Archive for Dezember, 2007

Wahlen, Teil 1: Warum es in den USA Vorwahlen gibt

Dezember 31, 2007

Weihnachten ist vorbei und dieser Autor hat endlich wieder einen Laptop: Einen MacBook. Es ist die weiße Ausführung, denn die elegantere, schwarze hat bereits die Schönste Germanin, und eine Verwechslung wäre fatal für beide Blogs. Außerdem stehen ihr elegante Dinge einfach besser.

Die neue Hardware kommt keinen Augenblick zu früh, denn wir haben viel zu tun. Morgen beginnt 2008, das ist ein grades Jahr, und damit ein Wahljahr in den USA, wo die Termine wie ein Uhrwerk eingehalten werden. Einige Themen wie die Vor- und Nachteile der Mehrheitswahl haben wir schon 2006 abgehandelt. Aber diesmal wird nicht nur das ganze Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats gewählt, sondern auch der Präsident. Das heißt, es gibt Dinge wie Vorwahlen (primaries). Dabei bestimmen die Parteien, wer ihr Kandidat im November sein soll.

Vorwahlen sind laut, teuer, nervig und sorgen dieses Mal dafür, dass der Wahlkampf fast ein Jahr dauert. Warum tun sich die Amerikaner so etwas an?

Zuerst: Die Verfassung kann nichts dafür. Schauen wir nach, was dort über die Wahl des Präsidenten steht, finden wir in Artikel 2 lediglich:

Each State shall appoint, in such Manner as the Legislature thereof may direct, a Number of Electors, equal to the whole Number of Senators and Representatives to which the State may be entitled in the Congress […].

Und etwas weiter unten:

The Congress may determine the Time of chusing the Electors, and the Day on which they shall give their Votes; which Day shall be the same throughout the United States.

(Das chusing ist eine alternative Schreibweise von choosing, die damals gängig war, die man seinem Englischlehrer aber heute nicht mehr anbieten sollte. Die erste Version der Verfassung wurde in großer Eile per Hand geschrieben und enthält tatsächlich einige Fehler.)

Nix mit Vorwahlen. Das muss irgendein neumodischer Schnickschnack sein.

Wir können aus Artikel 2 einen Punkt mitnehmen, der immer wieder zu Verwirrung führt und so zentral für das Verständnis des Systems ist, dass wir heute einmal zum visuellen Hammer greifen:

In den USA wird der Präsident nicht durch eine Wahl auf Bundesebene bestimmt, sondert durch getrennte Wahlen in den einzelnen Bundesstaaten, deren Ergebnisse kombiniert werden.

Daher organisiert nicht der Bund die Wahl (oder die Vorwahlen), sondern die einzelnen Bundesstaaten; daher gibt der Bundesstaat New York sein Endergebnis schon bekannt, während in Kalifornien noch gewählt wird; daher ist der genaue Ablauf der Wahl in jedem Bundesstaat anders, wie wir 2000 gesehen haben. Die Einzelheiten folgen in einem späteren Eintrag.

Zurück zu den Vorwahlen –

(Zwanghafte Browser-Suchfunktion-Benutzer werden bemerkt haben: Das Wort primary kommt doch in der Verfassung vor, im 24. Verfassungszusatz. Dort steht, dass man für die Teilnahme an einer Wahl keine poll tax verlangen darf. Als Teil der Jim Crow laws führten einige Südstaaten nach dem Bürgerkrieg Wahlgebühren ein. Erlassen wurden sie nur dem, der zeigen konnte, dass ein Vorfahre vor dem Bürgerkrieg wählen durfte. Durch diesen Trick wurde die Masse der Schwarzen trotz des 15. Amendement von der Wahl ausgeschlossen.)

– ihre Funktion wird deutlich, wenn man sich klar macht, dass es sich um parteiinterne Wettbewerbe handelt. Deswegen stehen sie auch nicht in der Verfassung, denn Parteien sind im amerikanischen System nicht vorgesehen. Die Gründungsväter hielten sie für eine Form von politischem Krebs. Allerdings bieten Parteien, selbst die der schwächlichen amerikanischen Variante, jede Menge Vorteile. Nur George Washington als erster Präsident war parteilos. Inzwischen gelten Parteien als unvermeidbares Übel.

Dumm für eine amerikanische Partei ist aber, dass in den USA Menschen gewählt werden. Damit könnten gleich mehrere ihrer Mitglieder im Kampf um die Präsidentschaft antreten. Man stelle sich vor, im November würden nicht entweder Hillary Clinton oder Barack Obama für die Demokraten kandidieren, sondern beide. Das würde die Wählerschaft der Partei spalten und der lachende Dritte wäre der Kandidat der Republikaner.

Die Parteien brauchen also einen Mechanismus, um sich auf einen einzigen, gemeinsamen Kandidaten zu einigen.

Früher, viel früher, geschah das in den Hinterzimmern des Kapitols. Von etwa 1796 bis 1824 kamen die Abgeordneten der beiden großen Parteien – damals die Federalists und die Democratic-Republicans – in ihren congressional caucus zusammen und handelten jeweils ihren Kandidaten aus. Die Treffen waren zunächst geheim. Als undemokratisch verschrien („King Caucus“), zerfiel das System 1824 im Streit.

Stattdessen wurden die landesweiten Parteitage (national conventions) eingeführt, die es – wenn auch in stark abgewandelter Form – bis heute gibt. Die Demokraten fingen 1832 damit an, die 1854 gegründeten Republikaner zogen nach. Die Parteien in jedem Bundesstaat bestimmten die Delegierten.

(Wie wenig die amerikanischen Parteien mit ihren deutschen Namensvettern zu tun haben, sieht man daran, dass die Demokraten erst nach dem Parteitag 1848 überhaupt eine landesweite Struktur bekamen. Das Democratic National Committee (DNC) bezeichnet sich selbst als die älteste noch bestehende politische Organisation der Welt.)

Damals waren die Parteitage noch wichtig, denn dort fiel die Entscheidung. Getroffen wurde sie allerdings von den Parteibonzen. Es gab hitzige Intrigen in verrauchter Luft, endlose Verhandlungen und dutzende Abstimmungen. Am Ende gewannen schon mal die dark horse candidates wie James K. Polk, der erst auf dem Parteitag ins Spiel gebracht wurde. Das Verfahren hielt sich etwa 140 Jahre lang, war aber weder transparent noch demokratisch.

