Deutsches im Spelling Bee und die englische Rechtschreibung

Juni 7, 2006

Andrew Hammel schreibt in seinem Blog „German Joys“ über eine sehr amerikanische Institution: Dem spelling bee, eine Art Buchstabierwettbewerb. Anlass ist der Sieg der 13-jährigen Katharine „Kerry“ Close in diesem Jahr ausgerechnet mit einem deutschen Wort: „Ursprache“. Andrew befasst sich in einem englischen Text mit deutschen Wörtern, daher will ich den Gefallen erwidern und in einem deutschen Text etwas über englische sagen.

Der Spelling Bee ist eine amerikanische Erfindung, die sich inzwischen auch in andere Länder ausgebreitet hat, wo Kinder mit der bizarren Rechtschreibung des Englischen gequält werden. Das in 1925 landesweit eingeführte Verfahren besteht in etwa darin, dass der Lehrer ein Wort ausruft, der Schüler es wiederholt und es dann buchstabiert. Scripps veranstaltet ihren Bee – der Ursprung des Wortes ist unklar – seit 1941. Wie man an Close sieht, ist das alles nicht mehr nur ein lustiger Zeitvertreib für Wortfetischisten: Sie erhält mehr als 30.000 Dollar und das Finale wurde live auf ABC übertragen. Auch Erwachsene halten Wettbewerbe ab. Und das alles nur, weil das Englische eine historische und keine wirklich phonetische Rechtschreibung mehr hat.

Ja, aber warum ändert man das denn nicht endlich, lautet der verzweifelte Ausruf eines jeden Menschen auf dem Planeten, der zum Beispiel lernen muss, dass island ein stummes „s“ und debt ein stummes „b“ hat, nur weil jemand vor Hunderten von Jahren fälschlicherweise der Meinung war, diese beiden Wörter stammen aus dem Lateinischen. Drei Gründe:

Erstens, kein Amt ist befugt, die Rechtschreibung zu ändern. Die Idee, dass die Regierungen von Deutschland, Österreich und der Schweiz ihren Bürgern im wahrsten Sinne des Wortes diktieren können, wie sie zu schreiben haben, wäre in den USA und Großbritannien ungeheuerlich – doppelplus ungut, könnte man sagen.

Zweitens, die Abweichungen von der Phonetik bringen auch Vorteile. Die Wörter two, too und to werden zwar gleich ausgesprochen, es erleichtert das Lesen aber, wenn sie anders geschrieben werden. Das ist auch das Argument für „dass“ und „das“, ist also auch dem Deutschen nicht fremd.

Drittens, eine rein phonetische Schreibweise wäre inzwischen unmöglich, weil die Varianten des Englischen sich auseinander entwickelt haben. Für Deutsche oft nicht hörbar haben die Engländer das „h“ bei den „wh-“ Worten fallen gelassen – whales, also die Wale, sprechen sie genau so aus wie Wales, dem Landesteil. Das ist die Grundlage für einen unglaublich schlechten Witz auf Kosten von Greenpeace:

Save the whales — we need the Welsh

Während Engländer – je nachdem, wie betrunken sie sind – vor Lachen auf dem Boden liegen, verstehen viele Amerikaner nicht (aber einige schon), was witzig sein soll, denn das amerikanische Englisch hat zu einem großen Teil das „h“ behalten. Was soll daran lustig sein, dass Waliser so dick sind wie Wale?

Bei einer weltweiten Rechtschreibreform würden die Briten also dieses „h“ streichen wollen, was aus Sicht (vieler) Amerikaner aber schlicht falsch wäre. Und das ist erst der Anfang, denn Engländer tun bekanntlich auch dem „r“ schreckliche Dinge an. Und ohnehin müssten sie ja erstmal nachziehen und die ganzen französischen Verunreinigungen entfernen, wie es das amerikanische Englisch schon vorgemacht hat: „Color“ hat im lateinischen Original – und hier gibt es wirklich eins – kein „u“. Schnell würde man wieder merken, dass Großbritannien und die USA zwei Länder sind, die durch eine gemeinsame Sprache getrennt werden – eine Beobachtung, die (unter anderem) Oscar Wilde zugeschrieben wird. Und auch die Inder und Australier hätten ein Wort mitzureden.

Besonders im Zeitalter des Internets ist es gut, wenn jeder auf dem Planeten weiß, was mit knight gemeint ist (ein Ritter), auch wenn die Schreibeweise kaum noch etwas mit der Aussprache („Neit“) zu tun hat, die dummerweise auch für andere Wörter (night) gilt. Gerade dieses Beispiel zeigt, dass die Deutschen oft noch gut dran sind: Macht man sich klar, dass das „k“ nicht immer stumm war und dass „gh“ so etwas wie ein „ch“ ist, sind wir schnell bei einem vertrauten Wort: „knicht“, also Knecht. Historische Rechtschreibung macht so auf eine perverse Art sogar Spaß. Wenn man nicht mehr dafür benotet wird, versteht sich.

Zumindest kann man sie als Grundlage für Unterhaltungssendungen im Fernsehen benutzen, wenn man genug davon hat. Wer sich als Deutscher Sorgen über den wachsenden kulturellen Einfluss der Angelsachsen macht, kann also beruhigt sein, dass wenigstens Spelling Bees im deutschen Fernsehen kaum auftauchen dürften. Erstmal nicht zumindest – denn auch das Deutsche schleppt inzwischen Wörter wie „Computer“ und „Handy“ mit sich herum, deren Schreibweisen rein historisch begründet sind und die erst mühsam gelernt werden wollen. Ab wann das wohl eine Marktlücke wird?