Archive for August, 2010

Bitte keine Selbstgespräche (obwohl sie nicht schlimm sind)

August 26, 2010

Needn’t speak out loud, miss. Fellow passengers might think you a bit odd, if you take my meaning.

– Aus Mona Lisa Overdrive von William Gibson

Das mit dem Fantasy Filmfest war in diesem Jahr ein Reinfall, nein, eine Katastrophe: Dieser Autor wurde genau an den wichtigsten Tagen krank und konnte sich gerade einen Film (Black Death) anschauen. Also hat er zu Hause herumgesessen, schlechte Laune verbreitet, Abertausende Zerg getötet und die Neuromancer-Trilogie nochmal gelesen.

Dabei ist ihm der obige Satz aufgefallen, den die Maas-Neotek Mini-KI Colin dem japanischen Mädchen Kumiko während des Flugs nach London sagt. Nur Kumiko kann seine Projektion sehen und seine Stimme hören, und daher würde ihre Diskussion auf die anderen Passagiere so wirken, als führe sie Selbstgespräche.

Das geht aber nicht, denn Selbstgespräche gelten bei den Angelsachsen als Zeichen eines drohenden geistigen Zusammenbruchs. In Deutschland ist die Toleranz dafür sehr viel höher.

Entsprechend findet man im englischsprachigen Internet besorgte Anfragen bei WikiAnswers und Yahoo! Answers von Amerikanern und Briten, sowie Erklärungen von Medizinern, die versuchen, den Leuten den Glauben auszureden. Natürlich werden wieder die Medien dafür mitverantwortlich gemacht (mit einer gewissen Berechtigung):

In movies, people are portrayed as eccentric by showing them carrying on conversations with themselves; the same goes for real life.

Wir könnten insbesondere einen Film als Beispiel nennen, aber Tyler Durden hat das diesem Autor verboten. Strengstens.

Meistens sind Selbstgespräche natürlich kein Problem. Allerdings können sie ein Symptom bei der Schizophrenie sein, wenn man damit Antwort gibt auf die Stimmen im Kopf. Hier wird der Ursprung der angelsächsischen Selbstgesprächs-Phobie vermutet. Ein erkrankter Brite berichtet von seinen Erlebnissen im öffentlichen Nahverkehr:

I’ll still talk out loud to them if I feel like it, even if I’m on the bus or in the street. I get some funny looks, but I don’t mind.

Es gibt offenbar einen Streit unter Medizinern, wie das Stimmenhören ohne weitere Symptome zu bewerten ist, aber das ist nicht Gegenstand dieses Blogs. Außerdem gehen sie nicht auf Gespräche mit unsichtbaren künstlichen Intelligenzen ein.

Was soll man nun tun, wenn man gerne mit sich selbst redet, aber ständig Angelsachsen um sich herum hat? Dieser Autor würde empfehlen, einen Blog aufzumachen. Da kann man sich erzählen, was man will, und wirkt trotzdem im Alltag völlig normal. Muahahahahaha!

META: Blogpause bis Donnerstag, 26. August 2010

August 18, 2010

Wie jedes Jahr macht dieses Blog wegen des Fantasy Filmfestes eine Pause. Der nächste Eintrag erscheint am 26. August 2010 und dürfte ein ZEUGS sein.

Indianer, Teil 4: Die Drei Schwestern, Mais und Ernährung

August 17, 2010

Der Pädagogische Gemüsegarten hat in diesem Jahr seine Aufgabe schon erfüllt: Der Nachwuchs schaut staunend an den drei (in Zahlen: 3) Mais-Pflanzen hoch, deren Samen sie vor wenigen Wochen selbst in die Erde gedrückt haben. So groß! So schnell gewachsen! Und wie bei den Indianern!

Nun, nicht ganz so, denn dieser Autor hat die Pflanzen erstmal „europäisch“ in eine Reihe gesetzt, des Platzes wegen. In einigen Jahren werden wir dann ein ganzes Beet freiräumen und Mais wirklich so anbauen, wie die Indianer es traditionell gemacht haben: Auf einem kleinen Erdhügel, zusammen mit Bohnen und Kürbissen (squash), nach dem Three-Sisters-Verfahren.