Einige Bundesstaaten fingen daher im 19. Jahrhundert an, richtige Wahlen abzuhalten, die ersten primaries. Dort entschied die Basis, welche Delegierte zu dem Parteitag geschickt wurden und wie sie dort abzustimmen hatten. Allerdings blieb der Einfluss dieser „echten“ Vorwahlen auf das Gesamtverfahren zunächst begrenzt.

Wie begrenzt? Auf dem Parteitag der Demokraten 1968 in Chicago wurde Hubert Humphrey Kandidat, ohne eine einzige Vorwahl gewonnen zu haben (er wurde später von Richard Nixon [PNG] geschlagen). Das machte eine Menge Leute wütend. In der aufgeladenen Atmosphäre vor dem Hintergrund des Vietnam-Kriegs kam es in Chicago zu Krawallen [JPEG]. Auf den Schock hin wurden flächendeckend Vor- und Urwahlen eingeführt, deren Ablauf von den Bundesstaaten gesetzlich geregelt wird.

Heute findet dort die Entscheidung statt: Wer die meisten Stimmen bekommt, schickt Delegierte zu den Parteitagen, die für ihn stimmen. Meist steht der Kandidat aber schon lange vorher fest.

Die Parteitage sind dadurch zu einer reinen Krönungszeremonie degeneriert, eine Riesenshow mit lebensgefährlichen Konfetti-Blizzards und manisch lächelnden Menschen, die man sonst nur in Raccoon City trifft. Da die inhaltliche Bedeutung der Veranstaltung gegen Null tendiert, berichten die US-Sender auch nicht mehr großartig über sie. Das wiederum treibt die deutschen Medien zur Verzweiflung, die den Umbau des Vorwahl-Systems in den 70er Jahren verpasst haben und den Amerikanern prompt wieder politisches Desinteresse unterstellen.

Kurz gesagt lautet die Antwort also: Durch das System der Vorwahlen entscheidet die Basis, wer der Kandidat der Partei wird.

Eine Parallele zu Deutschland ist schwierig, denn hier gibt es weder eine eigenständige Exekutive noch hat der Titel „Kanzlerkandidat“ eine juristische Bedeutung. Der interessierte Leser mag sich jedoch angesichts der „Amerikanisierung“ (gemeint ist die Personalisierung) des deutschen Wahlkampfs vorstellen, dass die Mitglieder der SPD darüber abstimmen könnten – verbindlich – wer ihr Kandidat wird. Tatsächlich gibt es immer mal wieder die Forderung nach Vorwahlen in Deutschland, ausdrücklich nach dem US-Vorbild. Ob das wirklich sinnvoll wäre, ist nicht Thema dieses Blogs.

Das heutige System in den USA hat noch einen weiteren nützlichen Effekt. Ein Kandidat der Parteiführung aus dem Hinterzimmer mag beim Wähler nicht ankommen. Im Extremfall weiß keiner, wer das überhaupt ist – Who is James K. Polk? spotteten die Whigs nach dem Parteitag der Demokraten 1844 (dass Polk trotzdem gewann, sollte Kurt Beck ein Trost sein). Aber wenn die Leute, die die Partei wählen werden, auch gleich selbst den Kandidaten bestimmen können, erhöht das die Siegeschancen ungemein. Auch deswegen gibt es die Vorwahlen.

Der logische nächste Schritt dieser Entwicklung sind die open primaries wie sie in einigen Bundesstaaten praktiziert werden. Dort kann sich jeder aussuchen, an welcher Vorwahl er teilnimmt. Auch ein Parteimitglied der Demokraten kann also bei den Vorwahlen der Republikaner seine Stimme abgeben und damit den schwächsten (!) Kandidaten fördern. Dieser Vorgang wird als raiding bezeichnet, funktioniert aber nicht wirklich. Häufiger sind ohnehin closed primaries, also parteiinterne Vorwahlen.

Wir werden uns die verschiedenen Formen von Vorwahlen, insbesondere den Unterschied zwischen primary und caucus, in einer der nächsten Folgen anschauen. Der Eintrag wird deutlich kürzer, denn am Ende läuft es auf Tabellen [PDF] hinaus.

Guten Rutsch!

[Geändert 3. Januar 2008: Genauer Betrachtung der Vorwahl nicht zwangsweise in der kommenden Folge]

ZEUGS: Grabsteine, Kannibalen und Atombomben auf Santa Claus

Dezember 28, 2007

Eigentlich sollte hier ein Text über die Vorwahlen stehen. Aber dieser Autor hat mit Entsetzen gesehen, wie lang die Warteliste für ZEUGS-Einträge ist. Deswegen ist heute Räumungsschreiben angesagt: Alles muss ‚raus!

  • Zu Halloween: Die Familie Stevenson hat in diesem Jahr ein weiteres Stück Halloween-Kultur im Großraum Berlin eingeführt und Klopapier über die Bäume (dieser Autor) und die kleine Hecke (Kind Nummer Eins) geworfen. Das Ergebnis waren mehrere Beinah-Unfälle von erstaunten Autofahrern. Nächstes Jahr lautet das Projekt: selbstgemachte Grabsteine [YouTube]. Als Amerikaner am Ort hat man gewisse Pflichten.
  • Zu Pig Latin: Die Auszeichnung als Bester Googler geht an den interessierten Leser T, der eine Site gefunden hat, die Texte nicht nur in Pig Latin verwandelt, sondern auch in verschiedene (Pseudo-)Dialekte.
  • Zum Supreme Court: Inzwischen gibt es auch einen Überblick über die Arbeit des Obersten Gerichts auf Deutsch [PDF].
  • Zu Liberia: Die Kämpfe in Liberia haben auch nicht die US-Bürger dort verschont, wie Präsidentin Sirleaf bemerkt:

    Nine times — nine times! — in the past 15 years, the United States has been forced to evacuate official Americans and their dependents from our country, at enormous cost to your taxpayers. Monrovia, I am told, is the most-evacuated U.S. embassy in the world.

    Eine zehnte Evakuierung, verspricht sie, soll es nicht geben.

