Archive for Januar, 2008

Der Butt Slap: Wenn sich Amerikaner beim Sport auf den Hintern hauen

Januar 29, 2008

Wir nähern uns mit großen Schritten dem wichtigsten Sportereignis des Jahres. Nein, damit sind nicht die Olympischen Spiele gemeint oder gar dieses Regionaltreffen der europäischen Fußballer, sondern das Endspiel im American Football, der Superbowl XLII am 3. Februar 2008. Nach der Eisschlacht der letzten Runde geht es nach Arizona. Dort stöhnen im Moment die Ehrenwerten Eltern über „kalte“ 18 bis 20 Grad Celsius, während die New York Giants und New England Patriots verzweifelt versuchen, sich wieder an warmes Wetter zu gewöhnen.

Da wir die Regeln schon erklärt haben, kann sich der interessierte Leser in der Nacht von Sonntag auf Montag auf die Beobachtung einer kulturellen Eigenheit konzentrieren: Amerikanische Sportler, auch die macho tough-guy Footballprofis, hauen sich gegenseitig auf den Hintern. Ja, auf dem Spielfeld, vor Millionen von Zuschauern, ganz offen. Das soll Anerkennung signalisieren oder aufmuntern und nennt sich butt slap.

So etwas machen nicht nur Footballspieler, sondern amerikanische Sportler allgemein, wie ein Bericht von Johns Hopkins beschreibt. Beim Soccer („You’re not gonna slap a guy’s caboose unless you’re real tight with the guy“), beim Baseball („No cupping or squeezing; its got to be quick and painless, just to let them know I’m there“) oder Fechten („It’s standard practice and common courtesy to slap another man’s ass if you feel he is slacking“) findet man es auch. Im Überschwang werden auch schon mal Schiedsrichter [YouTube] beglückt.

Der Footballspieler Michael Stoffel erklärt die Sache so:

High fives are becoming outdated. Handshakes work, but eye contact is made and it takes too much time. The celebratory dance is used, but only on special occasions. A smack on the ass can be used any time.

Es sind nicht nur die Männer. Die Journalistin Amanda Nalley beschreibt, wie sie von ihrer Softball-Trainerin ihren ersten Slap bekam:

At first I was shocked. Then, slightly embarrassed. After my cheeks (all of them) returned to their normal color the slap actually gave me a boost of confidence and made me feel more like a part of the team. I liked it. And not in a sexual way.

(Softball ist eine Breitensport-Variante des Baseball, von der naive Menschen glauben, sie sei weniger körperbetont.)

Amerikaner lachen selbst [YouTube] über die Sitte und drehen in ihrer Freizeit Parodien darüber [YouTube], wann ein Butt Slap angebracht ist und wann nicht. Die NFL hat ein Feature dazu gemacht, das im Internet allerdings nur auf Vietnamesisch [YouTube] zu finden ist. Die Bilder sprechen für sich.

Nun mögen sich heterosexuelle männliche Germanen auf dem Fußballplatz nach einem Tor abknutschen, aber sie hauen sich nicht gegenseitig auf dem Hintern. Hier scheitert der Kulturimperialismus auf ganzer Linie, auch wenn verdächtig viele Deutsche mit dem Wort spanking etwas anfangen können.

Entsprechend lautet eine weitere Regel für neu hinzugezogene Amerikaner: Never touch a German’s ass in public. Auch vor diesem Unterschied sollte man Austauschschüler vor ihrer Reise in die USA warnen, damit sie nicht direkt bei ihrem ersten Basketball-Spiel in Ohnmacht fallen.

Der Superbowl wird in diesem Jahr von der ARD übertragen, ab Mitternacht, erwartete Länge 270 Minuten. Auch der BBC zeigt das Spiel live. Wer am nächsten Morgen müde ist, sagt seinem Chef einfach: Ich habe die ganze Nacht zugeguckt, wie sich Männer auf den Arsch hauen. Das dürfte jede Diskussion im Keim ersticken.

Kurz erklärt: Wie spreche ich einen Ex-Präsidenten an?

Januar 26, 2008

In einigen Monaten haben die USA einen Ex-Präsidenten mehr. Was uns zu einer Frage des Protokolls bringt: Wie spricht man eigentlich so jemanden an, wenn er auf ein lautes Hey, you nicht reagiert?

Unter Amerikanern gibt es einen Streit darüber. Der Fernsehsender NBC behauptet [YouTube], dass ein Präsident für den Rest seines Lebens mit Mr. President angesprochen werden sollte. Dagegen sagt Mrs. Manners, die selbsternannte US-Instanz für die Regeln des guten Benehmens, dass man einfach Mr. benutzt – schließlich seien die USA eine Demokratie und der Präsident nach dem Ende seiner Amtszeit wieder ein ganz normaler Mensch.

Zum Glück kann man im 21. Jahrhundert direkt die Experten fragen. Auf eine E-Mail an die White House Historical Association bekam dieser Autor folgende Antwort:

According to usual protocol practice in the United States, you address a former president in conversation (your example) as Mr. Clinton or in prolonged conversation as Sir. The first name [or] initials are never used.

Das sir ist in diesem Fall natürlich nicht Sir George nach britischer Nutzung, sondern die einfache Anrede ohne Namen.

(Nach einem Vorschlag von KN, vielen Dank)

Mais oder was Iowa die übrigen vier Jahre macht

Januar 23, 2008

Die Schönste Germanin ist, wie wir mehrfach bemerkt haben, eine begnadete Köchin. Die Gerichte sind stets raffiniert, mit frischen Zutaten zubereitet und gesund. Dieser Autor sieht es daher als seine väterliche Pflicht an, dem Nachwuchs in ihrer Abwesenheit nahe zu bringen, dass Essen auch anders daherkommen kann.

