Konsum vs Export: Unterschiede zwischen der amerikanischen und deutschen Wirtschaft

Dezember 21, 2012

Heute beschäftigen wir uns mit einem grundsätzlichen Unterschied zwischen den USA und Deutschland: Die amerikanische Wirtschaft wird vom Konsum getrieben (zu etwa 70 Prozent), während die deutsche stark exportlastig ist (etwa 50 Prozent, Tendenz steigend). Das führt nicht nur dazu, dass die Umsatzzahlen der Einzelhändler zu Weihnachten in den USA mit größerem Interesse verfolgt werden als in Deutschland. Es bilden sich auch verschiedene Ansätze in der Politik heraus, obwohl die Abgeordneten in beiden Staaten grundsätzlich das Gleiche wollen: Arbeitsplätze schaffen, um von glücklichen Bürgern wiedergewählt zu werden.

Fangen wir mit den Steuern an. Jeder Dollar, den der amerikanische Staat einsammelt, ist ein Dollar weniger, der in die Wirtschaft fließt und dort Arbeitsplätze schaffen kann (Staatsausgaben gelten als ineffizient). Die schon beschriebene besondere Beziehung der Amerikaner zu Steuern hat damit in den vergangenen Jahrzehnten einen handfesten Hintergrund bekommen. Entsprechend steht bei der aktuellen Diskussion über die „Finanzklippe“ eine Menge auf dem Spiel (Hervorhebung hinzugefügt):

The Congressional Budget Office has estimated that 3.4 million Americans could lose their jobs if America goes off the cliff, as the higher taxes and spending cuts weigh on consumer demand.

Das Prinzip gilt auch für Steuern auf Benzin, Strom, Erdgas etc: Alles schlecht für die Wirtschaft, schlecht für das Wachstum und schlecht für den Arbeitsmarkt. Der amerikanische Verbraucher soll — muss — Geld in der Tasche haben. Allerdings soll es nicht lange dort bleiben.

In Deutschland ist das — vereinfacht und etwas polemisch gesagt — schnurz. Ob die vergleichsweise hohe Steuern auf Benzin oder die Abgaben für die Energiewende, dem Bundesbürger kann das alles bedenkenlos aufgebürdet werden, so lange nur das Ausland genug Zeugs mit dem Aufkleber Made in Germany kauft und die Firmen Leute anstellen. Die Binnennachfrage ist zweitrangig. Das muss man Amerikanern erklären, wenn sie nach Deutschland ziehen und zum ersten Mal an der Zapfsäule Euro pro Liter in Dollar je Gallone umrechnen.

Auch für die Staaten als Ganzes ergeben sich verschiedene Abhängigkeiten. Deutschland geht es gut, wenn es dem Ausland gut geht und man dort viele schöne deutsche Maschinen und Autos braucht. Die USA sind mehr von der Stimmung des amerikanischen Verbrauchers abhängig, weswegen Konjunkturdaten wie der Consumer Confidence Index (CCI) so wichtig sind. Der Bürger muss insbesondere das Gefühl haben, dass er Geld ausgeben kann, sonst bleibt es in der Tasche, oder, oh Schreck, wird sogar zur Bank gebracht.

Deswegen sind amerikanische Politiker und hohe Beamte viel damit beschäftigt, gute Stimmung zu verbreiten. Nehmen wir diese Erklärung zu den „QE3“ genannten Maßnahmen der US-Notenbank Fed, die insbesondere auf Hypotheken zielen (Hervorhebung hinzugefügt):

The goal of this measure is to stimulate home purchases, which will in turn give rise to higher home values, which will ideally precipitate rising domestic consumption as Americans „feel“ wealthier.

Mein Haus ist mehr wert, daher bin ich wohlhabender, daher kann ich mehr Geld für anderes Zeug ausgeben. Yippee!

Diese Konsumabhängigkeit gibt der amerikanischen Wirtschaft eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber der weltweiten Lage. Das ist wichtig zu wissen, wenn man Präsident der USA ist und eine Gruppe von Islamisten, sagen wir mal, Flugzeuge in sehr hohe Gebäude steuert. Dann möchte man, dass die Bürger zur Stabilisierung der Wirtschaft weiter Geld ausgeben. Oder wie es George W. Bush nach den Anschlägen vom 11. September 2001 formulierte:

I ask your continued participation and confidence in the American economy. Terrorists attacked a symbol of American prosperity; they did not touch its source.

(Anders als von seinen politischen Gegnern behauptet hat Bush nie die Bürger direkt aufgefordert, einfach weiter einkaufen zu gehen, als sei nichts gewesen. Angesichts der Struktur der amerikanischen Wirtschaft wurde das allerdings in der Presse so verstanden, zum Beispiel bei „Time“ mit dem Kommentar And for God’s sake keep shopping.)

Die Konsumabhängigkeit der amerikanischen Wirtschaft erklärt auch einige andere Unterschiede. So zeigen die Amerikaner in der Regel eine größere Toleranz für Werbung, die als notwendiges Übel gilt, damit die Leute auch wirklich ihr Geld ausgeben. Auffällige Ausnahme ist die Trikot-Werbung, die eher selten zu finden ist. Auch die Beliebtheit von Kreditkarten könnte man in diese Kategorie packen.

Ist das alles eine gute Idee? Darauf kann dieses Blog nicht eingehen, weil die Diskussion früher oder später zu Grundsatzfragen führt, ob ein auf permanentes Wachstum ausgerichtetes Wirtschaftssystem bestand haben kann, gleich, ob export- oder konsumorientiert. An Kritikern des amerikanischen Wirtschaftssystems mangelt es nun wirklich nicht.

Mit diesem Eintrag beenden wir dieses Blog-Jahr, denn erfahrungsgemäß fällt die Zahl der Leser zwischen Weihnachten und Neujahr ins Bodenlose. Alle frohe Weihnachten und einen guten Rutsch!

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