  • Zur Bevölkerungsentwicklung: Die Geburtenrate in den USA ist 2006 unerwartet angestiegen und liegt nun bei dem magischen Wert von 2,1. Damit würde die Einwohnerzahl auch ohne jede Einwanderung stabil bleiben. Die 400-Millionen-Marke wird jetzt für 2040 erwartet, wir hatten noch 2050 angegeben.
  • Zu Anredeformen: Gut, einmal noch zu den Menschenfressern, denn in dem Roman The Silence of the Lambs von Thomas Harris finden wir folgenden Dialog zwischen Clarice Starling und Hannibal Lecter:

    Lecter: May I call you Clarice?
    Starling: Yes. I think I’ll just call you –
    Lecter: Dr. Lecter — that seems most appropriate to your age and station.
    Starling: Yes.

    Für den unbedarften deutschen Leser ergibt das keinen Sinn. Er dürfte sich fragen: Warum spricht Lecter sie wie ein Kind mit dem Vornamen an, wenn er sie sonst mit der größten Höflichkeit behandelt?

  • Zum Wert des Dollars: Wer wissen will, wie viel ein Dollar von früher heute wert war, hat bei Measuring Worth ein Online-Werkzeug dazu. Dabei werden auch die Grenzen der verschiedenen Methoden erklärt. Das Gehalt von George W. Bush (400.000 Dollar) entspricht offenbar wirklich dem von George Washington (25.000 Dollar).
  • Zum Verhalten von Angelsachsen: In seinem immer wieder interessanten Blog German Joys hat Andrew Hammel (mit Genehmigung) einen längeren Auszug von West German and American Interaction Forms: One Level of Structured Misunderstanding des Soziologen Stephen Kalberg veröffentlicht. Die Arbeit ist 20 Jahre alt und die Beschreibungen zum Teil recht abstrakt, aber lesenswert ist der Text auf jeden Fall.
  • Zu Weihnachten: Wer es für einen Witz hielt, dass die Armeen der USA (und Kanadas) Santa bewachen, sei eines Besseren belehrt: Als es Diskussionen gab, ob die Sowjets Atomtests am Nordpol vornehmen wollten, verpflichtete sich kein Geringerer als JFK schriftlich, Santa Claus zu schützen. Vom Christkind hat er übrigens nichts gesagt.
  • Zum Fluorid im Wasser: Der interessierte Leser CM hat festgestellt, dass das Trinkwasser in Vancouver, Kanada nicht mit Fluor, sondern – für die Verhältnisse des Berliners – massiv mit Chlor versetzt wird. So richtig gefalle ihm das nicht, schrieb er dem örtlichen Wasserversorger.

    Damit sorgte ich für eine Kaskade an E-Mails und Telefonnummern aus allen möglichen Verwaltungsebenen und Stadtteilen (warum auch immer), die mir eigentlich immer dasselbe sagten: [Das] Wasser in Vancouver sei eines der saubersten überhaupt und wenn mich der Chlorgeruch stören würde, solle ich ein Krug mit Wasser einfach über Nacht im Kühlschrank stehen lassen.

    Das klappt allerdings nicht so gut. Inzwischen musste er auf abgefülltes Wasser umsteigen.

  • Zu Knock-Knock-Jokes: Es gibt auch eine Variante mit Jack Bauer:

    Once, someone tried to tell Jack Bauer a knock-knock joke. Jack Bauer found out who was there, who they worked for, and where the bomb was.

    Besser ist der Witz in der Buffy-Folge Bargaining (erste Episode von Staffel 6), in der Buffy das zweite Mal tot ist und die Scoobies mit dem „Buffybot“ Roboter arbeiten müssen. Der war ursprünglich auf solche Witze programmiert. Nun glaubt Willow, dieses Modul gelöscht zu haben, wie sie allen erzählt (Witzstruktur hervorgehoben):

    Willow: I got her head back on, didn’t I? And I got her off those knock-knock jokes.
    Buffybot [im Hintergrund]: Ooh, who’s there?
    Xander: You know, if we want her to be exactly…
    Spike: She’ll never be exactly.
    Xander: I know.
    Tara: The only really real Buffy is really Buffy.
    Giles: And she’s gone.
    Buffybot: If we want her to be exactly she’ll never be exactly I know the only really real Buffy is really Buffy and she’s gone who?

    Dieser Autor traut sich nicht nachzuschauen, wie die Passage übersetzt wurde.

Und wer am Ende des Jahres immer noch nicht die Bedeutung der Serie verstanden hat und in San Diego wohnt, kann sich im Wintersemester an der UCSD für den Kurs Popular Culture in Critical Perspective: Buffy the Vampire Slayer einschreiben. Wer ab dem 23. Januar nicht in Kalifornien sein kann, muss sich wohl mit einem Selbststudium begnügen: Die englische Wikipedia hat einen Eintrag zu „Buffy Studies“ mit einer Liste von Fachliteratur.

Zur Pflichtliteratur gehört natürlich die Fachzeitschrift „Slayage“ mit Artikel wie “It’s About Power”: Buffy, Foucault, and the Quest for Self … haben alle Leser schon gute Vorsätze?

[Geändert 3. Januar 2008: Formulierung zu Lecter klarer, Danke an SJ]

META: Weihnachten und Blogpause

Dezember 22, 2007

Für die Leser, die vergangenes Jahr nicht bei uns waren: Wir haben Weihnachten in den USA schon besprochen. Auch dieses Jahr empfehlen wir allen Zweiflern die Santa-Tracking-Site der kanadisch-amerikanischen Luftüberwachung NORAD: Natürlich gibt es einen Weihnachsmann, hier könnt ihr ihn sogar sehen!

Dieses Blog macht eine Pause zum Verdauen zur Besinnung bis zum 28. Dezember 2007. Der nächste Eintrag wird sich mit den Vorwahlen zur Präsidentschaftswahl beschäftigen.

Frohe Feiertage!