Es war bei einer dieser Gelegenheiten, bei einem üppigen Mahl aus Thunfisch (Dose), Mais (Dose) und Pommes (Tiefkühltruhe), als die amerikanischen Gene von Kind Nummer Eins und Nummer Zwei durchbrachen: Beide bekamen vom Mais plötzlich nicht mehr genug. Ohne Backenzähne konnte Kind Nummer Zwei die Körner zwar noch nicht richtig kauen – sie kamen am nächsten Tag in der Windel wieder zum Vorschein – aber das hinderte es nicht daran, noch das letzte Korn hochkonzentriert aus der Schüssel zu picken. Mais ist im Hause Stevenson seitdem der Hit.

Amerikaner essen nicht nur Mais wie doof, sie sind auch der größte Anbauer. Mit 10,5 Milliarden bushels, Tendenz steigend, stellen sie 40 Prozent der Weltproduktion, vor China mit 20 Prozent und der EU mit sechs Prozent. Die Gesamtanbaufläche hat die Größe Polens. Dabei sind – ohne heute auf das Thema weiter eingehen zu wollen – 61 Prozent dieser Fläche mit genetisch verändertem Mais bepflanzt.

(Moment, wird der interessierte Leser fragen, was ist ein Bushel denn schon wieder für ein bizarres Maß? Ursprünglich war es eine Volumeneinheit zu 35,2 (USA) oder 36,4 (Großbritannien) Litern. Inzwischen wird es als Gewichtsmaß verwendet. Ein bushel wheat sind 27,2 Kilogramm und, für uns wichtiger, ein bushel corn sind 25,4 Kilogramm. Die USA produzieren also 266,7 Millionen Tonnen Mais im Jahr.)

(Ach und noch etwas: Mais wird in den USA und Kanada corn genannt und Weizen wheat, weswegen der vorletzte Satz für Briten etwas verwirrend sein dürfte. Die sprechen von maize. Das hat nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland zu Problemen geführt, wie wir weiter unten sehen werden. Zugegeben, maize maze klingt cooler als corn maze, aber wir bleiben hier beim dem nordamerkanischen Sprachgebrauch.)

Innerhalb der USA ist nun ein Bundesstaat für seinen Mais besonders berühmt: Iowa. Genau, das ist dort, wo alle vier Jahre die ersten Vorwahlen stattfinden. Wenn sie nicht gerade in ihren Wohnzimmern und Turnhallen zusammenhocken, um über den nächsten Präsidenten zu beraten, bauen diese Leute Mais an. Viel Mais. Iowa, noch nicht einmal halb so groß wie Deutschland, produziert mehr gelbe Körner als die gesamte Europäische Union.

Entsprechend kriegen die Iowaner von ihren Landsleuten ständig Mais-Anspielungen zu hören. Auch Riley Finn, Buffys Freund aus Staffel 4, blieb nicht verschont. Nach seiner Enttarnung als Mitglied einer geheimen Regierungsorganisation in „Doomed“ (Episode 11) sagt sie zu ihm:

Meanwhile, by day, you pretend to be Riley Finn, corn-fed Iowa boy.

Als Übersetzer kann man hier nur passen, denn das mit dem Mais sagt in Deutschland niemanden etwas. Riley wurde zu einem „freundlichen Typ aus Iowa“. Ein „Landbursche aus Iowa“ wäre besser gewesen, denn Riley stammt aus dem 3.000-Seelen-Dorf Huxley und Buffy sagt nichts davon, dass er freundlich ist.

(Immerhin ist der Name des Bundesstaates geblieben. In Episode 14 geht es darum, dass Riley sein altes Leben aufgibt, weswegen der Titel in Original „Goodbye Iowa“ heißt. Das war den Synchronisatoren wohl nicht reißerisch genug, auf Deutsch heißt die Folge „Die Kampfmaschine“.)

Mais wird auf verschieden Arten gegessen, die man inzwischen auch in Deutschland kennt: Als Maiskolben (corn on the cob), wie wir aus The Blues Brothers wissen („You’re gonna look pretty funny tryin‘ to eat corn on the cob with no fuckin‘ teeth!“). Dann gibt es noch Maisbrot (cornbread), das Ellen Ripley in Aliens Bishop um die Ohren haut [YouTube] („I guess she don’t like the cornbread, either“).

In den USA benutzen Coca-Cola und viele andere Firmen corn syrup (genauer: high fructose corn syrup, HFCS) und nicht Zucker als Süßstoff. Kritiker sehen darin einen Grund für die übergewichtigen Amerikaner, andere halten das für dummes Zeug. Maissyrup ist deutlich billiger als andere Süßstoffe, schon allein weil der Maisanbau mit Milliardenbeträgen subventioniert wird.

Wir haben den vorletzten Absatz nicht umsonst mit einem „inzwischen“ versehen, denn lange Zeit war Mais in Deutschland nur Tierfutter. Nach dem Zweiten Weltkrieg schickten die Amerikaner wegen eines corn-maize-Missverständnisses Mais als Teil des CARE-Programms nach Deutschland. Die Reaktion war helle Empörung über den offensichtlichen Versuch, den besiegten Feind noch zu demütigen. Berühmt geworden ist die „Hühnerfutter-Rede“ von Johannes Semler, dem Direktor des Wirtschaftsrates, aus dem Jahr 1948:

Was hat man für uns getan? Man hat uns Mais geschickt und Hühnerfutter, und wir zahlen es teuer. Bezahlen es in Dollar aus deutscher Arbeit und deutschen Exporten. Und sollen uns noch dafür bedanken.

