Eine Übersicht über die US-Geheimdienste

Januar 24, 2007

Der CIA und das US-Verteidigungsministerium haben amerikanische Finanzinstitutionen um, sagen wir mal, ein wenig Hilfe bei den Ermittlungen gegen Terroristen und Spione gefragt. Offenbar wäre etwas im Sinne von fuck off oder go away oder schlicht no eine zulässige Antwort gewesen: Im Gegensatz zu entsprechenden Anfragen des FBI waren diese Auskünfte freiwillig (ein Detail, was nicht alle deutschen Journalisten erwähnenswert fanden). Zumindest einige Institutionen haben die Finanzdaten ihrer Kunden überreicht, und damit haben die Amerikaner wieder eine Diskussion über den Datenschutz.

Wir werden uns wie immer nicht mit dem konkreten Fall beschäftigen, sondern einen kurzen Überblick über die allgemeine Struktur der US-Geheimdienste liefern, der Intelligence Community (IC). Das ist überfällig, weil wir schon ein Mitglied, die NSA, ausführlicher behandelt haben. Etwas voreilig vielleicht, aber Halle Berry war einfach zu schnuckelig.

Die USA haben eine erstaunliche Zahl von Geheimdiensten, was wieder historische Gründe hat, auf die wir nicht eingehen, und dem allgemeinen Prinzip folgt, dass die Ministerien und Behörden sehr stark spezialisiert sind. Seit Dezember 1984 sind die Dienste in dem losen Verband der IC zusammengefasst. Das geht auf ein Executive Order von Präsident Ronald Reagan zurück, der in EO 12333 schrieb:

The United States intelligence effort shall provide the President and the National Security Council with the necessary information on which to base decisions concerning the conduct and development of foreign, defense and economic policy, and the protection of United States national interests from foreign security threats. All departments and agencies shall cooperate fully to fulfill this goal.

(Der National Security Council berät den Präsidenten seit 1947 in Fragen der nationalen Sicherheit und Außenpolitik) Die entsprechenden Gesetze sind seit dem einige Male angepasst worden. Die 16 Einzeldienste werden im Rahmen der Gemeinschaft als elements bezeichnet. Es handelt sich um:

  • CIA (Central Intelligence Agency, keinem Ministerium zugeordnet). Ziviler Geheimdienst der USA, darf im Inland nicht tätig werden. In deutschen Medien wird gelegentlich vom „Auslandsgeheimdienst“ gesprochen, was aber irreführend ist, denn es gibt keinen „Inlandsgeheimdienst“ als Gegenstück. Zahl der Mitarbeiter und Budget sind geheim. Nach EO 12333 darf der CIA ausdrücklich keine Leute töten (doch, das steht da wirklich). Geben das World Factbook heraus, das alle zwei Wochen aktualisiert wird und der einem interessante Dinge erklärt wie dass Deutschland 14,4 Millionen wehrdiensttaugliche Frauen hat. Braucht einen eigenen Eintrag, das Factbook vermutlich auch.
  • DIA (Defense Intelligence Agency, Verteidigungsministerium) Militärischer Geheimdienst, nach eigenen Angaben mehr als 7500 Mitarbeiter, Budget geheim. Liefert alles von Informationen über die Flugcharakteristika von Raketen zu Biografien von ausländischen Militärchefs. Braucht auch einen eigenen Eintrag.
  • NSA (National Security Agency, Verteidigungsministerium) Abhör- und Verschlüsselungsdienste, keine Einsätze, nur im Ausland tätig. Wie oben erwähnt haben wir dazu bereits etwas geschrieben.
  • Geheimdienste der Waffengattungen (Verteidigungsministerium). Heer, Marine, Luftwaffe und Marineinfanterie haben alle ihre eigenen Nachrichtendienste.
  • US Coast Guard Intelligence (Heimatschutzministerium) Geheimdienst der Küstenwache. Diese tut in den USA wesentlich mehr als nur verunglückte Fischer zu retten und braucht daher auch einen eigenen Eintrag, denn bislang haben wir sie nur angerissen.
  • NGA (National Geospatial-Intelligence Agency, Verteidigungsministerium). Stellt Kartenmaterial und andere Daten über die Erdbeschaffenheit zur Verfügung.
  • NRO (National Reconnaissance Office, Verteidigungsministerium). „Freedom’s Sentinel in Space“, betreibt die Aufklärungssatelliten der USA.
  • IAIP (Information Analysis and Infrastructure Protection Directorate, Heimatschutzministerium). Überwacht mögliche Bedrohungen gegen die zentralen Teile der US-Infrastruktur und stellt entsprechende Informationen für andere Behörden zur Verfügung. Dazu gehören auch Stellen bei den Bundesstaaten und Kommunen. [Wird offenbar gerade umgebaut zur Office of Intelligence and Analysis im Heimatschutzministerium, im Moment keine eigene Website verfügbar]
  • NSB/FBI (National Security Branch, Teil des FBI, Justizministerium). Terror- und Spionageabwehr, insbesondere zum Schutz gegen Anschläge mit Massenvernichtungswaffen. Gegründet im September 2005. Das FBI braucht einen eigenen Eintrag.
  • NN/DEA (Office of National Security Intelligence, Justizministerium). Zuständig für Geheimdienstinformationen, die für und beim Kampf gegen den Handel mit illegalen Drogen gewonnen werden. Wem das seltsam vorkommt, sie in dieser Liste zu sehen, sollte sich klar machen:

