ZEUGS: Orcs (und andere) im Senat, rassistische Tweets und der Statistik-Gott

November 11, 2012

So, das war’s dann erstmal wieder mit dem Wahlzirkus — jetzt haben wir zwei Jahre wieder Ruhe. Moment, nur zwei Jahre?

  • Zur Legislaturperiode: Ja, zwei Jahre. Dieser Autor hatte nicht ganz ohne Hintergedanken im vergangenen Zeugs von der „zweijährigen Legislaturperiode“ geschrieben, und tatsächlich haben einige interessierten Leser nachgefragt, ob das nicht ein Fehler sei. Nein — wegen der Gewaltenteilung sind die Amtszeiten des Präsidenten (vier Jahre) und die Legislaturperiode (zwei Jahre) nicht wie in den meisten europäischen Staaten identisch. Sprich, die nächste Wahl ist 2014. Außer natürlich, man ist zufällig Deutscher und muss 2013 zur Urne.
  • Zur direkten Demokratie: Nach den Referenden für die Homo-Ehe in mehreren Bundesstaaten untersucht Pew Research die regionalen Unterschiede in den USA. Der Trend ist eindeutig:

    The tipping balance of American public opinion was confirmed in this week’s national election exit polling: 49% of voters said their state should legally recognize same-sex marriage; 46% said it should not.

    Im US-Kongress ist auch die erste offene lesbische Senatorin eingezogen, Tammy Baldwin aus Wisconsin. Nach der Siegesserie wird im Internet viel das Bild Liberty kissing Justice von Mirko Ilic gepostet, leider oft ohne Quelle. Es stammt aus dem Jahr 2004.

  • Zur Religion in den USA: Wie man am vorherigen Eintrag sehen kann, haben die tiefchristlichen Gruppen massive und wie sie es selbst sehen folgenschwere Niederlagen erlitten: Immer mehr Amerikaner lehnen ihre Weltsicht schlicht und einfach ab.

    „It’s that the entire moral landscape has changed,“ he said. „An increasingly secularized America understands our positions, and has rejected them.“

    Die „New York Times“ geht weiter auf die langfristigen Auswirkungen ein. Ehrlich, schreiben die nur noch von diesem Blog ab?

  • Zu Muslimen im Kongress: Parallel zu dem Rückgang der Gläubigen allgemein geht der zweite Trend zur religiösen Vielfalt auch nicht spurlos am Kongress vorbei. Im Senat ist erstmals ein Buddhist eingezogen, Mazie Hirono aus Hawaii. Sie ist damit auch die erste in Japan geborene und erste asiatische Senatorin. Hirono hielt früher im Repräsentantenhaus den Sitz, der ab jetzt Tulsi Gabbard gehört, einer 31-jährigen Hinduistin und Veteranin des Irak-Kriegs. Das ist das erste Mal überhaupt, dass diese Religion im Kongress vertreten ist.

    Hopefully the presence in Congress of an American who happens to be Hindu will increase America’s understanding of India as well as India’s understanding of America.

    „Unser“ Muslim Keith Ellison aus Minnesota hat seine dritte Amtszeit im Repräsentantenhaus gewonnen. Auch sein Kollege André Carson aus Indiana wurde trotz kontroverser Äußerungen über islamische Schulen als Vorbild für die USA wiedergewählt.

  • Zu Orcs in der Politik: Dann hätten wir noch die Demokratin Colleen Lachowitz, Landes-Senatorin von Maine, die von den Republikanern im Zusammenhang mit ihrer Leidenschaft für das Online-Spiel World of Warcraft angegriffen wurde. Lachowitz (offenbar Level 85, übrigens) hat gewonnen, und ihre Fans jubeln:

    Lvl 90 Goblin Hunter signing in to say a hearty Congrats! to you for showing the world that we gamer girls really are EVERYWHERE, so you GOPers [Republicans] better watch out from now on hehe!

    Womit klar ist, warum dieser Autor nicht einmal in die amerikanische Landespolitik einsteigen könnte: Er hat bei Diablo III noch nicht einmal seine Zauberin auf Level 60 gebracht. Man kommt ja zu nichts.

  • Zu Wahlbezirken: Mit gerrymandering wird in der US-Politik die Manipulation der Grenzen der Wahlbezirke durch die Regierung eines Bundesstaates bezeichnet, um der eigenen Partei einen Vorsprung zu verschaffen. Schauen wir uns bei ProPublica an, wie erfolgreich die Demokraten damit in Kalifornien waren:

    So how did congressional Democrats do in California after redistricting shook everything up? Quite well. Of 34 Democratic incumbents, only three lost their races, all three to other Democrats. Overall, Democrats in California gained four seats.

    Der Artikel beschreibt im Detail, wie so eine Änderung des Wahlkreises abgelaufen sein soll. Das Spiel spielen natürlich beide Parteien, wie wir am Beispiel der der Republikaner in North Carolina sehen. Es gehört zu den ungelösten Problemen des amerikanischen Wahlsystems.

  • Zum Wahlrecht: Auf io9 werden Karten zum Wahlausgang vorgestellt, die nach früheren Versionen des US-Wahlrechts basieren, sprich, insbesondere ohne Frauen und Schwarze. Das Problem ist allerdings, dass sich das Wesen der politischen Parteien über die Jahrzehnte geändert hat:

    The South, now a strong red [Republican] region, would have been very blue [Democrat] in the early twentieth century. So the white men voting Republican today would have voted Democrat historically; and of course some of our more „liberal“ presidents like Lincoln were Republicans. And don’t even get me started on the Whigs.

    Wenn erstmal die Roboter das Wahlrecht bekommen, sieht eh alles anders aus.

  • Zum Nicht-Wählen, noch eine Karte: Die Größe der US-Bundesstaaten nach ihrer Wahlbeteiligung.
  • Zu Beleidigungen, die letzte Karte für heute: Auf ZDNet wird gezeigt, woher die meisten rassistischen Tweets während der Wahl kamen. Leider nicht wirklich eine Überraschung.
  • Zu Sprachen in den USA: Im Language Log findet sich eine Diskussion über die Feinheiten mehrsprachiger Hinweisschilder in amerikanischen Wahllokalen.

    In Korean, it is necessary to add „hada“ to Chinese verb-object compounds in order to give them verbal force in a sentence. The form of „hada“ used here („hashipshio“) is gently imperative, so the whole sentence means something like „Go ahead and cast your ballots here.“

    Gesucht werden noch Kommentare zu den Schildern auf Thailändisch, Tagalog und Kambodschanisch, sollte sich jemand hier berufen fühlen.

  • Zur Wahlstatistik: Schließlich könnte dem interessierten Leser in den vergangenen Tagen der Name Nate Silver untergekommen sein, der für die „New York Times“ das Wahlstatistik-Blog FiveThirtyEight schreibt (der Name leitet sich von den 538 Wahlmännern ab).

    A former baseball statistician, Silver has made his name by aggregating state level polling data, and predicting the likelihood of victory by adjusting for different factors that have historically influenced electoral performance. He consistently rejected the conventional wisdom that the race was tied, and for that, he was cast as a left-wing nut peddling bad science.

    Silver hat mit seinem wissenschaftlichen Ansatz faktisch durch die Bank Recht gehabt, was natürlich unverzeihlich in den Augen der Journalisten und Kommentatoren ist, die noch am Wahlabend auf der Basis ihres „Gefühls“ (gut feeling) einen knappen Ausgang oder gar einen Sieg des Republikaners Mitt Romney vorhergesagt hatten. Sein Fans zitieren xkcd. Natürlich.