Mit „Hühnerfutter“ war insbesondere Soja gemeint. Semler wurde gefeuert – nach neun Millionen CARE-Paketen und Millionensummen von CRALOG war das nicht eine Reaktion, für die die Besatzungsmächte Verständnis hatten. Die Vorbehalte gegen Mais konnten die Amerikaner überhaupt nicht nachvollziehen. Schließlich spielt er auch bei Thanksgiving eine wichtige Rolle.

Denn Mais war das Hauptnahrungsmittel der Indianer in Nordamerika (die Kartoffel stammte ursprünglich aus Peru und wurde von den Siedlern auf dem Umweg über Europa nach Nordamerika eingeführt. Für potatoes ist der Bundesstaat Idaho zuständig, nicht Iowa). Als Hermano de Soto durch den Südosten der heutigen USA stampfte und den Ureinwohnern die Lebensmittel stahl, stahl er Mais.

Die Indianer bauten Mais nach dem „Three Sisters“-Verfahren zusammen mit Bohnen und Kürbissen (squash) an. Die Bohnen kletterten den Mais hoch und sorgten für den Stickstoff im Boden, der wiederum von den Kürbissen bedeckt wurde. Das half gegen Unkraut. Allerdings trat diese Trias erst etwa 1100 nach Christus in Nordamerika großflächig in Erscheinung. Mais selbst kam etwa im Jahr 900 aus Mexiko. Dass die Indianer in Nordamerika erst so spät über dieses Grundnahrungsmittel verfügten, gilt als einer der Gründe, warum ihre Kulturen hinter denen der Südamerikaner hinterherhinkten [1].

Man kann mit Mais auch jede Menge andere Dinge machen als ihn zu essen. Besonders wichtig ist im Moment die Umwandlung in Ethanol (Alkohol) für Treibstoffe. Befürworter sehen das Verfahren als umweltfreundliche und erneuerbare Möglichkeit, den Öl-Verbrauch dramatisch zu senken. Im Dezember 2007 wurde entsprechend per Gesetz der Pflichtanteil an Biotreibstoff in den USA verfünffacht. Gegner halten diese Entwicklung für fehlgeleitet, weil Mais ihrer Meinung nach für die Ethanolgewinnung ungeeignet ist. In Brasilien benutzt man übrigens Zuckerrohr.

Die zunehmende Verwendung von Mais-Ethanol als Treibstoff ist dabei von globaler Bedeutung, denn etwa 70 Prozent der weltweiten Exporte stammen aus den USA. Je mehr Mais aber für den amerikanischen Eigenbedarf verarbeitet wird, desto teurer wird er auf dem Weltmarkt. Diesen Effekt kann man inzwischen an den Tortilla-Preisen in Mexiko sehen. Dort gab es Anfang 2007 eine „Tortilla-Krise“:

The typical Mexican family of four consumes about one kilo — 2.2 pounds — of tortillas each day. In some areas of Mexico, the price per kilo has risen from 63 cents a year ago to between $1.36 and $1.81 earlier this month [Januar].

Und jetzt kommt noch der Konsum von Kind Nummer Eins und Zwei hinzu. Oh weia.

([1] Diamond, Jared Guns, Germs, and Steel, Vintage, London 1998)

ZEUGS: Die Wahl, der Bürgerkrieg in kurz und wahre Männer, eiskalt

Januar 20, 2008
  • Zum Bürgerkrieg: Mrs H. von Never Enough Homework hat ein Video [YouTube] gefunden, das den Krieg in vier Minuten auf einer Karte zusammenfasst. Man beachte den Opfer-Zähler in der unteren rechten Ecke.
  • Zur Wahl, eine sprachliche Bemerkung: In den USA heißt es (in der Regel) to run for office und in Großbritannien to stand for office. Die dazugehörigen Witze über faule Engländer in einem kleinen Land mag sich jeder selbst ausdenken.
  • Zu den Belastungen der Wahl: In diesem Jahr ist es John McCain von den Republikanern, der unter besonderer Beobachtung steht: Hält der 71-Jährige durch? Immerhin leidet er bis heute an den Folgen der jahrelangen Folter in vietnamesischer Kriegsgefangenschaft. Er selbst sagt über sich:

    I am older than dirt and have more scars than Frankenstein

    Schon im Wahlkampf 2000 veröffentlichte er 1.500 Seiten medizinischer und psychiatrischer Befunde. Angeblich ist er nicht wahnsinnig.

  • Zu Wahlen und Geld: Wie vorhergesagt sind nach Hillary Clintons Niederlage in Iowa die Spender in Panik ausgebrochen, erstmal zumindest. Und umgekehrt bekam McCain schon nach seinem Sieg in New Hampshire mehr Geld. QED.
  • Zum Waffenrecht: Während wir auf den Supreme Court warten, können wir darauf hinweisen, warum die Diskussion über den Second Amendment schnell kompliziert werden kann. Nach einer Liberalisierung des Waffenrechts in Michigan sind mehrere Dinge passiert: Die Zahl der Bürger mit Schusswaffen hat sich versechsfacht, während die Zahl der Gewaltverbrechen und die der Toten durch Schusswaffen zurückgingen. Es gilt natürlich auch hier unser Hinweis auf den Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität.
  • Zum Duck Test: Von dem Begriff leitet sich in der Informatik auch das duck typing ab, wie es bei Python auftritt. Für Nicht-Freaks: Python ist eine moralisch fragwürdige Sprache mit Prinzipien wie it is easier to ask forgiveness than it is to get permission („EAFP“) und missverständlichen Lehrbuch-Titeln.
  • Zu Humor der Angelsachsen: Unseren deutschen Lesern können wir auch dieses Jahr nur begrenzt die Verleihung der Darwin Awards empfehlen. Dass die Gewinner als Folge von Geschlechtsverkehr auf einer Dachspitze starben, ist dabei der Anlass für so Heuler wie:

    If you put yourself in a precarious „position“ at the edge of a pointy roof, you may well find yourself coming and going at the same time.

