Drei berühmte US-Frauen, deren Namen man ständig hört

November 7, 2007

Dieser Autor ist ein Weltraum-Fan seitdem er – so wird auf jeden Fall berichtet – während der Mondlandung besonders lustvoll in die Windel machte. Daher hat er natürlich den jüngsten Einsatz der Raumfähre „Discovery“ zur Raumstation ISS mit großem Interesse verfolgt. Dabei sind ihm drei Dinge aufgefallen:

  1. Die „Discovery“ wurde von einer Frau kommandiert, der MIT-Absolventin und Luftwaffen-Offizierin Pamela Melroy, Veteranin des ersten Irak-Kriegs.
  2. Zur gleichen Zeit wurde die ISS von Peggy Whitson befehligt, einer promovierten Biochemikerin.
  3. Die Presse drehte nicht durch, nur weil Frauen die Führungspositionen übernahmen. In vielen Berichten wurde das überhaupt nicht erwähnt, obwohl die Nasa dazu Material bereitstellt.

Der dritte Punkt ist erfrischend, weil man in der Berichterstattung über Hillary Clinton vor lauter das-könnte-die-erste-Präsidentin-sein schon mal vergisst zu erwähnen, was eigentlich ihr Wahlprogramm ist. Es wäre schön zu glauben, dass es ist inzwischen für alle Nicht-Taliban normal ist, wenn Frauen solche Aufgaben übernehmen.

Früher wäre das auf jeden Fall nicht normal gewesen, auch nicht in den USA. Wir werden den Shuttle-Einsatz STS-120 zum Anlass nehmen, drei Frauen aus drei Jahrhunderten vorzustellen, die für die amerikanische Geschichte wichtig waren und deren Namen man in den USA ständig hört. Der zweite Punkt bedeutet, dass es nicht unbedingt die wichtigsten Frauen überhaupt in der US-Geschichte waren. Aber der interessierte Leser weiß selbst, wie häufig Buffy und Willow nun schon die Welt gerettet haben.


Betsy Ross (1752 bis 1836). Angeblich die Näherin der ersten US-Flagge [JPG].

„Angeblich“ ist hier ein wichtiges Wort. Die traditionelle Darstellung geht etwa so: George Washington und Mitglieder des Continental Congress besuchten im Juni 1776 die Näherin in Philadelphia. Sie brachten einen Entwurf für eine gestreifte Flagge mit, die 13 sechseckige Sterne in einem blauen Feld hatte. Ross fand fünfeckige Sterne besser. Geht nicht, sagte Washington, ist zu schwierig. Dummes Zeug, erwiderte Ross, und zeigte den Männern an einem Blatt Papier, wie einfach das geht. Geil, sagte Washington, dann einmal bitte mit fünfeckigen Sternen. Ross setzte sich hin und nähte in einem patriotischen Rausch die erste Flagge der USA.

Historiker schließen nicht kategorisch aus, dass es so war, haben aber (heute) Zweifel. Die Probleme fangen damit an, dass es für diese Version eigentlich nur eine Quelle gibt, die Aussage ihres Enkels William J. Canby im Jahr 1870 – also nach dem Bürgerkrieg – vor der Historischen Gesellschaft von Philadelphia. Andere Verwandte unterstützten die Darstellung zwar unter Eid. Aber es fehlen andere Belege. So gab es noch Jahre später verschiedene Flaggen, einige mit Sternen, die sechs und mehr Ecken hatten, so dass ein genervter Washington 1779 eine einheitliche für die Truppen forderte. Ohnehin wurde das genaue Aussehen der Stars and Stripes erst 1912 standardisiert.

Trotzdem, Ross und die Flagge sind in der amerikanische Psyche untrennbar verbunden. Für die Historikerin Laurel Thatcher Ulrich gibt die Geschichte Frauen einen Platz in der Amerikanischen Revolution, deren Hauptrollen sonst alle von Männern gespielt wurden:

Betsy Ross will not go away because she gives women a part in the revolutionary narrative without disrupting its heroic outlines. Our national story does indeed focus on „presidents, generals, and statesmen,“ but it also demands a role for ordinary people who sustained the patriot cause.

Heute finden wir Ross an so seltsamen Orten wie der audience participation version der Rocky Horror Picture Show. In einer Variante lautet der Ablauf:

[Zuschauer] And Betsy Ross used to sit home and sew and sew and …

[Erzähler] And so it seemed that fortune had smiled on Brad and Janet, and that they had found the assistance that their plight required. Or had they?

(Die RHPS ist übrigens das Lieblingsmusical der Schönsten Germanin, empörenderweise noch vor „Once More With Feeling“).


Susan B. Anthony (1820 bis 1906). Bürgerrechtlerin, zentrale Figur im Kampf um das Wahlrecht für Frauen.

Men, their rights, and nothing more, women, their rights, and nothing less.

Anthony wuchs in einer strengen Quaker-Familie in Massachusetts auf, in der es nutzloses Zeug wie Kinderspiele, Musik oder Spielzeuge nicht gab. Stattdessen wurde den acht Kindern Selbstdisziplin, Prinzipientreue und Selbstwertgefühl eingeimpft. Mit drei Jahren konnte Anthony lesen. In der Schule weigerte sich der Lehrer, ihr schriftliche Division beizubringen, weil sie ein Mädchen war. Ihr empörter Vater baute eine eigene Schule zu Hause auf. Die Lehrerin dort wurde zu einem Vorbild. Anthony wurde selbst Lehrerin.