Bevor wir das genauer beschreiben, müssen wir kurz auf das Wort „traditionell“ eingehen. Mais gelangte von Mexiko aus spät in den Norden: Erst etwa im Jahr 1000 n.Chr. erreichte eine brauchbare Variante die Stämme an der Ostküste der heutigen USA. Da die zugehörigen Bohnenarten ein Jahrhundert nachhinkten, war das Dreiergespann knapp 400 Jahre alt, als Kolumbus die Neue Welt entdeckte [1].

Die Jahrtausende zuvor hatten sich die Indianer neben der Jagd mit einer Mischung aus verschiedenen Pflanzen am Leben gehalten, die alle weniger nahrhaft waren. Dazu gehörten chenopod (dt. offenbar Gänsefuß, lat. Chenopodium berlandieri) und maygrass (dt. Glanzgras, lat. Phalaris caroliniana). Die Drei Schwestern fegten diese etwa so hinweg, wie die peruanisch-chilenische Kartoffel sich bei den Deutschen durchsetzte. Zwei der ursprünglichen Pflanzen-Unterarten der Indianer sind inzwischen ausgestorben. Die bessere Ernährung durch Mais und Bohnen war eine Grundlage für die Blüte der Mississippi-Kultur, wie sie der Eroberer Hernando de Soto beschrieb.

Wirklich traditionell oder nicht, die Schwestern prägten so tief die Kultur der Indianer, dass viele Geschichten überliefert sind. Sie sind wunderbar kindertauglich:

Once upon a time very long ago, there were three sisters who lived together in a field. These sisters were quite different from one another in their size and also in their way of dressing. […] There was only one way in which the three sisters were alike. They loved one another very dearly, and they were never separated.

Und so weiter, mit einem kleinen Indianerjungen, der die Schwestern besuchen kommt und den sie ganz faszinierend finden. Die etwas praktischere Anleitung findet man inzwischen auch bei Samenverkäufern im Internet. Vereinfacht gesagt läuft das Verfahren so ab:

  1. Man errichte einen Hügel von etwa 30 cm Höhe und einem Durchmesser von 60 cm. Die Hügel sollten nicht näher als einen Meter beieinander stehen.
  2. Oben auf dem Hügel werden vier oder fünf Mais-Körner gepflanzt. Davon werden vielleicht zwei überleben (Faustregel: One for the cutworm, one for the crow, one to rot, and one to grow).
  3. Wenn die Maispflanzen 30 cm hoch sind – etwa zwei Wochen später – pflanzt man um sie herum die Bohnen, etwa auf der Hälfte der Anhöhe.
  4. Nach etwa einer weiteren Woche werden die Kürbisse in die flache Erde um den Hügel herum gepflanzt.

Dabei dient der Mais den Bohnen als Klettergerüst, die Bohnen reichern im Gegenzug die Erde mit Stickstoff an und die Kürbisse decken zur Unkrautbekämpfung den Boden ab. Die drei Pflanzen ergänzen sich in dieser Anordnung als Form des companion planting (Mischkultur) gegenseitig.

Die Indianer hatten natürlich keine Ahnung von Stickstoff. Was sie auch nicht wussten, ist dass dem Mais zwei Aminosäuren fehlen (Lysin und Tryptophan; an dem Problem wird gearbeitet), die wiederum in den Bohnen vorkommen. Sie wussten nur, dass die drei Pflanzen gut zusammen wuchsen und eine vollwertige Mahlzeit boten, die besser war als das bisherige Zeugs. Oder, wie das amerikanische Landwirtschaftsministerium USDA bei der Anlage eines People’s Garden begeistert schrieb:

It is a sophisticated, sustainable planting system that has provided long term soil fertility and a healthy diet to generations of American Indians.

Geschichtlich interessierte Amateurgärtner in den USA (und Kanada) pflanzen bis heute die Drei Schwestern. Als schonendes Anbauverfahren gehören diese zu den Paradebeispielen für die ökologische Landwirtschaft der Ureinwohner. In Europa kommt noch der Romantik-Bonus dazu: Wenn die Indianer das gemacht haben, dann muss es ja toll sein!

Dummerweise gibt es eine Gruppe von Leuten, die etwas die gute grüne Laune verdirbt: Die Experten. Sie raten davon ab, Mais und Bohnen so zu kombinieren, zumindest, wenn der Ertrag eine Rolle spielt.

Neither crop can reach its maximum potential.