    Den Merkspruch für das Verhalten beim Überqueren einer Straße finden wir dort allerdings auch: Stop. Look. Listen. Or tomorrow you’ll be missing.

  • Zu Chocolate Chip Cookies: Der interessierte Leser T verweist auf eine Karikatur über die Macht der Dunklen Seite des Keksteigs.
  • Zu American Football: In dieser Saison sehen wir wieder, warum Football spannender ist als Fußball. Die New England Patriots haben alle regulären Spiele gewonnen. Im Fußball wär’s das gewesen, schönen Dank, bis nächstes Jahr. Beim Football müssen sie aber jetzt in die Playoffs, wo alle von ihnen nur eins wollen, nämlich ihr Blut.
  • Zu American Football, Fortsetzung: Wir sehen jetzt auch, welche die Sportart der wahren Männer ist. Während die hochbezahlten Weicheier Profis der Bundesliga wegen des Schnees wegen der Kälte warum auch immer Pause machen, findet heute in Wisconsin bei minus zwölf Grad Celsius das Spiel zwischen den Green Bay Packers und den New York Giants statt. Es versteht sich von selbst, dass Lambeau Field nicht überdacht ist [JPEG], dass die Linemen von Greenbay kurzärmlig auftreten

    „You can’t wear sleeves,“ guard Grey Ruegamer told Ralph Vacchiano of the New York Daily News. „That’s bullshit. That’s for the skill guys to wear.“

    – und dass wieder 70.000 Fans erwartet werden. Kurz gesagt: This is Football [JPEG].

  • Zu American Football, ein drittes Mal, weil dieser Autor frustriert ist, die Playoffs zu verpassen: Das kälteste Spiel in der Geschichte der NFL war der Freezer Bowl zwischen den Cincinnati Bengals und den Chargers im Januar 1982 bei minus 23 Grad, mit Windfaktor minus 51 Grad. Hier fing die Tradition der kurzen Ärmel an, wie Reggie Williams von den Bengals erzählt:

    It was so cold that day we didn’t bother with the pregame warmups, but when we came out for the game and saw the Chargers, we could see it in their faces. […] They saw us bare-armed; the intimidation factor had worked. It was worth it

    Fans dürfen allerdings mehr anziehen [JPEG]. Irgendwann ist auch gut.

  • (Danke an den Ehrenwerten Vater für den Hinweis auf die Linebacker)

    [Korrigiert 21. Jan 2008: Die Patriots waren nicht die Ersten, die alle Spiele der Saison gewonnen haben. Zuerst gesehen von AK, vielen Dank]

Typhoid Mary

Januar 16, 2008

Die Schönste Germanin war über Silvester mit den Kindern im Allgäu und hat dort die Seuche eingeschleppt. Sie selbst blieb gesund, weswegen sie unter Angelsachsen Typhoid Mary genannt werden könnte.

Das war der Spitzname von Mary Mallon (1869-1938), einer Köchin, die den Typhus-Erreger ausschied, ohne aber selbst irgendwelche Symptome zu haben. In New York war sie für 47 Krankheitsfälle verantwortlich, von denen drei tödlich endeten. Dank der Presse hält sich allerdings bis heute das Bild eines Massensterbes.

Mallon war völlig uneinsichtig. Sie griff die Gesundheitsbehörden mit einer Tranchiergabel an und musste zu dem Erregertest gezwungen werden. Ohne Antibiotika waren die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt. Ihre erste Zwangsquarantäne begann 1907 auf dem heute menschenleeren North Brother Island in der East River.

Und war 1910 schon wieder zu Ende, denn große Teile der Öffentlichkeit waren empört. Durfte der Staat das überhaupt? Ein Gericht entschied ja. Ein neuer Chef der Gesundheitsbehörde, Ernst J. Lederle, hielt aber ihre Gefangenschaft für unmenschlich und ließ sie frei. Sie musste ihm nur hoch und heilig versprechen, nie wieder als Köchin zu arbeiten.

Fünf Jahre später brach im Sloane Maternity Hospital auf Manhattan Typhus aus. Die Behörden fanden in der Küche eine gewisse „Mrs. Brown“, die sich als Mallon entpuppte. Das fand die Öffentlichkeit dann nicht mehr so witzig, und sie verbrachte den Rest ihres Lebens auf der Quarantäne-Insel.

So gesehen passt der Spitzname zu der Schönsten Germanin natürlich überhaupt nicht, denn sie ist nicht nur einsichtig, sondern würde vor Scham am liebsten im Boden versinken. Und es ist ohnehin gut möglich, dass eigentlich Kind Nummer Zwei der Träger war. Wenn jemand das testen will – die Windeln dürften alle noch in der Mülldeponie zu finden sein.

Kurz erklärt: Baby Shower

Januar 12, 2008

Ein vielleicht verwirrender Begriff ist die baby shower. Dabei wird das Kind nicht etwa abgeduscht, wie selbst schon mal Briten denken (obwohl auch hier der Kulturimperialismus voranschreitet). Vielmehr wird die noch hochschwangere Mutter mit Geschenken ihrer Freundinnen überhäuft. Traditionell ist das eine reine Frauensache.

Die Schönste Germanin, die alle Geschenke entsprechend der deutschen Tradition nach ihren Geburten entgegennahm, bietet folgende Beschreibung aus dem Roman Blue Dahlia von Nora Roberts an:

Oohing and awwing over impossibly tiny clothes, soft-as-cloud blankets, hand-knit booties, cooing over rattles and toys and stuffed animals. There were foolish games only women at a baby shower could enjoy, and plenty of punch and cake to sweeten the evening.

