Movie Ratings: FSK in den USA

August 12, 2006

Dieser Autor treibt sich im Moment – so weit es Familie und Beruf zulassen – wie jedes Jahr auf dem wunderbaren Fantasy Filmfest herum. Zwischen guten koreanischen Geisterfilmen („Voice“), schlechten amerikanischen Adaptionen von „Turn of the Screw“ („In a Dark Place“) und, nun, sehr japanischen Filmen mit Riesenhasen („Starfish Hotel“) kam ihm dabei der Gedanke, kurz auf das amerikanische System der Jugendfreigaben für Filme einzugehen.

Vergeben werden die ratings von der Motion Picture Association of America (MPAA), dem Verband der US-Filmindustrie. Eine Gruppe von zehn bis 13 Leuten nimmt die Bewertung vor. Da es um den Schutz von Kindern geht, müssen sie selbst Eltern sein:

There are no special qualifications for Board membership, except that the members must have a shared parenthood experience, must be possessed of an intelligent maturity, and most of all, have the capacity to put themselves in the role of most American parents so they can view a film and apply a rating that most parents would find suitable and helpful in aiding their decisions about their children and what movies they see.

Hier fangen die Unterschiede zum System in Deutschland an: Die FSK sagt von sich selbst nur, dass „viele“ ihrer Prüfer „Erfahrung“ in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen haben. Auch gibt es für die US-Ratings keinerlei juristische Grundlage wie das Jugendschutzgesetz, mit dem in letzter Konsequenz die Entscheidungen der FSK bewehrt sind: Die USA haben so etwas nicht auf Bundesebene, dafür aber den Ersten Verfassungszusatz, der es dem Kongress verbietet, Zensurgesetze zu erlassen. Die Filmindustrie unterhält das System auf eigene Faust in Zusammenarbeit mit den Kinobetreibern. Computerspiele werden zum Beispiel nach einem ganz anderen Verfahren bewertet.

Die Kategorien für Filme werden nicht starr am Alter des Kindes festgemacht, da man davon ausgeht, dass sich jedes Kind unterschiedlich schnell entwickelt. Stattdessen wird den Eltern (bis auf die letzte Kategorie) die Entscheidung überlassen, was ihre Kinder sehen sollen oder nicht. Es handelt es sich also um ein Empfehlungssystem.

Konkret:

G – General Audiences. All Ages Admitted. Die Kinderfilme, ohne derbe Sprache, ohne Sex, Gewalt oder Drogen. Zum Alter werden keine konkreten Angaben gemacht.

Moment, sagte jemand Kinderfilm?

The G rating is not a certificate of approval nor does it signify a children’s film.

In der Praxis ist es ein Kinderfilm, und für amerikanische Teenager in einem gewissen Alter ist es undenkbar, in so einem solchen Streifen gesehen zu werden. Was würden die Freunde bloß denken?

PG – Parental Guidance Suggested Some material may not be suitable for children. Eltern sollten sich über den Film schlau machen, bevor sie ihr Kind hineinschicken. Es kann Nacktheit enthalten, schon mal etwas derbe Sprache und Gewalt, aber keine Drogen.

In our pluralistic society it is not easy to make judgments without incurring some disagreement. As long as parents know they must exercise parental responsibility, the rating serves as a meaningful guide and as a warning.

Nicht wahr.

PG-13 – Parents Strongly Cautioned Some material may be inappropriate for children under 13. Gewalt, Nackheit, „Sinnlichkeit“ und Sprache sind schon deutlicher oder härter. Alle Darstellungen von Drogenkonsum erhalten automatisch ein Rating PG-13 oder höher. Nacktheit mit einem klaren Bezug zur Sexualität findet sich hier meist noch nicht.

PG-13 places larger responsibilities on parents for their children and moviegoing. The voluntary rating system is not a surrogate parent, nor should it be. It cannot, and should not, insert itself in family decisions that only parents can make.

