Warum US-Kinozuschauer bei Horrorfilmen in einer hohen Tonlage kreischen

Oktober 8, 2009

Ein Nachtrag zum Fantasy Filmfest: Dieser Autor hat über die Jahre bemerkt, dass der Frauenanteil dort immer weiter steigt. Vielleicht ist das eine Folge des Kulturimperialismus, denn in den USA gehen mehr Frauen in Horrorfilme als Männer.

Name any recent horror hit and odds are that female moviegoers bought more tickets than men. And we’re not just talking about psychological spookfests like 2002’s The Ring (60 percent female), 2004’s The Grudge (65 percent female), and 2005’s The Exorcism of Emily Rose (51 percent female).

Denn auch die von uns erwähnten torture porn-Filme – wie Saw – oder die Neuauflage des Texas Chainsaw Massacre werden eher von Frauen besucht. Vor dem Start des Horror-Online-Videodienstes FEARnet ergab die Marktforschung zur Überraschung der Gründer eine weibliche Neigung zur Blutrunst:

„When we launched the network, we went out and did focus groups and it was the women in the room who really wanted a horror channel more than the guys did,“ says FEARnet president Diane Robina. „I actually thought that the women would be less into the Saw films, but they were much more into them.“

(Der interessierte Leser in Deutschland braucht sich keine Hoffnungen zu machen: FEARnet hat zwar jede Menge Angebote umsonst, aber der Versuch, sie aus Europa abzurufen, endet mit dem berüchtigten Satz The video you are trying to watch cannot be viewed from your current country or location. Wo kämen wir da auch hin.)

Das „warum“ liegt außerhalb unseres Themenbereichs, daher nur kurz: Die Erklärungen sprechen unweigerlich die Funktion des empowerment an, sprich, dass Frauen demonstrativ Macht erhalten. Eine der, äh, Mütter des Empowerments ist, wie der interessierte Leser dieses Blogs inzwischen ad nauseam erklärt bekommen hat, natürlich Buffy the Vampire Slayer. Daher gibt es zu der Serie eine schier endlose Menge wissenschaftlicher Analysen über die Rolle der Frau und ihrer Beziehung zu Macht und Gewalt (und Sex).

Die Produzentin des Horrorfilms Orphan Susan Downey fasst die Diskussion so zusammen:

[W]hen we put a woman through this mythological journey and have her come out at the end kicking ass, the guys get the eye candy they want and the girls get the sense of „I can face my demon.“

Dieser Autor wusste schon immer, dass Alien pädagogisch wertvoll ist und Afghanistan mehr Horrorfilme braucht.

Die amerikanische Filmindustrie hat nach ihrem ersten Schock über diese Erkenntnis so reagiert, wie man es von einem seelenlosen Haufen geldgieriger Kapitalisten erwartet: Horrorfilme aus den USA – auch die „härteren“ wie Saw – sind heute immer mehr auf Frauen zugeschnitten.

Das sieht man schon an der Zahl der Hauptdarstellerinnen – eigentlich ist es schwierig, einen Horrorfilm mit einer männlichen Hauptrolle zu finden. Dagegen werden weniger frauenverträgliche Filme wie Deadgirl nicht von großen Studios aufgegriffen und müssen sich als Independent-Produktionen durchschlagen.

[Fußnote: Deadgirl bietet ein gutes Beispiel für unseren Hinweis, dass Filme in den USA in mehreren Versionen veröffentlicht werden: Eine rated version, geschnitten, um eine Altersfreigabe für die Kinos zu erhalten, die dann auch auf DVD erscheint; und eine unrated version nur für DVD, die ungeschnitten ist. Bei Deadgirl sind beide Versionen gleich lang, weil alternative Szenen gleich mitgedreht wurden.]

Auch die Werbung wird bei amerikanischen Horrorfilmen inzwischen mehr auf Frauen ausgerichtet. In den vergangenen Wochen lieferte Jennifer’s Body dazu eine Art Gegenprobe: Von Fachkritikern gelobt, blieben die Einspielergebnisse trotzdem unter den Erwartungen. Kein Wunder, denn das Marketing konzentrierte sich auf die körperlichen Vorzüge der Nebenfigur (!) Megan Fox [JPG] und wandte sich damit an heterosexuelle junge Männer. Damit gingen die Anzeigen an der wichtigsten Zielgruppe vorbei.

Entsprechend gepisst wütend zeigt sich Regisseurin Karyn Kusama in einem MTV-Interview:

I don’t know if selling the film as a straight horror film and selling it primarily to boys is really going to do any of us any favors […] [I]t makes me extremely, extremely frustrated to imagine that I have been working on this movie for nearly two years now and have committed this much time and energy […] because I felt like if I were nineteen again, I would know someone was speaking to me and gave a [shit] about my existence in the pop cultural landscape.

[Noch eine Fußnote: Kusamas erster Satz ist ein wunderbares Beispiel für die Art, wie Angelsachsen Dinge indirekt sagen. Wörtlich übersetzt würde der Anfang etwa so lauten: „Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns wirklich einen Gefallen damit tun, diesen Film …“ Gemeint ist aber, wie man an ihren weiteren Aussagen sieht: „Es war eine absolut beschissene Idee, diesen Film …“ Die Marketingfirma wird verstanden haben, was sie meint.]

Männliche Filmfans müssen sich damit abfinden, dass dieser Trend weitergehen wird und sich sogar verstärken dürfte, denn die Firmen berichten davon, dass Frauen loyale Zuschauer sind: Während Männer ab einem bestimmten Alter weniger Horror-Filme gucken, bricht die Kurve bei den Frauen offenbar nicht ein. Sie gehen dann halt mit ihren Freundinnen ins Kino.

Wo sind die Männer? Vielleicht online bei Spielen wie Left 4 Dead, würde dieser Autor vermuten, wo sie noch ungestört männliche Verhaltensweisen ausleben können.

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