ZEUGS: Telefonnummern, Cookies und irische Frühstücksflocken

Dezember 20, 2007
  • Zu Vanity Numbers: Nach diesem Eintrag ergoss sich eine Welle von E-Mail über diesen Autor, zur einen Hälfte mit dem Tenor „Das gibt es hier auch, das weiß doch jeder“ und zur anderen mit „Ach deswegen, das wusste ich nicht.“ Offenbar besteht für die Telekom Marketingbedarf im Heimatmarkt. Wir halten fest, dass der Buchstabencode in den USA seit Ewigkeiten [JPG] benutzt wird und in Deutschland nicht [JPG].
  • Zu Vanity Numbers, noch etwas: Der interessierte Leser SH verweist auf eine deutsche Site, wo man seine Telefonnummer überprüfen kann. Der Preis für die beste Google-Leistung geht heute an ihn.
  • Zu Chocolate Chip Cookies: Diverse Blogger haben die Plätzchen nachgebacken, darunter das Miiplog, Femnerd und Unfrisiertes, wo es sogar ein Gesangsvideo mit einem etwas anderen Rezept gibt.
  • Zu Chocolate Chip Cookies, nochmal: Der interessierte Leser WC sieht gar nicht ein, die Schokolade mühsam zu zerhacken:

    Just buy some good chocolate in thin bars (Moser-Roth from Aldi is pretty excellent if you ask me), pop it in the freezer for a couple of hours and then give each bar a good whack against the counter. Less messy if you leave them wrapped for the whack and then unwrap them over the bowl. If you need to work out some frustration, you can throw them against the wall. Or increase the entertainment value by setting up a ladder in your kitchen, perching yourself on top and dropping/tossing/hurling them onto the floor. Give it a try. You’ll never waste your time cutting chocolate again.

    Befolgung auf eigene Gefahr.

  • Zu Namen: In Arizona macht sich der hohe Anteil an Hispanics bei der Häufigkeit von Kindernamen bemerkbar: In dem Bundesstaat schlägt „Mia“ bei Mädchen inzwischen sogar „Emily“. Die Nummer eins bei Jungen in Arizona – „Angel“ – liegt landesweit nur auf Platz 31.
  • Zu „US-amerikanisch“: Der interessierte Leser und Wikipedia-Autor HS weist darauf hin, dass die Formulierung vor Monaten aus dem Eintrag zu den USA entfernt wurde. Gut so. In anderen Teilen des Lexikons treibt sie allerdings noch immer ihr Unwesen.
  • Zu „US-amerikanisch“, nochmal: Wer in letzter Zeit in Washington war, konnte sich selbst von der Mitschuld der Deutschen überzeugen, dass überhaupt von „Amerika“ gesprochen wird. Die Kongressbibliothek hatte die Waldseemüller Map von 1507 ausgestellt, eine Weltkarte, auf der zum ersten Mal das Wort zu sehen ist. Erstellt wurde die, festhalten bitte, Universalis cosmographia secunda Ptholemei traditionem et Americi Vespucci aliorum que lustrationes von dem Freiburger Martin Waldseemüller. Er meinte damals mit „America“ natürlich die ganze Neue Welt.
  • Zu berühmten Amerikanerinnen: Der interessierte Leser BK weist darauf hin, dass Betsy Ross in dem Computerspiel Day of the Tentacle von 1993 vorkommt.
  • Zu Guten Appetit: Damit nicht der falsche Eindruck entsteht: Es ist nicht verboten, etwas vor dem Essen zu sagen, es gibt nur nicht einen kulinarisch vorgeschrieben Standardspruch. Man wird nicht gehauen, wenn man Enjoy! sagt, wie der interessierte Leser AD bemerkt. Die beste eingeschickte Geschichte stammt von dem amerikanischen Leser JT, bei dem nichts gegessen werden durfte, bis Mutter die Gabel hob. So eine Disziplin wünscht sich die Schönste Germanin auch.
  • Zu Guten Appetit, nochmal: Amerikanische Kinder stehen ihren deutschen Altersgenossen natürlich in endlosen Tischreimen nicht nach. Zum Beispiel:

    Over the lips, past the gums
    Look out stomach, here it comes!

    Nicht alle sind so süß:

    Great big gobs of greasy grimy gopher guts
    Mutilated monkey meat
    Little chopped up birdies‘ feet
    Great big gobs of greasy grimy gopher guts —
    And I forgot my spoon.

    Im Hause Stevenson ist „Piep, Piep, Mäuschen“ verboten, nachdem die Version von Kind Nummer Eins etwa die Länge der Nibelungen erreicht hatte.

  • Zu Hühnchengeschmack: Der interessierte Leser JM erinnert daran, dass der Hannibal-Lecter-Verschnitt in National Lampoon’s Loaded Weapon 1 ausdrücklich sagt, dass Menschenfleisch nach Huhn schmeckt. Und damit ist dieses Thema endgültig durch.
  • Zu gefährlichen Luftzügen: Auch in Rumänien scheint die Draftophobie vorzuherrschen, wie der interessierte Leser AB aus einem Bericht des „Daily Telegraph“ zitiert:

    In Romania, the greatest threat to life today is not poverty, climate change or al-Qa’eda. It’s moving air. Fans, air conditioning and open windows are not — as I had thought — useful mechanisms to generate a nice breeze, or give a little respite as summer temperatures climb to around 40 degrees. They are weapons of mass destruction.

    Wie gut, dass auch andere binationale Beziehungen diese Probleme haben.

  • Zur Synchronisation: Wir hatten wohl etwas voreilig das Ende des Zeitalters der sinnverändernden Übersetzungen ausgerufen. In German Joys weist Andrew Hammel darauf hin, dass aus der deutschen Variante des Bestsellers The Dangerous Book für Boys so subversive Dinge wie die Zehn Gebote entfernt wurden. Der britische Autor ist wohl außer sich.
  • Zu Beleidigungen unter Angelsachsen: Wir werden nicht darauf eingehen, dass Sarah Michelle Gellar von Maxime zur Frau des Jahres 2008 ernannt wurde („Buffy is back!“). Stattdessen konzentrieren wir uns auf Heft 9 von Staffel 8, wo diesmal Lady Genevieve Savidge und Faith Beleidigungen austauschen. Letztere nennt den irischen Mentor ihrer Gegenspielerin lucky charms – das ist eine Anspielung auf eine Art Frühstücksflocken in den USA, die als irisch vermarktet wird. Will jemand die Farbe raten?

