Kurz erklärt: Filibuster oder wenn Senatoren Windeln tragen

August 29, 2006

Im US-Senat gibt es keine Begrenzung der Redezeit und keine Regel, dass man sich an ein bestimmtes Thema halten muss. Eine Methode, unliebsame Abstimmungen über Gesetzentwürfe zu blockieren, besteht deswegen darin, dass ein Senator anfängt zu reden, über irgendwas, und dann einfach nicht mehr aufhört. Dieser Vorgang heißt filibuster, ein Begriff, der auf auf das niederländische Wort für „Freibeuter“ zurückgeht.

Den Rekord für einen Filibuster hält Strom Thurmond aus South Carolina, der 24 Stunden und 18 Minuten gegen das Bürgerrechtsgesetz von 1957 anredete (vergeblich). Solche Taktiken erfordern natürlich außerordentliche Vorbereitungen: Früher wurde der Filibuster auch talking to the diaper genannt, denn bei einer Pinkelpause ist alles vorbei.

In der Praxis bleibt der Filibuster meist bloß eine Drohung, ist also ein taktisches Werkzeug. Seit 1917 kann eine Mehrheit der Senatoren mit einem cloture (nicht: closure, obwohl die Worte verwandt sind) eine Abstimmung erzwingen. Seit 1975 sind drei Fünftel der Stimmen – also gegenwärtig 60 – nötig, um ein Cloture zu erwirken.

Der Filibuster ist keine amerikanische Erfindung. Im ersten Buch von De Bello Civilibeschwert sich Julius Caesar über seinen Erzfeind Cato, der im Senat den ganzen Tag redet. In Großbritannien sagt man, dass eine Frage talked out wird. Eine andere, verwandte Taktik ist der slow walk, bei dem man sich zur Urne schlecht. Scheinbar ist dies besonders in Japan (als ushi aruki, „Kuhgehen“) beliebt.

Was zur Frage führt – was genau ist mit den Bundestagsabgeordneten los, dass sie keine derartigen Verfahren entwickelt haben?

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