Die Feier ist mit der bridal shower verwandt, die wiederum nicht mit der bachelorette party verwechselt werden darf. Bei der kann es dann immerhin zu duschähnlichen Vorgängen [JPEG] kommen.

(Danke an NMK für den Hinweis. Die wegen Regel 2 ausgelassene Primärquelle wurde per E-Mail informiert.)

Wahlen, Teil 3: Der Ablauf der Vorwahlen

Januar 10, 2008

Nachdem wir uns das „Warum“ der Vorwahl angeschaut haben, geht es heute um das „Wie“.

Wir werden versuchen, es kurz zu halten, denn der Komplexitätsgrad wird sehr schnell sehr hoch. Außerdem mangelt es in diesem Jahr nicht an Erklärungen in den Medien und anderen Blogs. Zum Teil wird dort auch Alice in Wunderland eingebaut – so muss das sein.

Meistens gehen die Beschreibungen von dem Ablauf einer Vorwahl aus und verfolgen dann chronologisch, was mit den Stimmen geschieht. Wir ziehen das Ganze dagegen von hinten auf und fangen mit den Parteitagen an, den national conventions.

Wie schon beschrieben wurde dort früher der endgültige Präsidentschaftskandidat auf mehr oder weniger fragwürdige Art bestimmt. Heute wählt die Parteibasis in jedem Bundesstaat Delegierte, die einem der Bewerber verpflichtet sind. Wie viele Vertreter jeder Bundesstaat schickt, entscheidet dabei die Partei. Wer die meisten Delegiertenstimmen auf sich vereinigt, hat gewonnen.

Lassen wir das allgemeine Geschwätz und schauen uns die Zahlen an.

Die Demokraten haben 4.049 Delegierte, die sich vom 25. bis zum 28. August in Denver, Colorado treffen. Davon sind 3.253 pledged delegates, die verpflichtet sind, ihre Stimme für einen bestimmten Kandidaten abzugeben. Zudem gibt es 796 superdelegates – Senatoren, Gouverneure, Parteichefs – die nicht an einen Bewerber gebunden sind.

(Die Sache mit den Superdelegierten gehört zu den Dingen, die kompliziert werden können. Sollten sie im Laufe des Wahlkampfs wichtig werden, greifen wir diese Leute in einem eigenen Eintrag auf.)

Die Republikaner haben weniger Delegierte, nämlich 2.380. Sie kommen vom 1. bis zum 4. September in Minneapolis-St. Paul, Minnesota zusammen. Neben den 1.917 pledged delegates gibt es 463 unpledged delegates.

Für jeden Bundesstaat kann man im Internet nachschlagen, wie viele Delegierte er für welche Partei schickt, wie viele davon gebunden sind und wie das Verfahren dort genau abläuft. Da wäre zum Beispiel Iowa, wo am 3. Januar die erste Vorwahl in Form eines caucus stattfand. Bei den Demokraten wurden insgesamt 57 Delegierte vergeben, darunter zwölf Superdelegierte. Bei den Republikanern waren es 40 Delegierte, von denen drei nicht gebunden sind. Oder New Hampshire mit der Vorwahl am 8. Januar: 27 Delegierte für die Demokraten, davon fünf Superdelegierte, und zwölf Delegierte für die Republikaner, alle gebunden.

(Der aufmerksame Leser wird bei den Links etwas entdeckt haben, das uns in den USA bislang nicht begegnet ist: Die Delegierten werden nicht nach dem Prinzip der Mehrheitswahl (winner-takes-all) verteilt, sondern nach dem Verhältnis der Stimmen. Bei den Republikanern wurden in New Hamsphire John McCain sieben Delegierte zugesprochen, Mitt Romney vier und Mick Huckabee einer. Das können die Amerikaner also auch, wenn sie wollen. Allerdings wollen sie meist nicht, wie wir besprochen haben. Wir kehren beim Wahlkolleg zu dem Thema zurück.)

Jetzt zählt man während der Vorwahlen Bundesstaat für Bundesstaat bei den Republikanern und Demokraten jeweils die Delegierten zusammen, bis jemand die Mehrheit hat. Der Sieger wird dann bei den Parteitagen offiziell ausgerufen, nur dass keine Sau hinguckt, weil die Entscheidung schon gefallen ist.

Drei Dinge sind noch wichtig:

  1. Die ersten Bundesstaaten wie Iowa und New Hampshire schicken eigentlich nur wenige Delegierte. Ihre übermäßige Bedeutung liegt darin, dass Tendenzen klar werden und die ganz Hoffnungslosen danach aufhören.
  2. Eine Vorentscheidung wird beim Super Tuesday getroffen (auch Super Duper Tuesday genannt). Dabei werden in diesem Jahr am 5. Februar in mehr als 20 Bundesstaaten die Vorwahlen abgehalten.
  3. Das Wahlverfahren ist in jedem Bundesstaat anders – daher der Hinweis auf die Tabellen [PDF].

Wir sind wieder am Anfang: Wie eine Vorwahl in der Praxis abläuft. Um nicht völlig wahnsinnig zu werden, sollte man sich auf die zwei grundsätzlichen Arten von Vorwahlen beschränken: Den causus (Urwahl oder Wahlversammlung) und die primary (Vorwahl im engeren Sinne).

Die Primary ist am einfachsten: Es ist eine ganz normale Wahl mit Stimmzetteln (oder Wahlmaschinen) und Wahllokalen, die den ganzen Tag geöffnet sind, also alles nicht grundsätzlich anders als eine Abstimmung in Deutschland. Das ist die häufigere Form. Wir hatten den Unterschied zwischen „offenen“ und „geschlossenen“ Primaries schon besprochen.