Hier gibt es zwar erstmals konkrete Angaben zum Alter, aber kein damit verbundenes Verbot. In so einem Film kann man sich auch langsam als Teenager sehen lasen.

R – Restricted Under 17 Requires Accompanying Parent Or Adult Guardian. Der Film enthält Elemente, die nur Erwachsene sehen sollten. Wer unter 17 Ist, darf nur in Begleitung eines Erziehungsberechtigten hinein – aber er darf hinein.

[P]arents are counseled in advance to take this advisory rating very seriously.

Eine ähnliche Entscheidungsbefugnis für Eltern kennt die FSK seit 2003 nur in Form der Parental Guidance [PDF]. Dabei können Kinder ab sechs Jahren von ihren Eltern (formell: „personensorgeberechtigte Personen“, ausdrücklich nicht: „Erziehungsberechtigte“) in Filme mitgenommen werden, die ab zwölf Jahren freigegeben sind. In allen anderen Fällen gelten die Altersgrenzen der FSK.

NC-17 No one 17 and under admitted. Hier wird es ernst: Keine Kinder, basta. Die Kinos sind angehalten, das streng zu kontrollieren. NC-17 ist die höchste Kategorie. Da es in den USA keine Indizierung gibt und keine Zensur entsprechend StGB 131 oder gar StGB 130, umfasst sie alles ab einer gewissen Schwelle.

NC-17 does not necessarily mean obscene or pornographic; in the oft-accepted or legal meaning of those words. The Board does not and cannot mark films with those words. These are legal terms for courts to decide.

Moment, fragt sich jetzt der geneigte Leser. Was ist mit dem berühmten „X-rated“? Das ist eine alte Klassifikation, die sich die MPAA im Gegensatz zu den heutigen Einträgen nicht schützen ließ. Pornos fielen unter X, und damit begannen alle Filme mit einem X als pornographisch angesehen zu werden. Das fanden die Leute unfair, die einfach nur jede Menge sinnlose Gewalt, geisteskranke Massenmörder und eimerweise Kunstblut zeigen wollten. Die MPAA führte deswegen NC-17 ein, das geschützt ist: Nur die MPAA kann es vergeben. X-rated ist inzwischen mehr ein Werbegag, „XXX-rated“ und ähnliche Formen waren es schon immer.

Man muss seinen Film überhaupt nicht einstufen lassen. Besonders Leute, die ihr Werk nur auf DVD herausbringen wollen, scheuen die Kosten – es heißt dann unrated. Das heißt aber bei weitem nicht, dass der Film auch automatisch ein NC-17 bekommen hätte – im Gegenteil kann auch unrated als Werbegag benutzt werden („nimm‘ mich, ich bin schlimm!“), obwohl der Film eigentlich nur R oder sogar PG-13 erhalten würde.

Mit einer gewissen Vorsicht vor zu großen Verallgemeinerungen können wir bei der Einteilung kulturelle Unterschiede feststellen. Deutsche Aufpasser haben weniger Probleme, wenn Kinder mit Nacktheit und sogar Sex konfrontiert werden – Gewalt soll das große Problem sein. In den USA ist es eher umgekehrt. Es versteht sich von selbst, dass jede Seite die andere für völlig fehlgeleitet und kriminell verantwortungslos hält. Und dass Jugendliche in beiden Ländern nur mit den Augen rollen.

Im Hause Stevenson läuft es allerdings mit der Zensur im Moment eher andersherum. Kind Nummer Eins braucht am Wochenende Gesellschaft und hindert damit diesen Autor sehr effektiv daran zu erfahren, was zum Beispiel in „H6: Diario de un asesino“ (Spanisch mit englischen Untertiteln) genau passiert. Wir können daher am Ende einen wirklich guten pädagogischen Rat geben: Liebe Teenager, wenn ihr solche Filme sehen wollt, müsst ihr Kondome benutzen.

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