Amerikaner und (fehlende) Notfallausrüstungen

Dezember 15, 2008

Neuengland ist nach einem Sturm unter Eis begraben und mindestens 800.000 Amerikaner sind ohne Strom. Die Behörden warnen, dass es zwei Tage dauern könnte, bis alle Straßen für die Reparaturmannschaften freigeräumt sind. Bis dahin sind die Leute, besonders in den etwas abgelegenen Gebieten, ziemlich auf sich selbst gestellt.

Wir hatten in einem anderen Zusammenhang darauf hingewiesen, dass schon das normale Klima in den USA aus mitteleuropäischer Sicht extrem sein kann. Darüber hinaus gibt es als Sonderbonus gerne mal Tornados, Erdbeben, flächendeckende Waldbrände oder tagelange Blizzards. Andere Liebesbekundungen von Mutter Natur wie Bisse von Giftschlangen (fast 8.000 Fälle pro Jahr) und Angriffe von Bären oder Berglöwen ignorieren wir erstmal. Was immer auch passiert, im drittgrößten Land der Erde ist man danach oft weiter weg von den Helfern als im dicht besiedelten Europa.

Entsprechend rufen die amerikanische Behörden unerlässlich alle Bürger dazu auf, sich eine Notfallausrüstung zuzulegen.

Das geht durch alle Ebenen. Get a kit (wahlweise Prepara un equipo) drängt das Heimatschutzministerium als Teil seines Programms Ready America. In Bundesstaaten wie Arizona heißt das Gegenstück Just in Case und auch hier soll man sich ein Päckchen schnüren. Auf der Landkreis-Ebene mahnt der Katastrophenschutz von Maricopa County:

Keep enough supplies in your home to survive on your own for up to 10 days and check your kit every three months.

Zehn Tage alleine durchzukommen, das bedeutet erstmal Wasser. Bei einer Gallone pro Tag und Person – die allgemein empfohlene Menge – müsste die vierköpfige Familie Stevenson dazu etwa 150 Liter Trinkwasser auf Lager haben. Die amerikanischen Seuchenzentren des CDC (bekannt aus Pandemie-Filmen) schlagen dagegen einen Wasservorrat für fünf Tage vor. Die Colorado State University spricht von drei Tagen, erklärt aber dafür ausführlich, wie man aus anderen Quellen im Notfall Trinkbares gewinnt. Es regnet halt mehr in Colorado als in Arizona.

Dass mehr dahinter steckt als Regierungsgehampel nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sieht man am Roten Kreuz. Auf der Website der American Red Cross wird eine Fülle von Notfallausrüstungen angeboten. Neben einem Rucksack für drei Tage gibt es auch Safety Tubes für die Handtasche. Am besten findet dieser Autor den Water Bob, der die Badewanne in einen Notfall-Tank mit einem Fassungsvermögen von bis zu 380 Litern verwandelt.

Der aufmerksame Leser wird bemerkt haben, dass wir nur von der Aufforderung geschrieben haben, sich eine Ausrüstung zuzulegen, und nicht, dass die Amerikaner es tatsächlich tun. Studien zufolge haben nur vier Prozent der US-Bürger alle Empfehlungen umgesetzt, 23 Prozent dagegen gar keine. Der landesweite „Readiness Quotient“ (RQ), den jeder für sich selbst online ausrechnen kann, lag 2007 bei 4,1 Punkten. Wünschenswert wären 10.

Ein Problem ist das Image. Sich zu viele Gedanken über den persönlichen Katastrophenschutz zu machen, rückt einen schnell in eine Ecke mit den Leuten, die Atombunker im Garten bauen, wegen des Y2K-Bugs Hamsterkäufe unternahmen oder angesichts von Peak Oil das Ende unserer Zivilisation erwarten. Muss man sich wirklich einen Vorrat an Lebensmitteln zulegen, die 25 Jahre halten?

Das Desinteresse kennen wir auch aus Deutschland, wo ein Gutachten des Bundestages erhebliche Lücken bei der Vorsorge fand. Und das, obwohl der tagelange Stromausfall im Münsterland vor drei Jahren so dramatische Folgen hatte.

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