der Alkoholgehalt erhöht (ja, erhöht). Die Entwicklung führte direkt zu den heutigen Massenmarkt-Sorten.

Zur Ehrenrettung der amerikanische Biertrinker muss gesagt werden, dass die microbreweries und craft breweries — kleinere Brauer — seit einigen Jahren deutlich zulegen, mit Absatzanstiegen von gerne zehn Prozent pro Jahr. Der Anteil am Markt nach Volumen liegt allerdings noch unter fünf Prozent. Dazu kommt eine wachsende homebrewing-Bewegung, zu deren bekannteren Vertretern der Schauspieler Wil Wheaton (Wesley Crusher bei Star Trek: Next Generation) gehört.

Was uns schließlich zu American Beer bringt, einer Filmdokumentation über amerikanische Brauereien. Die Prämisse:

Five friends leave New York City by minivan and set out to visit 38 breweries in 40 days.

Irgendwie scheint sich diese Art von US-Rundreise bei deutschen Touristen noch nicht herumgesprochen zu haben. Die Schönste Germanin übrigens sagt, das beste amerikanische Bier stamme aus dem Napa Valley und werde wine genannt.

Von einem, der auszog, um Draht zu kaufen

Februar 22, 2013

Als dieser Autor sein neustes Hobby in Betracht zog, kaufte er sich erstmal ein kleines Set für digitale Elektronik. Für etwa 14 Euro bekommt man zwei ICs (für Freaks: 4011 NAND-Gate und 4027 JK-Flipflop), ein kleines Steckbrett, einige Kleinteile wie LEDs und Widerstände sowie — für die weitere Geschichte unerwartet wichtig — ein Stück Draht. Ein Büchlein führt durch 20 Experimente. Das Ganze war ein Test, ob diese Art von Bastelei wirklich Spaß macht.

Die Befürchtungen waren umsonst, und so kamen dann schnell andere Komponenten aus dem Online-Elektronikkatalog hinzu wie diverse 74HC-Logik-ICs und ein großes Steckbrett. Letzteres wird auf Englisch breadboard genannt, nach der Überlieferung, dass Bastler die Teile früher auf Schneidebrettern nagelten:

In the early days of radio, amateurs nailed bare copper wires or terminal strips to a wooden board (often literally a cutting board for bread) and soldered electronic components to them.

Heute steckt man die Bauteile in kleine Löcher und verdrahtet sie mit vorgefertigten Steckbrücken. Diese sind allerdings unverschämt, nein, unfassbar teuer. Alternative: Man benutzt wie im Experimentierset Draht, das man selbst zuschneidet.

Bei den Amis wird dafür 22 gauge AWG solid wire verwendet. „AWG“ ist die Abkürzung für American Wire Gauge, ein weiteres nicht-metrisches Maß, denn davon kann man ja bekanntlich nie genug haben. In Deutschland gibt man stattdessen den Durchmesser oder Querschnitt in Millimetern oder halt Quadratmillimetern an.

Eine hilfreiche Tabelle in der Wikipedia erlaubt die Umrechnung — wir suchen Kupferdraht mit einem Durchmesser von etwa 0,6 mm oder einem Querschnitt von 0,33 qmm. Und solid soll es sein, also keine Litze (stranded wire). Am besten gleich in verschiedenen Farben, damit wir später nicht so leicht Daten-, Steuer- und Adressleitungen durcheinanderbringen. Bei amerikanischen Online-Händlern kostet so etwas 7,95 Dollar je 100 Fuß, also etwa 0,19 Euro je Meter.

Zum Erstaunen dieses Autors scheint es so etwas in Deutschland nicht zu geben.

In Online-Katalogen ist praktisch nur Litze zu finden. Der interessierte Leser MLJ, ein Informatiker, schlug vor, ein mehradriges Kabel auseinander zu nehmen — zeitaufwändig. Der Bekannte PM, ein Maschinenbauer, verwies auf „Klingeldraht“ — gibt es nur in einer Farbe. Alles unbefriedigend.

Schließlich griff dieser Autor zum äußersten Mittel: Er verließ das Haus, also richtig mit Schuhe an und durch die Haustür gehen. Mit einem Stück des Drahtes aus dem Experimentierkit fuhr er zu einer Filiale der Elektronik-Kette, die es verkauft hatte, und legte es dem Mitarbeiter in der Bauteile-Abteilung auf den Tisch. So was in mehr und in verschiedenen Farben bitte, und übrigens, wie nennt man das überhaupt?

Klingeldraht, sagte der freundliche Verkäufer. Haben wir nur in weiß. Vielleicht wollen Sie ein mehradriges Kabel auseinandernehmen?