Dann gibt es die Urwahl. Der Ablauf ist radikal anders und für Deutsche fremdartig. Schauen wir uns die Demokraten in Iowa an, weil die Urwahl dort von den Medien eng begleitet wird und es ein besonders aufwändiges Verfahren ist:

Die Teilnehmer kommen am Abend in ihrem Landkreis in kleinen Gruppen in Schulen, Turnhallen und Wohnzimmern zusammen und diskutieren über die Kandidaten. Dann kommt der erste Wahldurchgang: Die Anhänger eines Bewerbers stehen gemeinsam auf – keine Stimmzettel, keine geheime Wahl. Kandidaten, die weniger als 15 Prozent bekommen, werden gestrichen. Es folgt wieder eine Diskussionsphase. Hier versucht jeder, die Anhänger des anderen Lagers umzustimmen. Oder wie ein Clinton-Anhänger es beschrieb:

You hit that floor and work it and try to get them. It’s like a fun game.

Dann kommt der zweite und letzte Wahlgang.

Die Urwahl in Iowa ist, wie man sich vorstellen kann, umstritten. Kritiker sehen einen viel zu großen Einfluss von gewieften Rednern und von örtlichen Parteibonzen. Die Beteiligung ist vergleichsweise gering: Die Demokraten haben in diesem Jahr mit 240.000 Teilnehmern einen Rekord aufgestellt, aus einer Bevölkerung von drei Millionen. Und, mal ehrlich, eine nicht-geheime Wahl? Im 21. Jahrhundert?

Qualität vor Quantität, sagen die Befürworter. Auf diese Weise, so ihr Argument, beschäftigen sich die Teilnehmer sehr viel intensiver mit den Kandidaten und ihren Programmen. Das Verfahren geht über Stunden und jeder muss sich offen zu seiner Entscheidung bekennen, vor seinen Nachbaren, Freunden und seiner Familie. Da überlegt man es sich gut, wer die Stimme kriegt und vor allem warum. Hier kommt man nicht damit durch, kurz in eine Wahlkabine zu huschen und irgendwo ein Kreuz hinzuschmieren. Der Wähler muss sich in den Prozess einbringen.

Die guten Bürger des Agrarstaats beanspruchen daher für sich eine Leitfunktion bei den Präsidentenwahlen. Dass ein Sieg in ihren Maisfeldern nicht zwingend einen Sieg in ganz Amerika vorhersagt, stört sie dabei nicht wirklich, auch wenn ihre Landsleute schon mal die Augen verdrehen.

Die verschiedenen Abläufe der Vorwahl in den Bundesstaaten sind nicht nur für den politischen Beobachter aus Übersee eine Herausforderung. Auch die Kandidaten und ihre Wahlkampf-Organisationen sind gezwungen, sich von Bundesstaat zu Bundesstaat umzustellen. Es ist, wenn man so will, ein Teil der Prüfungen, die ein zukünfigter Präsident meistern muss: Wer mit der Vielfalt nicht klar kommt, scheitert.

Das Gleiche gilt auch für die körperlichen und psychischen Belastungen der Vorwahlen, die auf Europäer extrem wirken. Ohne ungalant gegenüber der teilnehmenden Dame wirken zu wollen, müssen wir festhalten: In diesem Jahr sahen die Kandidaten schon vor Iowa erschöpft aus. Die Bewerber müssen zeigen, dass sie den Druck aushalten können, über Monate hinweg. Wie es Amtsinhaber George W. Bush kürzlich mit einer gewissen Nostalgie formulierte:

The testing that takes place in the primary is part of conditioning somebody to be able to deal with the pressures of the office

Das klassische Beispiel der Neuzeit ist der „Dean Scream“ [YouTube] des demokratischen Bewerbers Howard Dean beim Vorwahlkampf 2004 in Iowa. Ob von den Medien hochgespielt oder nicht, Dean hatte sich einen Moment nicht unter Kontrolle und – wham! – war sofort draußen. Wer Präsident der USA werden will, kann sich so einen Ausrutscher nicht erlauben. Nur die Harten kommen in den Rosengarten.

Allerdings haben wir in diesem Jahr einen wichtigen Sonderfall erlebt: Man sollte schon zeigen, dass man grundsätzlich zu menschlichen Regungen fähig ist. Das finden die Wähler dann wieder gut.

Wir werden ab jetzt etwas gemächlicher über die Wahl berichten. Schließlich haben noch andere schöne Themen wie, äh, Typhus und Pocken.

META: USAE gewinnt Leserpreis von 1000 Kleine Dinge in Amerika

Januar 9, 2008

Die netten Leser von Kai Blums Blog 1000 Kleine Dinge in Amerika haben einen Text von USA Erklärt zum besten Eintrag über die USA im vergangenen Jahr gewählt: Die seltsame Angst der Germanen vor sich bewegender Luft. Vielen Dank! Leserpreise erfreuen immer ganz besonders, und ein Leserpreis mit einem Preis zum Lesen um so mehr. Das Nachsehen hat Kai, denn eigentlich hatte ich vor, das Buch zu kaufen, nachdem wir die erste Ausgabe schon haben …

Wahlen, Teil 2: Was die Ausgaben im US-Wahlkampf mit Störchen zu tun haben

Januar 6, 2008

Für unseren heutigen Eintrag müssen wir uns etwas mit der Statistik befassen. Keine Angst, das wird nicht weh tun: Dieser Autor war als Student Tutor für Biomathematik und hat schon Medizinstudenten den Chi-Quadrat-Test erklärt. Wir schaffen das!

Es geht auch nur um ein einfaches, sehr grundsätzliches Prinzip: Um den Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität.

Eine Korrelation liegt vor, wenn zwei Ereignisse A und B gleichzeitig auftreten. Eine Kausalität besteht dagegen, wenn ein Ereignis die Folge des anderen ist. A ist dann die Ursache von B (oder B von A).