(Danke an DKS für Hinweise)

[Ergänzt 20. Dez 2007 Alternative Art eingefügt, die Schokolade aufzubrechen]

Was Liberia (ja, das Land in Afrika) mit den USA zu tun hat

Dezember 17, 2007

Liberia, die älteste Republik Afrikas, ist in vielen Punkten merkwürdig amerikanisch. Die Fahne sieht aus wie die der USA, mit waagerechten roten und weißen Streifen, wenn auch mit 11 statt 13. In der oberen, linke Ecke ist ebenfalls ein blaues Feld, in dem allerdings nicht 50 kleine Sterne, sondern ein großer liegt. Die Hauptstadt heißt „Monrovia“ nach dem US-Präsidenten James Monroe, der bekanntlich die europäische Kolonisation der Neuen Welt für beendet erklärte. Die Währung ist der Liberian Dollar, die Amtssprache ist Englisch. Was soll das?

Die Lösung findet sich in dem ersten Satz der Erklärung der Verfassungsgebenden Versammlung von Liberia 1847:

We the people of the Republic of Liberia were originally the inhabitants of the United States of North America.

Liberia wurde von befreiten amerikanischen Sklaven gegründet. Dieser Hintergrund bestimmt bis heute das Schicksal eines der ärmsten Länder der Welt.

Die Geschichte beginnt 1816, etwa 50 Jahre vor dem Amerikanischen Bürgerkrieg. Von den zwei Millionen Schwarzen in den USA waren etwa 200.000 frei. Eine Menge Leute waren der Meinung, dass Schwarz und Weiß niemals wirklich würden zusammenleben können. Gegner der Sklaverei wie die Quaker wollten daher die freien Schwarzen wieder nach Afrika schicken, mit dem Nebeneffekt, dass sie dort das Christentum und die Zivilisation verbreiten konnten. Das passte den Sklavenhaltern wunderbar, denn so viele frei Schwarze könnten bei ihren Rassengenossen gewisse unangenehme Begehrlichkeiten wecken. In der Karibik hatte es Aufstände gegeben.

Und so entstand 1816 aus diesen Strömungen die American Colonization Society (ACS). Zu ihren Unterstützern gehörten Monroe, James Madison (Präsident und Verfasser der Federalist Papers) und Francis Scott Key (Autor der Nationalhymne). Der Name des späteren Präsidenten Andrew Jackson wurde ohne seine Zustimmung auf die Mitgliederliste gesetzt. Tatsächlich war er gegen die Kolonisation.

Auch viele freie Schwarze waren erbitterte Gegner des Vorhabens, besonders in Philadelphia. Here we were born, and here we will die schworen sie in den 1830ern und betonten bei Treffen im ganzen Land ihre amerikanische Staatsbürgerschaft. Der Widerstand führte zu einem bis dahin nicht gekannten Organisationsgrad unter den Schwarzen.

Die ACS blieb unbeirrt. Die ersten Kolonialisten – etwa 90 freiwillige Schwarze und drei Weiße – landeten 1822 in Afrika. In den folgenden 40 Jahren folgten bis zu 19.000 „Americo-Liberianer“. Zu den Problemen gehörten Malaria und Gelbfieber, ein Viertel der Schwarzen und alle Weißen der ersten Gruppe starben an Seuchen. Das Land wurde von den Eingebornen gekauft oder schlicht übernommen.

Die Kolonialisten wurden im Gegenzug wiederholt angegriffen, denn die Bewohner der „Getreideküste“ waren unglücklich über die wachsenden Siedlungen, unglücklich über die Versuche, sie zum Christentum und westlichen Werten zu bekehren, und ganz besonders unglücklich über das Ende des lukrativen Sklavenhandels, bei dem Schwarze andere Schwarze an die Weißen verkauft hatten. Mehrfach musste die Marine der USA zu Hilfe gerufen werden, um Blockaden der Stämme zu brechen.

Nach 25 Jahren erklärte die Kolonie ihre Unabhängigkeit, Joseph Jenkins Roberts wurde Liberias erster Präsident. Großbritannien und Frankreich erkannten als Erste den neuen Staat an. Die USA selbst zögerten bis 1862 – also nach dem Beginn des Bürgerkriegs – um die innenpolitischen Probleme zu vermeiden, die ein akkreditierter schwarzer Botschafter in Washington mit sich gebracht hätte.

Der ursprüngliche Entwurf der Verfassung von 1847 wurde von dem Anwalt Simon Greenleaf aus Massachusetts erarbeitet. In ihrer späteren, endgültigen Form enthielt sie viel Gutes aus dem amerikanischen Vorbild wie die Gewaltenteilung. Zu den wichtigsten Verbesserungen gehörte natürlich die Abschaffung der Sklaverei.

Dafür wurden neue, fatale Fehler gemacht. Dazu gehörte Artikel V, Absatz 16, dem zufolge nur Schwarze, und dabei auch nicht alle, Bürger werden konnten:

The great object of forming these Colonies, being to provide a home for the dispersed and oppressed children of Africa, and to regenerate and enlighten this benighted continent, none but Negroes or persons of Negro descent shall be eligible to citizenship in this Republic.

Mit negros waren Schwarze aus Amerika gemeint, die Afrikaner nannte man aborigines. Dummerweise konnten nur Bürger von Liberia Land besitzen, und noch blöder war, dass Landbesitz die Voraussetzung für das aktive und passive Wahlrecht darstellte. Die Verfassungsväter der USA hatten diese Falle vermieden. In Liberia bedeutete sie, dass die afrikanischen Schwarzen faktisch kein Wahlrecht hatten. Der Konflikt zwischen der amerikanischen Elite und den afrikanischen Stämmen war damit programmiert.

Die Siedler bauten Schulen und eine Universität, am Anfang blühte der Handel. Später begannen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Agrarstaats zuzunehmen, die angeschlagene ACS entzog ihre Hilfe. Der Staat verpachtete große Stücke Land an US-Firmen wie den Reifenhersteller Firestone für Gummiplantagen. Das war das übliche zweischneidige Schwert, wie wir es von der United Fruit Company kennen: Großgrundbesitz und politische Einmischung auf der einen Seite, massive Investitionen in die Infrastruktur und dem Gesundheitswesen auf der anderen.