Offenbar gibt es grundsätzliche Unterschiede zwischen den USA und Deutschland, was Drahtsorten angeht. Dieser Autor hatte bislang noch nie etwas davon gehört — seine einzige Begegnung mit dem Thema hatte damit zu tun, dass von etwa 1965 bis 1972 in den USA wegen hoher Kupferpreise viel Alu-Draht verbaut wurde, der aber in Verruf geraten ist und jetzt mühsam und teuer ersetzt wird. Das dürfte ehemaligen DDR-Bürgern nur ein müdes Lächeln abgewinnen.

Wie auch immer, es scheint so, als regiere in Deutschland die Litze, während in Amerika mehr Massivdraht verwendet wird. Beide haben Vor- und Nachteile: Litzen brechen zum Beispiel bei Biegungen nicht so schnell, während solide Leitungen robuster und billiger bei der Herstellung sind. Sollte ein interessierter Leser mehr über den Hintergrund wissen, wäre dieser Autor dankbar, wir ergänzen dann diesen Text.

In der Zwischenzeit muss er sich wohl mit Klingeldraht anfreunden. Halbleiter aus China zu kaufen ist eine Sache, aber Draht aus den USA zu importieren, das wäre nun wirklich albern.

Ergänzung: Die erste Empfehlung lautet „Schaltdraht“. Das hat einen deutlich kleineren Querschnitt (0,2 qmm), ist aber schon mal ein Anfang. Vielen Dank!

ZEUGS: Die Mörderin von Oz, teuere Wahlen und verlorene Buchstaben

Februar 16, 2013

Dieser Autor war in der vergangenen Woche mit anderen Dingen beschäftigt, daher heute nur ein vergleichsweise kurzer ZEUGS-Eintrag.

  • Zu Kansas City, gleich beiden: In einem Bericht über Google Fiber muss erklärt werden, um welche Stadt es geht (Hervorhebung hinzugefügt):

    But Google hid its excitement, shooing away most national media and insisting, again, that its investment to make the Kansas Cities (Kansas and Missouri) the first fiber-wired zone in the country represented nothing more than an experiment rather than a massive business opportunity to build the future of connectivity.

    Das Symbol für Google Fiber scheint ein Hase zu sein, was die Frage nach dem Igel aufwirft.

  • Zum Steuersystem und die entsprechende Hoheit der Bundesstaaten, während wir bei Kansas sind: Dort will der Gouverneur die Einkommensteuer abschaffen.
  • Zum Wizard of Oz, damit wir nicht mehr in Kansas sein müssen: Eine berühmte Zusammenfassung, die wir im Hauptartikel vergessen hatten:

    Transported to a surreal landscape, a young girl kills the first person she meets and then teams up with three strangers to kill again.

    Der verlinkte Artikel hat weitere Beispiele für richtige, aber irreführende Zusammenfassungen. Die von Escape From New York ist eine der besseren.

  • Zu Thanksgiving: Das Wirtschaftsmagazin Forbes erklärt, dass die ersten Siedler eigentlich Sozialisten waren, nicht Kapitalisten.
  • Zu den Kosten der Präsidentschaftswahl: Wenn man die Wirtschaftskraft der USA berücksichtigt, war die jüngste Wahl nicht mal ansatzweise die teuerste:

    That would be the campaign of 1896, by almost a factor of five. (…) There was remarkably more campaign spending in 1896 than in the next four priciest elections combined.

    Der Republikaner William McKinley gewann die Wahl.

  • Zu Plain English: Der Guardian stellt eine Grafik vor, die zeigt, wie das sprachliche Niveau der Rede zur Lage der Nation in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter gefallen ist. An James Madison in 1815 kommt niemand heran; George W. Bush schaffte 2005 immerhin ein kleines Zwischenhoch. Der Trend bleibt allerdings ungebrochen.
  • Zu Buchstaben, während wir bei Sprache sind: Zwölf Buchstaben, die es nicht ins englische Alphabet geschafft haben.

    Have you ever seen a place that calls itself “ye olde whatever”? As it happens, that’s not a “y”, or, at least, it wasn’t supposed to be. Originally, it was an entirely different letter called thorn, which derived from the Old English runic alphabet, Futhark.

    Was vielleicht das Unverständnis von Angelsachsen erklärt, warum die Deutschen noch an diesem komischen „ß“ festhalten.

ZEUGS: Texte zu „Lincoln“, Frauen wollen Sturmgewehre und Schokolade für die Indianer

Februar 6, 2013

Heute gibt es keinen einführenden Kommentar, weil die Arizona Cardinals nicht den Superbowl gewonnen haben. Nicht einmal das Endspiel haben sie erreicht. Argh.