Soweit alles klar? Dann kommen wir zu dem Prinzip:

Eine Korrelation ist kein Beweis für eine Kausalität.

Nur weil A und B gleichzeitig auftreten, heißt das nicht, dass B die Folge von A ist (oder A die Folge von B). Es kann so sein, aber man muss es getrennt nachweisen.

Also. Dass gleichzeitig die Zahl der Störche und die Geburtenrate in Deutschland zurückgegangen sind, bedeutet also nicht, dass Babys wirklich von Vögeln gebracht werden. Hier haben wir den häufigen Fall, dass A und B beide von einem dritten Faktor abhängen: Die Industrialisierung (im weitesten Sinne).

Vielleicht ist das gemeinsame Auftreten aber nur ein Zufall. Dass der Aktienkurs von Apple immer weiter steigt, je mehr Hefte von Buffy Staffel 8 auf den Markt kommen (inzwischen mehr als eine Million, übrigens), dürfte nicht zusammenhängen. So groß ist die Kaufkraft dieses Autors auch nicht.

Schließlich können Dinge, die gleichzeitig auftreten, tatsächlich voneinander abhängen. Dass alles im Hause Stevenson unter dem Sofa verschwindet, seitdem Kind Nummer Zwei krabbeln kann, folgt eindeutig dem Prinzip von Ursache und Wirkung. Als Nachweis dienten über Weihnachten die Schokoladenspuren, die die Staubmäuse so schön an den Fernbedienungen binden.

Und das war es schon mit der Statistik.

Wir mussten diesen Ausflug einschieben, weil er für die Berichterstattung über die amerikanische Wahlkampffinanzierung wichtig ist: Große Teile der deutschen Presse sind mit dem Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität offensichtlich überfordert. Dies ist einer der Einträge, die sehr von Regel 2 dieses Blogs profitieren, denn dieser Autor neigt bei der Diskussion über das Thema sonst zu Hohn, Spott und Sarkasmus.

Hintergrund ist die Tatsache, dass die Gewinner in den USA in der Regel mehr Geld für ihren Wahlkampf ausgegeben haben als die Verlierer. Das steht überhaupt nicht in Frage, war schon immer so und wird bei jeder Wahl bestätigt. Der durchschnittliche Sieger im Senat gab 2006 9,6 Millionen Dollar aus, der durchschnittliche Verlierer 7,4 Millionen (das Repräsentantenhaus ist übrigens billiger, da machte ein Abgeordneter mit 182.000 Dollar das Rennen. Die Diskussion über die absoluten Beträge führen wir in einem späteren Eintrag).

Der Zusatz „in der Regel“ ist wichtig, denn es gibt genug Beispiele für den umgekehrten Fall: Weniger ausgegeben, aber trotzdem gewonnen. Beim Kampf um einen Senatssitz in Oklahoma 2004 – um ein anderes Jahr zu nehmen – gab der Demokrat Brad Carson 4,5 Millionen Dollar aus und verlor trotzdem gegen den Republikaner Tom Coburn mit seinen drei Millionen Dollar, immerhin ein ganzes Drittel weniger. Mehr Geld ist in den USA keine Garantie für einen Wahlsieg. Alles andere wäre in zwei Jahrhunderten Demokratie auch irgendwie aufgefallen.

Was sich die meisten Deutschen nun nicht bewusst machen: Das alles ist in der Bundesrepublik genau so.

Die entscheidende Einheit ist zwar die Partei und nicht die Einzelperson, der Maßstab nicht der gewonnene Sitz sondern der Prozentsatz der Wählerstimmen und ein großer Teil des Geldes kommt über die Parteifinanzierung statt über Spenden. Aber wenn wir uns die Wahlkampfausgaben für die Bundestagswahl 2005 anschauen, ist am Ende der Trend so eindeutig wie in den USA: Die Sieger haben grundsätzlich mehr ausgegeben.

Partei Ausgaben (Euro) Stimmanteil (%)
Union 23,0 Mio 35,2
SPD 25,0 Mio 34,4
FDP 3,5 Mio 9,8
PDS 4,0 Mio 8,7
Grüne 3,8 Mio 8,1

(Da die Wahl 2005 kurzfristig angesetzt wurde, könnte das ein Sonderfall sein. Den Zusammenhang finden wir aber auch 2002.)

Was uns zu der Frage bringt, ob es in Deutschland nur am Geld liegt. Spielen wir Was-Wäre-Wenn: Wäre die PDS mit 20 Millionen Euro auch auf ein Drittel der Stimmen gekommen? Wäre die SPD unter zehn Prozent der Stimmen gelieben, wenn sie nur vier Millionen Euro gehabt hätte? Ist der Wahlausgang in Deutschland etwa käuflich?

Wer jetzt den Kopf schüttelt oder lacht, muss sich klar machen, dass genau diese Behauptung ständig über Wahlen in den USA gemacht wird: Wer gewinne, hänge vom Geldbeutel ab, so die Unterstellung, frei nach dem Motto: „Hast Du was, wirst Du was.“

In den USA ist das genauso albern wie in Deutschland, denn jetzt kommen wir zu dem Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität. In beiden Staaten gibt es eine starke und unbestrittene Korrelation zwischen Wahlkampfausgaben und Stimmenzahl – die Gewinner hatten mehr Geld. Eine Kausalität ist allerdings nicht gegeben. Vielmehr hängt es in beiden Systemen von einem dritten Faktor ab: Der Beliebtheit. Wer beliebt ist, erhält mehr Geld und mehr Stimmen.

