Dieser Autor hat einen Weg gefunden, um die Fußball-WM doch zu genießen: Man muss soccer unter sporthistorischen Gesichtspunkten betrachten, im Rahmen der Atavismus-Forschung. Schiedsrichter, die ohne jedes technische Hilfsmittel agieren, mit den zu erwartenden Folgen; Spiele, die nicht nur unentschieden ausgehen, sondern sogar torlos; ein archaisches System der Zeitmessung, das unsportliches Verhalten belohnt – so sahen wohl alle Sportarten einmal aus, damals, als die Vulkanier und Romulaner noch eine Rasse waren.
Leider wurde dieser neu entdeckte Genuss bei einem der Spiele der Amerikaner schwer durch die Kommentatoren getrübt. Nicht nur, dass ständig von „US-Amerikanern“ die Rede war, obwohl die andere Mannschaft nicht aus der Neuen Welt kam. Schlimmer noch, für „die USA“ wurde die Einzahl gewählt – „Die USA schafft das“, zum Beispiel. Zuerst dachte dieser Autor, es sei eine Kurzform für „die Mannschaft der USA“, aber nein, damit war wohl wirklich das Land gemeint. Dafür benutzt man im Deutschen eigentlich den Plural. Die Einzahl dürfte ein Sieg des Kulturimperialismus sein.
Aber Moment, so einfach ist das nicht. Denn Briten und Amerikaner haben andere Regeln, was die Verwendung von Singular und Plural bei Ländern, Firmen, Mannschaften, usw. angeht. Schauen wir uns an, was die Denver Post vor dem Turnier zur US-Gruppe schrieb (alle Hervorhebungen hinzugefügt):
The U.S. is in the same group with England, which is a good bet to move on, but the other teams in the group are Algeria and Slovenia.
Dagegen schrieb die BBC:
The US are in the same group as Slovenia, Algeria and England.
(Den Unterschied zwischen „US“ und „U.S.“ erklären wir in einem späteren Eintrag.)
Die Amerikaner nehmen lieber die Einzahl, die Briten lieber die Mehrzahl. Natürlich ist das nicht ganz so einfach, denn in beiden Einzugsgebieten gibt es die Anweisung, sich nach der Bedeutung zu richten. Aber als eine unserer berühmten groben Faustregeln kann man das so vereinfachen.
Das stellt die englischsprachigen Medien mit internationaler Reichweite vor gewisse Probleme. Die Nachrichtenagentur Reuters zeigt in ihrem Handbuch [PDF], wie sie ihre britischen Wurzeln und eine große amerikanische Kundschaft verbindet:
Teams and clubs are used as plural nouns, except in American sport.
Wer das verstörend findet, had das Handbuch des BBC [PDF] noch nicht gelesen:
It is the policy of BBC Radio News that collective nouns should be plural, as in The Government have decided. Other departments, such as BBC Online, have resolved that collective nouns should always be singular, as in The Government has decided. BBC Television News has no policy and uses whichever sounds best in context.
Möglicherweise hat BBC Online einfach keine Lust, sich ständig mit Beschwerdemails von irgendwelchen amerikanischen grammar nazis herumzuschlagen.
[Journalisten-Handbücher sind wunderbare Schnappschüsse einer Sprache: Auf der einen Seite müssen sie ein gewisses Sprachniveau halten, auf der anderen dürfen sie sich nicht zu weit von der Sprache ihrer Leser entfernen. Entsprechend erklärt Reuters zwar die richtige Verwendung von whom (was immerhin US-Flaggen vor Studenten schützen würde), schränkt aber ein:
But we should follow common usage and be ready to use who as the object where this sounds and looks more natural, e.g. Who she met at the midnight rendezvous was not yet known.
Damit beschleunigt sich der Untergang des Wortes. Der Economist verteidigt dagegen sogar noch den subjunctive, was ähnlich aussichtslos sein dürfte.]
Zurück zu the United States: Ursprünglich wurde es auch in den USA selbst in der Mehrzahl benutzt. Unter Amerikanern hält sich das Gerücht, dass die Änderung mit dem Bürgerkrieg vollzogen wurde, was zwar einleuchtend wäre, aber leider falsch ist. Tatsächlich ging es noch Jahrzehnte später durcheinander. Gehalten hat sich der Plural in der Redewendung these United States, die aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg stammt.
Sonst bleibt zur WM nur noch zu sagen, dass dieser Autor mit dem Abschneiden der USA zufrieden ist. Von Turnier zu Turnier ist eine Steigerung zu erkennen, und bei dieser Entwicklung ist den Amis die Weltmeisterschaft sicher – im Jahr 2094 oder so.
(Nach einem Vorschlag von DKS, vielen Dank)