  • Zu Lincoln: Wer dieses Blog liest, braucht vermutlich keine Ermunterung, um den neuen Steven-Spielberg-Film über die letzten Wochen im Leben des vielleicht größten US-Präsidenten zu sehen. Dieser Autor hatte Dank einer freundlichen Einladung der US-Botschaft die Gelegenheit, früh in den Film zu gehen und würde folgende Texte aus diesem Blog als begleitenden Lesestoff empfehlen: Zum Bürgerkrieg, um das Ausmaß des Gemetzels zu verdeutlichen, zum Repräsentantenhaus, weil ein großer Teil des Films von den schmutzigen politischen Tricks in der Kammer handelt, und zu Executive Orders, den Anweisungen des Präsidenten, weil wir dort die Sklavenbefreiung besprochen hatten. Eine gute Lincoln-Biografie kann natürlich nicht schaden, aber das übersteigt unsere bescheidenen Möglichkeiten.
  • Zu Dr. Strangelove: Der interessierte Leser JL schickt als Vorschlag für einen sehr langen deutschen Titel folgendes ein:

    „Der Abentheuerliche || SIMPLICISSIMUS || Teutſch / || Das iſt: || Die Beſchreibung deß Lebens eines || ſeltzamen Vaganten / genant Melchior || Sternfels von Fuchshaim / wo und welcher || geſtalt Er nemlich in dieſe Welt kommen / was || er darinn geſehen / gelernet / erfahren und auß= || geſtanden / auch warumb er ſolche wieder || freywillig quittirt. || Überauß luſtig / und maenniglich || nutzlich zu leſen. || An Tag geben || Von German Schleifheim || von Sulsfort. || Monpelgart / || Gedruckt bey Johann Fillion / || Jm Jahr MDCLXIX.“

    Nicht zu verwechseln mit der Zeitschrift.

  • Zu Waffengesetzen: Wir haben darauf hingewiesen, dass die Diskussion über gun rights in den USA im Gegensatz zu Deutschland auch ein feministisches Thema ist. Im National Review argumentieren nun zwei Waffenbesitzerin für den freien Verkauf des AR-15 Sturmgewehrs — die Waffe, die bei dem Massaker in Connecticut eingesetzt wurde.

    Violence is always going to exist. As women, we should possess the right to best defend ourselves against it, whether with a handgun or our much preferred AR-15.

    Warum bevorzugen sie gerade dieses Sturmgewehr?

    The AR-15 is lightweight and practical. As light as five pounds, it produces low levels of recoil, and it’s easy to shoot. It also looks intimidating, which is what you want when facing an assailant or intruder.

    Die Zahl der Artikel über die Waffengesetze in den USA übersteigt im Moment den Platz dafür in diesem Blog. Dieser Autor hat daher viele davon auf seiner Google-Plus-Seite gepostet, die öffentlich zugänglich sein sollte. Die (hoffentlich) besten landen weiter hier.

  • Zur Einstellung zum Staat, weil sie in die Waffen-Diskussion einfließt: Erstmals hält eine Mehrheit der US-Bürger den Staat — genauer, den Bund — für eine Gefahr für ihre Rechte.

    As [President] Barack Obama begins his second term in office, trust in the federal government remains mired near a historic low, while frustration with government remains high. And for the first time, a majority of the public says that the federal government threatens their personal rights and freedoms.

    Damit hat dass Misstrauen gegenüber der US-Regierung unter Obama zugenommen.

  • Zum System der Wahlmänner: Die „New York Times“ rechnet vor, warum die Demokraten absolut kein Interesse daran haben, dass die Stimmen des Kollegs nach dem Verhältniswahlrecht statt nach winner-takes-all verteilt werden:

    [B]y an electoral college count of 277 to 261, Mr. [Mitt] Romney would be president.

    Irgendjemand ist immer dagegen.

  • Zur angeblichen Prüderie in den USA: Spiegel Online berichtet über die amerikanische Sicht auf die Sexismus-Affäre im Zusammenhang mit FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle:

    Das bringt uns zum zweiten schwer zu erklärenden kulturellen Unterschied: wie ungeschickt jemand wie Brüderle aus amerikanischer Sicht sein muss, sich in schlüpfrigen Bemerkungen etwa über die Dirndl-Tauglichkeit einer Journalistin zu ergehen.

    Gefunden vom interessierten Leser ARN.

  • Zur freien Namenswahl: Die BBC erklärt ihren staunenden Lesern, dass in Deutschland und einigen anderen Ländern der Staat mitbestimmt, wie Kinder heißen dürfen.
  • Zum deutschen Fernsehen, wenn wir uns schon mit der Außenwirkung beschäftigen: Die „New York Times“ erklärt ihren Lesern „Wetten, dass …?“ als Teil einer größeren Krise im deutschen Fernsehen:

    It’s all part of a larger soul searching over why Germany, with great traditions in literature, theater and film, has mostly missed the current wave of challenging, complex television. Der Spiegel asked in its latest issue, “Why are Germans the only ones sleeping through the future of TV?” The magazine called German programs “fainthearted, harmless, placebo television.”

    Der Titel ist keine Beleidigung, sondern eine Anspielung auf eine Sequenz in der David Letterman Show.

  • Zur Ernährung der Indianer: Schokolade kam wohl im 8. Jahrhundert in Nordamerika an. Es sind die wichtigen Dinge im Leben, die zählen …