Buffy und Anti-Drogen-Botschaften in US-Serien

November 19, 2006

Dieses Blog geht von seiner Natur her selten auf andere Blogs ein, aber manchmal passieren dort schockierende Dinge, die man einfach nicht ignorieren kann. Dazu zählt das erschütternde Geständnis von Anke Gröner in der vergangenen Woche, dass sie noch nicht Buffy the Vampire Slayer gesehen hat, bekanntlich die intelligenteste TV-Serie in der Geschichte des Mediums. Ja, die Anke Gröner.

Wie kann das sein? Was ist passiert? Warum hat sie niemand an die Hand genommen und gesagt, Anke, lass‘ das jetzt mal mit dem Schnickschnack wie 24 und den ständigen Wiederholungen von L.A. Confidential sein, ein gewisser Joss Whedon möchte Dir etwas Episches zeigen?

Warum auch immer, wir wollen unser Möglichstes tun, um Ankes Erlebnis, egal wie verspätet, wunderbar werden zu lassen. Daher ein Rat: Liebe Anke, Überspringe die Folge „Beer Bad“ (dt. „Das Bier der bösen Denkungsart“, Staffel 4, Folge 5).

Bei „Beer Bad“ geht es darum, dass man kein Bier trinken sollte, weil Alkohol schlecht für einen ist. Nämlich. Das Problem ist aber nicht so sehr diese Botschaft, mit der dieser Autor noch leben könnte. Die mit dem Holzhammer verabreichte Moral ist vielmehr völlig untypisch für die Serie, die ihre Botschaften sonst mit Selbstironie, Humor oder wenigstens ansatzweise subtil transportiert. Dass irgendwas mit der Folge ganz und gar nicht stimmt, war schon bei der Erstausstrahlung im November 1999 klar. Woher kam dieser plötzliche Anfall von kreativer Unfähigkeit?

„Beer Bad“ hat Eigenschaften von Angel: Es birgt ein dunkles Geheimnis. Denn ein Ziel der Folge war es, Gelder von einem Regierungsprogramm zur Drogenbekämpfung zu gewinnen. Die Office of National Drug Control Policy (ONDCP) gab von 1998 an Millionen als strategic message credit (SMC) an Sender, die entsprechende Botschaften in ihre Serien einbauten. ABC, CBS, Fox, NBC, UPN und WB nahmen das Angebot dankend an. Betroffen waren unter anderem ER, Sabrina the Teenage Witch, Chicago Hope, 7th Heaven, Home Improvement, Providence und (natürlich) Beverly Hills 90210.

Soweit war alles streng genommen vielleicht noch legal, wenn auch äußerst fragwürdig. Dumm nur: Das SMC-Programm war geheim. Aufgedeckt wurde es Januar 2000 durch den Journalisten Daniel Forbes vom US-Onlinemagazin Salon.com.

Amerikanische Bürgerrechtler ließen vor Entsetzen ihre Fernbedienungen fallen und das für die Gelder zuständige Repräsentantenhaus hielt Anhörungen ab. Die Funkaufsichtsbehörde FCC entschied nach einer Beschwerde der Pro-Marihuana-Organisation NORML, dass die Sender das „Sponsoring“ der Regierung hätten ausdrücklich ausweisen müssen [DOC]. Eine Strafe gegen die Sender verhängte sie aber nicht.

Im Mai 2001 wurde das Programm schließlich eingestellt. Das ONDCP erklärte das dem Kongress in einem Rechenschaftsbericht so:

[M]edia use of the SMC feature has declined over the past year while anti-drug messages have continued to get into [TV] programming as a result of media roundtables. For these reasons, and to preclude any perception of improper involvement by the federal government in the creative process of the media, we have ended this policy.

Nun erwarten Amerikaner schon aus Prinzip, dass ihre Regierung krumme Dinge versucht. Politiker sind halt so, deswegen muss man ihnen auch ständig auf die Finger schauen. Der Makel blieb daher vor allem an den Sendern hängen, die sich – wohl zum größten Teil ohne das Wissen der Autoren – schlicht hatten kaufen lassen. So viel zur Behauptung der Medienkonzerne, dass sie ein Bollwerk gegen den Einfluss des Staates bilden.

„Beer Bad“ wurde übrigens von der ONDCP zudem noch abgelehnt:

Drugs were an issue, but it wasn’t on-strategy. It was otherworldly nonsense, very abstract and not like real-life kids taking drugs.

Das nennt man „poetische Gerechtigkeit“. Immerhin waren die Autoren aufrecht genug, in einer späteren Folge einen selbstironischen Bezug zu „Beer Bad“ einzubauen. Aber den soll Anke selbst finden.

Was bedeutet das alles für den gemeinen Fernseh- oder DVD-Gucker? Wenn in einer US-Serie aus dem Zeitraum von 1998 bis Ende 2001 (einige Absprachen liefen noch bis September) eine Anti-Drogen-Botschaft so plump vorgetragen wird, dass man sie für Propaganda einer Regierungsbehörde halten könnte, dann liegt man damit vielleicht sogar richtig.

Diese Einschübe sind allerdings nicht Symptome einer puritanischen Grundhaltung der US-Gesellschaft, wie schon mal gerne in Deutschland postuliert wird. Sie sind eine banale Folge der Gewinnsucht der Medienkonzerne – ein sehr extremer Fall von Schleichwerbung, wenn man so will. Die Einstellung der Amerikaner zu Drogen ist kompliziert und muss in einem eigenen Eintrag behandelt werden.

Für heute reicht es aber, denn Anke hat selbst ohne „Beer Bad“ 143 Folgen Buffy vor sich. Besonders empfehlen kann dieser Autor übrigens „Doppelgängland“ [sic] (Straffel 3, Folge 16) und „Restless“ (Staffel 4, Folge 22) – genial in seinem Gebrauch des foreshadowing. Das Musical „Once More With Feeling“ (Staffel 6, Folge 7) steht natürlich in einer Kategorie für sich.

Wir werden ab jetzt in Buffy nach Themen suchen – Alyson Hannigan ersetzt Carrie-Anne Moss. Wenn Anke irgendwas auffällt, wäre ich natürlich für einen Hinweis überaus dankbar.