Denn das Verfahren hat mehrere Nachteile. Während jede Pflanze in einer „europäischen“ Reihe ihr eigenes Stück Land bekommt, kämpfen bei den Drei Schwestern gleich mehrere – besser, ihre Wurzelsysteme – in der selben Erde um Wasser und Nährstoffe. Es erfordert viel Geschick und Wissen, um die Geschwister richtig aufeinander abzustimmen (daher das sophisticated in dem Satz des USDA). Anders formuliert, es geht leicht in die Hose. Vor lauter Kürbissen wird es irgendwann schwer, das restliche Unkraut zu jäten; überhaupt muss man mehr Zeit pro Pflanze aufwenden. Selbst in fruchtbaren Gebieten erhält man am Ende weniger Mais [Foto] pro Fläche. Die Ernte ist ein Albtraum, denn die Bohnen wickeln sich fest um den Mais.

Zumindest der letzte Punkt war kein Problem für die Indianer, die nicht daran dachten, das Gemüse frisch zu essen. So etwas tun nur komische Europäer. Die Schwestern wurden auf dem Feld gelassen, bis die Pflanzen ausgetrocknet waren und die Samen für den späteren Verzehr verarbeitet werden konnten (nicht vergessen, Mais muss mit einer Lauge behandeln werden). Entsprechend endet die Geschichte der Drei Schwestern im Winter, in der Küche:

The little sister in green, now quite grown up, was helping to keep the dinner pot full. The sister in yellow sat on the shelf drying herself, for she planned to fill the dinner pot later. The third sister joined them, ready to grind meal for the Indian boy.

Trotzdem bleibt die Frage, warum die Indianer das Verfahren benutzen. Wieso haben nicht auch sie Felder mit Reihen von Pflanzen angelegt und Mehrfelderwirtschaft betrieben – Mais in einem Jahr, Bohnen im nächsten und vielleicht zwischendurch das Land brach liegen lassen? Der Ertrag wäre höher gewesen und die Arbeit deutlich einfacher.

Weil weder ihre Technologie noch ihre Ressourcen das zuließen.

Man darf nicht vergessen: Die Indianer hatten vor der Ankunft der Europäer keine Metallwerkzeuge – keine Spaten, keine Äxte, keine Pflüge – und keine Nutztiere – keine Pferde, keine Ochsen, nicht einmal Schafe oder Hühner. Wenn man nur ein Grabstock, das Schulterblatt eines Bisons oder Steinwerkzeuge hat, gräbt sich die Erde nur schwer um, geschweige denn, dass man lange Furchen ziehen könnte. Allein mit Menschenkraft kam man auf vielen amerikanischen Böden nicht weit – die ersten Siedler auf den Great Plains benötigten bis zu 20 Zugtiere pro Pflug, um das dichte Wurzelsystem der Gräser zu durchbrechen. Und ohne Tiere fehlen auch einige der besten Düngemittel, nämlich das, was hinten aus ihnen herauskommt.

Die Drei Schwestern, so elegant und intelligent die Lösung ist, wurden aus der Not geboren. Damit konnten die Indianer ihre verfügbaren Mittel wenigstens auf die Hügel als Inseln der Fruchtbarkeit konzentrieren. Dadurch, dass man die selben Hügel mehrfach benutze, reicherte sich in der Erde mehr organische Materie an (das sustainable in dem Satz des USDA). Parallel dazu gingen natürlich die Nährstoffe zurück.

[Auch in den USA liest man noch die Behauptung, dass die Indianer in Neu-England Fische als Dünger in die Erdhügel steckten. Dem war nicht so: Der Indianer Squanto, der das 1621 den Pilgrim Fathers beibrachte, hatte den Trick ironischerweise während seiner europäischen Gefangenschaft gelernt. Die Indianer kannten das Prinzip der Düngung nicht und legten ein komplett neues Feld an, wenn der Boden erschöpft war.]

Insgesamt nennt der Evolutionsbiologe Jared Diamond fünf Gründe, warum die Ureinwohner Amerikas pro Mannstunde Arbeit weniger Kalorien und Protein zur Verfügung hatten (eigene Übersetzung) [1]:

  1. Abhängigkeit vom proteinarmen Mais, im Vergleich zu den in Europa verfügbaren Getreideformen.
  2. Samen mussten einzeln gesetzt werden, statt sie auf einer Fläche aussäen zu können.
  3. Alle Arbeiten mussten per Hand statt mit Pflug und Zugtieren ausgeführt werden.
  4. Das Fehlen von tierischem Dünger.
  5. Das Fehlen von Last- und Zugtieren für diverse andere landwirtschaftliche Aufgaben.