Und das Land blieb ethnisch gespalten. Eine Kommission des Völkerbundes mit Mitgliedern aus acht Staaten – darunter die USA und Deutschland – erklärte, Liberia

represents the paradox of being a Republic of 12,000 citizens with 1,000,000 subjects.

Präsident William V. S. Tubman, ein Nachfahre von Sklaven aus Georgia, begann 1944 eine Politik der nationalen Versöhnung. Auch die afrikanischen Schwarzen erhielten das Wahlrecht. Das Land machte wirtschaftliche Fortschritte, wurde der größte Exporteur von Eisenerz in Afrika, baute die größte Handelsflotte der Welt auf und zog Investitionen an, darunter die größte deutsche Investition in Afrika. Spannungen blieben bestehen, wie auch das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen den Americo-Liberianern und der Mehrheit des Landes.

Der Rest der Geschichte, der Absturz in die Hölle, dürfte dem interessierten Leser bekannt sein. Im April 1980 putschte der 28-jährige Soldat Samuel K. Doe vom Krahn-Stamm. Präsident William Tolbert wurde erstochen, das Kabinett am Strand hingerichtet. Der vom US-Militär ausgebildete Doe erhielt im Kalten Krieg massive Unterstützung von Präsident Ronald Reagan (der ihn in einem berühmten Versprecher „Chairman Moe“ nannte).

Neun Jahre später marschierte der Warlord Charles Taylor in Liberia ein, der Beginn des Bürgerkrieges. Doe wurde 1990 gefangengenommen und vor laufender Videokamera zu Tode gefoltert. Der Krieg ist berüchtigt wegen des Einsatzes von Kindersoldaten und den ethnischen Säuberungen. Etwa 200.000 Menschen starben, Millionen wurden vertrieben, die Infrastruktur Liberias wurde völlig zerstört.

Unter internationalem Druck – unter anderem von Präsident George W. Bush, der Kriegsschiffe an die Küste Liberias beorderte – trat Taylor im August 2003 zurück. Er steht (Dezember 2007) vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.

Liberia befindet sich im Wiederaufbau – bei einer Arbeitslosigkeit von 85 Prozent, einer Analphabeten-Rate von 80 Prozent und anderen Problemen, die jeder Beschreibung spotten. Immerhin gibt es in Monrovia wieder Strom. Seit 2006 ist die in Harvard ausgebildete Ellen Johnson-Sirleaf Präsidentin, das erste frei gewählte weibliche Staatsoberhaupt Afrikas.

Sirleaf selbst stammt nicht von amerikanischen Sklaven ab. Ein Großvater war Deutscher, die übrigen Mitglieder seiner Generation waren Einheimische. Aber auch sie betont die historischen Verbindungen zu den USA, zumindest vor dem Kongress in Washington:

We will strive to be America’s success story in Africa

Da wird noch etwas Arbeit nötig sein.

Kurz erklärt: Guten Appetit wünschen wir nicht

Dezember 13, 2007

Moment, haben wir gerade „Guten Appetit“ gesagt? Amerikaner tun das nicht. Wir werden uns später mit angelsächsischen Tischmanieren beschäftigen, aber schon vorweg: Es gibt keinen Startspruch. Alle warten höflich, bis jeder etwas auf dem Teller hat, und dann legt man einfach los.

Deutschen ist das unangenehm. Tatsächlich vermutet dieser Autor, dass Pawlow auf seinen Tierversuch mit Hund und Glocke hätte verzichten können: Es hätte gereicht, einem Deutschen einen guten Appetit zu wünschen. Ohne ist die Verdauung gestört.

Die Lösung: Wer in den USA ist, sagt einfach good appetite und erklärt die deutsche Sitte. Wer weiß, wenn das genug Leute machen, setzt es sich vielleicht sogar durch.

Telefonnummern mit 555 (und 666)

Dezember 10, 2007

Der Eintrag über vanity numbers hat so viel E-Mail eingebracht, dass wir eine der häufigsten Fragen nachschieben: Warum fangen so viele Telefonnummern in US-Filmen mit 555 an? Buffys Telefonnummer auf der Arbeit war Anfang Staffel 7 zum Beispiel 555-0101 und Dawns Handynummer 555-0193. Oft sieht man die Ziffernfolge in Kombination mit Buchstaben wie bei Al Bundys Klassiker 555-SHOE [YouTube].

Ursprünglich – so ab 1973 – waren alle diese Nummern für Film und Fernsehen reserviert, damit echte Menschen keine blöden Anrufe bekommen konnten. Allerdings ließ die FCC auf Drängen der Industrie ab 1994 die meisten Nummern für landesweite Dienste zu. Die Idee war, dass man mit 555-TAXI überall in den USA ein Taxi rufen könnte (den dazugehörigen, uralten amerikanischen Taxi-Witz erklären wir in einem anderen Eintrag). So richtig funktioniert das allerdings nicht.

Inzwischen sind nur noch die Nummern 555-0100 bis 555-0199 fürs Fernsehen reserviert. Hinter der Nummer 555-3812 aus Last Action Hero [YouTube] – wo das Phänomen ausführlich diskutiert wird – könnte sich heute wirklich eine blonde Schönheit verbergen. Im Großraum Phoenix ist dem nicht so, wie ein Test der Ehrenwerten Eltern ergab – kein Anschluss unter dieser Nummer. Vielleicht nur in Los Angeles? Schließlich ist Arnold Schwarzenegger inzwischen Gouverneur von Kalifornien.

Und bevor jemand fragt: Telefonnummern mit 666 gibt es natürlich auch, was nicht heißt, dass sie jeder nimmt. Als Vorwahl – die dreistellige area code, die in Klammern vor der siebenstelligen, eigentlichen Nummer steht – gibt es sie allerdings in den USA nicht, auch wenn sie viele Amerikaner bei der Bundessteuerbehörde IRS vermuten würden.

(Dank geht an den Ehrenwerten Vater für seine Hilfe)

Kurz erklärt: Die Buchstaben in US-Telefonnummern

Dezember 8, 2007

Präsident George W. Bush hat sich mal wieder versprochen, und diesmal können auch wir ihm nicht helfen. Bei der Vorstellung seines Hilfsplans für die Hypothekenkrise gab er die Nummer der Hotline wie folgt an:

1-800-995-HOPE

Tatsächlich lautet sie aber:

1-888-995-HOPE

Einige interessierte Leser werden vielleicht nicht wissen, was denn dieses HOPE in der Telefonnummer zu suchen hat, geschweige denn, wie man es eintippt.

