Warum die Amerikaner ihre Anführungszeichen so komisch setzen

Juni 18, 2011

Schauen wir uns einmal die Satzzeichen in diesem Zitat über Satzzeichen bei Zitaten an:

„In American English,“ he said, „commas and periods almost never follow quotation marks.“

[Die „germanischen“ Anführungsstriche bei diesem Zitat sind ein bekanntes Problem von WordPress, bitte ignorieren.]

Nein, das sind keine Tippfehler: Das Komma und der Punkt gehören nach der amerikanischen Satzlehre tatsächlich in das Teilzitat. Vergleichen wir das mit dieser BBC-Meldung über Verzögerungen bei Doctor Who:

Danny Cohen told a Derbyshire media conference that Moffat „needs enough time to get that done and then start work on the next series of Doctor Who“.

Die Briten setzen ihre Satzzeichen in diesen Situationen (vereinfacht gesagt) wie die Deutschen: Wenn Komma oder Punkt Teil des Zitates sind, kommen sie in die Anführungsstriche, sonst außerhalb. Noch ein Beispiel für die Art, wie Amerikaner und Briten durch eine gemeinsame Sprache getrennt werden, wie es so schön heißt.

Die britische Form, die so genannte logical punctuation, ist die ältere, die amerikanische, auch traditional genannte Form, ist die jüngere. Die Amerikaner führten die Änderung offenbar nach der Revolution aus ästhetischen Gründen ein:

According to Rosemary Feal, executive director of the MLA, it was instituted in the early days of the Republic in order „to improve the appearance of the text. A comma or period that follows a closing quotation mark appears to hang off by itself and creates a gap in the line (since the space over the mark combines with the following word space).“

Ob das nun wirklich besser aussieht, ist Geschmacksache. Es ist auf jeden Fall die vorgeschriebene Form in den meisten amerikanischen Veröffentlichungen (wobei die genauen Regeln komplizierter sind als dieser Autor sie hier jetzt darstellt). Allerdings stößt in diesem Fall der Kulturimperialismus an harte Grenzen: Selbst die englischsprachige Wikipedia folgt den Briten. Dort finden wir zu dem Autor Terry Pratchett:

His early reading included the works of H. G. Wells and Arthur Conan Doyle and „every book you really ought to read“ which he now regards as „getting an education“.

Das Wikipedia-Stilhandbuch schreibt zu der Entscheidung, die outside-Variante zu verwenden:

It is used here because it is deemed by Wikipedia consensus to be more in keeping with the principle of minimal change.

Schlimmer noch für amerikanischen Traditionalisten: In der neuen Volksliteratur von Twitter, Blogs und Facebook gibt es eine Gegenbewegung. Aufrührerische US-Bürger setzen frech ihre Punkte und Kommata dort, wo man sie im ehemaligen Mutterland auch hintun würde. Der amerikanische Englisch- und Journalismus-Professor Ben Yagoda spricht in dem oben zitierten Slate-Artikel von einen klaren Trend zur britischen Form bei seinen Studenten:

[F]or the past several years, my students have found it irresistible, even after innumerable sardonic remarks from me that we are in Delaware, not Liverpool. As a result, I have recently instituted a one-point penalty on every assignment for infractions. The current semester is nearing its end, but I am still taking points away.

[Dieser Autor, der in seinem Leben genug Probleme damit hat Dinge wie address und „Adresse“ auseinanderzuhalten, neigt in englischen E-Mails auch dazu, die britische Schreibweise zu benutzen, obwohl ihm das Problem klar ist. Dissent is patriotic, möchte er dazu sagen.]

Stehen wir vor einer amerikanischen Gänsefüßchen-Revolution? Vermutlich nicht. Die Stilwächter des Chicago Manual of Style sagten Yagoda zufolge zu der Frage, wann eine Umstellung kommen wird:

How about never? Is never good for you?

Die amerikanischen Profis werden wohl weiter bei der traditionellen Form bleiben, während die britische Variante still und leise die amerikanische Bevölkerung unterwandert. Aber hey, vielleicht muss man den Briten auch mal einen Sieg gönnen.

[Slate-Artikel von MLJ gefunden, vielen Dank]

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