Die Drei Schwestern sind eine kluge, aber am Ende unzureichende Lösung für ein grundsätzliches Problem der Indianer: Bei der weltweiten Verteilung der Pflanzen- und Tierarten zog Nordamerika die Arschkarte. Die Ureinwohner im Süden hatten wenigstens Mais und Kartoffeln als Energielieferanten der Spitzenklasse. Selbst als der Mais endlich im Nordosten ankam – erst vor einem Jahrtausend – konnten die Indianer dort ihn nicht optimal nutzen. Zum Vergleich: In Südwest-Asien wurde Weizen 8500 v.Chr. angebaut (und gelangte 6000 bis 3500 v.Chr. nach Europa); Reis stand in Asien ab 7500 v.Chr zur Verfügung.

Ein solcher Rückstand ist nicht mehr aufzuholen, egal wie klug man seine Ressourcen einsetzt. Neben der Anfälligkeit für europäische Seuchen ist die weniger nützliche Pflanzen- und Tierwelt ein weiterer Grund, warum die Neue Welt 1492 so weit hinter der Alten zurücklag und ihr so wenig entgegenzusetzen hatte.

Im nächsten Eintrag werden wir uns sozusagen in Zeitraffer einen Überblick verschaffen, wie es bis heute mit den Indianern weiterging.

([1] Diamond, Jared Guns, Germs and Steel. A Short History of Everybody for the Last 13,000 Years Vintage, London 1998)

ZEUGS: Riesenroboter des Todes, Obama-Zielscheiben und Kleinsthäuser-Videos

August 12, 2010

Ein kurzer Hinweis: Dieses Blog wird in den kommenden zwei Monaten etwas vor sich hinstottern, weil gleich zwei Pausen anstehen: Wie jedes Jahr zum Fantasy Filmfest in Berlin und (wie schon vor Monaten angekündigt) nach der Veröffentlichung von Civilization V Ende September. Dieser Autor wird dann Anfang Oktober berichten, ob Firaxis wieder Anspielungen für Amis eingebaut hat. Erstmal haben sie Spaß mit Godzilla:

[H]umanity’s fate will be decided by a climactic battle between armies of good and evil Giant Death Robots in the streets of downtown Tokyo (assuming that the giant radioactive monsters don’t get us first.)

Die Riesenroboter des Todes kennen wir aus Buffy Staffel 8 [PNG], daher no worries. Bis dahin werden wir die letzten Sommertage mit Einträge zum Garten füllen.

  • Zu Satzzeichen: Moment, wir müssen doch auf die Riesenroboter des Todes eingehen. Schaut man sich die Ankündigung genauer an, fällt auf, dass in der Überschrift hinter jedem Wort ein Punkt gesetzt wurde:

    GIANT. DEATH. ROBOT.

    Das sind jetzt nicht einzelne Wörter im Sinne von „Ein Riese. Der Tod. Ein Roboter.“, sondern soll die Betonung jedes einzelnen Wortes signalisieren. Mit Ausrufezeichen wird es deutlicher (This! is! Sparta!), aber nicht weniger nervig, denn zumindest im Internet sieht man es inzwischen überall.

  • Zu den Gartenpiraten: Sollte der interessierte Leser in diesen Wochen an verdächtigen Stellen Sonnenblumen sehen, könnte das an diesen Leuten liegen. Die Bilder von den Ergebnissen des „International Sunflower Guerrilla Gardening Day 2010“ findet man im laufenden Blog von Richard Reynolds (der übrigens jüngst in Essen war). Was dieser Autor beim ursprünglichen Eintrag übersehen hatte: Es gibt auch ein Diskussionsforum für Deutschland.
  • Zu amerikanischen Häusern: Wir hatten im Vorbeigehen auf die Small House Movement als Öko-Bewegung hingewiesen. Der Sender PBS hat einen kurzen Bericht [Video] dazu verfasst, aufgezogen am Beispiel von Dee Williams. Sie hat ihr 7,8 Quadratmeter großes Haus selbst gebaut:

    I glued my hair to the house accidentally one time.