    The DEA has the largest US law enforcement presence abroad with 86 offices in 63 countries and it has over 33 years of operational experience in the foreign arena.

    Vermutlich müssen wir auch hier etwas ins Detail gehen.

  • INR (Bureau of Intelligence and Research, Außenministerium). Arbeitet Geheimdienstinformationen für die Verwendung durch das US-Außenministerium auf. Viel zu lesen für Condi und Co.: Fast zwei Millionen Berichte und etwa 3.500 schriftliche Analysen pro Jahr.
  • OIA/Treasury (Office of Intelligence and Analysis, Finanzministerium). Für Geheimdienstinformationen bezüglich der Finanzierung von Terrorgruppen und ähnliches zuständig, darüber hinaus allgemeinere Analysen über finanzielle Fragen. Gehört zum Office of Terrorism and Financial Intelligence (TFI), das allgemein für die Abwehr von Angriffen gegen das Finanzsystem der USA, den Kampf gegen Geldwäsche und die Geldbeschaffung durch Schurkenstaaten verantwortlich ist, aber selbst nicht zur IC gehört.
  • IN/DOE (Office of Intelligence, Energieministerium). Schutz des amerikanischen Atomprogramms, von Atomwaffen bis zu den Forschungsdaten.

(Noch einmal zur Erinnerung: Der Secret Service ist kein Geheimdienst, sondern heißt nur so.)

An der Spitze des Verbandes steht der Director of National Intelligence (DNI), im Moment (Januar 2007) John Negroponte. Er hat allerdings nur wenig wirkliche Macht, sondern legt Prioritäten fest, kann sein Budget verteilen und versuchen, alles irgendwie zu koordinieren. Die Dienste selbst unterstehen weiter ihren Direktoren, die als Teil Exekutive dem Präsidenten Bericht erstatten. Die Ausnahme ist der CIA, der nur beim DNI vorspricht.

Ob das alles wirklich so effizient ist und nicht verbessert werden könnte, ist ein viel diskutiertes Thema, besonders nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Allerdings sind eine ganze Menge Amerikaner dagegen, zu effiziente Geheimdienste zu haben, wenn sie das Inland betreffen.

Überwacht werden die Dienste durch verschiedene Ausschüsse des Kongresses, insbesondere dem House Permanent Select Committee on Intelligence und dem Senate Select Committee on Intelligence. Besonders die Vorsitzenden dieser Ausschüsse haben daher tiefe Einsichten in ein breites Spektrum von Geheimdienstinformationen, was es entsprechend interessant macht, wenn sie sich äußern. Das ist den deutschen Medien nicht verständlich zu machen, die solche Aussagen in der Regel ignorieren – wir sind wieder bei dem Problem, dass die Folgen der strengen Gewaltenteilung nicht verstanden werden.

Was fällt sonst an der Liste auf? Die meisten dieser Institutionen tauchen sehr, sehr selten in der Presse auf. Über die CIA wird ständig berichtet – man fragt sich fast, ob man überhaupt noch von einem „Geheimdienst“ sprechen kann und ob da vielleicht nicht Absicht dahinter steckt – über die NSA hin und wieder, aber gemessen an seiner Bedeutung ist es besonders um die DIA verdächtig ruhig.

Dieser Autor könnte natürlich erklären, warum das so ist, aber wie alle interessierten Leser wissen, die genug Agentenfilme gesehen haben, gilt bei so etwas der Spruch: I could tell you, but then I would have to shoot you. Und dazu haben wir nun wirklich nicht die Zeit.