Der Mechanismus dafür ist in den USA direkter als in Deutschland, denn die amerikanischen Kandidaten müssen beim Spendensammlen in jedem Wahlkampf wieder bei Null anfangen. Die deutschen Parteien erhalten dagegen mehr Geld vom Staat, je besser sie in der vergangenen Wahl abgeschnitten haben. Für Amerikaner ist das undenkbar – man stelle sich vor, der republikanische Spitzenkandidat würde mehr Geld bekommen als der demokratische, nur weil George W. Bush jetzt Präsident ist. Aus US-Sicht gibt das deutsche System dem Sieger der vergangenen Wahl einen unfairen Startvorteil bei der nächsten.

Den Nachweis der fehlenden Kausalität liefert uns in diesem Jahr Mike Huckabee im Vorwahlkampf der Republikaner. Im Dezember 2007 lag er bei den Spenden mit 2,3 Millionen Dollar dramatisch hinter Mitt Romney (62,8 Mio) und Rudy Giuliani (47 Mio). Nach der „Hast Du was, wirst Du was“-Theorie hätte er sich gleich erschießen können. Im selben Monat sprangen aber seine Umfragewerte landesweit auf 22 Prozent und damit nur einen Prozentpunkt hinter dem Favoriten Giuliani. Und tatsächlich gewann Huckabee im Januar die Urwahl in Iowa mit deutlichem Vorsprung.

In gewisser Weise tun beide Systeme das Gleiche: Sie entziehen den Verlierern Geld. In den USA sind das insbesondere die Spenden, die bei fallender Beliebtheit noch im Laufe des Wahlkampfs versiegen. In Deutschland ist es Geld des Steuerzahlers, das für die nächste Wahl nicht mehr zur Verfügung steht. Am Grundgedanken ändert sich nichts.

Nachdem wir das – mit einem Minimum an Sarkasmus, eigentlich – aus dem Weg geräumt haben, können wir uns in den kommenden Einträgen etwas entspannter mit dem Thema Geld befassen. Warum ist der amerikanische Wahlkampf vergleichsweise teuer, und ist er es wirklich? Der interessierte Leser kann schon mal vorarbeiten: Wie teuer ist eigentlich eine Bundestagswahl, wenn man alles zusammenrechnet?

Dumme Witze und gängige Rätsel

Januar 3, 2008

Es ist dunkel und kalt und daher wollen wir das Jahr mit etwas Humor beginnen. Jede Kultur hat einen Satz dummer Witze und gängiger Rätsel, die eigentlich nur Kinder lustig finden, und das auch nur beim ersten Mal, aber als bekannt vorausgesetzt werden. Dazu gehören bei den Angelsachsen so Heuler wie:

– What has four wheels and flies?
– A garbage truck.

Auch der nächste Witz – den wir angekündigt hatten – ist ein Wortspiel:

– Call me a taxi.
– You’re a taxi!

Eine Variante davon finden wir in Terry Pratchetts Roman Thief of Time. Dort bittet der Mönch Lobsang (eigentlich der Sohn der Zeit) die Grundschullehrerin Susan (eigentlich die Enkeltochter von Gevatter Tod), den mit einem Uhrwerk betriebenen Zeitspeicher auf seinem Rücken wieder aufzuziehen – Wind me up, please? Sie antwortet:

Certainly. Lobsang Ludd, you are thoughtless and impulsive and deserve to die a stupid and pointless death.

Da haben wir endlich einmal einen Witz, der sich übersetzen lässt. Für den Standard-Anti-Witz gilt das auch, allerdings wäre er auf Deutsch wohl auch nicht viel lustiger:

– Why did the chicken cross the road?
– To get to the other side.

Andere Varianten sind zumindest geistreicher. Weiter hätten wir (bei Unverständnis laut vorlesen):

– What’s black and white and red all over?
– A newspaper.

Und irgendwie kann sich dieses Blog von dem Thema Kannibalismus einfach nicht lösen:

– Why is six afraid of number seven?
– Because seven eight nine.

Das Lieblingsrätsel dieses Autors ist schließlich nur eine Frage:

– Why is a raven like a writing desk?

Es stammt aus Alice in Wonderland von Lewis Carroll. Dort steht aber keine Lösung. Überhaupt tritt das Rätsel immer ohne die Antwort auf, zum Beispiel in Greg Bears Roman Eon. Seit 1865 haben sich darüber viele Leute den Kopf zerbrochen – Because Poe wrote on both lautet einer der besseren Vorschläge (wir sind wieder bei Quoth the Raven).

Ja, aber was ist denn jetzt die Lösung?

Es gibt keine. Nein, ehrlich. Das ist der Witz. Schauen wir uns noch einmal die Stelle in Wonderland an:

Alice sighed wearily. „I think you might do something better with the time,“ she said, „than waste it in asking riddles that have no answers.“

Zumindest hatte Carroll geplant, dass es keine Antwort geben würde. Seine Leser nervten ihn aber mehr als 30 Jahre lang mit Nachfragen, bis er 1896 einknickte (Hervorhebung hinzugefügt):

Because it can produce a few notes, tho they are very flat; and it is nevar put with the wrong end in front!

Nach nevar braucht der interessierte Leser gar nicht erst im Lexikon zu suchen, das Wort gibt es nicht. Aber die Sache mit dem „falschen Ende am Anfang“ klingt nach einem Hinweis, oder?

Kommt man nicht auf die Idee, das Wort rückwärts zu lesen, könnte man nevar für einen Tippfehler halten. Genau das tat ein Lektor und machte daraus never. Carroll selbst scheint nie bemerkt zu haben, dass sein Witz herausredigiert wurde. Erst 1976 (!) fiel es dem Alice-Forscher Denis Crutch bei einer Durchsicht des Originals auf.

Auf manche Pointen muss man halt etwas warten.