    Bauzeit drei Monate, Kosten 10.000 Dollar. Der Bericht geht auch darauf ein, warum die Nachfrage nach solchen Häusern steigt: Die Wirtschaftskrise.

  • Zu amerikanischen Häusern, etwas technischer: Im PBS-Video ist zu sehen, wie der Holz-Rahmen für eine Wand aufgestellt wird. Dabei wird nicht wirklich deutlich, wie schnell, billig und einfach das mit der Rahmenbauweise [YouTube] gehen kann, besonders, wenn man eine nail gun benutzt. Die Lieblingsstelle dieses Autors:

    Lift the wall into place. You may want help with this step. Walls can be heavy.

    Sowas trägt natürlich keine Hängematte. Wir sollten nochmal betonen, dass nicht nur die Amerikaner Holz als Baumaterial lieben. Mit vorgefertigten Teilen errichten die Japaner ein zweistöckiges Holzhaus an einem Tag [YouTube]. Vermutlich kämpfen die Riesenroboter des Todes deswegen lieber in Tokio als in Berlin: Herumfliegende Trümmerteile aus Holz zerkratzen den Lack nicht so stark.

  • Zum Energieverbrauch: Der Christian Science Monitor befasst sich mit den geschätzten 750.000 US-Haushalten, die inzwischen off the grid sind, also ihren eigenen Strom, ihr eigenes Gas und Wasser bereitstellen.

    Mr. [Nick] Rosen estimates that the number of people living off the grid in the US is growing by about 10 percent per year.

    Der Bericht geht auch auf die damit verbundenen Kosten ein, die doch ziemlich happig sind: Davon kaufen sich andere Leute gleich zehn Kleinsthäuser.

  • Zum Krieg gegen Japan: Der Jahrestag der dritten Atombombe (also eigentlich der vierten) fällt dieses Jahr in die Filmfestpause.
  • Zum Schulsystem: Eine neue Studie macht ausgerechnet das Gleichheitszeichen für die schlechten Mathe-Leistungen von amerikanischen Schülern im internationalen Vergleich mitverantwortlich.
  • Zur Meinungsfreiheit: Das Magazin Slate widmet sich der Frage, ob das Gesicht des Präsidenten als Zielscheibe benutzt werden darf:

    Absolutely. The First Amendment protects the right to free expression, which includes the right to shoot, burn, or in any way destroy an image of anyone including the president as long you’re not posing a „credible threat.“

    Man beachte das Foto für den Eigengebrauch – das ist Service für den Leser! Der Artikel bietet noch etwas geschichtlichen Hintergrund und erklärt, was alles mit Puppen von George Washington und Abraham Lincoln gemacht wurde. Schön ist auch der dort verlinkte Bericht über die brennenden Hosen von Präsident George W. Bush – das hätten wir in den Eintrag über die angebliche Zensur des Pink-Liedes einbauen sollen.

[Hinweis auf PBS-Bericht gefunden über Rowdy Kittens]

[Korrigiert 12. Aug 2010: „Anführungszeichen“ waren natürlich „Ausrufezeichen“, zuerst gesehen von GC, vielen Dank]

Walden oder amerikanische Intellektuelle im Wald

August 9, 2010

I went to the woods because I wished to live deliberately, to front only the essential facts of life, and see if I could not learn what it had to teach, and not, when I came to die, discover that I had not lived.

– Henry David Thoreau, Walden

Im März 1845 lieh sich der amerikanische Philosoph und Dichter Henry David Thoreau eine Axt, ging in einen Wald in Massachusetts und schlug Bäume für eine Hütte an einem Teich mit dem Namen Walden. Anfang Juli zog er ein. Etwas mehr als zwei Jahre lang bestritt der 28-Jährige dort ein bewusst einfaches Leben, baute seine eigenen Lebensmittel an – insbesondere Bohnen – las und schrieb. Aus diesem „Experiment“ ging heute vor 156 Jahren das Buch Walden hervor.

Walden ist einer der einflussreichsten Texte in der Geschichte der USA — Amerikaner würden sagen, der Welt. Das Buch wird oft zusammen mit Thoreaus ähnlich berühmter Schrift On the Duty of Civil Disobedience veröffentlicht. Von einem gebildeten Amerikaner wird erwartet, dass er Walden gelesen hat; Zyniker weisen darauf hin, dass Civil Disobedience im Schulsystem weniger gefördert wird.

