In Deutschland gibt es eine fahrbare Zone der absoluten Meinungsfreiheit: Es ist kulturell – wenn auch streng genommen nicht juristisch – zulässig, hinter dem Steuer eines Autos obszöne Gesten zu machen und die anderen Verkehrsteilnehmer auf Arten anzugiften, die auf dem Bürgersteig zur Klage oder sogar zu Haue führen würden. Diese Sonderzone gibt es in den USA nicht: Hinter dem Steuer ist etwa genauso wie von Angesicht zu Angesicht. Dieser Autor kennt etliche Geschichten über Amerikaner, die nach ihrer ersten Begegnung mit der alltäglichen germanischen Fahrkritik wutentbrannt an der nächsten Ampel ausgestiegen sein sollen, um, nun, die Einzelheiten zu klären. He gave me the finger! heißt es dann mit ungläubiger Empörung. Meist sind die Deutschen offenbar so überrascht, dass sie einfach Gummi geben.
Das ungesittete Verhalten der Mitteleuropäer hinter dem Steuer steht daher auch auf der Liste von Dingen, die Amerikanern kurz nach ihrer Ankunft in Deutschland erklärt bekommen sollten. Umgekehrt warnt dieser Autor Deutsche vor ihrer ersten Reise in die USA, die Hände immer schön auf dem Lenkrad zu lassen, ein höfliches Gesicht zu machen und sich wie die Einheimischen auf verbale Kommentare zu beschränken. Deutschen wird dabei eingeschärft, dass man in einem Land mit etwa 20.000 Waffengesetzen sein Gegenüber nicht reizen möchte, und Amerikanern wird eingeschärft, dass man in einem Land mit einem Waffengesetz sein Gegenüber nicht reizen möchte.
Und ganz eigentlich sollte es ja in beiden Ländern für eine gute Kinderstube keine besondere Begründung geben müssen …
[GEÄNDERT 01. Oktober 2011: Toter Link repariert]