Ägypten, Clinton und der „perfekte Sturm“

Februar 5, 2011

US-Außenministerin Hillary Clinton läuft an diesem Wochenende auf der Sicherheitskonferenz in München herum. Glaubt man den deutschen Medien, hat sie dort von einem „Sturm“ gesprochen, der über die arabische Welt ziehe. In einigen Berichten ist von einem „regelrechten Sturm“ die Rede.

Ein Sturm? Das ist für die Vorgänge in Tunesien, Ägypten und Co etwas wenig. Wäre Clinton eine Britin, könnte man understatement vermuten, aber sie ist Amerikanerin, und die neigen nicht ganz so häufig zu diesem Stilmittel. Das klingt nach einem Übersetzungsproblem.

Tatsächlich sagte Clinton wörtlich (Hervorhebung hinzugefügt):

The region is being battered by a perfect storm of powerful trends.

Kein Wunder, dass die Übersetzung komisch ausfällt, denn was ist ein „perfekter Sturm“? Das ergibt auf Englisch auch erstmal keinen Sinn.

Der Begriff geht auf den Bestseller The Perfect Storm. A True Story of Men Against the Sea von Sebastian Junger zurück. Dabei geht es um einen verheerenden Sturm im Oktober 1991 vor der Ostküste. Der Verlag schreibt:

It was „the perfect storm“ — a tempest that may happen only once in a century — a nor’easter created by so rare a combination of factors that it could not possibly have been worse. Creating waves ten stories high and winds of 120 miles an hour, the storm whipped the sea to inconceivable levels few people on Earth have ever witnessed.

Wichtig ist hier das „so seltene Zusammenspiel von Faktoren, dass es unmöglich schlimmer kommen könnte“: Es ist nicht nur ein Sturm, sondern der ultimative Super-Sturm überhaupt. Das Buch wurde unter dem gleichen Namen von Wolfgang Petersen mit George Clooney und Mary Elizabeth Mastrantonio verfilmt.

(Warum erwähnen wir Mastrantonio hier gesondert? Weil sie in Robin Hood: Prince of Thieves Kevin Costner in den Schritt tritt, eine Szene, die als ein Höhepunkt des modernen Kinos gelten muss.)

Im Englischen ist der Begriff in die Alltagssprache übergegangen und inzwischen ein gängiges Bild (Hervorhebung hinzugefügt):

I’ve thought Buffy was the perfect storm of excellent writers and an extremely underrated actress for a long time.

Im Deutschen gibt es das Bild schlicht nicht. Einmal natürlich, weil der Sturm nicht so durch die Medien ging, aber auch weil die Übersetzer von Roman und Film wieder glaubten, kreativ sein zu müssen: Aus The Perfect Storm machten sie einfach Der Sturm. So wird das natürlich nichts.

Der Vollständigkeit halber müssen wir noch eine Variante vorstellen: Aus dem Begriff des shitstorm (der es angeblich inzwischen ins Deutsche geschafft hat) kann man the perfect shitstorm bilden, das wir auch bei Briten finden. Was für ein Glück für Deutschlands Journalisten, dass Clinton so höflich geblieben ist.

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