Thoreaus Leben, Werk und Einfluss auf Größen wie Mahatma Gandhi, Martin Luther King, John F. Kennedy oder Leo Tolstoi sind mehr ein Thema für ein Studium als ein kurzes Blogposting. Aber da Thoreau ständig zitiert wird — ja, auch bei den Simpsons — kommen wir hier nicht um eine Erwähnung herum.

Kurz der biografische Pflicht-Absatz: Thoreau war der Sohn eines Bleistiftfabrikanten und studierte in Harvard unter anderem Philosophie und Naturwissenschaften. Eine kurze Zeit arbeitete er als Lehrer und später in besagter Fabrik. Er wurde ein enger Freund des Philosophen Ralph Waldo Emerson, dem das Land um Walden gehörte. Zusammen sind sie die wichtigsten Vertreter des Amerikanischen Transzendentalismus. Thoreau starb im Alter von 44 Jahren, geschwächt durch Tuberkulose.

Was macht so ein Mann im Wald?

Einen Kamin bauen, die Wände dämmen, eine Grube für die Wintervorräte graben, Holz hacken, Brot backen, Bohnen und anderes Gemüse ziehen –

[I] planted about two acres and a half [eineinhalb Fußballfelder] of light and sandy soil near it chiefly with beans, but also a small part with potatoes, corn, peas, and turnips.

– Unkraut jäten, die Bohnen verkaufen, Beeren pflücken, Tiere beobachten, sich im Dorf Concord das Neuste erzählen lassen, mit Dutzenden Besuchern sprechen, benachbarte ehrgeizige Einwanderer aus Irland über die Vorzüge eines einfachen Lebens belehren und schreiben, schreiben, schreiben.

In Walden doziert Thoreau mit den politischen Bildern seiner Zeit seitenweise über die Vorzüge eines bewussten, spirituellen und unkomplizierten Lebens ohne materiellen Ballast –

Simplify, simplify. […] Our life is like a German Confederacy, made up of petty states, with its boundary forever fluctuating, so that even a German cannot tell you how it is bounded at any moment.

– bedauert die Leute, die dem Reichtum nachjagen oder auch nur der Mode folgen –

The head monkey at Paris puts on a traveller’s cap, and all the monkeys in America do the same.

– bewundert die Natur, schimpft über die neuen Technologien der Eisenbahn und des Telegrafen, lobt die Literatur der Antike und schwärmt von den Vorzügen eines Lebens in der Einsamkeit als autarkes (self-sufficient) Individuum.

Außerdem diskutiert er über die wirtschaftlichen Aspekte seiner neuen Lebensweise. Baukosten des Hauses: 28 Dollar und 12,5 Cent (ja, ein halber Cent). Gewinn der ersten Ernte: acht Dollar, 71,5 Cent. Thoreau war kein weltfremder Schöngeist, sondern ein sehr praktischer Mann. Damit hat er amerikanischen Intellektuellen ziemlich die Tour versaut: Von ihnen erwartet man eher als in Europa, dass sie auch außerhalb des Elfenbeinturms klarkommen.

Walden ist eine Art Bibel für eine ganze Reihe von Bewegungen in den USA. Das fängt bei den Naturschützern an und geht hin zu Trends, die heute unter Namen wie mindful living, voluntary downsizing, uncluttering oder simple living laufen. Auch bei der bereits besprochenen Transition Movement schwingt etwas von Thoreau mit. Wer die Natur mag, über das Leben nachdenkt und seine Unabhängigkeit schätzt, wird das Buch lieben.

Es hilft dabei, dass Walden voller griffiger Sprüche ist. Wie der interessierte Leser bemerkt haben wird, ist es schwer über das Buch zu schreiben, ohne gleich die Hälfte zu zitieren (selbst Wired kämpft mit dem Problem). Die zwei bekanntesten Passagen sind:

The mass of men lead lives of quiet desperation.

weswegen Amerikaner ständig von einer „leisen Verzweiflung“ sprechen, und

If a man does not keep pace with his companions, perhaps it is because he hears a different drummer. Let him step to the music which he hears, however measured or far away.