Allerdings trieb sie ihre Persönlichkeit – die, höflich formuliert, von einem brennenden Sinn für Gerechtigkeit bestimmt war – zu anderen Dingen. Sie kämpfte als abolitionist gegen die Sklaverei. Dann engagierte sie sich in der temperance movement, die sich in den USA (und in Kanada und Großbritannien) gegen den Dämon Alkohol stellte. Bei einem Treffen der Sons of Temperance in Albany 1853 durfte sie nicht reden, weil sie eine Frau war. Ihr Lebensziel wurde die Gleichberechtigung, insbesondere das Wahlrecht für Frauen. Sie wurde eine suffragist.

Anthony war nicht beliebt. Sie wurde beschimpft, ihr Abbild verbrannt, sie wurde verhaftet, weil sie trotz des Verbots wählen ging. Aber sie hielt an ihrer Vision fest, bis zum Ende. Weil die Welt ungerecht ist, starb sie 1906, 14 Jahre vor der Verabschiedung des 19. Verfassungszusatzes.

Es war daher grausam, 1978 ausgerechnet Anthony als Kopf für eine Ein-Dollar-Münze auszusuchen. Amerikaner hassen Ein-Dollar-Münzen und hassen die U.S. Mint für deren ständigen Versuche, ihre geliebten Ein-Dollar-Scheine abzuschaffen, nur weil man damit bis zu eine halbe Milliarde Dollar einsparen könnte (was wir in einem eigenen Eintrag genauer besprechen werden). Angefeindet zu Lebzeiten, in Enttäuschung gestorben, lehnen sie heute Taxifahrer ab.


Eleanor Roosevelt (1884 bis 1962). First Lady, Bürgerrechtlerin, Reformerin.

Franklin D. Roosevelt (kurz FDR) führte die USA aus der Weltwirtschaftskrise und durch die dunkelsten Stunden des Zweiten Weltkriegs. Er wird mit George Washington und Abraham Lincoln zu den größten Präsidenten gezählt. Schon allein deswegen könnte man vermuten, dass die Frau an seiner Seite etwas Besonderes war. Das wäre eine unglaubliche Untertreibung.

Eleanor trug schon bei der Geburt den Namen Roosevelt, denn sie gehörte zu dem gleichen niederländischen Klan wie FDR, ihrem Cousin fünften Grades. Ihr Onkel war Präsident Theodore Roosevelt. Ihre Kindheit war traurig und einsam, ihr Vater ein Alkoholiker. Ein englisches Internat erkannte ihre Fähigkeiten und förderte sie.

Eleanor und FDR kannten sich seit Kindestagen. Sie war 20, als die beiden 1905 heirateten. Theodore führte sie zum Altar. FDR stand schon damals im Mittelpunkt – „He has to be the corpse at every funeral and the bride at every wedding“ soll Eleanor gewitzelt haben.

Das Lachen verging allen 1921, als FDR an Polio erkrankte. Die Krankheit lähmte ihn von der Hüfte ab. Seine Karriere – bislang Senator des Bundesstaates New York, Vize-Marineminister unter Wilson und demokratischer Kandidat für den Posten des Vize-Präsidenten 1920 – schien zu Ende. Seine Mutter riet ihm, aufzuhören.

FDR wollte davon nichts wissen und Eleanor auch nicht. Mit ihrer Unterstützung lernte er, mit eisernen Beinschienen zu stehen und mit einer Krücke zu gehen. Sie trat für ihn auf, wurde zu „seinen Augen, seine Ohren, seine Füße“, sie schreib Artikel für Zeitungen und Zeitschriften, besuchte Krankenhäuser, Schulen und Gefängnisse. Er wurde Gouverneur von New York und 1932 Präsident der USA.

So eine First Lady hatte Amerika noch nicht gesehen. Eleanor hasste die Rolle, die alle für sie vorgesehen hatten, auch FDR. Sie interessierte sich nicht für das Essen im Weißen Haus oder wie es dort aussah. Die Zimmer verstaubten und der Präsident beschwerte sich über die Mahlzeiten, aber umsonst.

Eleanor bereiste die Welt, hielt eigene Pressekonferenzen und schrieb eine monatliche Kolumne in Woman’s Home Companion. Bis Januar 1934 bekam sie Post von 300.000 Amerikanern. Sie kämpfte für die Sozialprogramme des New Deal. Berühmt – in einigen Teilen des Landes berüchtigt – wurde sie für ihren Einsatz für Schwarze. Im Zweiten Weltkrieg unterstütze sie unter anderem schwarze Piloten, die Tuskegee Airmen. Sie brachte sechs Kinder zur Welt.

Nach FDRs Tod 1945 setzte Eleanor ihr soziales Engagement fort. Präsident Harry Truman schickte sie zur ersten Generalversammlung der neu gegründeten Vereinten Nationen. Dort war sie an der Ausarbeitung der Menschenrechtscharta beteiligt. Deutsche werden sie aus der Zeit in nicht ganz so guter Erinnerung behalten, denn sie setzte sich für den Morgenthau Plan ein, der eine Aufteilung und Deindustrialisierung des besiegten Feindes vorsah.

Eleanor Roosevelt starb im Alter von 78 Jahren an Anämie und Tuberkulose.

Dem heutigen interessierten Leser drängen sich Parallelen zu Hillary Clintons Zeit als First Lady auf. Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Art, wie ihre Ehemänner mit ihrer Arbeit umgingen: FDR war das alles nicht wirklich so recht, während Bill Clinton den Bürgern „zwei für den Preis von einen“ versprach. Hillary selbst hat Eleanor Roosevelt jüngst eine Inspiration genannt:

She said, „You know, if you’re going to be involved in politics you have to grow skin as thick as a rhinoceros.“ So occasionally, I’ll be sitting somewhere and I’ll be listening to someone perhaps not saying the kindest things about me. And I’ll look down at my hand and I’ll sort of pinch my skin to make sure it still has the requisite thickness I know Eleanor Roosevelt expects me to have.

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