Wer hier an sein Handy und den SMS-Code denkt, liegt grob richtig, mit einem Unterschied: Es wird nicht mehrfach getippt. Die Taste „2“ kann also mit „A“, „B“, oder „C“ darstellt werden. Damit ist HOPE 4673, nicht 44666733 wie beim Handy. HOPE ist aber vor allem leichter zu merken.

Solche vanity numbers gibt es seit Jahrzehnten in den USA. Sie werden von Telefonkonzernen angeboten und man kann im Internet gucken, was die eigene Telefonnummer alles sein könnte.

Andere Beispiele sind die Bestellnummer bei Apple, 1-800-MY-APPLE. Weiter finden wir 1-800-CALL-ATT, 1-800-GOOG-411 oder 1-800-GENOCIDE (hat mit dem Völkermord in Darfur zu tun).

Das eingedeutschte und kommentierte Rezept für Chocolate Chip Cookies

Dezember 4, 2007

Wir hatten in unserem Eintrag über Maßeinheiten angekündigt, ein eingedeutschtes Rezept für Chocolate Chip Cookies (CCC) zu entwickeln. Hintergrund ist das Problem, dass Amerikaner bei Backrezepten für Dinge wie Mehl das Volumen angeben, Deutsche dagegen das Gewicht, und die wenigsten Leute die Dichte von Butter im Kopf haben.

Daher hat sich dieser Autor mit Kind Nummer Eins und einer Waage in der Küche eingenistet und im Dienste des Kulturimperialismus herumgemessen. Ein teaspoon – etwa fünf Milliliter – wurde dabei nach Rücksprache mit der Schönsten Germanin als „ein Teelöffel“ übersetzt. Angesichts der gemischten amerikanisch-deutschen Leserschaft dieses Blogs werden wir die ursprünglichen Einheiten mitschleppen. Die Werte sind gerundet.

Das Rezept stammt von der Ehrenwerten Mutter. Wie wir später sehen werden, ist es kein Zufall, dass es fast identisch ist mit dem offiziellen Rezept von Nestlé. Ohnehin gibt es bei CCCs nur wenige Varianten. Dieser Autor schrieb diese Version ab, als er noch ein Student war, weswegen das Hausrezept bei den Stevensons im feinsten 24-Nadel-Druck auf einem vergilbten Blatt Endlospapier steht. So entstehen Traditionen.

Ofen auf 150 Grad vorheizen, Oberhitze, keine Umluft.

Im Rezept steht 350 Grad Fahrenheit – 180 Grad – aber aus Gründen, die unten genauer beschrieben werden, bevorzugt dieser Autor eine niedrigere Temperatur.

Wenn man Butter statt Margarine benutzen will, hätte man sie vor 20 Minuten aus dem Kühlschrank nehmen müssen.

Das vergisst dieser Autor jedes Mal.

In einer großen Schüssel rühre der interessierte Leser zusammen:

Zwei Eier
120 Gramm Zucker (3/4 Cup, 180 ml)
120 Gramm brauner Zucker (3/4 Cup, 180 ml)

Brauner Zucker enthält einen höheren Anteil an Melasse (molasses). Es gibt zwei Varianten, hell und dunkel. Hier ist heller Zucker gemeint. Beim dark brown sugar wirkt die Melasse auch im fertigen Keks noch nach, was auch lecker, aber nicht der Originalgeschmack ist.

Zucker wird in den USA traditionell aus Zuckerrohr gewonnen, nicht aus Zuckerrüben. Bei der Melasse soll es deswegen Unterschiede geben, die wir hier ignorieren. Melasse war übrigens lange das Hauptmittel zum Süßen in die USA, bis im 19. Jahrhundert die Massenproduktion von Zucker dem ein Ende setzte.

Ein Teelöffel Salz
Ein Teelöffel Kaisernatron

Das Fluorid im deutschen Salz scheint sich nicht auf den Geschmack auszuwirken. „Kaisernatron“ ist im Original baking soda, ein Wort, bei dem Amerikaner sofort an Arm & Hammer denken. Es handelt sich nicht um Backpulver (baking powder) und kann damit nicht substituiert werden:

ARM & HAMMER® Baking Soda is 100% pure sodium bicarbonate. Baking powder is a mixture of baking soda and various acidic ingredients.

In Deutschland sollte man beim Natron-Kauf darauf achten, dass es „entsäuert und enthärtet“ ist. Am Ende reden wir hier einfach von reinem Natriumbikarbonat.

Drei Tropfen Vanille-Extrakt (ein Teaspoon)

Vanille-Extrakt ist in Deutschland offenbar etwas ganz anderes als in den USA. Dort wird ein Teelöffel aus einer großen Flasche genommen, was hierzulande die Cookies zu ungenießbaren Vanille-Platten mutieren lässt. Drei Tropfen aus einer dieser kleinen deutschen Vanille-Ampullen reichen völlig. Man kann auch die Vanille ganz weg lassen, aber dann wird der Geschmack etwas mehlig.

200 Gramm Butter (ein Cup, 240 ml)

Statt Butter kann auch Margarine genommen werden, hier fehlt allerdings noch das Gewicht. Normale Butter ist in den USA bekanntlich gesalzen. Da wir aber getrennt Salz dazugegeben haben, ist das egal.

Sicherheitsmaßnahmen einleiten

Ab jetzt droht den Cookies eine schreckliche Gefahr: Nascher. Nichts ist leckerer als der Teig von CCCs, und deswegen wird jeder im Haus versuchen, den Finger in die Schüssel zu stecken. Wer kann, backt die Cookies hinter verschlossenen Türen, wenn alle auf der Arbeit sind oder weit nach Mitternacht. Man kann auch zwei Schüsseln machen und die eine abschreiben, aber das ist dekadent.

380 Gramm Mehl (2,5 Cups, 590 ml)

Spätestens hier rächt es sich, wenn die Butter nicht weich genug war. Wenn man am Anfang das Gefühl hat, dass der Teig unmöglich so viel Mehl aufnehmen kann, ist es genau richtig.