Kennt man Thoreau, wird klar, warum die Amerikaner mit einem fast hörbaren Gähnen auf die europäische Öko-Bewegung der 80er Jahre reagierten: Been there, done that, ate the beans. Auch der Aufruf, sich vom – wie wir heute sagen würden – Konsumismus abzuwenden, ertönte in den USA, bevor es ein geeintes Deutschland gab. Und genauso lange fragen sich die Anhänger von Thoreau, warum so wenige Menschen diesem Ruf folgen.

ZEUGS: Die von StarCraft inspirierte SciFi-Ausgabe

August 6, 2010

Es mag den interessierten Leser überraschen, aber dieser Autor spielt StarCraft 2 auf Deutsch. Das liegt daran, dass er damals notgedrungen den ersten Teil in der Übersetzung gespielt hat und jetzt weder Zeit noch Lust hat zu lernen, dass ein WBF eigentlich ein SCV ist. Zudem empfindet er (gut) synchronisierte Spiele trotz seines Geschimpfes darüber in diesem Blog als nicht so schlimm wie synchronisierte Filme: Die Hersteller können alles übersetzen – Stimmen wie Schrift – und damit ein ganz anderes Gefühl schaffen.

Blizzard hat sich diese Mühe gemacht, was diesem Autor erst wirklich auffiel, als seine „Space-Marines“ (offenbar wie „Ghost“ ein deutscher Fachausdruck) irgendwann über eine Rampe mit der Aufschrift „Achtung“ liefen. Schön ist auch, dass die Video-Sequenz zum Verrat von Sarah Kerrigan mit dem Schild „Willkommen in Neu-Gettysburg“ beginnt. Auch wenn dieser Autor bezweifelt, dass bei allen Germanen die gleichen Assoziationen ausgelöst werden wie bei Amerikanern.

Natürlich kann man StarCraft erst richtig genießen, wenn man es im südkoreanischen Original spielt. Vorher sollte dieser Autor aber wenigstens auf 60 APM [Video] kommen. Falls das in seinem Alter neurologisch überhaupt noch möglich ist.

  • Zu Synchronisationen: Der interessierte Leser MLJ weist darauf hin, dass Buffy im September auf Einsfestival wiederholt wird, offenbar aber nur wieder die (lieblos) übersetzte Version. Sollte ein Digitalkanal nicht auch parallel den Originalton anbieten können? Gehört das nicht irgendwie zum Bildungsauftrag?
  • Zu japanischen Kriegsballons: Der interessierte Leser KG weist darauf hin, dass es ein Spiel zu diesem Thema gibt, Winds of War. Der Autor Richard Berg schreibt dazu:

    No game designer in his right mind would ever think of doing a game on this subject. I, to be sure, am not of the Right-Minded tribe.

    Vielleicht sollte dieser Autor das gegen die Protoss probieren. Bei deren ganzen energiegeladenen Kristallen …

  • Zur Atombombe: In einem wunderbaren Blogeintrag schimpft Scott von Squid314 über die völlig unglaubwürdige Handlung der TV-Serie „Zweiter Weltkrieg“ auf dem History Channel, die seiner Meinung nach von Idioten geschrieben wurde:

    Probably the worst part was the ending. The British/German story arc gets boring, so they tie it up quickly, have the villain kill himself […] and then totally switch gears to a battle between the Americans and the Japanese in the Pacific. Pretty much the same dichotomy — the Japanese kill, torture, perform medical experiments on prisoners, and frickin‘ play football with the heads of murdered children, and the Americans are led by a kindly old man in a wheelchair.

    Gefunden bei io9, wo in den Kommentaren auch ein schönes Beispiel für leetspeak-Humor auftaucht:

    Roosevelt: get antiair guns
    Churchill: i cant afford them
    benny-tow: u n00bs know what team talk is?
    paTTon: stfu
    Roosevelt: o yah hit the navajo button guys

    Ursprung ist diese längere Version [YouTube], den den ganzen Krieg nacherzählt. Über die Navajo Code Talkers müssen wir noch schreiben.

  • Zu Mormonen: Der interessierte Leser GG hat diesen Autor dafür getadelt, nur Stephanie Meyer als Beispiel genommen zu haben und nicht auch den Hugo- und Nebula-Gewinner Orson Scott Card (Ender’s Game). Recht hat er.
  • Zur Religionsfreiheit: Das Jeditum breitet sich auch in Kanada aus:

    In the 2001 Canadian census […] 21,000 people put „Jedi Knight“ for their religion. This in a nation that accepted, in 2009, the Order of the Jedi Knight, Inc., as a federally incorporated non-profit religious entity.

    Was uns wieder zur Synchro bringt.

  • Zur Meinungsfreiheit: Wir hatten die homophobe Westboro Baptist Church vorgestellt, die zu den Beisetzungen von Soldaten reist, um dort den Untergang der USA zu bejubeln und ihre berüchtigten Plakate hochzuhalten. Zur Messe Comic Con in San Diego sind sie in diesem Jahr auch gekommen, sind aber dort mit Gegenplakaten empfangen worden [Fotos]. Darunter: The Cylons destroyed the 12 Colonies for your sins. Wenn das keine Gegenbewegung zu den Jedi wird.
  • Zum Erstkontakt mit Außerirdischen: Aliens landen bekanntlich immer nur in den USA, wie jeder aus dem Kino weiß (und in Monsters vs. Aliens thematisiert wird). Für Amerikaner gibt es daher jetzt hilfreiche Tafeln mit Anweisungen für den Erstkontakt:

    Holding still is the first think you need to do to show them we’re worth our weight in crap.

    Am Ende wird man dummerweise getötet, steht da. Das deckt sich leider im Moment mit den Erfahrungen, die dieser Autor mit den Zerg macht …

Morbus Excuse Me

August 2, 2010

Die Familie Stevenson war für einige Tage in Schottland und nun muss sich dieser Autor wieder umgewöhnen. Nein, nicht wegen des Linksverkehrs – wie immer und überall fährt die Schönste Germanin auch auf der Insel, vermutlich um nicht mit der Brut diskutieren zu müssen, ob Highland-Schafe lieber mit Pferden oder Einhörnern spielen. Es geht vielmehr darum, dass dieser Autor wieder aufhören muss, wie ein gut erzogener Angelsachse ständig und überall excuse me zu sagen.

Denn das passiert im Alltag in einer Tour, insbesondere wenn man jemandem zu nahe kommt. Zum Beispiel wenn man sich in Cawdor Castle sehr schnell an englischen Touristen vorbeidrängen muss, weil Kind Nummer Zwei gerade ansetzt, trotz der Absperrung auf das Hochzeitsbett von Sir Hugh Campbell und Lady Henrietta Stuart aus dem 17. Jahrhundert zu springen. Etwas häufiger ist die Situation, wenn man in einem Laden an jemanden vorbei muss, der wie in The Hurt Locker mit der Auswahl an Frühstücksflocken überfordert ist, selbst wenn es nur drei Sorten sind.

Natürlich signalisieren auch Germanen – höfliche zumindest – in solchen Situationen, dass sie die Unannehmlichkeiten bedauern. Aber sie machen es eher nonverbal, gerne per Gesichtsausdruck. Amerikaner und Briten babbeln wieder.

Excuse me gehört damit zu den Höflichkeitsfloskeln, die kleinen Kindern eingetrichtert werden und später auf Stammhirnebene ablaufen (sollen). Anders gesagt, sie sind inhaltsleer. Insbesondere heißt der Spruch nicht, dass die Person, mag sie noch so höflich und herzlich lächeln, nicht eigentlich bloody tourist denkt. Dazu passt dieser Rat aus New York:

If you see the doors of a packed subway about to slam in your face, push your way inside and say, „Excuse me!“ There is no need to wait eight to 10 more minutes for a train.

Wie oft man wirklich excuse me hört, hängt sehr von der Umgebung und dem Umgang ab, den man pflegt. In Großstädten ist es seltener als in Kleinstädten und bei älteren häufiger als bei jüngeren, denn die Jugend hat (wie jeder weiß) absolut keine Manieren:

The other day I was on a train and I wanted to get the empty seat. There was just enough room for me to walk around and go behind a lady without having to bump into her. But then after I got the seat she was all like „Young miss, you should have said excuse me!“

Dabei ist angeblich das Benehmen in Großbritannien noch viel schlechter geworden als in den USA.

Das kann dieser Autor so nicht bestätigen, zumindest nicht für Schottland, wo die Einheimischen gegenüber Touristen fast verdächtig freundlich waren. Selbst gegenüber sehr kleinen Touristen, die zum Entsetzen ihrer Eltern meinten, ausgerechnet auf dem Schlachtfeld von Culloden Radschlag üben zu müssen.