150 Gramm zerhackte Schokolade (zwei Cups, 470 ml)

Damit kommen wir zu der Schlüsselzutat: Schokolade.

Chocolate Chip Cookies wurden in den 30er Jahren von Ruth Graves Wakefield erfunden. Sie betrieb zusammen mit ihrem Ehemann das Restaurant „The Toll House Inn“ in Massachusetts. Eines Tages, so heißt es, benutzte sie für ihre Butter Drop Do Cookies nicht normale Backschokolade, sondern einen zerhackten Riegel der semi-sweet Schokolade von Nestlé. Der kritische Unterschied: Die Schokolade schmolz nicht, sondern wurde nur weich. Diese „Toll House Cookies“ fanden reißenden Absatz.

Den sprunghaften Anstieg bei Absatz seiner Schokoriegel in der Region blieb Nestlé nicht verborgen. Der Konzern erbat sich das Recht, das Rezept für die Cookies auf die Packungen der Riegel zu drucken. Im Gegenzug – und jetzt kommt der beste Teil der Geschichte, egal ob wahr oder nicht – bekam Wakefield für ihr restliches Leben kostenlos Schokolade.

Im Jahr 1939 kam Nestlé dann auf die Idee, dem Kunden die Arbeit des Zerhackens abzunehmen und verkaufte die Schokolade als kleine Tropfen (morsels) in großen gelben Tüten. Dabei ist es bis heute geblieben.

Für den Bäcker im Cookie-Entwicklungsland Deutschland besteht das Problem darin, dass es diese gelben Tüten nicht oder nur zu unverschämten Preisen gibt. Wenn man sie kriegen kann, ist das gut. Als Ersatz nimmt dieser Autor normale Schokolade, meist Vollmilch statt Zartbitter, weil er Zartbitter nicht ausstehen kann. Die zerhackt er mit einem großen Messer in Stücke von nicht mehr als drei mal drei Millimeter. Man kann auch Kuvertüre nehmen, aber das gibt es nicht so häufig Nachts an der Tanke wenn man gerade einen Cookie-Flash bekommen hat.

Damit ist der Teig fertig. Man kann dieses Grundrezept noch um andere Zutaten erweitern wie Nüsse oder – von der Ehrenwerten Ehrentante UR mit großen Erfolg praktiziert – Haferflocken.

So oder so kommt jetzt die kritische Phase.

Sicherheitsmaßnahmen verstärken

Denn jetzt ist der Teig so gefährdet wie diese Schildkröten-Babys, die auf dem Weg von ihrem Nistplatz im Strand zum Meer von gierigen Vögel gefressen werden. Plötzlich steht jeder in der Küche, zeigt aus dem Fester und ruft Dinge wie „Guck mal! Ein UFO!“ in der Hoffnung, die Aufmerksamkeit von der Schüssel abzulenken. In einigen Teilen der USA wird der Second Amendment mit der Notwendigkeit begründet, den dough von Chocolate Chips zu verteidigen.

Mit einem Teelöffel und einem Messer werden die Cookies als kleine Bällchen auf Backpapier auf ein Backblech gelegt. Das Blech kommt auf die mittlere Schiene.

Ein perfekter, idealer, echt amerikanischer Chocolate Chip Cookie ist außen leicht knusperig, aber im Kern noch weich – gooey heißt der Fachbegriff. Der Mangel an gooeyness ist der Grund, warum CCCs aus der Packung schmecken wie ein Döner aus der Tiefkühltruhe: Sie sind durch und durch trocken.

Zwei Dinge sind für den richtigen Aggregatzustand im Cookie-Kern entscheidend:

  1. Oberhitze. Niemals, niemals, niemals bei CCCs die Umluft verwenden. Die Hitze muss von oben kommen.
  2. Das Timing. Die Cookies müssen in genau der richtigen Minute herausgenommen werden.

Für den zweiten Punkt benutzt man etwas wie eine dünne Stricknadel – nur bitte keine der Ehrenwerten Mutter nehmen, das gibt Ärger – und testet damit die Oberfläche des Cookies. Wenn sie gerade anfängt, knusperig zu werden, wenn sie leicht zurückfedert, sind sie bereit. Während man wartet, kann man sich die die Buffy-Folge Something Blue (Staffel 4, Episode 9) anschauen, bei der CCCs eine wichtige Rolle bei dem Erhalt des Gruppengefüges spielen.

(Dieser Autor hat, sehr zum Amüsement der Schönsten Germanin, entsprechend seiner naturwissenschaftlichen Ausbildung für das Timing einmal eine Versuchsreihe mit den vier Blechen gemacht. Daher weiß er, dass die ideale Backdauer im heimischen Ofen genau 15 Minuten und 30 Sekunden beträgt.)

Sind die Cookies tatsächlich richtig gooey geworden, sollten sie erstmal auf dem Blech auskühlen, denn sonst besteht die Gefahr, dass man sie mit dem Spachtel zusammenschiebt. Stapelt man warme, gooey Cookies zu früh in der Keksdose, kleben sie aneinander. Das ist diesem Autor egal, weil er dann einfach zwei auf einmal nimmt, aber die Schönste Germanin mag das nicht.

Ergibt mindestens 50 (kleine) Cookies.

Wobei die Zahl nicht so sehr von der Größe der Cookies abhängt, sondern davon, wie viel Teig man verteidigen konnte. Wie man aus Bladerunner weiß, werden sie traditionell mit kalter Milch serviert.

Guten Appetit!

(Danke an die Ehrenwerte Mutter für Jahrzehnte der perfekten Cookie-Kunst, der Schönsten Germanin für zahlreiche Back-Hinweise und Kind Nummer Eins für das ausführliche und kontinuierliche Abschmecken des Teiges)

META: Neue Version des Textes gegen „US-amerikanisch“

Dezember 1, 2007

Was lange braucht, ist auch irgendwann fertig: Wie angekündigt steht jetzt die neue Version des Textes gegen die Formulierung „US-amerikanisch“ jetzt auf der Homepage unter:

http://www.possum.in-berlin.de/texts/us-amerikanisch.html

Ich werde ihn vermutlich immer wieder ergänzen, daher sind Kommentare nach wie vor herzlich erwünscht.